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Angst vor der Liebe

Oder: Warum kann ich's dir nicht einfach sagen?
von

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Das Auge des Sturms

Hallo Leute!

Meine Güte, ist es wirklich schon lange her, dass ich hier dran weitergeschrieben habe -und es tut mir wirklich aufrichtig leid v_v;; Ich hoffe, ich habe dadurch nicht alle Leser verloren!? Schließlich geht die FF jetzt in die letzte alles-entscheidende Phase und das möchtet ihr doch sicher nicht verpassen, oder? ^.~

Und zu meiner Verteidigung: ich hatte in der letzten Zeit wirklich einiges zu tun. Ich musste aufgrund einer Krankheit die Schule vorzeitig beenden, hatte deshalb viel Stress zuhause und musste schließlich einen mehrwöchigen Aufenthalt in einer Klinik hinter mich bringen. Aber, um euch zu beruhigen: mir geht es inzwischen wesentlich besser, auch wenn ich noch immer in Behandlung bin und die Schule noch etwas warten muss.

Ich weiß, das interessiert euch vermutlich herzlich wenig, und deshalb hör' ich jetzt ja auch schon auf zu quatschen ^^;

Nur noch eins:
 

Vielen lieben Dank an:
 

1) meine Freundin Saika-Chan, die mich in dieser schweren Zeit so unterstützt hat,

2) meine Mutter, die sich wirklich alle Mühe gibt, um mir zu helfen,

3) meinen Cousin Nico und meine Freundin Swetik, die mich während meines sehr einsamen Klinikaufenthaltes besucht haben,

4) all die lieben Leser, die mir trotz der vielen verstrichenen Zeit treu geblieben sind und mir hoffentlich auch weiterhin Kommentare schreiben werden.
 

Ich wünsche euch allen viel Spaß beim Lesen!
 

Cu,

Ginger
 


 

Kapitel 24: Das Auge des Sturms
 

*~* Rays PoV *~*
 

Erst zum späten Nachmittag trete ich wieder zu Kai ins Zimmer -ich hatte mir viel Zeit im Bad gelassen, das warme Wasser der Wanne und den Duft der Pflegelotionen genossen. Ich brauchte diese Entspannung, denn ich wusste, dass, sobald ich wieder aus der kleinen Oase stiege, mich die Wirklichkeit und innere Unruhe wieder einholen würden.

Das Zimmer ist finster: weder Sonnenschein noch künstliches Licht erhellen die dunklen Schatten in den Zimmerecken -eine graue Düsternis erfüllt den Raum und lässt die Luft schwer und stickig wirken.

Du siehst dich nicht zu mir um, als ich eintrete, scheinst meine Anwesenheit nicht bemerkt zu haben. Du wirkst nachdenklich, Kai -doch woran denkst du?

"Kai?" Langsam wendest du deinen Kopf zu mir um -deine Augen sind voller Traurigkeit, scheinen die triste Dunkelheit in sich aufgesogen zu haben. Dennoch lächelst du leicht, versuchst dich zu freuen. Ich trete zu dir und lasse mich neben dir auf deinem Bett nieder. Vorsichtig beuge ich mich zu dir vor und gebe dir einen sanften Kuss auf die Wange -deine Lippen formen ein Lächeln, doch es ist traurig, deine Augen wirken plötzlich noch dunkler, noch glanzloser als zuvor, so als hätte meine leise Berührung einen tiefen Schmerz hervorbrechen lassen. Ich versuche deine Hand zu ergreifen, doch du entziehst sie mir unauffällig und wendest dich von mir ab -willst du meine Berührungen nicht spüren, mich nicht bei dir wissen? Lieber allein sein?
 

Reglos bleibe ich bei dir sitzen, nah genug, dass ich deine Wärme und du die meine spüren kannst. Ich weiß nicht, was ich tun soll, Kai, wie ich mich dir gegenüber verhalten soll. Ich sehe, spüre deinen Schmerz, doch weiß dir keine Linderung zu verschaffen -bin unfähig dir zu helfen, und zugleich gezwungen, dich mit der Wahrheit noch mehr zu verletzen. Wirst du mir verzeihen können?
 

Stumm beobachten wir die unzähligen Regentropfen, die in den unregelmäßigen Abständen der Böen prasselnd gegen die kühle Fensterscheibe schlagen. Noch immer wütet der Sturm, so als wolle er gar nicht mehr vergehen. Doch sein Zorn scheint vorüber, sein Temperament gebannt: eher lustlos fallen die Regentropfen vom grauen Himmelszelt und lassen sich vom noch immer recht starken Wind gegen Hauswände und Fenster treiben. Nur noch selten zuckt ein einzelner Blitz über den Horizont, der Donner ist schon lange nicht mehr zu hören.

"Kai? Ich muss mit dir reden.", beginne ich und kann spüren, wie du dich innerlich noch weiter von mir entfernst, dich in eine ferne Welt, weit abseits aller Probleme und Erinnerungen, sehnst, dich vor meinen Worten, deinen Gedanken, vor all dem, was bis zum heutigen Tag geschehen ist, verstecken und einfach alles vergessen willst -und glaub' mir, Kai, ich verstehe diesen Wunsch nur zu gut: auch ich würde gerne all diese furchtbaren Ereignisse vergessen können, das würden wir am liebsten alle. Doch das ist uns nicht möglich, Kai: das Geschehene ist nicht mehr zu ändern. Wir können nur versuchen, es zu einem Abschluss zu bringen, es zu akzeptieren und anzunehmen. Und genau dazu will ich dir nun verhelfen; denn um dies alles zu einem wirklichen Ende bringen zu können, musst du die volle Wahrheit kennen: du musst erfahren, warum es geschah, um es begreifen und akzeptieren zu können.
 

Du antwortest mir nicht, siehst mich nicht an -dein Blick ist weiter stur in das flimmernde Treiben des Regens gerichtet.

"Kai, ich denke es ist besser, wenn du-", versuche ich mich zu erklären, doch du unterbrichst mich mit leiser, aber seltsam ungeregter Stimme.

"Würdest du vielleicht... etwas mehr Abstand nehmen, Ray?" Dein Blick zuckt kurz zu mir herüber -er ist seltsam leer. "Es ist nichts gegen dich, aber..."

"Ist schon in Ordnung, Kai, du brauchst dich nicht zu rechtfertigen." Ich lächle dir kurz zu, versuche dir so zu zeigen, dass du die Berechtigung zu dieser Bitte hast, auch wenn ich einen leisen Schmerz im Herzen verspüre, mich abgeschoben fühle. Doch ich verstehe, dass du nach all dem, was passiert ist, etwas Abstand zu allem -einschließlich mir- brauchst -auch wenn ich selbst nur zu gerne in deiner Nähe sein würde...

Langsam erhebe ich mich und nehme auf meinem eigenen Bett Platz. Dann wage ich einen erneuten Anfang.

