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Wetten, dass ...?

von

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#8

„Wir sehen aus, als hätten wir eine Gruppe Tennisspieler überfallen und uns ihre Schläger umgeschnallt.“ Er hob den rechten Fuß und wackelte mit dem Schneeschuh in der Luft herum, um seine Worte zu verdeutlichen.
 

‚“Ja, einen Schönheitspreis gewinnen wir mit den Dingern sicher nicht, aber das ist ja auch nicht unser Ziel.“
 

„Stimmt. Dein Ziel ist es einzig und allein, zu gewinnen, nicht wahr? Dann leg dich mal ins Zeug und trichtere mir diesen tollen Geist der Weihnacht ein, Mister Christmas, damit wir nicht beide umsonst hier unsere Zeit verschwenden.“

Wenn er Dies selbst erwählten Spitznamen nur oft genug aussprach, würde er bald nicht mehr einen Knoten in die Zunge bekommen, da war er sich sicher – fast. Kaoru grinste schief und wackelte mit seinen behandschuhten Fingern, als würde er Feenstaub über ihre Köpfe rieseln lassen.
 

„Und da behauptest du immer, ich wäre kindisch“, brummte Die und versuchte nicht einmal, sein Augenrollen zu verstecken. Plötzlich wirkte er verstimmt, was der Stoß gegen Kaorus Schulter, als er sich an ihm vorbeischob, noch verdeutlichte.
 

„He“, murrte er und stapfte Die hinterher. War der andere jetzt wirklich eingeschnappt? Aber warum? Etwas verunsichert starrte er auf den Rücken seines Freundes und versuchte krampfhaft, herauszufinden, ob er gerade etwas Falsches gesagt hatte. Mist, das passierte, wenn er nicht nachdachte, bevor er seinen Mund aufmachte. Ob er sich entschuldigen sollte? Nicht, dass er wirklich einen Grund dafür sah, immerhin hatte er Die weder beleidigt noch etwas getan, womit er ihn geschädigt hätte … zumindest glaubte er das. Trotzdem, allein bei dem Gedanken, Die könnte wütend auf ihn sein, sträubte sich alles in ihm.

Wie sehr er sich wünschte, nun in ihrem Studio zu sein. Wenn dort etwas schief lief oder er sich aufgrund von Stress einmal im Ton vergriffen hatte, wusste er wenigstens, wie er alles wieder geradebiegen konnte, aber hier?
 

„Was ist, alter Mann, wo bleibst du?“
 

Dies Rufen riss ihn aus seiner Gedankenspirale und verblüfft musste er feststellen, dass sein Freund mehrere Dutzend Meter vor ihm stand und augenscheinlich auf ihn wartete.

„Bist du gerannt?“
 

„Nein, aber du hattest gerade wohl einen sehr wichtigen Denkprozess am Laufen, der dich am Weitergehen gehindert hat.“
 

„Touché.“ Kaoru rieb sich über den Hinterkopf und stapfte voran, bis er aufgeholt hatte. „Kommt nicht wieder vor.“
 

„Das will ich hoffen, schließlich wolltest du mir eine faire Chance geben und gedanklich dermaßen abzudriften, ist eher kontraproduktiv. Worüber hast du nachgedacht?“ Die hakte sich bei ihm unter und bevor Kaoru diese ungewohnte Nähe in irgendeiner Form kommentieren konnte, ging sein Freund mit strammen Schritten weiter.
 

„Mir ist nur gerade eine Idee gekommen, wie wir den neuen Song so arrangiert bekommen, dass wir die Längen in der Mitte umgehen“, beantwortete er etwas verspätet Dies Frage und beglückwünschte sich dafür, dass er so überzeugend lügen konnte – schon wieder. Prompt meldete sich sein schlechtes Gewissen zu Wort, aber er ignorierte es, so gut es ging. Ehrlich mit Die zu sein und ihm auf die Nase zu binden, dass er gerade mit sich debattiert hatte, ob es angemessen war, sich zu entschuldigen, hörte sich selbst in seinen Gedanken viel zu jämmerlich an. Dann lieber eine Notlüge und Dies seltsam eingeschnapptes Verhalten schleunigst wieder vergessen. Sein Freund schien den Vorfall ohnehin nicht so ernst genommen zu haben, denn er redete munter vor sich hin und gestikulierte wild in Richtung der Kuppe.
 

