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Was wäre wenn...

Eine was wäre wenn, Story, über Micha und Nero. Das nächste kapitel kommt bald ^^
von

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Besinnliche Weihnacht

Kapitel 15

Besinnliche Weihnacht

Am: 11.Mai 2006
 

Micha gähnte leise, als ihn ein Sonnenstrahl in der Nase kitzelte. Ihm direkt ins Gesicht schien, welches eiskalt war. Erst jetzt, obwohl er noch sehr verschlafen war, kam ihm in den Sinn, dass er gestern vergessen hatte die Fenster zu schließen. Aber er wollte im Augenblick nicht aufstehen, da er erstens Nero nicht aufwecken wollte und es zweitens viel zu kalt in der Wohnung wäre und wenn er splitternackt dort herumlaufen würde, würde er schneller krank werden, als es ihm lieb war und eine Grippe oder Erkältung konnte er jetzt nicht gebrauchen. Nicht jetzt, da er endlich bei Nero war. Außerdem würden sie zu seinen Eltern fahren, da konnte er das erst recht nicht gebrauchen.

Erst da fiel ihm ein, dass er Tenna und Erke noch gar nicht bescheid gegeben hatte. Er hatte es tatsächlich vergessen und das ausgerechnet an diesem Tag. Wie dermaßen blöd musste man sein, dachte er sich bedröppelt. Doch genau diese Einsicht verleitete ihn dann doch dazu, auf zu stehen.
 

Der junge Mann schlüpfte flott in seinen warmen Bademantel, schloss in Windeseile alle Fenster in der Wohnung und drehte die Heizung auf die höchste Stufe. Nero sollte es ja immerhin warm haben.

Micha setzte gleich noch eine Kanne Kaffee auf und hängte sich, bevor er unter die Dusche sprang, an die Strippe um seine zwei Freunde an zu rufen.

„Micha, du bist es.“ Tenna lachte am Telefon leise auf.

„Ja, oder kennst du noch einen anderen?“ Micha grinste leicht in sich hinein. „Eine Frage, haben du und Erke Weihnachten schon was vor?“, fragte er.

„Ähm, eigentlich nicht. Wir wollten und eine gemütlichen Abend machen, aber ansonsten soweit eigentlich nichts, wieso?“

„Weil ich eine Art Überraschung für Nero hab und vor allem hat meine Mom angerufen und gefragt, ob ich nicht zu ihnen in die Berge kommen wollen würde und ich habe zugesagt, aber nur unter einer Bedingung, welche war, dass ich euch mitnehmen kann. Und deshalb wollte ich fragen, ob ihr mitkommen wollt.“ Micha hatte ein wenig zu schnell für seinen Geschmack geredet, allerdings auch sehr leise, da er Nero nicht hatte aufwecken wollen.

„Hmh… ich denke, dass wir wollen, wir hätten eh nichts vorgehabt. Klar, nur wo sollen wir hin?“ Tenna kicherte leise auf. „So lange wir nicht wirklich Bergsteigen müssen.“

„Nein, ihr müsst kein Bergsteigen. Ihr kommt am besten mit dem Zug und danach bringt euch ein Bus eigentlich fast direkt vor das Haus. Vielleicht dann noch 10 Minuten zu Fuß. Aber man übersieht es eigentlich gar nicht.“ Micha versuchte den Weg so genau es geht zu erklären.

„Hm, dann kann man das ja wirklich nicht übersehen. Okay und wenn, dann rufen wir dich einfach auf dem Handy an, so einfach ist das. Wann sollen wir denn da sein?“

„Also Nero und ich fahren heute Nachmittag.“, meinte Micha leise. Linste kurz in sein Schlafzimmer, wo Nero immer noch seelenruhige zu schlafen schien.

„Heute schon, wir können spätestens morgen erst kommen. Erke muss heute noch arbeiten. Er hat leider nicht früher Urlaub bekommen. Ist es morgen recht?“ Tenna hatte leise geseufzt. Erke hatte es von ihnen allen am schwersten. Er hatte einen dummen Kotzbrocken als Chef, welcher ihm so gut wie nichts genehmigte. Erke hatte ihn fast auf Knien anflehen müssen, dass er für ein paar Tage frei bekam.

„Das ist ja kein Problem. Dann sehen wir uns morgen, oder?“ Micha hatte ein breites Lächeln auf den Lippen. Er freute sich schon so unglaublich die zwei nach vier langen Monaten endlich wieder zu sehen. Vor allem Erke. Er hoffte, dass er nicht noch dünner geworden war.

„Ja, wir sehen uns dann morgen. Hoffentlich kommen wir nicht zu spät an.“ Tenna tippte sich für einen Moment an die Unterlippe. „Ach das werden wir zwei schon hinbekommen.“ Sie grinst ein sich hinein. „Wir sehen uns.“ Und schon hatte sie aufgelegt.
 

Micha ging kurz zu Nero. Lächelte als er immer noch das friedliche Gesicht eines Schlafenden erblickte. Der junge Mann konnte nicht anders, als ihm kurz über die Wange zu streicheln, ihm einen Kuss dagegen zu hauche.

Der Kaffee war unterdessen schon durch den Filter gelaufen. Der Rothaarige schnappte sich nur flott ein paar frische Anziehsachen aus seinem Schrank und verschwand auch schon unter der Dusche.
 

„Micha?“, murmelte Nero leise auf. Gähnte und blickte sich mit kleinen Augen um. Ihm schmerzten die Glieder. Arsch, dachte er sich nur.

„Hm, was gibt es?“ Micha war eben in sein Schlafzimmer gekommen. Setzte sich frisch geduscht und angezogen neben seinen Freund und beugte sich über ihn. Musste schmunzeln, als er die zerzauste Mähne und das leichte Lächeln erblickte. Er konnte nicht anders als ihm einen sanften Kuss auf die Stirn zu hauchen. „Morgen.“, wisperte er noch sanft.

„Du bist doof…“, grummelte der Schwarzhaarige leise. Legte seine Arme um den Lilahaarigen und drückte ihn leicht an sich. „Du kannst doch nicht einfach gehen…“ Seine Augen waren noch leicht verschleiert. Glitzerten dennoch nicht weniger.

„Gehen? Oh, das tut mir leid.“, flüsterte Micha sanft. Streichelte ihm wieder über die Wange. Lächelte. „Aber die Fenster waren noch sperrangelweit offen und ich wollte nicht, dass du erfrierst, außerdem musste ich noch Tenna und Erke anrufen.“ Er schnurrte seinen Freund an. Stupste mit seiner Nasenspitze gegen Neros und kicherte. „Kaffee ich schon fertig, wenn du einen möchtest.“

„Wenn ich aufstehen kann, ist eine andere Frage.“ Nero schloss wieder seine Augen. Musste leise gähnen und kuschelte sich in die Decke und an seinen Freund gleich mit. „Wieso musstest du Erke und Tenna anrufen?“, fragte er dann wispernd. Irgendwie wollte er nicht laut reden. Es war einfach so herrlich ruhig.

„Dann bringe ich ihn dir ans Bett, wenn du magst. Wegen der Überraschung, Süßer. Aber ich glaube, dass du nicht drum herum kommst auf zu stehen.“ Wieder war es nur ein süßes Schnurren gewesen. „Sonst geht das alles ja gar nicht und ich kann dich schlecht tragen.“

„Überraschung? Ach so, die Überraschung. Was haben die zwei denn damit zu tun und wieso muss ich deshalb aufstehen?“ Nero verstand nicht ganz. Blinzelte leicht gegen das Licht und vergrub sein Gesicht an Michas Halsbeuge. Stöhne leise auf, als er versuchte seine Beine irgendwie zu bewegen. Es schmerzte doch mehr als er gedacht hatte.

„Ja, DIE Überraschung. Und du wirst schon sehen was die damit zu tun haben. Und du musst aufstehen… na ja weil du noch packen musst.“ Er hatte ihm schon den größten Tipp überhaupt gegeben. Obwohl er es eigentlich gar nicht gewollt hatte, aber was war ihm anderes übrig geblieben? Nero konnte immerhin nicht zwei Wochen in immer denselben Klamotten herumlaufen.