"Kai?", frage ich in der naiven Hoffnung, dass du mir zumindest noch einen einzigen weiteren Blick schenken würdest. Doch als ich merke, dass du mich nicht ansehen wirst, beginne ich endlich die Erklärung, die vielleicht für unser aller Zukunft entscheidend sein könnte.

"Wie du weißt, hat unser Team in der letzten Zeit viel durchstehen müssen: es kam zu Streitigkeiten und Unstimmigkeiten innerhalb der Gruppe. Deshalb glaube ich, dass, nun wo wir alle wieder auf dem Weg der Besserung sind, eine Teamaussprache unvermeidlich sein wird. Daher denke ich, ist es das beste, wenn du die volle Wahrheit über den Vorfall erfährst." Unsicher blicke ich zu dir auf, erhoffe mir eine Reaktion, ein Okay von dir, doch du regst dich nicht: völlig unbewegt starrst du nach draußen.

"Wie du sicher weißt, bin ich derjenige gewesen, der Max, nachdem er weggelaufen war, wiedergefunden hat. Du kannst dir sicher vorstellen, dass wir dabei Gelegenheit zu einem kleinen Wortwechsel hatten..." An dieser Stelle unterbreche ich mich. Wie soll ich fortfahren? Jetzt, wo ich zum eigentlichen Kern der Thematik vorgedrungen bin, verlässt mich der Mut: es gelingt mir einfach nicht, das auszusprechen, was schon vor so langer Zeit hätte gesagt, erklärt, gestanden werden müssen. Ich beginne zu stammeln, zu stottern, kann kein Wort mehr über die Lippen bringen und verstumme schließlich; mit wie zum Gebet gesenktem Haupt versuche ich mich zu sammeln, mir einem klaren Kopf zu verschaffen, doch es gelingt mir nicht.
 

"Es ist meine Schuld, nicht wahr?" Entsetzt blicke ich zu dir auf. Du siehst mich an: dein Gesicht zu einem verletzten Lächeln verzogen; Tränen stehen dir in den Augen.

"Das ist nicht wahr, Kai.", erwidere ich ernst, doch du scheinst mir keinen Glauben zu schenken.

"Er hasst mich, Ray."

"Das stimmt doch gar nicht, Kai!" Ich beginne zu zittern, habe Angst. Deine Stimme, deine Miene: du scheinst dir so sicher zu sein, dass er dich hasst, dass ich nicht weiß, ob ich dich vom Gegenteil überzeugen kann. Was wenn ich es nicht schaffe, versage?

Meine Stimme schwankt, als ich fortfahre.

"Niemand von uns hasst dich, Kai. Weder Max noch wir anderen. Wir sind... wir sind deine Freunde, Kai."

"Er hat es gesagt, Ray. Es geschrien. Er hasst mich und wird mir niemals verzeihen können, sagt er." Auch deine Stimme ist schwach, klingt gebrochen und heiser. "Aber was, Ray? Welchen meiner Fehler wird er mir nie verzeihen können?" Tränen laufen dir über die Wangen: deine Verzweiflung, die Gewissheit darüber, dass Max dich hasst, die du zu haben glaubst, ist zu groß, als dass du sie weiter verbergen könntest. Deine Frage ist nicht mehr, als ein heiseres, tränengeflutetes Wispern: "Welchen?"
 

Ich versuche, mich dir zu nähern, dich zu trösten, doch noch immer willst du mich nicht an deiner Seite spüren und weist mich zurück. Hilflos blicke ich dich an, weiß nicht, was ich sagen oder tun kann, um dir zu helfen.

Du schlägst dir die Hände vor's Gesicht, versuchst dich und deine Tränen zu verstecken; hart presst du deine geballten Fäuste gegen die geschlossenen Augenlider, tiefe Schluchzer entringen sich deiner Kehle.

"Kai, hör auf dir etwas einzureden.", meine ich schließlich, versuche dabei angestrengt all meine Überzeugung und Hoffnung in meine Worte zu legen. "Es mag ja sein, dass wir uns nicht immer blendend verstanden haben: oft waren wir anderer Meinung, haben uns selbst um Nichtigkeiten gestritten, gegenseitig angeschrien und uns Worte an den Kopf geworfen, die besser hätten unausgesprochen bleiben sollen und die meistens noch nicht einmal der Wahrheit entsprachen. Wir waren oft wütend auf- und enttäuscht voneinander. Haben uns in unserer Wut die schlimmsten Dinge gewünscht. Aber diese Wut ist doch immer wieder verraucht, oder nicht?"

Vorsichtig blickst du zu mir auf, versuchst durch den Tränenschleier hindurch die Wahrheit in meinen Augen zu erkennen.

"Irgendwann haben wir uns immer wieder zusammengerauft -manchmal vergingen nur wenige Minuten, manchmal lagen ganze Tage zwischen Streit und Versöhnung. Aber wir haben es trotzdem immer geschafft: seit über zwei Jahren sind wir jetzt schon ein Team, haben uns zusammen die Welt angesehen und gemeinsam gekämpft. Wir haben immer zusammengehalten, selbst in den größten Krisen standen wir uns gegenseitig bei, haben uns Vertrauen und Stärke gegeben. Glaubst du wirklich, dass das alles durch nur einen einzigen weiteren Streit, nach so vielen, zerbrechen könnte?"

Deine Schluchzer werden leiser, seltener und verstummen schließlich -doch noch immer perlen glasige Tränen deine Wangen hinab.

"Vielleicht wird es eine Weile brauchen, bis es zur Versöhnung kommt und die Wunden heilen; aber es wird die Zeit kommen, wo alles vergessen ist und wir endlich wieder das Team sind, zu dem wir über die Monate und Jahre hinweg geworden sind und das von der ganzen Welt gefeiert wird."

Ich erhebe mich und lasse mich vor dir auf die Knie sinken. Sanft umfasse ich deine kühlen Hände, die seit einigen Augenblicken wieder auf deinem Schoß ruhen -fragend, beinahe skeptisch siehst du zu mir hinab, dennoch versuchst du nicht, wie noch bis eben, dich mir zu entziehen.

"Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich glaube nicht, dass wir so leicht unterzukriegen sind. Uns fünf verbindet eine tiefe, starke Freundschaft, eine Verbundenheit und Zuneigung wie ich sie so zuvor noch nie empfunden habe. Wie sollte es da einem einzigen dummen Mißverständis gelingen diese Freundschaft zu zerstören?"

Verständnislos blickst du mich an, fragst mit heiserer Stimme:

"Mißverständnis?" Ich nicke.

"Ja, Kai. So furchtbar es auch sein und klingen mag, aber es... es handelt sich um ein Mißverständins." Ich atme tief durch, versuche so, neuen Mut zu schöpfen. "Es ist nicht etwa so, dass Max dich hassen würde. Es ist nur... er ist... er ist eifersüchtig, Kai. Eifersüchtig auf dich."

