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Geheimnisse

Aramis/Athos
von

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Eine aufregende Nacht

Hi an alle, die diese Geschichte lesen und mir auch fleißig so liebe Kommis schreiben! Weiter so, bitte! Ich weiß, ich habe mir mit diesem Kapitel wirklich Zeit gelassen, war zwischendurch verreist und musste schwer überlegen wie ich dieses Kapitel aufbaue. Tja, aber jetzt ist das Kapitel ja fertig und ich hoffe ihr habt alle viel Spaß beim Lesen und lasst mich dann auch wissen was ihr darüber denkt. Für die lange Wartezeit möchte ich mich noch entschuldigen!

Vorhang auf für ein neues Kapitel dieser FF!
 


 


 

An diesem Abend dachte Athos über so einiges nach, nachdem er sich in sein Zimmer zurückgezogen, seine Stiefel achtlos in eine Ecke gepfeffert und sich auf sein Bett geworfen hatte. Die Ereignisse des Abends wollten ihm nicht aus dem Kopf gehen und seltsamerweise waren es größtenteils seine eigenen Gefühle, die ihn verwirrten und nachdenklich stimmten.
 

Unterschwellig hatte er immer schon etwas für Aramis empfunden, nur war er sich nicht sicher gewesen, ob es bloß das Gefühl einer besonders engen Freundschaft oder vielleicht etwas anderes war. Ob es mehr als nur Freundschaft war. Und wenn er ehrlich war, hatte er sich selbst verboten über diese Gefühle nachzudenken.
 

Seufzend fuhr er sich durch das dunkle Haar und starrte die Decke an ohne sie wirklich zu sehen. Wenn das Ganze nur nicht so kompliziert wäre! Er hatte sie vor kurzer Zeit erst mit Phillippe scherzen, lachen und sich unterhalten sehen und es hatte ihm nicht gefallen, dass dieser Mann einen Schimmer in ihre Augen zauberte, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Sie war noch immer derselbe Mensch, doch gleichzeitig schien eine schwere Last von ihr abgefallen zu sein. Sie musste sich nicht länger hinter dem Musketier Aramis verstecken und konnte zugeben, dass sie eine Frau war.
 

Er hatte sie an diesem Abend lächeln sehen und ihm war zum wiederholten Mal die Frage in den Sinn gekommen, wie er es hatte übersehen können? Wie hatte er die Frau mit den großen, blauen Augen nicht sehen können, mit der er über Jahre hinweg gearbeitet hatte? Er musste blind gewesen sein.
 

Phillippe schien ein Auge auf sie geworfen zu haben und Athos konnte ihm dies nicht einmal verdenken. Aramis war nicht nur mit oberflächlicher Schönheit gesegnet sondern auch mit einer inneren Schönheit, die sich nur jenen Menschen zeigte, die sie näher kannten. Was ihm wirklich Sorgen machte war die Tatsache, dass Aramis nicht den geringsten Versuch unternahm die Annäherungsversuche Phillippes abzublocken.
 

Es nutzte nichts über seine Beweggründe nachdenken zu wollen. Alles war bloße Spekulation und brachte ihn kein Stück weiter. Auch wenn es ihm nicht gefiel, er musste sich selbst eingestehen, dass ihm der Gedanken, dass er Aramis an diesen Mann verlieren konnte, eiskalte Schauer über den Rücken jagte und ihn wütend zugleich machte.
 

"Du benimmst dich ja wie ein eifersüchtiger Narr.", schalt er sich in Gedanken und ertappte sich selbst dabei wie er unbewusst des Rätsels Lösung auf die Spur zu kommen schien. Athos hatte noch nie zu den Männern gehört, die sich ständig in ein hübsches Gesicht verliebten. Aber dieses Mal schien es für ihn keine Möglichkeit zu geben zu leugnen, dass er sich in Aramis verliebt hatte. Ihre blauen Augen konnten so unterschiedliche Ausdrücke annehmen. Manchmal lag Kummer in ihnen, manchmal Wut. Wenn sie wütend war, blitzten ihre Augen regelrecht und schienen Funken zu sprühen. Keine andere Frau würde sich durch einen wütenden Gefühlsausbruch die Blöße vor anderen Menschen geben oder würde auch nur die Hälfte der Wörter in den Mund nehmen, die Aramis während ihrer Laufbahn als Musketier aufgeschnappt hatte.
 

