Sag und Stirb
"Warum liebst du mich nicht?" Der Aufschrei lag noch immer in der Luft, drückend und leer. Mein
Atem setzte aus. Es war alles so unwirklich, es konnte einfach nicht sein. Und doch, nur einen
Meter vor mir stand sie. Die zarten Wangen erhitzt und die tiefblauen Augen voller Tränen. Tränen
von einer klaren Farbe, tiefer als der Ozean, die glitzernd und anmutig immer größer wurden und
still ihren Weg weg von den Wimpern tief hinunter suchten, bis sie mit einem stummen Schrei auf
dem Boden zerbarsten und tot liegen blieben.
Ich versuchte weg zu schauen, nicht in ihr schönes Gesicht, nicht in ihre große Augen, nein ich
wollte nie wieder etwas sehen. Dennoch konnte ich es nicht. Es ging nicht anders, sie zeriss
meinen Willen und Vernunft mit ihrem bloßem Anblick. Von Sinnen riss ich mich aus meiner
Erstarrung und da endlich war ich mit einem Satz bei ihr und drückte sie an mich.Ihre dünnen
Ärmchen schlaff hinunterhängend wehrte sie sich nicht, obwohl ich so fest zudrückte, dass sie
eigentlich hätte ersticken müssen .Doch wollte ich sie spüren, ihre Wärme mit meiner vereinen
und die Tränen trocknen, die meinetwegen nicht aufgehört hatten ihren Blick zu verschleiern. Für
immer wollte ich diesen Augenblick für mich haben, für immer! Nein nie vergehen, nie vergessen
und immer da, so sollte es sein. Doch der plötzliche Schmerz ließ mich erstarren. Mit ausholender
Hand hatte sie mich mitten ins Gesicht geschlagen. Überrascht taumelte ich zurück, erschrocken
und unfähig zu reagieren. Ihre zarte Schönheit war in bebende Wut gewandelt und zornig schlug
sie immer weiter auf mich ein. Die Augenlieder schwach hinuntergleitend konnte ich ihre plötzlich
so grobe und riesige Gestalt nur noch verschwommen wahrnehmen. "Warum... warum tust du
das?" Japsend versuchte ich mich aufzurichten, doch mit einem weiteren unerwarteten Hieb
ihrerseits sank ich stöhnend auf den Boden. Wimmernd hielt ich mir das Gesicht, das einfach nicht
aufhören wollte zu brennen. Schwarze Flecken erschienen mir vor Augen, was mir die bereits
flackernde Sicht noch verdunkelte. Wie ein blinder Hund kroch ich am Boden zuckend vor Schmerz
nieder und flehte. Flehte um Vergebung und Nachsicht. Ja, ich hatte eine Dummheit begangen.
Nun gut einen Fehler, aber machen das Menschen nun mal nicht so? " Ich liebe doch nur dich!!!"
Schreiend und bettelnd unklammerte ich ihre eiskalten Füße. " Lass uns noch mal von vorne
anfangen!" Ihr Schnauben senkte sich von oben auf mich herab und selbst der leichte warme
Hauch ihres Atems ließ mich wieder erwachen. Mit letzter Kraft raffte ich mich auf und zwang mich
mit geschwollenen Augen direkt in ihr triumphierendes Gesicht zu sehen. Flüsternde
Liebeserklärungen heuchelnd wankte ich wieder auf sie zu. "Du weißt, dass wir zusammengehören!
Du kannst es nicht leugnen!" Ihr Blick senkte sich. War das da nicht gerade Reue und Vergebung in
ihren Augen? Mit neuem Mut, das verletzte Gesicht haltend kam ich näher. "Komm schon, Baby.."
Ich konnte an ihren Armen die Gänsehaut emporkriechen sehen, die Schritt für Schritt ihren
ganzen Körper bedeckte und ihre feinen blonden Härchen zum Aufstellen zwang. Mit einer
schwachen Bewegung schickte ich mich an ihre weiche Haut zu berühren, die noch feuchten
Spuren der Tränen entlangzustreichen. Ihre Hand fuhr unsicher aber bestimmt zu der Meinen und
schlug sie abweisend weg. " Du bist zu weit gegangen !Mit..." Sie stockte. Ich wusste, was jetzt
kommen würde und dennoch hielt ich den Atem an, als ob ich nur darauf warten würde, dass es
ausgesprochen wurde. "Mit....mit mmmeiner..." Tief Luft holend und mit blitzenden Augen, fast
wie die eines Stiers, sah sie mich geradeheraus an und öffnete den Mund, um den entscheidenden
Satz auszusprechen. "SCHWESTER!!!!!!!!" Hysterisch schreiend fuhr sie herum, packte sich das auf
den Thresenliegende Küchenmesser und packte mich hart am Arm .Ihre zerzausten Haare strichen
für einen Moment über meine Wimpern. Ein Moment, indem ich mich wieder abtreiben ließ und
dem Geruch nachschweifte. Dem Geruch des Frühlings, als ich sie das erste mal traf. Ich liebte dich
wirklich. Für dich würde ich sterben, doch sagen konnte ich dir das nie. Und deine Schwester, ja
die....War eine Frau der ich nicht widerstehen konnte, das stimmt. Doch obwohl ich sündigte liebe
ich dich. Für immer. Mit glasigen Augen betrachtete ich meine Blut verschmierten Hände . Lachend
hielt ich sie ihr vors Gesicht, doch sie schwieg. Auf das Messer in ihrer Hand starrend, mit dem sie
Sekunden zuvor meine unreine Haut durchstoßen und gereinigt hatte .All das unwürdige Blut floss
nun auf den dreckigen Boden. Dunkelrot und zäh breitete es sich aus und suchte sich seine
Bahnen in der unerwarteten Freiheit. Und ich lachte. Die Augen flackernd, unfähig mich zu
bewegen, saß ich da in meinem Blut und lachte. Sie stand über mir, das vor Blut triefende Messer
immer noch in den verschmierten Händen. Und ich lachte weiter. So befreit lachte ich zum ersten
Mal in meinem ganzen, dreckigen Leben. Und doch würde es das letzte Mal sein.
Nur noch schwer konnte ich ihre Schreie hören, die als ob sie jemand mit einem Knopf abgedreht
hätte immer leiser wurden und hohl in meinem Kopf hämmerten. Noch ein letztes Mal öffnete ich
die Augen und nahm ihre Hand, die immer noch das Messer umklammert hielt. " Danke....mein
Schatz" Mit diesen letzten Worten drückte ich ihre Hand, ließ noch einmal den Blick auf dieser Welt,
die so schien es ,nur aus meinem Blut zu bestehen schien, ruhen und sank kraftlos zu Boden.
Meine Hand, die bis zum letzten Augenblick verzweifelt nach denen meines Mörders gegriffen
hatte erstarrte, wurde kalt und rutschte aus der Umklammerung direkt in das tiefe Rot meiner
selbst, blieb liegen und regte sich nie wieder.