„Packen?“ Neros Augen wurden groß. Er zog eine Augenbraue in die Höhe und sah ziemlich ungläubig drein. „Wieso, fliegen wir zu dir?“

„Nein, wir fliegen nicht nach England, aber du musst mir jetzt einfach vertrauen, ja?“ Micha nickte fragend. Küsste ihn dann zu guter letzt noch einmal auf den Mund und erhob sich.

„Das tu ich so oder so schon.“, meinte Nero ernsthaft. Streckte sich gähnend und schlug die Decke beiseite. „Es ist immer noch eisig…“ Er fröstelte für einen Moment, huschte dann schnell unter die Dusche.
 

Micha hingegen saß in der Küche. Überlegte, ob Nero der Kimono stehen würde oder gefallen würde. Aber er fand schon, dass ihm die Farben stehen würden. Er hoffte nur, dass er nicht völlig daneben gegriffen hatte.

Nero kam Fünfzehnminuten später mit feuchten Haaren und fertig angezogen zu seinem Freund. Legte seine Arme von hinten um ihn und lächelte leicht. Drückte ihm einen kurzen Kuss auf die Wange.

„Mein Schmusekater.“ Micha schmunzelt leicht. Hob eine Hand und kraulte ihn leicht im Nacken. „Alles in Ordnung? Geht es mit deinen Beinen?“ Er war wirklich besorgt. Er hoffte, dass er es gestern nicht übertrieben hatte.

„Hm, alles in Ordnung. Zieht nur alles ein wenig, aber ansonsten.“ Nero schnurrte leise auf. „Dann müssen wir direkt noch zu mir fahren, wenn ich packen muss.“

„Ja, dann müssen wir uns aber beeilen, weil um halb zwölf unser Zug geht.“ Micha blickte auf seine Uhr und es war schon kurz vor zehn. Sie durften sich wirklich beeilen.

„Um halb zwölf schon?“ Der Schwarzhaarige hörte sich mehr als ungläubig an. „Gut, dann trink ich jetzt meinen Kaffee, und wir machen uns auf den Weg. Meine Güte, du hättest mich doch aufwecken können, dann hätten wir nicht so hetzen brauchen.“ Er zog eine kleine Schnute und holte sich eine Tasse aus einem der Schränke.

„Du hast so friedlich geschlafen, außerdem sahst du so niedlich aus. Und ich wollte dich nach SO einer Nacht, nicht schon so früh aus den Federn holen.“ Micha lächelte ihn warm an. Nippte an seinem Kaffee und streckte sich leicht auf dem Stuhl.

Nero sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Lachte dann leise und schüttelte nur den Kopf.

„Ich sehe beim schlafen doch nicht niedlich aus.“ Er winkte ab. Setzte sich neben ihn und kicherte leicht. „Und du hättest mich schon wecken können, ich mein… damals bin ich auch um sechs aufgestanden um zur Schule zu fahren.“ Nero zuckte nur die Schultern.

„Doch, du siehst aus wie Zucker, wenn du schläfst. Und es ist nicht mehr ´damals´ sondern heute. Und heute ist es um einiges anders als ´damals´, okay? Ich lasse dich so lange schlafen wie du willst. Außerdem hast du doch frei, wieso also hätte ich großartig Panik machen sollen.“ Micha lächelte immer noch. Erhob sich dann langsam, stellte seine leere Tasse in die Spüle.

Nero sagte daraufhin nichts mehr. Trank weiterhin das schwarze Heißgetränk und schloss dann leicht die Augen, als er die Arme seines Freundes um sich spürte.

„Mach dir keine Gedanken darüber, ja?“ Micha küsste ihn noch einmal kurz auf die Wange. Ließ ihn dann langsam los und ging in den Gang hinaus, um sich fertig anzuziehen.

„Werde es versuchen.“ Nero gähnte abermals leise auf. Spülte seine Tasse mit kaltem Wasser aus und kam dann zu seinem Schatz. „Was soll ich eigentlich alles einpacken?“, fragte er, während er in seine Boots und seinen Mantel schlüpfte.

„Tja, ich würde sagen etwas Wintertaugliches. Obwohl es dort eigentlich angenehm warm ist.“ Micha überlegte und dachte an den schönen Kachelofen, der im Wohnzimmer stand und fast die gesamte Hütte mit Wärme versorgte.

„Warm, wintertauglich? Ja was denn jetzt?“ Nero sah ihn mit fragenden Augen an. Schüttelte dann leicht den Kopf. „Ich packe einfach irgendetwas ein, wenn es zu dünn ist, schichte ich und wenn das nicht reicht, müssen wir uns etwas einfallen lassen.“ Er zwinkerte kurz.

„Ich wüsste auch schon etwas.“ Der Lilahaarige grinste anzüglich, nahm Neros Hand, schulterte seine Tasche und schloss hinter sich die Wohnungstüre zu.

„Ich kann es mir fast denken.“ Nero lachte leise auf.
 

Es dauerte eine gute Stunde, bis die beiden, mit ihren Reisetaschen über den Schultern, am Hauptbahnhof angekommen waren. Micha führte seinen Freund gemächlich auf das Gleis, auf dem ihr Zug abfahren würde.

„Micha, wo genau bringst du mich eigentlich hin?“ Nero war ein wenig unsicher. Er fuhr nicht oft mit dem Zug und wenn, dann nur eine gewisse Strecke und zwar nach Leipzig und wieder zurück.

„Das ist eine Überraschung, aber ich hoffe du hast Geduld mitgebracht, denn das wird eine dementsprechend lange Fahrt.“ Er grinste. Stieg dann in den ICE ein und suchte nach den reservierten Plätzen.

„Geduld… wie lange fahren wir denn?“ Nero hatte ein wenig Bammel. Er konnte nicht lange ruhig sitzen. Und er hatte nicht dafür gesorgt, etwas zur Ablenkung mit zu nehmen.

„Wie lange? Och ja… länger als nach Leipzig auf jeden Fall.“ Micha grinste. Hievte seine Tasche auf die dafür vorgesehenen Ablagen und machte das gleiche noch mit Neros. „Wir können ja einen Kaffee trinken gehen.“ Er grinste einfach nur weiter. Micha hoffte, dass es Nero dort gefallen würde. Vor allem es war ruhig. Kein Verkehr, kein Lärm. Perfekt um zu entspannen.
 

//Am Abend//
 

Die Zug- und Busfahrt hatten die beiden gut überstanden. Nero war nicht vor Langeweile gestorben, aber Micha hielt es langsam nicht mehr aus. Er wollte Nero endlich sagen wo es hinging, doch dann würde die Überraschung kaputt sein und das wollte er nicht.

Nun mussten sie nur noch den kurzen Fußmarsch hinter sich bringen und dann würden zwei wunderschöne Wochen anbrechen, die Micha und Nero lange im Gedächtnis bleiben würden, da war sich der Lilahaarige mehr als sicher.
 

Ein kleines einstöckiges, hölzernes Häuschen tauchte irgendwann zwischen den riesigen Schneehügeln auf. Wie ein Hexenhäuschen stand es da. Aus dem Schornstein stieg Rauch in den Wolken verhangenen Himmel empor. Als würde tatsächlich eine Hexe einen ihrer Zaubertränke brauen.

Micha fand es hier einfach herrlich, im Winter sowie im Sommer. Allerdings sah es im Winter um einiges schöner aus.

Die Berge rundherum, von denen jeden Augenblick eine alls zerstörende Lawine abgehen könnte, sie aber seit ihres Hausbesitzes damit verschont hatte. Die Tannen, deren lange, grüne Arme, schwer wegen des Schnees, bis kurz unter den Boden hingen. Wie die weiße, verführerische Decke von den Zweigen auf den Grund stürzte, als wolle sie sich selbst den Tod bringen. Auch die unendlichen weiten Felder, welche ebenfalls von kleinen Diamanten besetzt wurde. Weiß schimmerte. Wie eine weiße Wüste und die Berge wären die fast unüberwindlichen Sanddünen.

Der junge Mann könnte jedes Mal wieder ins Schwärmen geraten. Und er hatte es im Gefühl, dass es Nero ebenfalls gefallen würde. Nur er hatte etwas an dem Ganzen hier auszusetzen. Es gab keine Laternen, sprich, der Weg war vollkommen Dunkel und man musste stark aufpassen, dass man nicht ins Straucheln kam.
 