Aramis war eine durch und durch ungewöhnliche Frau, die sich schlecht mit anderen adeligen Frauen vergleichen ließ. Es war als wollte man Äpfel und Birnen vergleichen - schlicht unmöglich.
 

Die Müdigkeit, die er versucht hatte zu unterdrücken forderte ihr Recht und langsam fielen ihm die Augen zu. Einen Moment lang noch verfolgte er unzusammenhängende Gedanken bis sich sein Verstand schließlich verabschiedete.
 

***
 

Während Athos in seinem Zimmer langsam in einen tiefen Schlaf glitt, saß Aramis noch immer hellwach an dem Fenster ihres Zimmers. Die Kerze, die noch vor wenigen Sekunden gebrannt und Licht gespendet hatte, hatte sie gelöscht und saß nun in vollkommener Dunkelheit hinter der Glasscheibe und starrte in die Dunkelheit hinaus. Die Straßen waren menschenleer; nur ab und an huschte eine im Halbschatten unkenntliche Gestalt vorbei.
 

Ihre Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit angepasst, doch das machte sie nicht so nachtsichtig wie eine Katze. Ab und an hörte sie aus den anderen Zimmern des Hauses ein Geräusch. Hier wurde ein Stuhl verschoben, dort eine Tür geschlossen. In dem Zimmer neben dem ihren wurde ein Fenster geschlossen. Wie selbstverständlich lauschte sie auf die kleinsten Geräusche. Wie lange war es her, seid sie sich erlaubt hatte nicht ständig auf der Hut zu sein? Sicher, sie lauschte den Geräuschen der Nacht aber sie war nicht so angespannt wie sonst sondern hörte einfach hin und genoss es, nicht hinter jedem Geräusch einen kommenden Angriff vermuten zu müssen.
 

Soweit sie wusste, hatten nur wenige Menschen eine Ahnung von dem was sie hier taten und solange Treville sie nicht anderweitig informierte, wollte Aramis wenigstens diese eine Nacht genießen und Ruhe finden. Andererseits brachte die Ruhe sie dazu über sich selbst nachzudenken. Etwas, dass sie seid Jahren mal mehr, mal weniger erfolgreich tat. Sie wollte nicht darüber nachdenken was morgen sein würde. Wollte nicht über eine mögliche Antwort auf Phillippes Frage nachdenken.
 

Phillippe hatte sie gefragt, ob sie denn keine Träume hätte und ihr war keine passende Antwort eingefallen. Die Wahrheit war wahrscheinlich, so entschied sie, dass sie sehr wohl Träume besaß, diese aber niemals laut aussprach. Wie hätte sie ihm gestehen können, dass sie ihr Herz an Athos verloren hatte, der nicht die geringste Ahnung von ihren Gefühlen hatte und sie schlicht und einfach zu feige war um auch nur eine einzige Andeutung in diese Richtung zu machen. Zu riskant.
 

Sie wollte seine Freundschaft nicht verlieren und sie wollte nicht den abweisenden Ausdruck in seinen Augen sehen, den sie sich so oft vorstellte, der sie heimsuchte wann immer ihr Herz nahe daran war auch ihren Verstand dazu zu überreden endlich zu ihren Gefühlen zu stehen.
 

Ein Seufzer verklang ungehört in ihrem Raum und sie starrte die Umrisse ihres Bettes in der Dunkelheit an. Ihre Gedanken waren verworren heute Abend; vielleicht würde der Schlaf ihr Ruhe und Erholung bringen. Das weiche Federbett raschelte leise, als sie die Decke bis zur Nasenspitze hochzog. Sie hatte sich doch dazu entschlossen, dass Fenster einen Spalt breit offen stehen zu lassen und die kühle Nachtluft herein strömen zu lassen.
 

Das Kleid hatte sie achtlos über die Lehne eines Stuhles geworfen, die ledernen, weichen Stiefel ihrer Uniform jedoch ordentlich nebeneinander vor dem Bett platziert. Wieder drehten sich ihre Gedanken um dieselbe, alte Frage und sie wunderte sich darüber, dass sie nicht einmal einen Hauch von Müdigkeit verspürte. Mochte sie die Augen auch noch so sehr vor der Realität verschließen, sie konnte einfach nicht einschlafen. Ihre Gedanken wanderten unruhig umher; hier erinnerte sie sich an ein Lächeln, dort an die freundlichen Worte eines Fremden.
 