"Eifersüchtig?", fragst du ungläubig nach; deine Stimme und Augen füllen sich erneut mit einem Schwall an klaren Tränen. "Aber worauf denn? Was besitze ich denn, was er nicht hat?"

"Mich.", antworte ich leise, auch wenn mich diese Aussage irgendwie verlegen macht. Doch du scheinst nicht zu verstehen und so füge ich an: "Kai, Max ist... Max hat sich in mich... verliebt."
 

Es scheinen Stunden, Tage, ganze Jahre des Schweigens zu verstreichen. Dann endlich:

"Verliebt? Und deshalb-?" Du beendest deine Frage nicht, aber ich verstehe dennoch, was du wissen willst, und nicke.

"Ja, Kai. Deshalb hat er dich angegriffen. Deshalb hat er dich angeschrien. Er konnte es nicht ertragen, mich in deinen Händen zu wissen, wo er mein Herz doch selbst besitzen wollte."

"Deshalb?" Deine Stimme ertrinkt in Tränen.

"Ja, Kai. Nur deshalb. Er war verzweifelt, enttäuscht. Er wusste nicht, wohin mit seinen angestauten Gefühlen, seinem Frust. Und da hat er... hat er..." Es fällt mir schwer es auszusprechen, dennoch versuche ich, meinen Satz zu beenden. "...hat er angefangen, seine Enttäuschung in Wut umzuwandeln und hat diese... gegen dich gewandt. Er hat all seinen Liebeskummer einfach an dir ausgelassen. Das war sicher nicht richtig oder fair von ihm, schließlich wusstest du ja noch nicht einmal etwas von seinen Gefühlen und hättest so auch keine Rücksicht auf ihn nehmen können. Aber das war der Grund, Kai."

"Und... dafür hasst er mich?"

"Nein, Kai.", erwidere ich, den Kopf schüttelnd. "Nein, denn er hasst dich nicht. Wut, Verzweiflung und Enttäuschung lenkten ihn, aber kein Hass." Verständinslos blicken deine durch den Schmerz so trüb gewordenen Seelenspiegel in die meinen. "Kai, zwischen Wut und Hass gibt es einen enormen Unterschied: während Wut innerhalb weniger Zeit verrauchen kann, ist Hass von bestand; deshalb ist Wut auch leichter zu entfachen als Hass."

"Aber er hat gesagt-"

"Er hat gelogen.", unterbreche ich dich, eh du erneut Gelegenheit erlangst, dir Max' Worte ins Gedächtnis zu rufen, dich weiter in einer unbegründeten Gewissheit zu baden und dich innerlich noch mehr zu verletzen. "Nun, ,gelogen' ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck; vermutlich wusste er selber nicht genau, was er fühlte. Aber gehasst, hat er dich ganz sicher nicht: eigentlich war er nur wütend -und das vermutlich noch nicht einmal auf dich."

"Auf wen denn sonst, wenn nicht auf mich?" Erneut umschwebt ein verletztes Lächeln der Gewissheit deine Lippen.

"Auf sich selbst, zum Beispiel. Er war wütend darauf, dass er so lang gezögert hatte, mir seine Gefühle zu gestehen, war wütend, dass er einfach nicht den nötigen Mut hatte aufbringen können, sich mir anzuvertrauen. Aber vor allen Dingen, war er wohl wütend auf mich."

Fragend siehst du mich an -noch immer rollen Tränen deine geröteten Wangen hinab.

"Er war wütend, dass ich mich für dich und nicht für ihn entschieden habe. Wütend darauf, dass ich dir die Gefühle entgegenbringe, die er sich für sich selbst wünscht.", erläutere ich. "War enttäuscht von mir, verletzt. Aber er konnte seine Wut einfach nicht an mir auslassen -zumindest meinte er das, als ich ihn danach fragte." Langsam stehe ich auf und lasse mich neben dir auf dem Bett nieder -du siehst nicht zu mir auf, wehrst dich nicht, als ich dich behutsam in meine Arme schließe.
 

"Eigentlich ist dies eine Sache zwischen Max und mir -du wurdest zu Unrecht mit hineingezogen, aber das ist nun leider auch nicht mehr zu ändern. Doch ich werde versuchen, die Angelegennheit von nun an selbst mit ihm zu klären: ich werde so bald es geht mit ihm sprechen und versuchen, ihm ins Gewissen zu reden. Dann sieht er vielleicht ein, was er getan hat, und wir können einen Neuanfang wagen, was meinst du?"

Du nickst schwach, erweckst aber nicht wirklich den Anschein, als hättest du mir zugehört oder verstanden, was ich gesagt habe.

"Ray?", erklingt deine Stimme schließlich heiser.

"Ja?"

"Wärst du lieber... mit Max zusammen?"

"Nein.", antworte ich dir sanft aber bestimmt ohne auch nur den Augenblick einer Sekunde zu zögern. "Sicher, Max mag ein guter Freund von mir sein, und ich mag ihn auch -aber eben nur auf platonischer Ebene. Doch lieben, Kai, tue ich nur dich allein: schon vor langer Zeit hat sich mein Herz für dich entschieden und auch heute noch würde es sich nicht anders entscheiden, denn du, Kai, du bist der Mensch, mit dem ich zusammen sein und so viel Zeit wie nur irgendmöglich verbringen möchte."

Dein Tränenstrom verstärkt sich während meiner Worte, meiner Umarmung, als wäre der letzte Damm deiner Selbstbeherrschung nun auch gesprengt; und plötzlich, ohne jegliche Vorwarnung, drückst du dich an mich, vergräbst dein Gesicht in meinem Oberteil und beginnst hemmungslos zu schluchzen.

"Es tut mir leid.", bringst du immer wieder tränenerstickt mit wispernder Stimme hervor.

"Dir braucht nichts leid tun, Kai." Sanft streiche ich dir über den bebenden Rücken, schließe dich fester in meine Arme. "Dich trifft keine Schuld. Du hast nichts getan, wofür du dich entschuldigen oder verantworten müsstest. Nichts, hörst du?" Doch noch immer entschuldigst du dich in einem fort, einem endlosen traurigen Echo gleich; entschuldigst dich für Taten, die du nie begangen und Worte, die du nie ausgesprochen hast -solange, bis deine Tränen ein Ende finden und du erschöpft keuchend in meinen Armen zusammensinkst.
 

"Wir sollten jetzt schlafen gehen, was meinst du, Kai?" Sanft richte ich dich wieder auf, streiche dir liebevoll die Haare aus dem Gesicht und blicke dich an. Deine Wangen sind feuerrot, deine Augen blutunterlaufen und deine Lippen aufgerissen -du bist in einem erbärmlichen Zustand. Und doch scheint mir, dass es dir nach unserer Unterhaltung etwas -wenn auch nur ein klein wenig- besser zu gehen scheint: die Leere in deinen Augen ist zwar noch immer vorhanden, aber kein solch allesverschlingendes Nichts, keine solch endlose Dunkelheit mehr -ein kleiner Funke, ein schwacher Glanz scheint durch meine Worte wiedererweckt worden zu sein. Vielleicht ist es ein leiser Hoffnungsschimmer? Neu gefasster Mut? Doch wofür auch immer dieser kleine Funke stehen, was auch immer er zu bedeuten haben mag: ich werde ihn nähren, ihn mit schützender Hand bewahren -solange, bis er wieder zu der heißen lodernden Flamme geworden ist, die einst zu jeder Zeit in deinen funkelnden Augen Glut leuchtete und mich seit unserer ersten Begegnung fasziniert.
 