Micha stoppte kurz vor der Hütte. Der Weg zum Eingang war freigeschaufelt worden. Er zog Nero in seine Arme und küsste ihn leicht. Sein Herz raste. Ob es wegen dem kleinen Anteil Angst oder wegen der Freude war, seine Eltern wieder zu sehen, konnte er nicht sagen. Es war schon irgendwie komisch, dass er etwas Angst davor hatte, seine Eltern wieder zu sehen. Sie würden ihn ja kaum anschreien, oder Sonstiges machen. Schon gar nicht, da ihn seine Mutter selbst gebeten hatte zu kommen. Oder eher eingeladen hatte.

„Wollen wir?“ Nero sah Micha abwartend an. Legte einen Arm um seine Taille, während er ihn aufmunternd anlächelte.

„Ja, gehen wir.“ Der Lilahaarige seufzte leise auf. Nahm Neros Hand und ging dann langsam auf die hölzerne Türe zu. Zögerte einen Augenblick und klingelte dann.

Von drinnen drang ein helles, freundliches ´Ich komme schon´ und keinen Moment später wurde die Türe nach innen geöffnet. Eine Frau von zirka 50 Jahren rauchte im Türrahmen auf. Sie hatte langes, silberweißes Haar, welches zu einem hüftlangem Pferdeschwanz zusammengebunden war. Aufmerksame, eisblaue Augen sahen die beiden prüfend an, bevor sich ein breites Lächeln auf ihren Lippen ausbreitete.

„Michael, schön Sie zu sehen.“ Sie öffnete die Türe vollends und ließ sie ein.

„Hallo Helena.“ Micha lächelte ebenfalls, trat mit Nero im Schlepptau in die warme Diele des Hauses. Er nahm ihre Haushälterin liebevoll in den Arm und ihn durchflutete sogleich wieder dieses unglaubliche Gefühl vollster Geborgenheit. Das war eben sein Elternhaus.

Die dünnen Arme Helenas lagen ebenfalls leicht um Michas Rücken. Der junge Mann sah sie für einen Moment an und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„ich glaube, dir kann endlich jemand das Wasser reichen, was deine Haarlänge angeht.“ Er schmunzelte. Zog Nero wieder, mit einem Arm um dessen Hüfte zu sich.

„Oh… tatsächlich.“ Helena blickte Nero ein wenig neugierig an. Lächelte, als sie seine offenen, hüftlangen, rabenschwarzen Haare erkannte.

„Ich glaube mein Anstand lässt zu wünschen übrig.“ Der Lilahaarige schüttelte über sein Verhalten den Kopf. „Helena, das ist Nero.“, stellte er seinen Freund der Frau vor, welche ihm weiterhin lächelnd die Hand gab und für eine etwas ältere Frau noch einen ziemlich starken Händedruck hatte.

„Die Herrschaften erwarten Sie bereits. Kommen Sie. Ihre Sachen werden auf Ihre Zimmer gebracht.“ Die Grauhaarige führte Micha und Nero, die noch kurz ihre Schuhe und Mäntel ausgezogen hatten, durch die Eingangshalle in eine schöne, im Landhausstil eingerichtete Stube. Direkt neben der Türe stand der alte Kachelofen. Seine Eltern hatten ihn damals nicht aus dem haus werfen wollen, da er ziemlich geld- und energiesparend war. Ein, wie es schien, unglaublich kuscheliges, holzbraunes Sofa mit vielen, flauschigen Kissen, stand in einigem Abstand davor. Es war ein heller, freundlicher Raum, in dem man sich gerne aufhielt.

Der Couchtisch war hauptsächlich aus Holz, mit eingelassenen Fließen.

„Überraschung.“ Micha grinste seinen Freund einfach nur an, während aus einem Nebenraum eine Frau mit kastanienbraunen Haaren und ein Mann mit stoppeligen, grauen Haaren kamen. „Mom, Paps.“ Der Lilahaarige wurde von seinen Eltern mehr als nur herzlich empfangen. „Es ist herrlich wieder hier zu sein.“, meinte er, während er beide einmal umarmte. Seine Mutter hatte sogar eine kleine Träne im Auge.

„Michael, schön dich wieder zu sehen.“ Die Erwachsenen lächelten. „Eine neue Frisur. So plötzlich so kurze Haare.“ Sie musterte ihn aufmerksam. „Es steht dir ausgezeichnet.“

„Danke. Ach ja, ich hatte doch erwähnt, dass ich noch wen mitbringe, du erinnerst dich?“ Micha grinste Nero wieder an. Sein Herz schlug weit oben in seinem Hals. Er hatte wirklich ein wenig Angst und er war mehr als gespannt, was seine Eltern zu Nero sagen würden. Immerhin kannten sie ihn noch nicht. „Das ist Nero…“ Er stockte für einen Moment. „Mein Freund.“ Er nahm wieder Neros Hand. Merkte sehr deutlich wie diese zitterte. Der junge Mann versuchte die Reaktion seiner Eltern voraus zu sehen, doch er konnte es einfach nicht. Er rechnete mit allem. Mit einem Rüffel oder sonstigem.

„Ja, ja natürlich erinnere ich mich.“ Frau van Steiler überlegte einen Moment. Lächelte dann freundlich und von Herzen, während sie Nero ihre Hand entgegenstreckte. „Herzlich willkommen. Ich darf Sie Nero nennen?“, fragte Michas Mutter.

„Freut mich. Ja, natürlich.“ Nero sprach ziemlich leise, für seine Gewohnheit. Man hörte die Nervosität sehr deutlich in seinen Worten.

„Grüß dich.“ Michas Vater hatte ihm ebenfalls die Hand gegeben.

„Hallo.“ Nero schrumpfte um gut einen Meter, als er den prüfenden Blick des Mannes auf sich spürte. Irgendwie jagte er ihm Angst ein und wenn er es sich recht überlegte, sah er, so schrecklich er es auch fand und er sich für diesen Gedanken am liebsten geohrfeigt hätte, seinem eigenen Vater unglaublich ähnlich.

Michas Vater war über 1.90 groß, hatte sehr kurzes Haar, was ihn stark an einen Drillmaster aus der Armee erinnerte und einen Schnurbart. Und er hatte einen dermaßen krassen, bayrischen Dialekt, zwar nicht wie sein eigener Erzeuger, aber er hatte ihn eben kaum verstanden.

„Helena, du kannst Martin sagen, dass er Neros Tasche ruhig in mein Zimmer stellen kann, ja?“ Micha lächelte Helena zu. „Mom, Erke und Tenna kommen morgen. Erke hat leider nicht früher Urlaub bekommen.“ Er seufzte leise auf. Streckte sich für einen Moment.

„Wirklich nicht? Das ist schade, aber es freut mich, dass die zwei auch kommen. Dann ist hier mal wieder etwas los.“ Michas Mutter seufzte leise auf. „Hier ist es manchmal so unglaublich ruhig, dass es fast schon unheimlich ist.“

„Mom, wir vier werden hier keinen Radau veranstalten, dass man es unten im Dorf noch hört.“ Der Lilahaarige lachte leise auf, nahm Nero wieder an der Hand und zog ihn einfach mit auf das Sofa, wo sich die beiden hinsetzten.

„Na ja… sicher wäre ich mir nicht.“, murmelte Nero kleinlaut. Kicherte leise auf und verstummte. Sein Blick war ungewollt zu Michas Vater gehuscht. Er zitterte leicht auf.

„Alles in Ordnung?“, fragte sein Freund leise. Sah ihn ein wenig besorgt an. Erntete nur ein leichtes Kopfschütteln.

„Dein Dad… er sieht aus wie mein Vater…“ Ein tonloses Seufzen drang aus seiner Kehle.

„Wer sigt aus wia i?“ Wieder dieser bayrische Dialekt. Nero musste zwei Mal hinhören, damit er etwas verstand.

„Mein Erzeuger… sieht Ihnen sehr ähnlich.“ Nero konnte seinen Blick nicht abwenden.

„Ach du große Scheiße.“ Micha schlug sich vor die Stirn. Schüttelte nur leicht den Kopf. „Vielleicht hätte ich dich warnen sollen.“

„Hmh, vielleicht. Aber ich werde es schon aushalten.“ Nero redete immer noch leise.