Es war, als würde sie vor einem Scherbenhaufen sitzen und einzelne Fragmenten des zerbrochenen Glases gegen das Licht halten.
 

Hier ein Moment, in dem sie sich auf die Zunge hatte beißen müssen, weil sie Athos beinahe alles gestanden hätte. Dann wieder Erinnerungen an Tage, an denen sie froh war, dass er ihre Gedanken nicht lesen konnte. Er hatte sie oft durchdringend gemustert, als hätte er die Antwort auf eine bestimmte Frage gesucht und gehofft sie zu finden, wenn er sie nur lange genug anstarrte.
 

Aber ihre Gesichtszüge waren unbewegt geblieben, sie hatte so getan als bemerkte sie seinen forschenden Blick nicht. Wieder und wieder hatte sie geglaubt, es müsse ihm doch endlich auffallen. Heute kam sie zu dem Schluss, dass niemand eine Frau unter den Musketieren vermutet hatte, nicht einmal Athos. Und er hatte die Frau hinter der Fassade Aramis nicht gesehen, weil er wahrscheinlich nicht einmal im Traum daran gedacht hatte, dass eine Frau so gut wie sie mit dem Degen umgehen konnte.
 

Sie warf einen Blick zum Fenster. Draußen war es dunkel, nicht einmal der Mond war zu sehen; Wolken verdeckten die meisten Sterne. Die Menschen der Stadt schienen zur Ruhe gekommen zu sein. Seid geraumer Zeit hatte sie nun keine auf dem Kopfsteinpflaster widerhallenden Schritte mehr gehört. Aber der Schlaf wollte sich einfach nicht einstellen.
 

***
 

Es kam ihm vor als hätte er erst wenige Minuten geschlafen. Draußen war es noch immer dunkel, die Wolkendecke hatte sich verdichtet und nun schlugen einzelne Regentropfen gegen das Fenster. Ein Singsang, der sonst beruhigend auf ihn wirkte, ihn heute aber eher wachsam machte. Hatte er nicht eben noch leise Schritte auf dem Gang gehört? Eine Tür, die geöffnet, aber nicht mehr geschlossen worden war. Die alten Bretter des Fußbodens, die leise Geräusche von sich gaben, wenn man über sie lief und die nur dann zu hören waren, wenn quasi alle anderen Geräusche im Haus verstummt waren?
 

Vielleicht wurde er langsam paranoid? Über diese Frage nachdenkend ließ er sich wieder zurück in die Kissen sinken.
 

Da waren diese Geräusche schon wieder! Ganz eindeutig Schritte auf dem Gang, jetzt weiter entfernt. Langsam stieg er aus dem Bett und verließ sein Zimmer, sich absichtlich langsam bewegend, um keine unnötigen Geräusche zu machen.
 

Langsam stieß er die Tür seines Zimmers auf und hoffte inständig, dass sie nicht knarren würde. Alle Lichter des Hauses schienen gelöscht zu sein; wenigstens konnte er im Korridor kein Licht sehen und auch unter den Türen sah er kein Licht hindurchscheinen. Er warf einen raschen Blick nach rechts und links, aber in der Dunkelheit schien sich niemand zu bewegen und es tanzten auch keine ungewöhnlichen Schatten über Wände und Boden.
 

Wieder begann er an seinem Gehör zu zweifeln. Vielleicht hatte er sich im Halbschlaf Dinge eingebildet, die gar nicht vorhanden waren. Es konnte sein, dass die Müdigkeit ihm einen Streich gespielt hatte, obwohl er es sehr bezweifelte.
 

Dann hörte er wieder Schritte, diesmal aus dem Eingangbereich; mit großen Schritten lief er darauf zu und dort stand wirklich jemand in der Mitte des Raumes. Eine einzige Kerze brannte und ließ eine Gestalt in bodenlangem Mantel.
 

"Keine Bewegung.", sagte er und wurde sich im gleichen Moment, als seine Hand automatisch nach seinem Degen greifen wollte, bewusst, dass er die Waffe in seinem Zimmer hatte liegen lassen. Feine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, während sich die Gestalt langsam umwandte. Eine einzelne blonde Strähne lugt vorwitzig unter der tief ins Gesicht gezogenen Kapuze hervor.
 

"Was zum...?!", setzte er an und rang zischend nach Atem, als die Kapuze zurück geschoben wurde und Aramis blasses Gesicht im Kerzenlicht erkennbar wurde. Ihre Wangenknochen sah man in diesem Augenblick deutlich, da der Mund zu einer schmalen Linie zusammengepresst war. Ein rebellisches Funkeln lag in ihren Augen, während sie ihn anstarrte.
 