Du nickst schwach als Antwort, doch ich spüre, dass dich noch etwas bedrückt, dir eine Frage auf den Lippen brennt. So warte ich geduldig, bis du die Kraft und den Mut aufbringen kannst, die Worte auszusprechen, wegen denen du dir die ohnehin schon aufgeplatzte Unterlippe zerbeißt.

"Ray? Würdest... würdest du es mir übel nehmen, wenn... wenn wir diese Nacht... in... in getrennten Betten verbrächten? Ich... ich glaube, dass... dass mir ein wenig Abstand ganz gut tun würde...", fragst du mich leise und hältst deinen Blick gesenkt, als könntest du mir vor Scham wegen deiner harmlosen Bitte nicht in die Augen schauen.

"Nein, Kai, ich nehme es dir nicht übel. Wenn du dich dadurch wohler fühlst, dann habe ich nichts dagegen.", antworte ich dir leicht lächelnd, auch wenn ich deinen Wunsch nicht ganz nachvollziehen kann -ich an deiner Stelle würde dich nun unbedingt an meiner Seite, in meinen Armen spüren, mich vergewissern wollen, dass du bei mir bist. Aber ich weiß, dass wir verschieden sind: wir haben unsere eigenen Wege, denen wir folgen, unsere eigene Art mit den Dingen, die uns auf ebendiesen Wegen begegnen, zurechtzukommen. Deshalb respektiere ich deine Bitte, Kai, auch wenn ich sie nicht verstehen kann -denn ich vertraue dir und deinen Entscheidungen.
 

Behutsam helfe ich dir unter die Bettdecke, hülle deinen geschwächten Körper in ihr ein. Ich beuge ich mich zu dir vor, will dir einen Gute-Nacht-Kuss schenken, doch zögere ich, da ich fürchten muss, dadurch erneut die tiefe Dunkelheit in deinen Augen, deinem Herzen, deiner Seele hervorzurufen. Fragend blicke ich dich an: du schenkst mir ein leises Lächeln, blickst mich mit dem warmen Schimmer in deinen rubinroten Augen an, erteilst mir Erlaubnis. Sanft treffen unsere Lippen aufeinander, berühren sich zaghaft, doch auf eine solch sanfte Weise, dass ich eine angenehme Wärme durch meinen Körper rinnen spüre.

"Gute Nacht, Kai. Schlaf gut und träum was Schönes.", flüstere ich dir leise zu, als unser Kuss geendet hat -du erwiderst nichts, aber ich weiß, dass du mir innerlich dasselbe wünschst.

Schließlich habe auch ich mich umgezogen und ziehe mich in mein kühles leeres Bett zurück; dennoch brauche ich nicht lang und bin, noch immer mit dem warmen Gefühl des Kusses in der Brust und mit den Gedanken einzig bei dir, eingeschlafen.
 


 

*~* Kais PoV *~*
 

~ Zwei Stunden später ~
 

Während Ray bereits seit Stunden dem Zauber seiner eigenen kleinen Traumwelt verfallen ist, liege ich noch immer wach, kann einfach kein Auge zutun, ohne dass mir Bilder, Erinnerungen, eine Unmenge an Gedanken den Kopf überfluten. Immer wieder höre ich die Stimmen meiner Freunde, sehe ihre Blicke vor mir und versuche verzweifelt, mich ihrer zu erwehren, doch all meine Bemühungen scheinen vergebens: ich kann mich nicht ihrer Wirkung entziehen, kann sie nicht vergessen -zu tief wurde ich durch sie verletzt.
 

Wie nur, Ray? Wie soll ich die nächsten Tage überstehen? Wie soll ich mich wehren, gar kämpfen, wenn ich meine Kräfte doch mit jeder weiteren Stunde schwinden spüre?

Ich kann nicht mehr, bin am Ende angelangt; weiß weder ein noch aus. Was soll ich tun, Ray? Was kann ich tun, wo ich doch selbst zum Schlafen zu erschöpft, zu kraftlos bin?
 

Ich spüre kein Leben mehr in mir, Ray, fühle nichts mehr -selbst den tiefen Schmerz der in meiner Seele ruht, nehme ich nur noch als einen dumpfen Schatten wahr.

Ich fühle mich tot, Ray. Sogar mein Körper scheint erkaltet, ist taub und gefühllos.

Nur als du mich berührtest, als ich deine warmen Hände an meinen, deine Lippen auf meinem Mund spürte, nur in diesen kleinen Momenten, diesen winzigen Augenblicken, da glaubte ich, doch noch etwas empfinden zu können: ein warmes Gefühl, dass durch meine Adern strömte, meinem Körper wieder Leben einzuhauchen schien -doch meine erkaltete Haut stand unter Feuer, als die Wärme deines Körpers und deiner Seele auf sie überging, mein Inneres brannte unter einer nie verspürten Gluthitze und Lava schien durch meinen toten Körper zu rinnen. Alles in mir schmerzte, brannte, verglühte in einem gewaltigen Inferno, als mein Leib, vielleicht auch meine Seele, aus seiner Totenstarre erwachten; und doch war ich beruhigt, wenn auch nur für einen winzigen Augenblick. Denn ich fühlte, dass in mir doch noch etwas lebte -ein kleiner Funke scheint noch nicht erloschen. Doch wie lange noch wird er diesen Sturm überstehen? Wie lange wird es noch brauchen, bis auch er verlöscht, ertrinkt in einem Gemisch aus Blut und Tränen?
 

Langsam setze ich mich auf -den Schmerz meiner Schulterverletzung nehme ich nur als ein leises Echo in weiter Ferne wahr. Zielstrebig wandert mein Blick in deine Richtung, der es vermag, trotz der allgemeinen Finsternis im Raum dein schlummerndes Gesicht und deinen sich unter der Bettdecke abzeichnenden, ruhenden Körper zu erkennen.

Eine warme Aura geht von dir aus, Ray, wusstest du das? Wie eine Korona aus reinem goldenen Licht umhüllt sie dich, strahlt dabei eine allumfassende Geborgenheit und Ruhe aus, wie man sie sonst nur von einem Engel erwarten würde.

Oft schon sehnte ich mich nach dieser Aura, dieser Wärme, die von dir ausgeht. Aber noch nie war meine Sehnsucht nach ihr so stark, wie in dieser Zeit, dieser Nacht, diesem Augenblick.

