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Totenkrähen

von

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Lebende Tote

Lebende Tote

Nacht,

Feiner Schleier benetzt die Ruhestädte der Toten.

Feiner Dunst setzt sich nieder.

Da, ein Schatten, hell, leuchtend dringt auf mich zu,

wundersam anzusehen.

Nur ein Augenblick ist mir gewährt,

dann ist es vorbei.

War es wirklich das was es zu sein schien?

Ja, ein Geist dessen Ruhe ich gestört habe!

Verzeiht! Ich bin unwürdig.

Leise verschwinde ich im Dunst des Nebels

und lasse die lebenden Toten in Frieden ruhen!!

(Minuya-chan)
 

In eine endlos scheinende Finsternis sank ich hinab. Geleitet von den Totenkrähen. Starb ich? Es war dunkel. Zu dunkel um etwas zu erkennen. Kein Vogel, keine Krähe weit und breit. Sie ware weg. Ich hörte sie nicht mehr. Kein Flügelschlagen, kein krähentypisches Krächzen mehr. Eine Melodie schien zu hören zu sein. Von weit weg. Nicht aus dieser Welt. Ich versuchte mich zu bewegen, doch für diesen Moment schien ich körperlos zu sein. War ich schon tot? Ohne Körper, ohne etwas zu sehen gefangen in der Dunkelheit? Gefangen für immer. Ein Licht! Langsam kam ein Licht auf mich zu, welches in dieser vollkommenen Dunkelheit fast schon wie ein Schatten wirkte. Langsam. Noch ein Zentimeter, ein halber. Dann berührte es mich.
 

Ich riss die Augen auf. Augen? Ich war zurück! Hände, Füße Kopf...alles war wieder da! Dann erst registrierte ich, dass auch die unheimliche Dunkelheit gewichen war. Ein Friedhof! Ich stand mitten auf einem Friedhof! Ausgerechnet jetzt, wo sie mich eh schon auf dem Kieker hatten landete ich auf einem Friedhof! Na klasse! Gerade wollte ich mich von den Gräbern abwenden, wollte gehen, als mir ein Lichtschimmer ins Auge fiel. Klein, unscheinbar hätte es auch ein Glühwürmchen sein können. Mal abgesehen davon, dass es mitten im Winter war.

Dampf, Nebel stieg auf und umschloss den Friedhof. Es wurde noch eine Spur kälter, als es ohnehin schon war. Eine seltsame Atmosphäre machte sich breit. Langsam kam das Licht näher, nahm Gestalt an, wurde zu einem Wesen, welches man nicht richtig beschreiben kann. Es schien zugleich Tier als auch Mensch, zugleich da und nicht da zu sein. Es gehörte in die Welt, aus der es mich gerettet hatte. Dessen war ich mir auf einmal sicher. Es hatte mir das Leben gerettet!

Ein Rauschen. Ein blitzschnelles Flügelschlagen. Eine Krähe! Totenkrähen greifen keine Toten an! Was wollte diese Krähe?

Entsetzt starrte ich den Vogel an. Waren sie etwa immernoch hinter mir her. Immer hinter mir. Aber sie durften mir doch nichts tun! Nicht verletzen-nur kontrollieren sagte ich. Das war doch ihr Befehl! Hatte Tori, hatte der Uralte seinen Befehl geändert?

Ein weiteres Flügelschlagen. Nun waren es schon zwei. Sie wollten vollbringen, was sie eben begonnen hatten! Fast war ich dieser Sache sicher. Sie griffen nicht an. Warum nicht? Das Warten erschien mir fast schlimmer zu sein, als hätte ich mich zur Wehr setzen müssen. Zum ersten mal sah ich sie direkt. Konnte sie ansehen ohne dass sie sofort wieder aus meinem Blickfeld verschwanden. So nahe war ich ihnen schon? Schatten schienen sie zu sein. Unscharf waren sie zu sehen. Nur ihre augen glitzerten boshaft, verschlagen. Nein, intelligent. Die Boshaftigkeit schien mit einem Schlag aus ihren Augen verschwunden zu sein. Fast als hätten sie Unmögliches entdeckt blitze es einen Moment in ihren Augen auf.