"Willst du dich schon wieder davonstehlen?!", fragte Athos aufgebracht und versuchte seine Stimme nicht durch das ganze Haus hallen zu lassen. Ihm war Aramis "kleiner Ausflug" an der Küste noch lebhaft in Erinnerung und er hatte gehofft keine baldige Wiederholung erleben zu müssen. Aramis Blick verdüsterte sich mit jedem Augenblick der verging; hinter ihrer Stirn arbeitete es fieberhaft, ganz so als suchte sie nach den richtigen Worten. Als würde sie darum ringen freundliche Worte zu finden, um ihrer Meinung Luft zu machen.
 

Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder und wollte sich schon wortlos abwenden, hatte die Hand schon an der Türklinke, als Athos sie zurückrief.
 

"Hat es dir auf einmal die Sprache verschlagen? Oder kannst du dein Verhalten einfach nicht rechtfertigen?"
 

"Rechtfertigen?", fragte sie plötzlich und ein gefährliches Feuer schien in ihren Augen zu brennen, als sie sich zu ihm umwandte und ihm einen kühlen Blick schenkte. "Bist du allen Ernstes der Ansicht, dass ich mich rechtfertigen müsste, wenn ich dieses Haus für einige Stunden verlasse? Müsste sich Porthos dafür rechtfertigen, wenn er jetzt hier an meiner Stelle stünde?" Sie schnaubte verächtlich. "Müsste Aramis sich vor dir rechtfertigen, wenn ich tatsächlich ein Mann gewesen wäre?", fügte sie hinzu und konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme ein wenig schriller als sonst klang. Am liebsten hätte sie lauthals gelacht, nur fürchtete sie, er würde sie dann für vollkommen übergeschnappt halten.
 

Mit einer fahrigen Handbewegung zog sie die Kapuze wieder tief ins Gesicht und in dem Moment, in dem sie sich umwandte, erkannte er, dass sie tatsächlich wieder in die Rolle des Aramis geschlüpft war. Sie trug bürgerliche Kleidung und er hatte keine Ahnung, wo sie die herbekommen hatte. Vielleicht hatte sie sie eingetauscht, vielleicht in der Herberge, in der sie auf dem Weg hierher übernachtet hatten, mitgehen lassen. Es war ihm gleichgültig.
 

Sicher, er war aufgebracht. Über den Grund war er sich selbst nicht im Klaren. Vielleicht, weil er seid einiger Zeit in ihrer Gegenwart ständig verwirrt war, vielleicht aber auch, weil ihm noch nie eine Frau dermaßen die Stirn geboten hatte. Die Haltung, die sie eingenommen hatte, als er begonnen hatte ihr Verhalten erneut zu kritisieren hatte ihn für den Moment verstummen lassen. Sie konnte wirklich tun und lassen, was sie wollte. In unzähligen Situationen hatte sie bewiesen, dass sie auf sich selbst aufpassen konnte.
 

Ihre Hand hatte sich schon um die Klinke geschlossen und die Tür aufgerissen - heftiger, als sie es wahrscheinlich getan hätte, wenn ihr Athos nicht über den Weg gelaufen wäre - und sie trat hinaus in die Nacht, ohne ihn auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen. Bevor die Tür hinter ihr wieder krachend ins Schloss fiel, sah er nur noch den sich bauschenden Umhang.
 

Wo wollte sie zu dieser späten Stunde eigentlich noch hin?, fuhr es ihm durch den Kopf und bevor er wusste, was er tat, hatte er sich umgezogen, seinen eigenen Mantel übergeworfen und wanderte durch die leeren Straßen. Ab und an begegnete ihm jemand; wahrscheinlich jene Menschen, die sich jetzt auf den Heimweg von einer Taverne machten, während andere die Nacht durchzechten.
 

Zuerst hatte er gehofft, Aramis noch einholen zu können, aber er hatte nicht damit gerechnet, wie schnell sie sein konnte, wenn sie wütend war. Ihre Spur verfolgen zu wollen war zwecklos und so marschierte er ziellos durch die Straßen.
 