Doch ich habe Angst, Ray. Angst vor den Schmerzen, die bei deinen Berührungen durch meine Glieder jagen und die kleine Flamme, die von meiner Seele übrigblieb, zu einer gewaltigen Feuerwalze anschwellen lassen, die mich innerlich verbrennt.
 

Wieso, Ray? Wieso kann ich es nicht genießen, deine Nähe und Wärme zu spüren, wo ich mich doch so lange danach sehnte? Warum schmerzt es mich so, von dir berührt zu werden? Habe ich vielleicht schon so lange ohne diese Zwischenmenschlichkeiten gelebt, dass ich sie nun nicht mehr ertragen kann? Ist deine Nähe für mich wie das Sonnenlicht für die Wesen der Nacht?

Oder liegt mein Schmerz in der Sorge begründet, dich bald schon nicht mehr an meiner Seite wissen, in meinen Armen spüren zu dürfen? Versucht meine Seele vielleicht auf diese Weise den so schmerzhaften Verlust erträglicher zu machen, damit sie nicht zerbricht, wenn wir uns trennen?
 

Ein Zittern durchrinnt meinen Körper, als erneut diese Todeskälte in mir aufsteigt, die entstand, als mein inneres Feuer verlosch.

Ich habe Angst, Ray. Angst vor dem, was geschehen ist, und vor dem, was kommen wird.

Habe Angst davor, mich meinen Freunden -ob ich sie wohl noch als solche bezeichnen darf?- zu stellen, mich ihren Blicken und Worten auszusetzen. Habe Angst mich für alles, was ich je tat, ihnen gegenüber zu verantworten.

Habe Angst davor, wie die Teamentscheidung wohl lauten mag -habe Angst, verstoßen zu werden.

Aber am meisten Angst, Ray, habe ich davor, dich zu verlieren...
 

Langsam lasse ich mich aus dem Bett gleiten und richte mich auf -mein Körper zittert, als ich mich dir schwankend nähere, durch die Dunkelheit hindurch deiner lichten Aura zustrebe; das Glas des Fensters, das unter den Trommelschlägen des Regens leise summt, strahlt eine unwirkliche Kälte aus, die mich erschauern lässt und den Wunsch, deine Wärme dicht bei mir zu spüren, noch verstärkt. Doch als ich schlussendlich dein Bett erreiche, keimen die Zweifel in mir auf, Angst befällt mich und lässt mich reglos an Ort und Stelle verharren. Stumm blicke ich auf dein schlafendes Antlitz hinab, wäge meine Angst vor dem heißen Schmerz und mein Verlangen nach deiner Wärme und Nähe gegeneinander ab -und fasse schließlich meine Entscheidung.
 

Der Schmerz, erweckt durch das Leben, das deine Nähe in meinem wie toten Leib wiedererweckt, ist so überwätigend, dass all meine Sinne für einen kurzen Augenblick gänzlich schwinden und ich nichts anderes als die schmerzende Hitze, die wie geschmolzenes Eisen durch meine Adern strömt, spüren kann. Und dennoch weiche ich nicht von deiner Seite, erhalte den für mich so schmerzlichen, schier unerträglichen Kontakt zu dir aufrecht. Denn eines ist mir klar geworden, Ray: du bist der Mensch, mit dem ich zusammen sein und mein Leben teilen will.

Das, Ray, ist mein größter Wunsch und vielleicht sogar der einzige, den ich noch zu haben wage: ich möchte nichts sehnlicher, als bei dir sein, selbst wenn mich der Schmerz innerlich verbrennen sollte.
 

~*~
 

*~* Rays PoV *~*
 

Es ist erst früher Morgen, als ich aus meinen Träumen erwache. Die Sonne scheint noch nicht aufgegangen zu sein, denn noch nicht einmal ein Hauch von Licht dringt durch die Vorhänge ins Zimmer; dafür jedoch ist schon jetzt das stetige Klopfen des Regens an den Scheiben deutlich wahrzunehmen -der Sturm hat sich also noch immer nicht ganz gelegt. Wann nur wird endlich wieder die Sonne scheinen?

Noch immer müde und nicht gewillt aufzubleiben wälze ich mich ein wenig umher um in eine bequemere Schlafposition zu wechseln und stoße dabei schließlich an einen warmen Widerstand an meinem Rücken. Ich blicke mich um und stelle nicht halb so erstaunt, wie man vielleicht annehmen würde, fest, dass ich nicht mehr allein in meinem Bett liege: Kai scheint sich irgendwann im Verlaufe der Nacht einsam gefühlt zu haben und so schließlich zu mir ins Bett gekrabbelt zu sein.

Vorsichtig wende ich mich zu ihm um -er liegt weit an den Bettrand gedrängt, als fürchte er sich, mich zu berühren. Sanft schlinge ich meine Arme um seinen verkrampften Körper und ziehe ihn näher an mich heran, umarme ihn behutsam und lasse meine Hand streichelnd über seinen Rücken wandern -ich kann spüren wie sein Körper zittert, kann spüren, wie sehr sein Körper über die vergangenen Nachtstunden ausgekühlt ist. Eng drücke ich ihn an mich, versuche ihn zu wärmen. Anfangs spüre ich noch eine gewisse Gegenwehr: sein Körper steht unter einer enormen Anspannung, die beinahe wie eine Barriere wirkt. Doch als meine Wärme langsam auf ihn übergeht, stelle ich erleichtert fest, dass dieser Schild nach und nach fällt, sein Körper langsam entspannt.

Ich lächle leicht, als ich ihm einen vorsichtigen Kuss auf die Stirn hauche.

"Schlaf gut, mein Kai.", flüstere ich leise, ehe ich von neuem die Augen schließe und, Kai noch immer im Arm haltend, in eine stille Traumwelt sinke.
 

~ Zwei Tage später ~
 

Es sind nun schon zwei weitere Tage vergangen, doch noch immer hat sich an unserer Situation kaum etwas geändert: die Krisenstimmung innerhalb des Teams hält weiter an und noch immer knistert die Luft vor unterdrückten Emotionen, wenn wir uns zufällig begegnen. Dies ist wohl auch der Grund, weshalb wir uns alle weitestgehend aus dem Weg zu gehen versuchen -die meiste Zeit verbringen wir in unseren jeweiligen Zimmern und verlassen diese nur, wenn es unbedingt erforderlich ist. Gesprochen wird nur wenig: selbst Kai und ich reden kaum mehr miteinander -seit unserer Aussprache vor ein paar Tagen scheint alles Wichtige gesagt und jedes weitere Wort unbedeutend, geradezu belastend für unsere Beziehung zueinander zu sein.

Kais Zustand hat sich kaum verändert: noch immer ist er sehr scheu, spricht kaum ein Wort; ständig scheint er in seinen Gedanken versunken zu sein und es ist schwer, ihn zum Essen zu bewegen. Und des Nachts, wenn der Wind einen Moment innehält und keine weiteren Regentropfen gegen die Scheibe prallen, kann ich ihn noch immer leise weinen hören...
 