„Ist es schlimm so auszuseng wia i?“

„Nein, aber mit dem Bild vor meinen Augen sind keine schönen Erinnerungen verbunden. Aber das ist jetzt nicht von Belang.“ Nero brachte ein leichtes Lächeln über sich. Wandte den Blick ab und konnte sich ein Gähnen leider nicht verkneifen. „Verzeihung.“

„Nimm es nicht persönlich Paps, ja? Ist eine lange Geschichte, die hier und heute nicht hergehört.“, sprang Micha ein, bevor sein Vater noch etwas sagen konnte. „Übrigens. Willkommen zu Hause.“ Er lacht leise. Vor allem er musste es sagen. Er war eben erst aus England gekommen und hieß seinen Vater willkommen.

Michas Eltern hatten sich ihnen gegenüber hingesetzt.

„Eure Betten sind schon überzogen, ihr könnt noch schnell etwas essen und dann auch gehen, es war sicherlich eine anstrengende Fahrt.“, meinte Frau van Steiler, auf Neros Gähnen bezogen.

„Anstrengend nicht gerade, aber lang und langweilig.“ Nero lächelte verhalten.

„Aber ich glaube, das wäre trotzdem keine schlechte Idee, oder?“ Micha wandte sich an Nero. „Ich glaube wir müssen noch einiges an Schlaf nachholen.“ Er konnte sich ein kurzes Grinsen nicht verkneifen, ebenso wie sein Freund. Welcher zudem noch ein wenig rot um die Nase wurde.

„Dann sage ich Helena bescheid, dass sie euch schnell etwas machen soll. Was wollt ihr denn?“ Frau van Steiler erhob sich und stand auch schon an der Türe.

„Was wir wollen? Irgendetwas Warmes, draußen ist es eisig, oder was meinst du?“ Nun konnte sich auch Micha ein leises Gähnen nicht mehr verkneifen.

„Suppe wäre klasse.“ Nero nickte zustimmend. Lächelte und ließ sich etwas nach hinten sinken.

„Geht in Ordnung.“ Die Mutter verschwand auch schon in der Küche und eine Viertelstunde später saßen Micha und Nero in eben dieser und verspeisten die Kartoffelsuppe, die Helena extra für sie gemacht hatte.

Die jungen Männer hatten gemeint, dass sie nicht extra in dem Esszimmer decken bräuchte, somit war es dazu gekommen, dass die beiden in der Küche aßen, wo es sonst nur die Angestellten taten.
 

Es war halb zehn, als die beiden dann in Michas Zimmer waren. Das Bett waren riesig, ebenso wie das Zimmer an sich. Es war typisch nach Michas Geschmack eingerichtet und er hatte sich etliche Poster nicht verkneifen können.

„Oh je… die sind ja schon uralt.“, seufzte er leise auf. Schüttelte den Kopf und plumpste rücklings auf sein Bett. „Ich brauche neue.“

„Allerdings. Die sind ja schon fast fünf Jahr alt.“ Nero lachte. Setzte sich auf das weiche Bett und blickte sich weiterhin um. „Es ist wirklich schön hier.“, meinte er leise.

„Hm, ich liebe diesen Ort. Herrlich ruhig. Man kann entspannen. Deshalb bin ich auch froh, dass meine Mom vorgestern noch angerufen und gefragt hat, ob ich nicht kommen wollen würde. Ach übrigens, wenn du duschen gehen willst, am Zimmer anschließend ist ein Bad.“

„Gut zu wissen. Und du hast Recht. Hier ist es wirklich unglaublich ruhig. Deine Mom hat wohl etwas wie einen sechsten Sinn.“ Nero legte sich ebenfalls auf den Rücken. Fuhr sich müde mit einer Hand über das Gesicht.

„Nein, ich glaube nicht, dass sie einen sechsten Sinn hat, es ist eigentlich logisch gewesen, dass ich komme. Da hätte man nicht großartig nachdenken brauchen.“ Micha lächelte. Drehte sich auf die Seite und beugte sich über Nero. Konnte nicht anders als ihn zu küssen. Es war seine Zeit her. Er hatte sich zurückgehalten, so lange sie im Zug und im Bus gewesen waren. Und ihn vor seinen Eltern einfach umzuknutschen, das hatte er auch nicht für richtig gehalten.

„Hmh, stimmt eigentlich… hihi.“ Nero führte seinen Satz nicht mehr zu Ende. Kicherte nur leise auf und schlang seine Arme um seinen Liebling.

Micha lächelte nur verschmitzt in den Kuss hinein. Krabbelte über seinen Freund und blickte dann lächelnd auf ihn hinab.

„Ja, keinen Radau veranstalten.“ Nero grinste. „Wie willst du das garantieren, wenn wir schon wieder so weit sind?“

Ein Lachen drang aus ihren Kehlen. Micha lag irgendwann flach auf Nero und konnte sich nicht mehr fangen.

„Honey, du machst mir hier gerade eindeutige Avancen.“ Der Lilahaarige grinste leicht. Kraulte über die Brust seines Freundes und gähnte dann leise auf.

„Hm ich weis. Ich bin wohl auf den Geschmack gekommen.“, schnurrte Nero sanft auf.

„Nach einem Mal schon?“ Ein Lächeln lag auf ihren Gesichtern und Micha fühlte sich in den Himmel katapultiert. Er lag hier mit seinem Schatz und hatte gerade das Geständnis bekommen, dass es wohl mehr als nur eine schöne Nacht gewesen war.

„Hm, nach diesem Mal, wohl bemerkt.“, meinte Nero leise. In seiner Stimme hatte ein leicht trauriger Unterton mitgeschwungen.

„Okay, nach diesem Mal.“ Micha nickte leicht. „Erinnert dich mein Dad wirklich so sehr an deinen Erzeuger?“ Er hatte extra nicht Vater gesagt, da dieser Kerl die Bedeutung des Namens nicht verdient hatte.

„Ja, er erinnert mich sehr stark an ihn. Von der Statur und auch wenig vom Aussehen selbst her. Er hat zwar keinen Bauch wie er, aber dennoch, die Ähnlichkeit ist verblüffend.“, flüsterte er nur noch leiser. Schmiegte sich an die warme Hand an seiner Wange.

„Das tut mir leid. Ich meine, wenn er dich immer an diesen Typen erinnert… ist es dann überhaupt okay, wenn wir hier bleiben? Ich meine, ich will dir damit nicht schaden oder so, verstehst du? Ich will nicht, dass du dich an diese Dinge wieder erinnern musst.“ Micha sah ihn betrübt an. Hauchte einen Kuss gegen seine Lippen und versuchte eine Regung in Neros Augen auszumachen.

„Du konntest doch nicht wissen, dass er ihm so verdammt ähnlich ist. Auf diesem einen Foto sieht er ganz anders aus. Er hat dort keinerlei Ähnlichkeit mit deinem Vater, außer vielleicht von der Größe her, die auf dem Bild allerdings schwer zu schätzen ist.“ Nero sah ihn reglos an. „Es ist in Ordnung wenn wir hier bleiben. Ich will dir auch den Aufenthalt in Deutschland nicht dadurch vermiesen, nur weil ich jemanden in deinem Vater sehe. Und Micha, es ist fast schon egal was ich tue, die Erinnerungen werden immer in meinem Kopf bleiben, ebenso wie in meinem Herzen, da kann man tun und machen was man will. Das wird sich nicht ändern.“, meinte er ernsthaft. „Und außerdem, wird mir dein Dad ja nichts antun.“

„Er soll es versuchen und ich leg ihn um, das sage ich dir.“, knurrte Micha auf den letzten Satz seines Freundes bezogen.

„Schatz, sag so etwas nicht. Du hast keinen Grund deinem Dad das anzutun. Ich hingegen schon, aber das ist nicht wichtig. Wichtig ist, dass du, dass wir hier sind. Zusammen. Alles andere kann uns doch jetzt erst einmal egal sein, oder?“

„Du hast recht. Genießen wir die Zeit die wir haben.“ Micha nickte leicht. Küsste ihn noch einmal und schloss dann leicht seine Augen. „Und das ganze zwei Wochen. In dieser Idylle.“ Er juchzte leise auf und knuddelte seinen Freund kichernd durch.