Er ging an einigen Tavernen vorüber, ohne auch nur einen Blick in ihr Inneres zu werfen, aber vor einer Schankstube in einer dunklen Seitenstraße blieb er abrupt stehen. "Les Amis" nannte sich die Spelunke und schon auf der Straße konnte man den Geruch billigen Weines und anderer alkoholischer Getränke wahrnehmen.
 

Ohne lange zu zögern betrat er die Schankstube, auch wenn er sich nicht sicher war, ob Aramis hier war. Sie konnte praktisch überall sein, aber er konnte ja wenigstens einen Blick riskieren. Suchend sah er sich um und seine Aufmerksamkeit wurde sofort auf einen Tisch gelenkt, an dem einige Männer saßen und Karten spielten. Und dort entdeckte er auch den vertrauten Blondschopf, der allem Anschein nach gerade dabei war seine Mitspieler gehörig auszunehmen.
 

Sie sah nicht einmal auf, als er sich neben den Tisch stellte und die Runde einige Zeit lang beobachtete. Ein undeutbarer Ausdruck lag auf ihrem Gesicht. Sie zeigte mit keiner Regung, dass sie sein Auftauchen auch nur wahrgenommen hatte.
 

Vielleicht ignorierte sie ihn auch absichtlich.
 

Soll sie doch eingeschnappt sein! Aber sie gewinnt mit Stil., dachte er und musterte das unbewegte Gesicht, das nicht verriet, ob sie ein gutes Blatt auf der Hand hatte oder nicht. Dunkel erinnerte ich mich an einen Abend, an dem sie gegen Porthos gewonnen hatte. Spiel um Spiel hatte sie ihn abgezockt und damit beinahe in den Wahnsinn getrieben.
 

Sie legte ihre Karten ein letztes Mal auf den Tisch, sammelte ihren Gewinn ein und erhob sich wortlos. Athos warf sie nicht einmal einen Blick zu, als sie an ihm vorbei zur Theke marschierte und sich dann mit einer gerade geöffneten Flasche Wein auf den Weg zum Ausgang machte.
 

Wie versteinert blickte er ihr einen Moment nach, bevor er sich endlich in Bewegung setzte, um ihr zu folgen. Draußen war es noch kälter geworden und es nieselte. Wahrscheinlich würde es in diesem Jahr einen frühen Winter geben; die Bäume verloren bereits die ersten Blätter und dunkle Wolken verdeckten den Sternenhimmel.
 

Aramis marschierte stur knappe zehn Schritte vor ihm durch die Straßen, scheinbar ziellos; wann immer Athos seine Schritte beschleunigte, um aufzuholen, beschleunigte auch sie ihre Schritte und der Abstand zwischen ihnen blieb konstant.
 

"Wie lange willst du mir eigentlich noch hinterher laufen?", fragte sie unerwartet; ihre Stimme klang abweisend, um einiges kühler als Athos es gewohnt war.
 

"Kommt darauf an.", gab er nichtssagend zurück und musterte ihre hochgewachsene Gestalt. Die Kapuze des Umhangs hatte sie nicht wieder ins Gesicht gezogen und ihr blonder Haarschopf wehte hinter ihr im Wind. Ihre Bewegungen waren gleichmäßig, selbst während sie sprach verlangsamten sich ihre Schritte nicht und sie behielt einen stetigen Rhythmus bei.
 

"Kommt worauf an?"
 

"Kommt darauf an, wie lange du noch so durch die Straßen hetzen willst."
 

Für einige Sekunden herrschte Stille, dann blieb sie so abrupt und unerwartet stehen, dass Athos beinahe in sie hinein gerannt wäre.
 

Sie wandte sich zu ihm um und in dem flackernden Licht einer Straßenlaterne konnte er den zornigen Schimmer auf ihrem Gesicht ausmachen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und musterte ihn eingehend. Stur wie Athos nun einmal war musterte er sie mit einem ähnlichen Gesichtsausdruck und fragte sich, worauf sie wartete.
 

"Nun?", stieß sie schließlich ungeduldig zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
 

"Nun was?"
 

Sie blinzelte nicht einmal. "Du bist mir durch die halbe Stadt nachgelaufen, also vermute ich, dass du irgendetwas von mir wolltest. Komm schon, sag, was dir auf dem Herzen liegt." Ein herausforderndes Lächeln umspielte ihre Lippen und in ihren Augen leuchtete wieder dieser seltsame Schimmer.
 