Immer häufiger frage ich mich, ob Max wohl genauso unter den Vorfällen leidet wie er -seit unserer abenteuerlichen Rückankunft hier im Hotel habe ich ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen, was es mir schwer macht, seine Reaktionen und Argumente bei dem für diesen Abend angesetzten Teamgespräch abzuschätzen. Ich überlege, ob es nicht vielleicht angebracht wäre, ihn auf seinem Zimmer aufzusuchen um nach ihm zu sehen und eventuell ja sogar zu versuchen, ihm ins Gewissen zu reden, so wie ich es Kai vor kurzem erst versprochen habe.

Mein Blick wandert zu dem im Lampenlicht nur schwach leuchtenden Ziffern des kleinen Weckers: er zeigt 16.34 Uhr an -also bleiben nur noch zwei Stunden und sechsundzwanzig Minuten bis wir uns alle im Gemeinschaftszimmer der Suite versammeln und miteinander sprechen werden. Es wäre also gut möglich, dass dies die letzte Gelegenheit ist, um mit Max zuvor noch zu sprechen.
 

Leise schließe ich das Buch, in dem ich nun schon seit etwas mehr als einer Stunde zu lesen versuche, aber auf das ich mich einfach nicht konzentrieren kann -zu sehr sind meine Gedanken von den vergangenen, den gegenwärtigen und den zukünftigen Ereignissen abgelenkt. Verlassen bleibt es auf meinem Bett liegen, als ich nun in das Wohnzimmer hinaustrete. Einen Augenblick lang bleibe ich vor der verschlossenen Badezimmertür, die der unseres Schlafzimmers am nächsten ist, stehen und lausche auf das Rauschen der Dusche -trotz seiner Verletzung scheint Kai also mit der Selbstreinigung zurechtzukommen, wodurch er wohl noch eine ganze Weile im Bad bleiben wird; schließlich war er ja erst vor etwa fünf Minuten dorthin verschwunden. Zeit genug also, mit dem Blondschopf ein ernstes Wort zu wechseln.
 

Beherzten Schrittes durchquere ich das verlassene Wohnzimmer und erreiche nach nur wenigen Sekunden die eichene Tür, die zum Zimmer von Tyson und Max führt. Ich zögere einen Moment, dann klopfe ich an. Es vergeht ein Augenblick, ehe sich etwas hinter der Tür regt; dann höre ich, wie der Riegel, der die Tür verschlossen hielt, zurückgeschoben wird. Kurz darauf blicken zwei große ozeanblaue Augen in einem blassen Gesicht erstaunt durch den schmalen Türspalt zu mir auf.

"Hallo, Max.", begrüße ich ihn, doch er erwidert nichts -sieht mich nur fragend, vielleicht sogar ein wenig argwöhnisch an. "Was dagegen, wenn ich reinkomme?" Schweigend verbreitert sich der Spalt zwischen Tür und Angel und gibt für mich den Weg ins Innere des Raumes frei.

"Ist Tyson gar nicht da?", frage ich, während der blonde Halbamerikaner die Tür von neuem schließt.

"Nein, er ist unten im Fitnessraum -er sagte, er bräuchte etwas Bewegung.", erwidert dieser mit leicht heiserer Stimme. Ich nicke. Sofern also Tyson nicht plötzlich die Lust verlöre, hätte ich Zeit genug, ein paar ernste Worte mit dem Blonden auzutauschen.

"Darf ich mich setzen?" Max nickt und ich lasse mich auf dem Bett Tysons nieder -Max sich auf seinem, mir gegenüber. Einige Sekunden, vielleicht auch schon Minuten bleiben wir so sitzen -still und unbewegt.

"Max, ich-", beginne ich langsam, unsicher, wie ich das heikle Thema ansprechen soll, ohne gleich mit der Tür ins Haus zu fallen und Max auf diese Weise in eine Verteidigungsposition zu treiben.

"Es geht um Kai, richtig?", fällt mir mein Gegenüber ins Wort.

"Ja, in gewisser Weise schon...", räume ich zögerlich nickend ein.

"Wie sollte es auch anders sein..." Max' Züge formen ein verzerrtes ironisches Lächeln, sein Tonfall ist spöttisch -und doch klingt seine Stimme gebrochen, er selbst geradezu verletzt. "Schließlich geht es doch immer nur um ihn..."

"Das ist doch überhaupt nicht-", setze ich an, werde jedoch abermals unterbrochen.

"Natürlich ist das wahr! Es ging schon immer nur um ihn: selbst jetzt bist du doch nur hergekommen, um mit mir über ihn zu sprechen, oder nicht?" Verbitterung und Ernst liegen in seinen Worten.

"Max, ich bin doch nicht nur deswegen hergekommen -ich wollte auch nach dir sehen und mich erkundigen, wie es dir inzwischen geht."

"Als ob dich das interessieren würde..." Betrübt wendet mein Gegenüber das Gesicht von mir ab.

"Natürlich interessiere ich mich dafür wie es dir geht -schließlich sind wir doch noch immer Freunde." Ich seufze leise. "Maxi, ich habe das Gefühl, dass du diese Sache zwischen mir und Kai irgendwie mißverstehst."

"Was gibt es denn daran mißzuverstehen!?", fährt er mich wütend an, während stille Tränen in seinen blauen Augen glänzen.

"Mir kommt es so vor, als würdest du glauben, dass ich mich jetzt, wo ich mit Kai zusammen bin, kein bisschen mehr für dich interessieren würde -aber das ist Unsinn! Es mag sich meine Beziehung zu Kai geändert haben, aber doch nicht die zu dir -oder die zu Kenny und Tyson. Ich mag euch doch alle noch als Freunde und will euch nicht verlieren -aber genauso wenig will ich Kai verlieren."
 

Ich bin nicht sicher, ob meine Worte bei Max eine Wirkung zeigen werden oder nicht, doch ich will zumindest versuchen, ihm klar zu machen, was sein Verhalten für Konsequenzen tragen könnte, auch wenn er das sicher nicht hören will.

"Max, ich kann verstehen, dass es dich verletzt hat, als du Kai und mich zusammen gesehen hast und begreifen musstest, dass wir zueinandergefunden haben -es war sicher nicht das, was du als ,Wiederversöhnung' erwartet hast. Aber du musst es akzeptieren, auch wenn es dir sicher nicht leicht fällt."

Max zittert bei meinen Worten, ballt die Hände zu Fäusten und versucht dennoch, die Tränen, in denen seine Augen schwimmen, zurückzuhalten.

"Wie, Ray? Wie soll ich das akzeptieren? Wäre er nicht gewesen, dann-"

"-dann wäre nichts anders, Max.", falle ich ihm kopfschüttelnd ins Wort. "Das mag für dich jetzt vielleicht sehr schmerzhaft klingen, aber: auch wenn ich nicht mit Kai zusammengekommen wäre, so würde ich doch nie etwas anderes als Freundschaft für dich empfinden können."