Jetzt erst wich die Furcht von mir. Jetzt erst bemerkte ich den Schnee unter meinen Füßen. Die Kälte die in mir hochkroch. Merkte, dass ich ohne Jacke und Schuhe losgerannt war. Schön waren sie. Die Boten des Todes. Die Totenkrähen. Ich lächelte. Der Lichtschimmer hinter ihnen. Mittlerweile waren es so viele dass sie ihn fast verdeckten. Fast sah man ihn nicht mehr, und doch erhellte er die Nacht.

Nein, der Befehl hatte sich nicht geändert. Es war nur etwas hinzugekommen. >Nicht sehen lassen, was nicht für einen Menschen bestimmt ist.<

Geister gehörten nicht in die Welt der Lebenden. Ich gehörte nicht in die Welt der Toten. Sie lächelten zurück. "Verschwinde", schienen sie zu sagen, "Verschwinde! Das ist nicht für deine Augen bestimmt...Mensch." Zögerlich kam das letzte Wort in meinen Gedanken an. Mensch. Ja, das war ich. Nur ein armseeliger Mensch. Nichts weiter.

Verzeiht! Ich bin unwürdig.

Langsam wandte ich mich um. Ging. Ich durfte nicht weiter stören. Es raschelte. Einige folgten mir. Doch diesmal schien es mir fast schon beruhigend sie so dicht bei mir zu wissen. Sie würden mich schützen. Sie wachten darüber, dass keiner zu früh oder zu spät mitkam. Mich würden sie noch nicht mitnehmen.

Es war noch nicht so weit. Heute würden sie mir helfen. Würden mir den Weg weisen.

Noch einmal wandte ich mich um. Sah zurück. Sah noch einmal diesen hellen Schimmer. "Danke.", ich flüsterte es nur, doch ich war sicher er würde mich hören. Der Geist der mich gerettet hatte.

Nun verließ ich den Friedhof endgültig.

Leise verschwinde ich im Dunst des Nebels

und lasse die lebenden Toten in Frieden ruhen!!

Ich lief lange bis ich wieder vor meiner Wohnung stand. Die Fotos waren mir erlaubt worden. Ich wusste es. Sie waren geprüft worden. Man hatte sie genehmigt.

Kaum angekommen wollte ich in meine Dunkelkammer gehen. Wollte weiterarbeiten. Doch alle Negative waren verschwunden. Alles was ich vorfand war ein Zettel.
 

"Wo warst du so lange? - Wir haben dich gesucht! Was denkst du dir dabei ohne Jacke und Schuhe loszulaufen und tagelang wegzubleiben?! Wir haben uns Sorgen gemacht. Ich weiß, dass du heute wiederkommst. Sie haben es mir verraten. Deine Fotos wurden genommen. Ich bringe dem Verlag die Negative.

Bis später,

Tori."

Ja, der Brief war typisch. Ich lächelte. Typisch für Tori. Er wusste vieles vorher. Immer waren sie es gewesen. Sie. Sie verrieten es ihm. Die Vögel. Er sprach mit ihnen.

Ich blickte mich um. Noch waren die Boten des Todes hier. Die Totenkrähen. Sie sahen mich an. Warteten auf meine Reaktion.

Ich nickte ihnen zu. Ich hatte verstanden.

Aber ich konnte es nicht lassen. Ich würde wieder fotographieren. Auf Friedhöfen. Ich mochte die Stimmung dort einfach. Etwas Hartes schlich sich in ihre Blicke. Mit einem mal war meine Furcht zurück. Sie entzogen sich meinem Blickfeld. Wieder nicht mehr als Schatten am Rande der Wahrnehmung.

Und doch überall.

Wie die Angst selbst. In jede Ritze gekrochen und ständig um mich.



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