Athos überlegte angestrengt? Ja, was hatte er sich eigentlich davon versprochen, ihr einfach zu folgen? Was hatte er tun wollen, wenn er sie in dem Wirrwarr aus Gassen und Straßen tatsächlich fand? Beiläufig bemerkte er, wie sie die Weinflasche an die Lippen setzte, nur um Sekunden später zusammenzuzucken, als das Glas zu Bruch ging.
 

Sie hatte die Flasche einfach fallen gelassen und musterte den Scherbenhaufen und die rote Flüssigkeit mit leichtem Ekel. "Was haben die da reingeschüttet? Essig?", murmelte sie und schüttelte ungläubig den Kopf.
 

"Und?", fragte sie schließlich, ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn richtend. Er zog überrascht die Augenbrauen in die Höhe - hatte er etwa wirklich erwartet, dass sie ihre Frage einfach so vergessen würde?
 

Ihre Körperhaltung und der gereizte Unterton ihrer Stimme ließen ihn erkennen, dass sie auf diese Konfrontation gewartet hatte. Sie würde es heute nicht gut sein lassen. Vielleicht hatte er das Fass einfach zum Überlaufen gebracht, vielleicht wollte sie diese Spannungen zwischen ihnen ein für allemal klären und zumindest klar feststellen wo sie standen.
 

Er schwieg. Wie hätte er das, was in ihm vorging in Worte fassen sollen? Die richtigen Worte, um genau zu sein. Dass ihm das Herz in diesem Augenblick bis zum Hals schlug, schien sie nicht einmal zu bemerken.
 

"Dass ich das noch erleben darf! Athos fehlen die Worte?! Und ich hatte geglaubt, du hättest auf jede Frage eine Antwort parat."
 

"Manchmal kann ich dein Verhalten einfach nicht begreifen.", begann er, doch sie schüttelte wild den Kopf, sodass blondes Haar hin und her flog.
 

"Erzähl mir etwas, das ich noch nicht weiß, Athos. Ich verstehe mich selbst manchmal kaum. Es war alles so einfach. So viel einfacher als ich einfach nur Aramis war und niemand sonst. Als niemand auch nur den Verdacht hegte, ich könnte nicht der strahlende Musketier sein, den alle sahen!" Sie sprach immer schneller und ihr kam es so vor, als würden ihre Gedanken rasen und ihre Zunge versuchen mit ihnen mitzuhalten.
 

"Aramis und Renée sind so ineinander übergegangen, dass es für mich kein Zurück mehr gibt. Aramis ist Renée und Renée ist Aramis! Es gibt nur einen einzigen Unterschied zwischen diesen beiden Personen und das ist die Tatsache, dass ich tatsächlich eine Frau bin!"
 

"Das sehe ich.", murmelte er und hätte sich im gleichen Augenblick, als sich ihre Augen weiteten, selbst die Zunge herausreißen können.
 

"Du siehst das? Du siehst das?!" Wieder dieses Kopfschütteln und die verschiedensten Gefühlsregungen zeigten sich auf ihrem Gesicht. "Nichts siehst du und nichts hast du begriffen, Athos! Rein gar nichts!"
 

"Ich sehe jemanden, den ich für meinen Freund gehalten habe und der mich nach Strich und Faden über JAHRE hinweg belogen hat!", gab er zurück; es war ungewohnt für ihn, dass sie in einem solchen Ton mit ihm sprach und er wusste sich nicht anders zu helfen als ebenfalls die Stimme zu heben.
 

"Ich habe dich belogen und alle anderen - bis auf Treville habe ich jeden belogen. Ja, ich habe mich als Mann ausgegeben, um den Mörder meines Verlobten zu finden, aber alles andere war nicht gelogen! Verdammt, ich hatte nie vor Freunde in Paris zu finden! Aramis war niemand anderes als Renée!"
 

"Aber...", setzte er an, doch sie ließ ihn nicht ausreden.
 

"Hättest du mich und meine Beweggründe verstanden, wenn ich dir von Anfang an gesagt hätte, dass ich eine Frau bin? Hättest du dich auf mich verlassen, so wie du dich auf Aramis verlassen hast? Hättest du dicht gehalten und kein Wort darüber verloren, dass sich eine Frau als Musketier ausgab?!", stieß sie wütend hervor und starrte ihn kampflustig an.
 

Er schluckte. "Ich weiß es nicht.", gab er kleinlaut zu, auch wenn es ihm nicht passte, von ihren Fragen so in die Enge getrieben zu werden.
 