Wie erwartet, treffen Max meine Worte sehr hart.

"Wieso nicht?" Die sich nun lösenden Tränen ersticken seine Stimme beinahe zur Gänze. "Was hat er, was ich nicht hab'?"

"Max, weder du noch ich können euch beide miteinander vergleichen -ihr seid so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Ihr habt beide eure Vorzüge und ich habe euch beide, jeden auf eine ganz eigene Art, sehr gern." Ich unterbreche mich kurz, ringe mit den Worten, da ich nicht weiß, wie ich mich ausdrücken soll. "Ich weiß selbst nicht genau, warum ich mich in Kai verliebt habe -es ist einfach passiert. Mein Herz hat es so entschieden. Und ich denke, du weißt ebenso gut wie ich, dass das Herz seinen ganz eigenen Willen hat und man nicht entscheiden kann, in wen man sich verliebt."
 

Leise erhebe ich mich, lasse mich an der Seite des kleinen Halbamerikaners nieder und lege meinen Arm um ihn, will ihn trösten -als Freund. Dieser zögert nicht lang und wirft sich mir hemmungslos schluchzend in die Arme, vergräbt sein tränennasses Gesicht in meinem Oberteil.

"Die Liebe geht ihren eigenen Weg und oft ist dieser nicht der leichteste -er kann lang und steinig sein, und oft auch in einer Sackgasse enden. Manchmal mag es uns deswegen hoffnungslos und sinnlos erscheinen, und wir wünschten, uns niemals verliebt zu haben. Aber -das glaube mir- es gibt immer einen Lichtschimmer am Horizont -du musst ihn nur finden." Sanft streiche ich ihm über dem bebenden Rücken und das blonde Haar. "Uns allen ist es schon einmal so ergangen -auch ich kenne das Gefühl der Hoffnungslosigkeit und dachte, ich könnte nie wieder glücklich sein. Aber auch das hat sich mit der Zeit gegeben. Für niemanden ist das Leben leicht -keinem fällt alles zu. Das Leben ist für jeden von uns mühsam und schwer."

"Es gibt Ausnahmen.", widerspricht Max mir in zynischer Weise mit tränenverklärter Stimme.

"Du meinst Kai, richtig?" Ich spüre wie Max leicht nickt.

"Ihm ist immer alles zugefallen. Er ist Vizeweltmeister und die größte Beybladeberühmtheit neben Tyson, der ihn wiederrum als seinen stärksten und wohl auch einzigen Rivalen sieht. Er sieht gut aus und hat seinen eigenen Fanclub -viele Mädchen reißen sich um Autogramme von ihm. Und kaum hatte Mister Dickenson ihn entdeckt, war er schon unser Teamcaptain und Trainigsleiter. Und als wäre das noch nicht genug, hat er jetzt auch noch dich bekommen." Ein heftiges Schluchzen unterbricht ihn, ehe er herausbringt: "Er hat all das, was ich mir wünsche!"

"Du hast recht, Max: Kai sieht gut aus, hat Erfolg, Ansehen und nun auch einen Partner -Dinge, die wir uns wohl alle wünschen.", stimme ich ihm zu. "Aber eines vergisst du dabei: Kai hat für all das hart gearbeitet. Er hat von kleinauf trainiert um ein solch starker Blader zu werden; und sein Ehrgeiz hat ihn schließlich zu Tysons Konkurrenten auf den Meistertitel gemacht. Er ist berühmt, weil er nie aufgegeben hat. Sein Fleiß und seine Mühen haben ihn zu dem gemacht, was er heute ist -nicht Glück oder Schicksal. Zugefallen ist ihm wirklich nichts."

Max erwidert auf meine Worte nichts, hört sie sich nur schweigend an, während ihm weitere Tränen über das Gesicht rinnen.

"Du scheinst Kais Leben als eine Ansammlung von Erfolgen zu sehen -aber auch er hat viele Rückschläge einstecken müssen. Er hat viele harte Zeiten durchgestanden und viel erlebt -positives wie negatives. Sein Leben ist nicht halb so perfekt, wie du vielleicht glaubst."
 

Ein plötzliches Klopfen an der Tür, lässt uns beide aufschrecken.

"Maxi? Ich bins', schließ die Tür auf.", ertönt Tysons Stimme von der anderen Seite des Eichenholzes.

Max richtet sich auf und wischt sich mit Unterarmen und Handballen über Augen und Wangen, um die Tränen zu beseitigen. Auch ich erhebe mich und schicke mich an den Raum zu verlassen. Doch kurz vor der Tür, die Klinke schon in der Hand, halte ich noch einmal inne.

"Auch wenn du eifersüchtig auf ihn bist, Max, solltest du nie vergessen, dass auch Kai ein Mensch ist -ein Mensch mit Gefühlen. Er mag sich zwar nicht immer tadellos verhalten, aber er hat es dennoch nicht verdient, so behandelt zu werden -vor allem nicht von einem seiner besten und einzigen Freunde. Statt ihn als einen Rivalen zu sehen, solltest du ihn vielmehr als den Freund sehen, der er für dich sein will -als einen Menschen, der nie versucht hat, dir etwas wegzunehmen, und daher nicht verstehen kann, weshalb du ihn nun bestrafst, anstatt dich, wie ein wahrer Freund, für sein neugewonnenes Glück zu freuen."
 

"Max, alles in Ordnung? Mach die Tür auf!", erklingt es von neuem vor der Tür.

"Und eines, Max, solltest du immer bedenken: wir, das Team, sind Kais neue und einzige Familie. Sollte sich das Team einst auflösen, würdest du zu deinem Vater zurückkehren, Tyson würde wieder zu bei seinem Großvater wohnen und Kyouju bei seinen Eltern. Ich würde zurück nach China, zu den White Tigers, gehen. Aber wo soll Kai bei einem Teamausschluss hin? Zu Voltaire, der es ihm bestimmt nicht dankt, dass er nicht länger für ihn hat arbeiten wollen? Zu Balkov in die Abtei, in der er zu einer Kampfmaschine gemacht werden sollte, so wie Tala es war? Wo, Max? Wo soll er hin, wenn selbst wir, seine einzigen Freunde, ihn verstoßen?" Mit diesen letzten Worten lasse ich die Tür lautlos aufgleiten und gehe schweigend an Tyson, der mich fragend mustert, vorbei -in meiner Brust die stille Hoffnung, dass Max' Einstellung zu Kai sich vielleicht ein bisschen verändert hat und das Gespräch mit ihm nicht völlig umsonst gewesen ist...
 


 

So, das war's dann erstmal. Ich hoffe, es hat gefallen? Wenn ja, aber auch wenn nicht: Kommentare sind immer erwünscht -schließlich hilft mir positive Kritik, mich stetig zu verbessern, denn ich muss noch einiges lernen.

