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Wetten, dass ...?

von

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#15

„Ich wusste gar nicht, dass du kochen kannst, und dann auch noch so gut. Ich bin schwer beeindruckt.“ Die schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, doch diesmal hatte er sich mental darauf vorbereitet und konnte es erwidern, ohne dass sein Herz gleich wieder verrücktspielte.

 

„Es schmeckt dir also?“

 

„Schmecken ist gar kein Ausdruck. Ich hab noch nie so kross gebackenes und gleichzeitig so zartes Hühnchen gegessen, wie dieses hier.“

 

„Du übertreibst.“

 

„Ich neige nicht zu Übertreibungen und für inhaltloses Lob bin ich auch nicht zu haben. Das solltest du wissen.“

 

„Jetzt hör auf und iss weiter, sonst machst du mich noch ganz verlegen.“

 

„Ich finde ja, dass das Rot auf deinen Wangen sehr gut zu deiner neuen Haarfarbe passt. Autsch!“

Die hatte ihm lachend gegen die Schulter geboxt, was seiner gesunden Gesichtsfarbe jedoch keinen Abbruch getan hatte. Kaoru versteckte sein Schmunzeln hinter einem weiteren Bissen des frittierten Hühnchens und ließ es sich schwer zufrieden schmecken. Neben dem Fleisch hatte sich sein Freund, der offensichtliche Hobbykoch, die Mühe gemacht, Kartoffelspalten anzubraten, und servierte das Ganze mit einer Art Salsa und einem gemischten Salat. Ein rundum perfektes, von der japanischsten aller Weihnachtstraditionen inspiriertes Essen.

 

 Ihm waren ungelogen beinahe die Augen herausgefallen, als er vor etwas mehr als fünfzehn Minuten seine Küche betreten hatte und mit diesen Köstlichkeiten empfangen worden war. Die hatte es geschafft, den normalerweise schmucklosen und zweckmäßigen Raum in einen gemütlichen Ort zu verwandeln, in dem man auch mal mehr Zeit verbringen wollte. Die schon recht verkratzte Oberfläche seines Küchentischs war unter einer dunkelgrünen Tischdecke versteckt – Kaoru erinnerte sich gar nicht daran, so etwas wie eine Tischdecke zu besitzen – eine dicke Bienenwachskerze in Form eines Sterns stand mittig darauf und um sie herum waren Tannenzweige drapiert. Er würde behaupten, Letztere hatte Die dem Weihnachtsbaum im Wohnzimmer abspenstig gemacht, konnte diese Theorie jedoch nicht beweisen. Die Stoffjalousien waren vor das Fenster gezogen und schienen die Welt auszusperren, als hätte sie sich nur auf sie beide reduziert. Kaoru schüttelte kaum merklich den Kopf, als seine Gedanken wieder einmal mit ihm davonlaufen wollten und konzentrierte sich stattdessen wieder auf das Essen.

 

„Also“, begann er und musterte Die interessiert. „Verrätst du mir, seit wann du so gut kochen kannst?“

 

„Ich hatte während der heftigsten Phase der Pandemie viel Zeit, mir Kochsendungen und –tutorials anzusehen und einige Dinge gleich auszuprobieren. Vermutlich ist da ein bisschen was hängen geblieben.“

 

„Dann musst du ein Naturtalent sein, anders ist das nicht zu erklären.“

 

„Kaoru~!“

 

„Schon gut, schon gut, ich hör auf. Aber es schmeckt wirklich hervorragend. Danke, dass du dir so eine Mühe gemacht hast.“

 

„Ich tue alles, um zu gewinnen.“ Die grinste schief und zwinkerte ihm zu. Obwohl Kaoru wusste, dass diese Aussage zum größten Teil als Spaß gemeint war, sank sein Herz und nahm ein Stückchen seiner bis eben noch unbeschwerten Freude mit sich. Es wurde höchste Zeit, dass er sich wieder unter Kontrolle bekam. Diese Gefühlsschwankungen gingen ihm nicht nur tierisch auf die Nerven, sie zehrten auch an seiner Energie. Wie kleine Vampire, die ihn von innen heraus aussaugten.

 

„Hey, ist alles in Ordnung mit dir? Du siehst gerade so in Gedanken aus.“

 

„Wie? Ja, tut mir leid, das war ich auch.“ Kaoru winkte ab, als er, noch bevor Die den Mund geöffnet hatte, erahnen konnte, dass sein Freund nachhaken würde.

„Es war nichts Wichtiges. Gib mir bitte mal die Salsa, die habe ich noch gar nicht probiert.“

 

„Hier.“

Kaoru nahm das Schälchen entgegen und tat sich üppig auf.

„Sei nicht zu großzügig damit, ich befürchte, sie ist mir …“

Die letzten Worte gingen in einem heftigen Hustenanfall seinerseits unter, der ihm die Tränen in die Augen trieb und den Atem raubte.

 

„Scheiße Mann“, keuchte er und schnappte nach Luft. „Wie viele Chilis hast du da reingemacht?“

 

„Nur eine.“ Die sah ihn mitleidig an, konnte jedoch das verräterische Zucken seiner Mundwinkel nicht verhindern. „Ich hab nur zu spät gelesen, dass ich die Kerne und die weiße Haut hätte entfernen müssen. Darum meinte ich, du sollst nicht so viel auf einmal nehmen. Iss am besten ein paar Kartoffeln, die mildern das Brennen ab.“

Kaoru tat, wie vorgeschlagen und trank gleich noch ein ganzes Glas Weißwein hinterher.