"Ich kannte niemanden in Paris, Athos. Wirklich niemanden und ich war von dem Gedanken regelrecht besessen, die Menschen, die mir alles genommen hatten, was mir wirklich wichtig war, ausfindig zu machen. Außer Treville konnte ich niemandem vertrauen, absolut niemandem und als ich dich und Porthos kennen lernte... ich wollte eure Freundschaft nicht, aber ihr habt es mir so verdammt schwer gemacht den unnahbaren Neuling zu spielen, der ich sein wollte und dann..." Sie holte merklich Luft.

"Ich hatte Angst, eure Freundschaft zu verlieren. Die Maskerade war doch geradezu perfekt."
 

Ihre Stimme verlor sich beinahe, als eine Windböe ihr langes Haar in die Luft hob.
 

"Hast du geglaubt, diese Maskerade für immer aufrecht erhalten zu können?", fragte er tonlos. Sie wich seinem Blick aus.
 

"Ich weiß es nicht; ich habe in all den Jahren nicht einmal darüber nachgedacht. Renée war für mich das Ich, das ich in der Vergangenheit zurückgelassen hatte. An dem Abend, als mein Verlobter starb, entstand Aramis und Renée verschwand, trat einfach in den Hintergrund, setzte die Maske eines jungen Mannes auf und erschien auf der Bildfläche. Aber irgendwann verliert man dann doch die Kontrolle, weil hinter der Maske trotz allem noch die junge Frau steckt!" Ihr Gesicht war aschfahl geworden, jegliche Farbe aus ihren Wangen gewichen und sie blinzelte hastig.
 

"Ich hatte nicht vor, mich jemals wieder zu verlieben. Niemals. Ich dachte sogar, ich könnte niemanden mehr so lieben, nachdem Francois..."
 

Auch Athos Gesicht hatte jegliche Farbe verloren und er spürte die Eifersucht geradezu auflodern. Also doch! Hatte sie doch ihr Herz an den Zwillingsbruder des Königs verloren! Und zum ersten Mal gestand er sich tatsächlich ein, dass er diese Frau liebte. Die Frau, die alles aufgegeben hatte, um den Tod des Mannes zu rächen, in den sie sich verliebt hatte. Seine Hände zitterten.
 

"Du weißt, wie kompliziert das die ganze Situation macht?", fragte er schließlich und biss sich auf die Zunge, um seinem Unmut nicht auf der Stelle Luft zu machen.
 

"Kompliziert? Das ist alles, was du dazu zu sagen hast?" Sie lachte hohl auf, wandte das Gesicht von ihm ab. "Mehr fällt dir dazu wirklich nicht ein?"
 

Hilflos zuckte er mit den Schultern. "Was soll ich denn noch dazu sagen?"
 

"Ich weiß nicht, was du dazu sagen sollst - aber ich warte immer noch auf eine Reaktion.", gab sie schließlich zurück und er begriff, dass sie am ganzen Körper zitterte.
 

"Na, na. So schlimm ist das nun auch wieder nicht. Wir werden schon einen Weg finden, das alles gerade zu biegen. Auch wenn man dir wirklich zu deinem Talent gratulieren muss." Er schnaubte und hätte am liebsten noch einen bissigen Kommentar angehängt, wagte es jedoch in Anbetracht ihrer Verfassung nicht. "Ausgerechnet den Zwillingsbruder des Königs..."
 

Ihr Blick, der dem seinen gekonnt ausgewichen war, huschte zu seinem Gesicht zurück und ihre blauen Augen weiteten sich. "Was hat denn Phillippe mit der ganzen Sache zu tun? Du denkst... du dachtest... ich meine..."
 

Sie zitterte immer noch wie Espenlaub.
 

"Du hast mir doch gerade zu verstehen gegeben, dass du dich in unseren jungen Prinzen verliebt hast, oder?", fragte Athos ungeduldig und seine Stimme klang für seinen Geschmack eine Spur zu weich, gerade so, als ob Tränen in seinen Augen nur darauf warten würden zu fließen. Aber diese Blöße würde er sich nicht vor ihr geben!
 

Ihr beinahe hysterisches Lachen riss ihn aus seinen Gedanken und ihr blasses Gesicht ließ ihn noch besorgter werden als er es ohnehin schon war.
 