„Zwei Wochen?“ Nero hörte sich mehr als überrascht an. „Ich hoffe dass wir anderen drei deiner Mom nicht auf den Keks gehen.“ Nero lächelte. Schmiegte sich wieder an seinen Freund und schloss ebenfalls die Augen. „Micha, wieso hast du mir nie erzählt, dass dein Paps so einen dermaßen fiesen Dialekt drauf hat, dass man zwei Mal hinhören muss, damit man ihn versteht?“

„Ähm… ich glaube, ich habe es einfach vergessen. Oder verdängt, ich weis es nicht.“ Der junge Mann kicherte leise auf. Fuhr sanft durch Neros weiches Haar.

„Egal. Aber deine Mom hat recht.“ Wieder dieser abrupte Themenwechsel. „Die kurzen Haare stehen dir wirklich sehr gut.“, flüsterte der Schwarzhaarige sanft. „Willst du sie weiterhin so kurz halten oder wieder wachsen lassen?“

„Ich weis es noch nicht. Aber einen Undercut lass ich mir nicht wieder machen. Richtig lang hatte ich sie früher ja schon mal. Mal sehen. Ich weis es ehrlich gesagt noch nicht. Im Winter sind kurze Haare immer ein wenig unpraktisch. Da ist es an den Ohren immer so kalt. Und mit langen Haaren ist es im Sommer so unpraktisch. Keine Ahnung.“ Er lächelte.

„Du hattest mal richtig lange Haare? Lass sehen.“, bat Nero ihn. Sah ihn von der Seite her an und küsste ihn auf die Wange. „Hast du Bilder davon hier?“

„Ja, ich habe welche da. Ich muss nur überlegen wo.“ Micha wurde leise. Dachte tatsächlich angestrengt darüber nach, obwohl die Antwort so nahe war. Die Fotoalben waren genau dort, wo sie schon vor fünf Jahren gewesen waren. Nämlich in seinem Kleiderschrank. „Warte ich hole sie schnell.“ Der junge Mann stand also auf, kramte für einen Moment in dem Eichenschrank herum, bis er ein paar verstaubte Alben fand. Sie kurz abpustete und sich dann zu Nero auf das Bett setzte.

„Ich liebe Fotos ansehen.“, meinte er kindlich. Setzte sich im Schneidersitz auf und blickte Micha über die Schulter.

„Kommt immer drauf an welche.“ Micha lachte leise auf. Die Babyfotos enthielt er Nero lieber vor.

„Wer ist das?“, fragte Nero leise. Deutete auf einen hageren Typen, etwa so groß wie er mit 15 gewesen war. Kurze, zerzauste Haare, eingefallenes Gesicht und trübe Augen, welcher neben Micha stand, welcher ein breites Lächeln im Gesicht trug und einen Arm um diesen jungen Mann gelegt hatte.

„Wer glaubst du denn ist es?“ Micha hatte einen traurigen Unterton in der Stimme.

„Ich weis es nicht, aber er sieht Erke auf eine gewisse Art und Weise ähnlich. Vielleicht kommt es daher, dass er so dürr ist.“ Nero legte einen Arm um seinen Freund. Zuckte leicht die Schultern. „Ich weis es nicht, sagst du es mir?“

„Sein Name ist Collin. War damals um die 15 Jahre alt und ist, auf den Tag genau, drei Jahre später an einer Überdosis H gestorben.“ Micha hatte eine kleine Träne im Auge. H (wie das ´H´ im Englischen ausgesprochen), wie er diese Droge doch hasste. Heroin, machte alles und jeden kaputt, der es auch nur einmal angerührt hatte. Er verstand und kannte den Grund heute noch nicht, wieso Collin dieses Zeug genommen hatte. „Collin ist oder besser war, mein älterer Bruder.“ Die Träne löste sich aus Michas Auge. Perlte langsam über seine Wange und seine Hände fingen leicht zu zittern an.

Nero stockte. Legte seinen anderen Arm auch noch um Micha und drückte ihn an sich.

„Tut mir leid… es tut mir leid. Ich wollte dich nicht daran erinnern.“, flüsterte der junge Mann leise.

„Schon gut.“ Die Stimme des Lilahaarigen war heiser und brüchig. „Du konntest es ja nicht wissen. Und… es ist wie bei dir. Die Erinnerungen haben sich in meinen Kopf gefressen. Und jedes Mal, wenn ich Erke ansehe, kommen diese Bilder hoch.“ Micha schluchzte leise auf. „Er war so jung… so verdammt jung.“ Die Tränen und die Trauer konnte er nun wirklich nicht mehr unterdrücken. Er legte einen Arm um Neros Genick und schmiegte sich an ihn. „Ich kann… ihn irgendwie verstehen… ich hätte nicht anders gehandelt. Ich hätte… ich hätte nicht so leben wollen.“ Sein anderer Arm fand den Weg zu Neros Rücken. Das Album fiel zu Boden und Michas Finger krallten sich leicht in Neros Kreuz. Micha zerriss es fast das Herz in der Brust.

Er hatte seinen Bruder über alle Maßen geliebt. Zwischen ihnen hatte es so ein festes Band gegeben. Deshalb war es nicht verwunderlich gewesen, dass er es gewesen war, der Collin gefunden hatte. Noch mit der Spritze im Arm, dem Spritzbesteck um ihn herum.

Der Anblick würde ihm nie mehr aus dem Kopf gehen. Er hatte selbst heute noch Angst, dass Erke das gleiche Schicksal drohte. Obwohl er schon so lange clean war. Er konnte immer wieder einen Rückfall erleiden und davor hatte er Angst. Unglaubliche Angst.

„Micha… beruhige dich, bitte.“ Nero hörte sich ebenfalls leicht heiser an.

Der Lilahaarige spürte sanfte Lippen auf seiner Wange und das leichte Streicheln über seinen Rücken. Es beruhigte ihn tatsächlich ein wenig. Doch die innerlichen Schmerzen, er wusste nicht, wie lange das wieder dauern würde.

„Entschuldige. Ich… ich wollte nicht weinen.“, murmelte Micha leise. Ließ seinen Freund dann nur langsam los. Wischte sich mit dem Ärmelsaum seines Pullovers über die Wangen. Spürte wieder Neros Lippen, die den Rest seiner Tränen trockneten. Er war froh, dass er im Augenblick nicht alleine war.

„Ist schon in Ordnung. Alles muss irgendwann raus.“ Nero lächelte ihn warm an. Fuhr ihm sanft mit zwei Fingern über die Wange. „Du hast ihn sehr geliebt, was?“, stellte der Schwarzhaarige fest. Hob das Album wieder auf.

„Ja… es war einfach etwas Besonderes. Wir waren nicht einfach nur Brüder.“, flüsterte Micha leise. Schloss seine Augen und lehnte sich an seinen Freund. Er zitterte immer noch ein wenig. Allerdings ebbte dies auch nach einiger Zeit wieder ab. Er war froh, dass Nero ihm Trost spendete. Er hatte gewusst, dass Nero immer für einen da war, doch dass er so zärtlich sein konnte. Irgendwie hatte er sich das nicht vorstellen können. „Wir hatten allen möglichen Mist miteinander gemacht, vor allem, als er noch nicht auf Droge war. Danach… ich weis nicht. Es hat sich… verändert.“, flüsterte er weiter. Er wusste nicht, ob er Nero das erzählen sollte oder wollte. Ob Nero es überhaupt hören wollte, das war auch eine der Fragen, die ihn davon abhielten weiter zu sprechen.

„Was hat sich verändert?“, fragte der Schwarzhaarige sanft weiter. Zog ihn wieder in seine Arme. Behielt die Augen geschlossen und lehnte seinen Kopf gegen den seines Freundes.