„Besser?“

 

„Ja.“ Dies große, dunkle Augen ruhten nach wie vor auf ihm und sie hätten nicht deutlicher ausdrücken können, wie leid seinem Freund dieser kleine Fauxpas tat. Kaoru konnte nicht anders, er fuhr sich durchs Haar und ließ das Lachen frei, das mehr als jede Schärfe in seiner Kehle kitzelte.

„Du bist wirklich einmalig. Sogar ich weiß, dass man Chilis auskratzen sollte, wenn man es nicht ganz besonders scharf haben möchte.“

 

„Im Eifer des Gefechts kann man so etwas schon mal vergessen. Geht es wirklich wieder?“

 

„Ja ja, alles gut, mach dir keinen Kopf.“ Demonstrativ schnitt er sich ein Stück vom Hühnchen ab, bestrich es mit nur wenig der Salsa und schob es sich in den Mund. „Es ist wie immer, die Dosierung macht das Gift. So schmeckt es prima.“

 

„Puh, da bin ich jetzt wirklich erleichtert. Willst du noch ein Glas Wein?“

 

„Gerne.“

 

~*~

 

Satt und zufriedener als er sich in den letzten achtundvierzig Stunden gefühlt hatte, saß Kaoru einige Zeit später auf dem Sofa. Die hatte darauf bestanden, allein die Küche aufzuräumen, und selbst seine mehrmaligen und deutlichen Proteste hatten ihn nicht vom Gegenteil überzeugen können.

 

„Ich hoffe, du hast noch Platz gelassen“, erklang plötzlich Dies Stimme und keinen Augenblick später stand auf dem kleinen Sofatisch vor ihm eine Leckerei, die Kaoru sicher seit über zwanzig Jahren schon nicht mehr gegessen hatte.

„Ich bring gleich noch Tee.“

So schnell Die aufgetaucht war, war er auch wieder verschwunden und ihm blieb nichts weiter übrig, als den Weihnachtskuchen sprachlos anzustarren. Sein Freund hatte wirklich an alles gedacht – typisches Weihnachtsessen, festliche Stimmung und nun auch noch sein, wenn er ehrlich war, liebster Nachtisch überhaupt. Wer konnte schon nein zu Sahne, Erdbeeren und saftigem Kuchen sagen? Er sicher nicht.

 

„Willst du uns nicht lieber ein Stück abschneiden, statt den Kuchen nur wie eine göttliche Erscheinung anzuhimmeln?“

 

„Nee, ich muss mir erst klar darüber werden, ob ich das nur träume. Sag nicht, du bist auch noch unter die Konditoren gegangen?“

 

Die schüttelte leise lachend den Kopf.

„Das Lob kann ich nicht annehmen, der ist gekauft.“

 

„Wo hast du den bitte versteckt? Im Kühlschrank war der nicht.“

 

„Auf dem Balkon.“ Die setzte sich und goss ihnen Tee ein, bevor er nach dem Messer griff und den Kuchen anschnitt. „Ich hatte schon Sorge, du würdest die Schachtel entdecken, während du draußen beim Rauchen warst.“

 

„Dann war dein Gerede von den Pärchen, über die du dich früher lustig gemacht hast, weil sie Stunden vor der Konditorei standen …?“

 

„Nur mein eher wenig unauffälliger Versuch, herauszufinden, ob ich mich richtig daran erinnert habe, dass du ein Fan von Weihnachtskuchen bist.“

 

Kaoru schlug sich die Hand vor die Stirn und schüttelte lachend den Kopf.

„Da bin ich dir mit wehenden Fahnen in die Falle getappt.“

 

„Oh ja, das bist du.“ Die lachte und schlug ihm leicht gegen die Schulter.

 

Kaoru hätte nicht beschreiben können, wie er sich in diesem Moment fühlte. So viele Ideen, so viel Aufwand und all die Mühe, die sein Freund sich gegeben hatte … und das alles nur für ihn.

„Die?“

 

„Mh?“

 

„Ich muss dir etwas sagen.“

 

„Himmel, wenn du so anfängst, bekomme ich Zustände. Was hab ich verbrochen?“

 

Kaoru gluckste und schüttelte den Kopf.

„Nichts hast du verbrochen, aber schön, dass du gleich ans Schlimmste denkst.“

 

„Na hör mal, mit dir als Leader kann man nie wissen.“

 

„Das ist nur der Beweis, dass ich euch gut erzogen habe.“

 

„Pah!“ Die verschränkte die Arme vor der Brust, aber seine Lippen zierte ein freches Grinsen. „Jetzt rück schon raus damit, was du sagen willst, und spann mich nicht länger auf die Folter.“

 

„Ich hab verloren.“

 

„Ehm … was meinst du? Ich kann dir nicht folgen.“

 

„Ich meine unsere Wette. Ich muss zugeben, dass ich verloren habe. Du hast es tatsächlich geschafft, mir das anstrengendste, nervenaufreibendste, kräftezehrendste und dennoch schönste Weihnachten zu bereiten, das ich je in meinem Leben hatte. Du hast dir den Sieg also mehr als verdient.“

 

Die musterte ihn mit einem eigenartigen Ausdruck im Gesicht. Kaoru hätte geglaubt, der andere würde sich freuen, gewonnen zu haben, doch gerade schien es vielmehr so zu sein, als wäre das Gegenteil der Fall.

 

„Ist das deine Art mir durch die Blume zu sagen, dass ich deine Gastfreundlichkeit nun lange genug für mich beansprucht habe?“



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