"Ja, ich habe wahrscheinlich wirklich ein Talent für solche Sachen.", schnaubte sie und schüttelte zum unzähligsten Mal den Kopf. "Schau mich an Athos. Hier stehe ich, Renée d'Herbley und schütte dir mein Herz aus und du missverstehst alles so gründlich, dass es schon beinahe wieder komisch sein könnte, wenn ich es nicht todernst meinen würde!"
 

"Was gibt es denn da miss zu verstehen?! Du bist verliebt!", blaffte er sie an und in seinen Augen funkelte es verdächtig. Konnte sie das Thema nicht endlich ruhen lassen, wenigstens solange bis er sich wieder gefasst hatte?!
 

Sie zwang sich, langsam durch die Nase einzuatmen und zählte dabei langsam bis zehn. Langsam aber sicher kam es ihr so vor, als hätte dieser Mann nur Sägespäne im Kopf - oder Luft.

"Ja, ich habe mich verliebt - aber garantiert nicht in Phillippe!", zischte sie.
 

"Ach ja?! Wer ist denn dann der Glückliche?!"
 

"Der grobe, schwachsinnige Holzkopf, der mir ohne ersichtlichen Grund durch die halbe Stadt hinterher gelaufen ist!", schrie sie und wandte sich so ruckartig ab, dass er ihre glühend roten Wangen beinahe nicht mehr registriert hätte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von:  Kira_Lira
2011-08-11T22:36:10+00:00 12.08.2011 00:36
hola! Ihre Geschichte ist großartig, aber eines Tages werden wir das Ende dieser Geschichte wissen, bitte Terminal, erwarten wir mehr Romantik und weniger Kämpfe zwischen ihnen
Von: abgemeldet
2006-02-07T19:08:28+00:00 07.02.2006 20:08
heyho!
Die story hat sich ja noch gar nicht groß verändert... *flunsch* Schade, ich hätte mich auf ne fortsetzung gefreut^^
schick deiner muse n gruß von mir kris
Von: abgemeldet
2005-12-07T13:11:42+00:00 07.12.2005 14:11
wooooow!
Ich bin einfach super begeistert.
Die Liebeserklärung stellt alles andere in den Schatten. Einfach genial, wie du das gelöst hast. Und einfach an einer soooo spannenden stelle aufhören. *grrrrr*
also: ganz schnell weiterschreiben, bitte!!
Von:  Kanoe
2005-09-06T07:22:08+00:00 06.09.2005 09:22
*lacht* wunderbar wunderbar leider bin ich jettzt erst zum lesen gekommen
hoffentlich kommst ud bald dazu weiter zu schreiben
Von:  Tach
2005-09-04T14:56:54+00:00 04.09.2005 16:56
Herlisch =] Mehr fällt mir dazu grad gar nich ein...
Von:  fastcaranbethrem
2005-09-01T20:26:31+00:00 01.09.2005 22:26
wenn du für dieses kapitel länger gebraucht hast, damit es so wird, dann ist es gut so, weil es das beste bisher ist. mir persönlich gefallen nämlich gefühlsbeschreibungen besser, als dialoge
Von: abgemeldet
2005-09-01T20:02:27+00:00 01.09.2005 22:02
*seufz* *schmacht* Ich bin mal wieder total begeistert von deiner Ausdrucksweise....Und endlich hat sie ihm ihre Liebe gestanden(ich sag's dir,das ist besser als jeder Liebesfilm)Ich kanns gar nicht abwarten,bis du wieder ein geniales neues Kapitel schreibst,von denen hoffentlich noch gaaanz viele folgen werden :) Aber bis es soweit ist,lese ich immer wieder die Story durch und gerate ins schwärmen.
Viele liebe Grüße!

@--}----
Von: abgemeldet
2005-09-01T09:08:34+00:00 01.09.2005 11:08
Oh Wow!
Erst mal freue ich mic, dass ich den ersten Komi schreiben kann!
Und dann ein kleiner Fehler, wenn ich mich recht erinnere: Waren wir nicht schon fast im Winter und haben die Bäume nicht längst ihre Blätter verloren?

Und dann zu der Liebeserklärung: Einfach toll! Ich hätte jeden Augenblick erwartet, dass Athos Aramis an sich zieht un küsst... Aber diese Version ist auch einfach genial! Wie schwer von Begriff die Kerle doch oftmals sind!
Ich bin schon total gespannt, was Athos und Aramis als nächstes tun werden!
Also immer weiter so! Ich hoffe diese Fanfic wird nie zu ende gehen *g*.
Liebe Grüße!

Ari


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