„So… so vieles.“ Micha stoppte wieder für einen Augenblick. „Er hat sich immer weiter in sich zurückgezogen. War sehr still. Nicht mehr so Lebenslustig, wie noch zuvor. Irgendwie auch verschlossen. Früher hatte er geredet wie ein Wasserfall. Hat mir von jedem Blödsinn erzählt, der in der Schule bei ihm vorgefallen war, nur irgendwann, hat er den Mund gar nicht mehr aufgemacht. Ich wollte ihn irgendwie immer fragen, was mit ihm los war und als ich es dann tat, hatte er mich einfach weggeschickt. Gemeint, dass ich noch viel zu klein wäre, als dass ich das verstehen könnte. Und er hatte Recht. Ich war vielleicht fünf. Vielleicht auch sechs. Aber eben einfach noch zu jung und ich habe erst später gemerkt, dass er mich eigentlich nur hatte schützen wollen.“, flüsterte Micha monoton. Hustete leise auf, da sein Hals sehr trocken geworden war und sich ein Kloß darin breit gemacht hatte. „Er hatte nicht gewollt, dass ich, als behütetes Kind, etwas von Drogen mitbekomme. Irgendwie kann ich ihn verstehen. Das einzige was ich gewollt hatte, war eine Erklärung. Eine Erklärung, wieso er überhaupt erst damit angefangen hatte.“ Wieder rann ihm eine Träne die Wange hinab. Verlor sich in Neros Pullover. „Mehr kann ich dir nicht erzählen.“ Der junge Mann seufzte leise und atmete einmal tief durch.

Nun kannte Nero seinen Tiefpunkt. Den Punkt, an dem sich sein Leben geändert hatte, auch wenn er es erst sehr viel später gemerkt hatte.

„Das ist hart. Irgendwie weis ich nicht so recht, was ich darauf sagen soll. Es ist hart und ich kann deine Reaktion auf Erkes damalige Abhängigkeit mehr als gut nachvollziehen. Ich hätte ihm auch eine geknallt, das kannst du mir glauben.“ Nero lächelte nur leicht. Öffnete dann die Augen.

„Nur deswegen habe ich ihm ja keine geknallt. Ich bin froh, wenn ich ihn morgen wieder sehe.“, kam es gewispert von dem jungen Mann. „Schatz, wollen wir uns hinlegen? Weinen macht müde.“ Ein kleines Lächeln hatte sich für einen Moment auf seine Züge geschlichen.

„Ja, ruhen wir uns ein wenig aus. Wer weis wie lange wir das noch können.“ Wieder nur ein zwinkern. „Willst du zuerst ins Bad?“

Micha schüttelte leicht den Kopf.

„Geh du nur zuerst.“, murmelte er leise. Fiel dann zur Seite, als Nero im Badezimmer nebenan verschwunden war, krallte sich an eines der großen Kissen. Zog seine Beine an den Körper und konnte seine Tränen wieder nicht zurückhalten. Wieso bist du so früh gegangen, fragte er sich insgeheim. Schloss die Augen.

Er bekam nicht einmal mehr mit, wie sein Freund wieder kam, sich dann zu ihm legte. Die Decke über sie und ihn selbst in seine Arme zog. Es war ein anstrengender Tag gewesen und beide waren froh, nun ein klein wenig zur Ruhe zu kommen.
 

//nächster Morgen//
 

„Honey.“, flüsterte jemand an seinem Ohr. Zwei warme Lippen strichen über seine Wange und ihm war unglaublich heiß.

„Hnn.“ Micha grummelte leise auf. Drehte sich auf die Seite und schlug die Decke ein wenig beiseite. Die kühle Luft war doch etwas angenehmer.

„Morgen.“ Wieder das leise Flüstern und diese Lippen.

Micha konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. Blinzelte verschlafen und sah auf.

„Morgen.“, murmelte er mit heiserer Stimme. Gähnte hinter vorgehaltener Hand und lächelte. „Gut geschlafen?“ Der junge Mann streckte sich leicht und bemerkte erst jetzt, dass er noch seine normalen Klamotten trug, im völligen Gegensatz zu seinem Schatz, welcher in T-Shirt und Unterwäsche neben ihm lag.

„Bestens. War schön kuschelig.“ Er lächelte. „Tja, jetzt ist es dein Bett, was kuschelig ist und nicht meines.“ Ein Seufzen ertönte und ein Kichern darauf folgte aus den Hälsen der beiden.

„Das stimmt, aber ist doch egal wessen Bett es ist. Hauptsache gemütlich und kuschelig.“, meinte Micha. Setzte sich langsam auf. „Wie viel Uhr haben wir es eigentlich?“

„Wir haben es kurz nach halb zehn.“ Nero gähnte kurz. Setzte sich ebenfalls auf und ließ sein Genick kurz knacken.

„Schon? Oh man die anderen haben bestimmt schon gefrühstückt.“, grummelte der Lilahaarige leise auf. Stieg dann aus dem Bett.

„Nein, Helena hat vor ein paar Minuten geklopft und gemeint, das es Frühstück geben würde.“ Er zuckte kurz die Schultern. „Die werden schon auf uns warten, denke ich.“

„Hmh, wahrscheinlich. Ich bin schnell unter der Dusche.“, meinte Micha gähnend. Streckte sich ausgiebig und sah kurz zu Nero. „Kommst du mit, dann sind wir schneller fertig.“ Er schenkte ihm ein süßes Lächeln.

Nero lief automatisch rot an. Erhob sich dann allerdings und kam zu Micha.

„Wenn du mich schon so fragst.“ Der Schwarzhaarige lächelte ein wenig schüchtern. „Wann kommen Tenna und Erke heute eigentlich?“

„Hm, ich weis nicht ganz. Ich denke am Nachmittag.“, meinte er leise. Nahm Nero an der Hand und betrat das geräumige Bad. Schälte sich dann kurz aus seinen Klamotten, schaltete die Dusche an, während sich Nero ebenfalls auszog. Micha wartete noch, bis das Wasser richtig warm war. Nahm abermals Neros Hand und zog ihn mit sich unter den Strahl. „Ach und übrigens.“ Seine Arme lagen leicht um Neros Hals. Er zog ihn ein Stück zu sich hinunter. „Frohe Weihnachten.“, schnurrte der junge Mann gegen die Lippen seins Schatzes und verschloss diese sogleich mit einem sanften Kuss.

„Hm, dir auch frohe Weihnachten.“ Nero kicherte für einen Moment auf.
 

Es dauerte vielleicht Zwanzigminuten, bis die beiden fertig waren. Nero musste sich noch kurz die Haare föhnen, damit er nicht krank wurde, ehe sie hinunter in den Speiseraum gingen.

Michas Eltern saßen schon dort und unterhielten sich in ruhigem Ton über alle möglichen Dinge.

„Frohe weihnachten.“, meinten Nero und Micha wie aus einem Munde und erhielten eben diesen Gruß zurück. „Haben wir dieses Jahr eigentlich einen Baum?“, wollte Micha lächelnd wissen. Nahm mit Nero platz und schenkte ihnen auch so gleich Kaffee ein.

Sein Vater zog eine Augenbraue nach oben und fing lauthals an zu lachen.

„Hast du dieses Wohnzimmer jemals ohne Baum gesehen? Was ist schon Weihnachten, wenn man keinen schön geschmückten Baum hat? Das ist Tradition und diese wird weitergeführt.“ Er nickte und unterstrich somit seine Worte noch deutlicher.

„Stimmt eigentlich.“ Der junge Mann überlegte einen Moment und starrte aus dem Fenster. Dann wieder zu seinem Freund und fing zu grinsen an. „Wir schmücken ihn, ja?“ Er hatte glänzende Augen und sah aus wie ein richtiges, kleines Kind, was sich auf dieses Fest freute. Und es war tatsächlich so. Micha freute sich immer wieder auf Weihnachten, vor allem, bei ihnen konnte man wirklich von ´besinnlichen Weihnachten´ sprechen, was bei vielen leider nicht so war. Streitereien gehörten für manche wohl zu diesem Fest, allerdings nicht bei ihnen. Es war immer sehr ruhig, ohne großen Stress und das schätzte der Lilahaarige so sehr.

„Oh man, wie lange habe ich keinen Baum mehr geschmückt.“ Nero konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen. „Gerne.“, stimmte er seinem Freund dann zu.

Micha freute sich schon wie ein Schnitzel. Doch die Aufregung war noch ein wenig größer. Wie mochte Nero nur auf dieses Geschenk reagieren? Und wie würde es Tenna und Erke gehen? So viele Fragen, die sich in seinem Kopf drehten, dass er gar nicht wusste, welche wichtiger war oder welche er zuerst beantwortet haben wollte.
 

Und somit näherte sich der Nachmittag immer weiter. Micha und Nero waren völlig in ihre Arbeit vertieft, welche daraus bestand, die Lichterkette des Baumes zu entknoten und so zu drapieren, dass es nicht so voll auf dem Grün wurde.