„… leihen uns einen Rodel und fahren stilecht damit ins Weihnachtsdorf, wenn das nicht deine Weihnachtsgeister weckt, weiß ich auch nicht.“
 

„Rodeln?“ Eine seiner Brauen wanderte knapp bis unter den Haaransatz, während er Die von der Seite her musterte. „Wir gehen beide stramm auf die Fünfzig zu und da willst du rodeln? Wenn der Tag vorbei ist, hat mindestens einer von uns gebrochene Knochen, und ich werde das Gefühl nicht los, dass ich das sein werde.“
 

„Ach komm, Kaoru, man ist nur so alt, wie man sich fühlt. Sei kein Spielverderber.“
 

„Wenn es danach geht, bin ich dreihundertachtundzwanzig. Ich bin also kein Spielverderber, sondern nur um mein Leben besorgt. Und jetzt geh mal einen Schritt langsamer, sonst holt mich meine Lunge nie wieder ein.“
 

„Du solltest wirklich etwas Sport machen.“
 

„Bitte, verschon mich mit deinen Gesundheitspredigten.“ Kaoru schnaubte, was sich dank der Steigung mehr wie ein rachitisches Keuchen anhörte. „Früher lag mir nur Shinya damit in den Ohren, aber seit Toshiya und dich der Fitnesswahn gepackt hat, ist das echt kaum noch zu ertragen.“
 

„Unser Plan ist, dich mürbe zu machen, bis du endlich einsiehst, dass wir recht haben.“
 

„Da habt ihr schon verloren, ich habe Besseres mit meiner Zeit anzustellen, als mich in einer Muckibude zu Tode zu schwitzen.“
 

„So krass ist das gar nicht, außerdem gibt es auch andere Wege, um fit zu werden.“

Bildete Kaoru sich das nur ein, oder lag bei diesen Worten in Dies Augen besonders viel Schalk? Sein Gehirn schien das auf jeden Fall zum Anlass zu nehmen, ihm diverse Möglichkeiten aufzuzeigen, wie er auch ohne Sport mit Dies exklusiver Hilfe fitter werden konnte … Resolut drehte er sich von seinem Freund weg, zog das Tempo an und stapfte den Weg weiter hinauf. Seine Lunge fand die zusätzliche Anstrengung gar nicht komisch, aber da musste sie jetzt durch.

„Kaoru?“, hörte er Dies verwirrtes Rufen, blieb jedoch nicht stehen. Er musste wirklich damit aufhören, sich selbst zu sabotieren und die Narben seiner Seele noch weiter aufzureißen. Erst das lauter werdende Knirschen des Schnees und dann eine Berührung an seiner Schulter ließen ihn innehalten.

„Warte doch mal. Wenn du so voran sprintest, bekommst du nichts von deiner Umgebung mit.“
 

Kaoru hatte schon einen schnippischen Kommentar a la „Wow, Weiß in Weiß, welch spannende Umgebung“ auf den Lippen, schluckte ihn jedoch herunter, als er sich zu Die umdrehte. Er hätte nicht sagen können, woran es lag, dass ihm plötzlich die Luft zum Atmen fehlte. Waren es Dies Augen, die von der Kälte und ihrem Aufstieg leicht geröteten Wangen oder die zarten Schneekristalle, die sich auf seinem roten Haar niedergelassen hatten?
 

Die Zeit war ein eigenartiges Konzept. Manchmal raste sie davon und manchmal verlangsamte sie sich so sehr, dass sich eine Sekunde wie ein halbes Leben anfühlte. Gerade jedoch schien sie komplett stillzustehen, während Kaorus Hand sich ohne sein Zutun gehoben und eine vorwitzige Schneeflocke fortgewischt hatte, die sich auf Dies Braue niedergelassen hatte.
 

„Es schneit“, hörte er sich wie aus weiter Ferne sagen und sah die Zustimmung in Dies Gesicht, das ihm mit einem Mal erschreckend nahegekommen war.

Räuspernd trat er einen Schritt zurück und noch, bevor er sich für sein unpassendes Verhalten entschuldigen konnte, deutete sein Freund nach oben. Ohne nachzudenken, folgte er dem Fingerzeig und staunte nicht schlecht.

„Es schneit ja wirklich. Und da dachte ich, die hätten die Schneekanonen angeworfen.“ Über ihnen war das Glasdach an manchen Stellen geöffnet worden, um den Schnee hereinzulassen, der gerade tatsächlich vom Himmel fiel.
 

„Cool, oder?“
 

„Ja, wirklich cool.“ Kaoru lachte leise in sich hinein und fuhr sich durchs Haar. „Lass uns weitergehen, der Stand mit den Rodeln ist gleich dort vorne.“
 

„Wie jetzt, ich dachte, du hättest Angst um dein Leben?“
 

„Tja, ich bin zu dem Schluss gekommen, dass du auf meine alten Knochen wirst aufpassen müssen, wenn du eine reelle Chance haben willst, unsere Wette zu gewinnen.“
 

Kaoru hatte sich wieder in Bewegung gesetzt, aber war entweder nicht schnell genug gewesen oder Die hatte zu laut gemurmelt, denn irgendwie war er sich sicher, dass er das nicht hatte hören sollen. Seine Ohren wurden heiß und er verfluchte sich dafür, dass er seine Emotionen heute einfach nicht unter Kontrolle hatte.
 

„Ich würde viel öfter auf dich aufpassen, wenn du es nur zulassen würdest.“



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