Das nächste Kapitel wird so bald es geht begonnen. Aber aufgrund meines Zustandes und der erheblichen Schwere der Thematik des folgenden Kapitels hoffe ich auf Verständnis, dass es eine Weile dauern könnte, bis es vollendet ist.

Vielen Dank für's Lesen und bis zum nächsten Mal!
 

Cu,

Ginger



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Kommentare zu diesem Kapitel (19)
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Von: abgemeldet
2007-08-16T18:06:12+00:00 16.08.2007 20:06
also... gehts hier auch mal weiter?
Die Story ist gut, dein schreibstil auch, und ich stimme dir zu, dass das nächste Kapitel von der Thematik her schwierig ist...
aber hey, über 1 jahr, da wird man so was doch geschrieben haben können!
Von: abgemeldet
2007-04-26T15:09:40+00:00 26.04.2007 17:09
Hello,
also.... ich finde jetzt wirds aber ECHT Zeit, dass du da mal weiter machst... sollen sich deine Leser vielleicht aus dem Kellerfenster stürzen, vor lauter Verzweiflung? Willst du das?? ^-^

Jedenfalls hast du einen sehr schönen Schreibstil, sehr flüssig und gut lesbar, aber ich finde, du solltest mal ein paar Tränen weniger fliessen lassen, zumindest was Kai angeht. Schließlich hat er einen sehr starken Charakter, den du ein bisschen mehr hervorheben solltest.
Ansonsten gibts nur Positives: die Story ist gut - das mit Maxs Eifersucht ist gut nachvollziehbar geschildert. Teilweise kann man sich da so richtig schön über ihn aufregen: das Gespräch mit Ray z.B., bei dem er einfach nicht einsehen will, dass Kai nicht einfach "alles zufällt".

Ich freu mich auf viele weitere tiefsinnige Gespräche, also husch husch an die Tastatur!
Von: abgemeldet
2006-07-12T18:54:47+00:00 12.07.2006 20:54
also, was soll man bei diesen langen und ausführlichen kommis noch schreiben was nicht schon gesagt wurde?
Auf jeden Fall finde ich die ganze ff (wie auch das meiste was du geschrieben hast °schleim°) sehr gut.
Dein Stil gefällt mir, und ich hoffe es geht bald weiter.
ka_chan
Von: abgemeldet
2006-06-30T19:41:32+00:00 30.06.2006 21:41
Hey
Die Story ist total klasse und ich mag deinen Schreibstil.
Ich bin gespannt wie es nun weiter geht!!!! Wird KAi die Kriese überstehen? Werden Max und Kai sich wieder Vertragen? Wie geht die Teambesprechung aus? Kommt es zur Trennung der Bladebreakers?
Ich möchte möglichst schnell Antworten haben, sonst.... weiß ich nicht.
Schreib schön
Mei
Von:  Luinaldawen
2006-06-15T09:02:13+00:00 15.06.2006 11:02
Nya, jetzt schreibe ich dir doch einen Kommentar, auch auf die Gefahr hin, dass du wieder eingeschnappt bist.
Ich hab dieses Kapitel schon vor einer ganzen Weile gelesen, deswegen werde ich nicht auf einzelne Stellen eingehen, obwohl ich es gerne getan hätte.

Erst mal das Positive: Dein Stil ist immer noch sehr schön und flüssig, man kann sich sehr gut in die Charaktere reindenken und nachvollziehen, was sie fühlen, tun und denken.

Aber: Du scheinst zu vergessen, dass es sich hier um Jugendliche handelt.
Die Charaktere wirken viel zu erwachsen, vor allem Ray.
Bei Kai passt es noch ganz gut, er hat viel durchgemacht, da wird man nunmal schneller erwachsen.
Aber bei den anderen... sorry, aber es passt einfach nicht.
Sie sind zwar im Prinzip IC aber... Ray ist bei dir 17.
Hast du so gedacht und geredet, als du 17 warst?
Ich denke nicht.

Ich weiß, du wolltest positive Kritik haben... aber ich denke konstruktive Kritik hat noch niemanden geschadet.
Du kannst es annehmen oder auch nicht, ich überlasse es ganz dir, aber ich denke, du bist alt genug (und auch erfahren genug) um zumindest mal darüber nachzudenken.
Von:  Funkel-Sternchen
2006-04-25T19:06:57+00:00 25.04.2006 21:06
wow... ~wie immer überwäktigt ist~
Du hast sooo nen tollen Schreibstil >.< so fesselnd *am PC geklebt bin* du schreibst das irgendwie so... so gefühlvoll un, un ~nich weiß wie sagen soll~ soo.. mitreißend und fesselnd.
Schreib bald weiter, ich freu mich *-*
da Vany Ôô
Von:  Kaychi
2006-04-24T14:51:31+00:00 24.04.2006 16:51
Super! Du kannst total gut und lebendig schreiben!
Armer Kai-chan T.T
Bitte schreib bald weiter, bin schon total gespannt
wie's weiter geht!
Von: abgemeldet
2006-04-21T19:39:48+00:00 21.04.2006 21:39
heul
wie kannst du dem armen Kai nur so eine schwere Vergangenheit geben?
naja egal
ich möchte wissen wie es weitergeht also schreib bitte ganz schnell weiter und lass alle deine Fans (ich) nicht lange zappeln
bin erst jetzt fertig geworden mit lesen
aba ich hab dir ein kommi versprochen und was ich verspreche halte ich auch ein
schreib biddö schnell weiter
your SangyAngel
Von:  Takouji
2006-04-12T08:38:12+00:00 12.04.2006 10:38
hi ich hab jedes kapitel von diesem ff gelesen und eins war besser als das andere ich find den ff einfach nur cool und hoffe du schreibst bald weiter^^
Von: abgemeldet
2006-03-22T12:00:53+00:00 22.03.2006 13:00
Hi Süße ^.^

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll *drop*
Erst einmal: Dein Schreibstil ist immer noch einsame klasse und sehr mitreißend. Du verstehst es einfach dem Leser die Stimmung des Kapitels zu vermitteln und ihn so (in diesem Fall) richtig mitleiden zu lassen.
Zeitweilig muss ich gestehen, das ich Kais Auffassung von sich selber für etwas zu übertrieben negativ hielt. Vor allem seine Angst sich auf Rei *richtig* einzulassen. Aber im laufe des Kapitels versteht man es wieder... seine Angst enttäuscht zu werden und das alles noch schlimmer werden könnte, als es sowieso schon ist.
Rei gibt sich wirklich alle Mühe und er wirkt sehr erwachsen... vor allem in den Gesprächen mit Kai und Max. Das Gespräch mit letzterem hat mich selbst auch nachdenklich gemacht... das mit Kais Familie. Max sollte (so unglaublich hart das auch klingt) nicht nur an sich und seine Gefühle, sondern auch mal an Kai und Rei denken. Das mag schwer sein, wäre aber ein Schritt für ihn in die richtige Richtung.

In diesem Sinne: Weiter so!
*knuffelz*


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