Der Lilahaarige war hibbelig. Richtig nervös, wenn man ihn betrachtete. Er biss sich immer wieder leicht auf der Unterlippe herum und drehte die Christbaumkugeln so schnell in den Fingern, dass Nero sie ihm immer wieder wegnahm, da er doch ein wenig Angst hatte, dass sie in seinen Händen zerbrachen. Und als hätte Micha es vorausgesehen, ging er schnellen Schrittes zur Türe, an der es keinen Augenblick später läutete.

„Ich geh schon!“, rief er durch das Haus, riss die Türe auf und grinste breit, als er die beiden eingemummten und weißen Gestalten vor sich erblickte.

Tenna und Erke waren völlig eingeschneit. Sie konnten einem Schneemann gute Konkurrenz bieten. Doch obwohl sie so in diesen Schneesturm gekommen waren, hatten beide ein unübersehbares Grinsen auf dem Gesicht, als sie ihren Freund wieder erblickten.

„Michaaa!“, quietschte Tenna vergnügt auf. Fiel ihm ohne weitere Worte um den Hals und drückte ihn fest an ihre Brust. „Ohhh mein Gott, ich hab dich so vermisst.“

„Ich dich auch.“ Micha lachte leise. Wahrscheinlich würde er später seinen Pullover wechseln müssen, da dieser sonst noch zu tropfen anfangen würde, würde er auch von Erke so herzlich begrüßt werden.

Und genau so war es auch. Micha hätte am liebsten wieder zu weinen anfangen können. Es war so unglaublich, Erke wieder zu sehen. Zu sehen, dass es ihm gut ging und er wirklich gut aussah, im Gegensatz zu den vier Monaten davor.

Er hatte ein wenig mehr auf den Rippen und auch seine Wangen waren nicht mehr zu sehr eingefallen. Und was Micha am liebsten hätte vor Freude aufschreien lassen können, war, dass Erke keinen Rock trug. Eine völlig normale Lederhose, einen Rollkragenpullover und seinen Mantel. Und dieses breite Lächeln, die glänzenden Augen. Michas Herz hüpfte immer höher.

„Hey Großer…“ Der Lilahaarige lächelte seinen Freund an. Schüttelte ungläubig den Kopf. „Du siehst gut aus.“, meinte er ehrlich.

„Danke. Ich fühle mich auch so.“ Erke lächelte. Drückte ihn noch für einen Moment an seine Brust und ließ ihn dann los um seine Schuhe und den Mantel auszuziehen, wie es auch schon Tenna getan hatte.

„Das freut mich. Habt ihr den Weg gleich gefunden?“, fragte Micha die beiden. „Lasst eure Taschen stehen, sie werden auf euer Zimmer gebracht.“

„Ähm, ja, mehr oder weniger. Wir haben uns glaube ich zwei Mal verlaufen und haben gut 10 Leute gefragt, die uns über den Weg gelaufen sind. Haben es aber dann relativ schnell gefunden gehabt.“ Erke lacht leise auf, während die beiden von Micha in die Stube geführt wurden, wo Nero noch immer dabei war die Lichterkette von ihren Knoten zu befreien.

„Frohe Weihnachten ihr zwei.“, grinste er die Neuankömmlinge an. Seufzte leise auf und sah hilfesuchend zu seinem Freund. „Das ist unfair, ich glaube die Lichter machen das extra.“ Er zog eine kleine Schnute und plumpste langsam auf das Sofa.

„Ja, natürlich. Ich glaube, dass sie nicht an den Baum wollen.“ Micha kicherte auf. „Setzt euch. Wollt ihr Kaffee?“

„Ja, etwas Warmes, denke ich, wird uns nicht schaden.“ Tenna nickte. Setzte sich neben Nero und sah sich in dem Wohnzimmer um. „Es ist herrlich hier.“, meinte sie leise. „Nicht?“ Sie stieß Nero kichernd in die Rippen.

„Autsch, ja, es ist wirklich herrlich.“ Er schüttelte leicht den Kopf. „Ich glaub sie mag mich nicht.“, meinte er auf die Lichterkette bezogen.

„Ach was, wer kann dich bitte nicht mögen, hm?“ Nero sah die junge Frau von der Seite her an. Lachte dann leise auf und schüttelte den Kopf.

„Willst du was bestimmtest von mir?“, fragte der Schwarzhaarige misstrauisch. Rückte ein Stück zur Seite und hörte nur ein leises Kichern, was eindeutig zu Erke gehört hatte.

„Ähm, nein, wieso?“ Tenna linste ihn an. Rückte ihm hinterher und knuddelte ihn dann kurz durch. „Ach Kleener, denk doch nicht immer so etwas, nur weil man mal nett zu dir ist.“

„Nett? Das ist es ja…“ Ein breites Grinsen zierte seine Lippen. „Das ist ein klein wenig unheimlich, meinst du nicht auch?“, fragte er an Erke gewandt, welcher ihnen gegenüber saß und ebenfalls nur grinste.

„Na ja, hin und wieder schon, vor allem heute. Sie hätte so einen komischen Kerl heute im Zug beinahe zerfleischt. Also von Nettigkeit konnte da keine Rede sein.“ Ein liebes Lächeln lag auf seinen Lippen.

„Zerfleischt? Wen? Wieso?“ Nero sah die beiden abwechselnd an.

„Wer hat wen zerfleischt?“ Micha kam mit zwei Tassen und einer großen Kaffeekanne zurück.

„Ja, das wollte Tenna mir gerade erzählen, komm setz dich zu uns. Jetzt kommt Tennas große Märchenstunde.“ Ein weiteres Grinsen zog sich über Neros Gesicht. Er fing sich nur einen leichten Faustschlag in die Schulter. Allerdings hatten sich die anderen beiden jungen Männer ebenfalls das Lachen nicht verkneifen können.

Und somit begann Tenna die Geschichte zu erzählen, die ihnen im Zug widerfahren war.

„Man, ich hätte ihm echt meine Absätze in den Hintern rammen können. So ein dummes Arsch, ganz ehrlich.“ Sie fauchte leise auf und nahm einen großen Schluck des schwarzen Getränks.

„Kann ich verstehen.“ Nero nickte verständnisvoll, ebenso wie Micha, der allerdings einen leicht ungläubigen Blick hatte.

„Und weist du was? Hätte ich ihm in den Bauch getreten, wäre er wohl zischend davongeflogen, so was von… fett. Tut mir leid das zu sagen, aber sich aufregen, ehrlich war. Nur weil ich ihn aus versehen mit meiner Tasche berührt habe. Meine Güte, wie schrecklich. Der hätte eine ganze Gangbreite für sich selbst gebraucht.“ Sie knurrte wieder nur leise auf. Atmete einmal tief durch und riss Nero dann die Kette aus der Hand. „Lass mich das machen.“

Erke zog eine Augenbraue nach oben und sagte daraufhin nichts mehr. Er war selbst einmal ziemlich dick gewesen, aber Tenna hatte recht mit dem was sie sagte.
 

Der Nachmittag wurde noch ziemlich lustig. Michas Eltern hatten sich im Laufe dessen noch zu ihnen gesellt und es war eine nette Runde nur Erke war ein wenig betrübt.

Es war fast abends, als sich die kleine Runde in ihre Zimmer zurückzog, um sich ein wenig herzurichten.
 

Helena rief die sechs dann zum Essen.

Nero, Tenna und Erke waren mehr als erstaunt, als sie plötzlich so viele unbekannte Gesichter erblickten.

Die gesamte Belegschaft des Hauses, hatte um der großen Tafel platz genommen. Von Helena, über die Putzkraft bis hin zum Koch.

Es war bei den van Steilers so üblich, dass an solch wichtigen Tagen alle beisammen saßen. Nicht für sich selbst feiern sollten. Es war immer schon so gewesen und es sollte sich auch nicht ändern.
 

Das essen war beendet und Micha wurde immer noch aufgeregter. Am liebsten hätte er das alles gleich übersprungen und hätte Nero gleich sein Geschenk gegeben, denn er wollte es ihm nicht vor all den anderen geben. Sein Herz begann zu rasen, als er Nero in den Arm nahm, ihm fröhliche Weihnachten wünschte ihn für einen kurzen Augenblick küsste. Nur leicht und dennoch, es war ein unglaubliches Gefühl. Was wohl hauptsächlich auch an diesem Tag lag. All die Leute, die er gern hatte, liebte, waren unter einem Dach versammelt. Waren in einem Raum und es herrschte eine angenehme Stimmung.

Seine Mutter kam auf die vier jungen Erwachsenen zu. Sie gab einmal Erke und einmal Micha einen Umschlag, drückte die zwei einmal flüchtig an sich und setzte sich wieder.

Das Herz des Lilahaarigen schlug nur noch höher.

„Mach schon auf.“, stichelte Nero seinen Freund an. Piekte ihn für einen Moment in die Seite und lugte ihm über die Schulter.

Der junge Mann hatte einen Arm um den Schwarzhaarigen gelegt. Sah ihn kurz an und nickte.

„Auf drei.“, meinte er zu Erke. Lächelte ihn leicht an. „Eins…“

„Zwei…“, murmelte der Angesprochene.

„Drei…“ Micha öffnete nur langsam den Umschlag. Sah einen Brief, öffnete diesen und ihm fielen erst einmal zwei mal zwei Tickets in den Schoß.

Ebenso war es bei Erke. Die beiden sahen sich für einen Augenblick fragend an. Lasen dann den Brief und ein breites Lächeln breitete sich auf ihren Gesichtern aus.

„Und?“, fragten die Blondhaarige und Nero im Chor. Sahen die beiden ungeduldig an.

„Nero, du kannst dir in den Sommerferien schon mal drei Wochen Urlaub nehmen.“ Micha sah ihn lächelnd an.

„Tenna, du auch.“ Erke lachte leise auf. „Ist das genial.“

„Wieso?“ Wieder hatten die beiden im Chor gesprochen.

Micha fiel Nero um den Hals und kicherte. Sah ihm dann ins Gesicht und erblickte mit Genuss das fragende Antlitz dessen.

„Du wolltest doch schon immer mal Urlaub auf einem Schloss machen, oder?“ Der Lilahaarige kuschelte sich freudig an seinen Freund und drehte die Tickets in den Händen.

„Ähm… ja, wieso?“, nickte der Gefragte leise.

„Tja, dieser Traum wird sich wohl erfüllen. Wir fliegen für drei Wochen in die Schottischen Highlands auf ein Schloss. All inclusive.“ Er drückte ihn fest an sich. Küsste ihn stürmisch und konnte gar nicht mehr zu lachen aufhören.

Nero hingegen saß stocksteif da und konnte nicht glauben was er da eben gehört hatte.

„Das ist dein Ernst, oder?“

„Ja, mein völliger Ernst.“, meinte Micha schmunzelnd.

„Micha, ich glaube, ihr seid nicht die Einzigen, die dorthin fliegen.“ Erke sah seinen langjährigen Freund ungläubig an.

„Echt? Das ist ja noch besser.“ Tenna quietschte für einen Moment kichernd auf. Drückte Erke kurz an sich und saß dann mit großen Augen da. Betrachtete die Tickets und konnte gar nicht glauben, dass das wirklich wahr war.

Michas Herz schlug so hoch, dass er am liebsten umgefallen wäre. Seien Eltern waren wirklich vollkommen verrückt. Er wollte gar nicht erst wissen wie viel das gekostet hatte, aber er war ihnen so unendlich dankbar. Einer ihrer gemeinsamen Träume würde sich erfüllen. Es würde ihnen mehr als gut tun, einmal weg aus der Stadt zu kommen.
 

Es war schon fast Mitternacht, als sich die gemütliche Runde nach und nach auflöste.

Micha und Nero waren irgendwann alleine im Wohnzimmer. Kuschelte gemütlich in dem Schein einiger Kerzen und dem Duft von Glühwein in der Nase.

„Schatz, ich habe noch etwas für dich.“ Micha hauchte einen sanften Kuss gegen Neros Lippen. Erhob sich langsam und zog seinen Freund mit sich auf die Beine. Ging so leise es ging die Treppe in den ersten Stock empor und schloss die Zimmertüre hinter seinem Schatz. „Mach die Augen zu.“, meinte er grinsend. Bugsierte den jungen Mann auf sein Bett.

„Okay…“ Ein leises Murmeln war seiner Lunge entflohen.

Das Herz des Lilahaarigen schoss wieder in die Höhe. Es raschelte einen Augenblick und das Geschenk war aus seiner Reisetasche befreit worden. Er ging langsam, und mit leicht zittrigen Knien auf seinen Freund zu. Hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen und legte ihm das Präsent in den Schoß.

„Darf ich meine Augen wieder aufmachen?“, fragte er leise. Schmunzelte und hörte nur ein geflüsterte ´ja´.

Micha stand vor ihm und hibbelte leicht herum. Musste seine Finger irgendwie beschäftigen und spielte nervös mit ihnen herum. Er war gespannt was Nero sagte und sein Herz rutschte ihm langsam in die Hose, als das erste Stückchen Stoff aus dem Papier herauslugte. Und keinen Augenblick war das gute Stück vollends von seinem Käfig befreit worden.

Nero stand langsam auf, hob es in die Höhe und schüttelte den Kopf.

„Du bist doch vollkommen verrückt.“, kam es gemurmelt von ihm.

„So schlimm?“ Micha biss sich fest auf die Lippe. Wäre beinahe umgefallen, als Nero ihn so stürmisch umarmte und in einen Kuss zog, der sich gewaschen hatte.

„Schlimm? Spinnst du? Das ist... unglaublich.“ Nero lachte leise auf.

Sie sahen sich für einen Moment in die Augen.

„Zieh ihn an.“ Aus Michas Kehle war nur ein leises Flüstern zu hören gewesen. „Ich will wissen, wie er dir steht.“

„Okay. Bis gleich.“ Ihre Lippen berührten sich ein letztes Mal, bevor Nero im anliegenden Bad verschwand.
 

Micha setzte sich hingegen auf sein Bett. Wippte wartend mit den Füßen und bekam mehr als große Augen, als Nero vor ihm auftauchte. Mit nichts weiter an, als diesem Kimono. Dem Lilahaarigen währen beinahe die Augen aus dem Kopf gefallen.

„Wenn wir jetzt zu Hause wären, würde ich über dich herfallen.“, meinte er monoton. Zog Nero an einer Hand zu sich und küsste dessen Finger sanft.

„Wieso machst du es nicht?“ Nero grinste ihn nur an. Quietschte dann kurz auf, als er mit einem Ruck auf das Bett gezogen und von seinem Freund augenblicklich in Beschlag genommen wurde.

„Wir müssen leise sein.“, schnurrte der junge Mann zärtlich an seinem Hals.

„Hmh, das ist wahr. Willst du deines jetzt… oder erst später.“, fragte Nero dann leise auf. Seine Stimme war schon wieder ein wenig heiser.

Micha sah ihn für einen Moment an. Lächelte warm und stupste ihn wieder mit der Nasenspitze an.

„Später.“, flüsterte er schmunzelnd. „Lass uns den Abend schön ausklingen lassen.“

„Ist gut.“ Nero nickte kurz. Fand sich dann wieder in einem zärtlichen Kuss, der schier endlos zu dauern schien.
 

Micha war glücklich. Über glücklich. Er war hier, mit seinem Freund. Erke ging es gut und seinen Eltern war auch nichts passiert. Nero hatte sein Geschenk angenommen. Sie würden die nächsten zwei Wochen hier bleiben und diese Nacht würde für sie abermals, mehr als unvergesslich werden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2006-05-16T23:54:05+00:00 17.05.2006 01:54
Hey Schatz!
Ich lebe noch, wollte dir das auf diesem weg mal zukommen lassen... ^.~ Nein, ich weiß echt nicht, warum wir es in letzter zeit nicht schaffen uns zuschreiben oder so naja...
War jedenfallsrichtig überrascht schon wieder was von dir zu lesen, und dann gleich so viel. Wie sieht es denn mit Schule aus bei dir? *eigentlich ja nicht hier rein gehört*
Aso, in Kap. 15 auf Seite 3 ziemlich weit unten bei Mexx... Ich denke nicht, dass du Annoncen meinst... ^.~, aber das nur so zwischendurch!! (Pst, kleiner Tipp: Avancen??!!)
Ich liebe dich und bin schon auf Neros Geschenk gespannt! *knuddl*
Dein Knuddltier!


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