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Einzelposting: Welche Sachen könnt/wollt ihr nicht mehr sehen?


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Von:    Ligeia_Maloy 26.12.2015 16:44
Betreff: Welche Sachen könnt/wollt ihr nicht mehr... [Antworten]
Och, eine kleine Liste bekomme ich auch zusammen, und schließe mich der Vorrednerin an: Alle Seiten werde ich jetzt nicht durchackern.

- Blumige Metaphern für gewisse Körperteile. Wenn er seinen Telefonmasten im Sumpf ihrer Lust versenkt wird's albern. Ist unterm Strich wie so vieles Geschmackssache, ich hatte schon lebhafte Diskussionen mit einem Kumpel der sich beschwerte, ich schrübe nicht sexy genug für sein Empfinden, und damit meinte er genau so eine Ausdrucksweise. Also, verschwinden vom Erdball und aus der Porn-/Erotikliteratur soll's nicht, aber ich will's nicht vor meinen Augen haben, außer um es kichernd meiner Freundin vorzulesen.

- "Der Blauhaarige kicherte, als der Pickelige dem Dickbäuchigen vorschlug, dem Kurzgeratenen was über die Spätpubertierende zu erzählen."

Sorry, Leute, es ist einfach schlechter Stil. Jaja, ich kenne das Argument "man muss doch nachvollziehen können bei zwei Kerlen wer was tut!!!", ich verstehe das Argument. Aber ich würde es mal so sagen - wenn man seine Geschichte wegen so was inhaltlich zwangslimitieren muss macht man was falsch. Damit meine ich: Zwei blonde Charaktere würden einen schon vor ein Problem stellen.

Charaktere haben Namen, die darf man auch benutzen. Wenn Alex darüber grübelt ob Horsti sauer auf ihn ist, weil er seit drei Tagen nicht mit Alex gesprochen hatte, dann darf man das gerne so schreiben und darauf vertrauen, dass Leser nicht blöd sind.

Was dabei aber gewaltig hilft: Erzählperspektive einhalten. Wenn der Point of View nicht alle zwei Sätze gewechselt wird bleibt's in der Regel schön logisch nachvollziehbar.

Wenn der Blonde darüber grübelt ob der Blauäugige sauer auf den Blonden ist, weil der Blauäugige seit drei Tagen nicht mit dem Blonden gesprochen hatte ist's, als würde man mit einem Kleinwagen über einen Feldweg voller Schlaglöcher und Steine rumpeln.

Naja, aber auch hier muss man einräumen - es gibt eben Leute die das mögen, die's gerne so lesen und auch gerne so schreiben. Sollen sie machen. Ändert nichts daran, dass es kein guter Stil ist, und das sollte einem auch bewusst sein. Aber McDonalds bietet auch keine Gourmetküche aber trotzdem könnte ich gerade auf einen BigMac. Schreibt's so, lest es so, aber hakt es als Guilty Pleasure unter den Schreibstilen ab, und nicht als Qualitätsliteratur, wo nur noch die Abänderung von Namen und Welten zum Literaturpreis fehlt.

- Verkorkste Sprachebene.

Jahaaa und nun zu dem, was mich bei vielen, vielen deutschen Fanfics massiv nervt. Da hat man diesen kleinen schnuckeligen Typen, den Rebellen in Lederjacke, der Knabe der auf Schule pfiff, aber dafür die Weisheit der Straße nicht selten auf schmerzhafte Weise eingeprügelt bekam. Das dichte Haar zerzaust, im schmalen Gesicht eine tiefrote Narbe.

Und dann liest man "Der Samthaarige schritt bedächtig entlang des Weges, die sanften Strahlen der gnädigen Sonne tänzelten anmutig über sein Anlitz. Später nahm er Platz bei Tische, und speiste mit entrücktem Lächeln."

Leute! Wortschatz und Vokabeln sind was wundervolles! Aber Himmel, warum neigen wir gerade im Deutschen so oft dazu so grauenvoll gestelzt und geschraubt zu schreiben?! So spricht keiner, und schon gar nicht deckt sich die Sprachebene mit der Erzählperspektive. Wen ein ein schnöseliger Berufssohn aus einer alten Adelsfamilie so beschrieben wird, ja, wunderbar! Passt!

Aber so ein Wuschel? Der verzichtet erst mal auf die Dusche während er über die Straße schlurft ohne nach links und rechts zu schauen. Die Sonne blendet, die kann sich mit ihrer guten Laune so früh am Morgen zum Teufel scheren. Schließlich lässt sich so einer im Fast Food-Tempel am Tisch auf den Stuhl fallen, und kaut verschlafen an seinem Sandwich.

Ja, natürlich, das klingt so gar nicht nach Jane Austen, ja komisch, könnte daran liegen, dass man teils über raubeinige, zickige, jugendliche, vom rechten Weg abgekommene oder verwahrloste Knaben schreibt die sonst wo herkommen, aber keine höheren Töchter der Oberschicht im viktorianischem England sind.

Es ist schön und lobenswert, wenn man ein großes Vokabular hat, aber man muss auch lernen, damit umzugehen. Mag ja sein, dass ich als Autofahrer die Fähigkeiten eines Rennfahrers habe, diese aber in einer 30-Zone voll auszuspielen macht mich nicht zum Helden.

- Blödsinnige Vergleiche

- Selbstironie

- Mary Sues... ... Ach wisst Ihr was? Der Hass auf Mary Sues der ist irgendwie... so was von 2010. Ja, es ist ja richtig, in 99% der Fälle sind Sues schmerzhaft zu lesen. Aber trotzdem sind die Bücher von Jean M. Auel ein Erfolg, und Batman, Superman und etliche andere Stus nicht tot zu kriegen. Irgendwo muss das dran liegen, nur was?

Kann ich nur vermuten. Aus Erfahrung kann ich sagen, eine der besten Fanfics die ich in den letzten zwei Jahren gelesen hab war eine absolute Sue-Fic. Warum war die nun gut? Der Schreibstil. Die Schreiberin hatte einen angenehmen Stil. Alle canon Charaktere waren herrlich geschrieben und dabei absolut in-character. Die Beschreibungen waren gut, viele Dialoge ebenso. Nur der Hauptcharakter, die Mary Sue, sorgte für etwas Zähneknirschen, aber insgesamt? Gut geschrieben und was noch wichtiger war: Himmel, hatte die einen Spaß an ihrer eigenen Geschichte gehabt. Das hat man bei jeder Zeile rausgelesen. Spaß und Freude am Schreiben. Was wir verbissenen Wichtigtuer ja leider manchmal verlieren.

So gerne ich mich auch über Sues amüsiere, so muss ich sagen - nope, ich hasse sie nicht. Nicht mehr. Sie haben ihre Daseinsberechtigung, gerade für Anfänger, gerade für junge Mädels die mit Gary Stues wie Batman und Co. aufwachsen und gelernt haben, dass das tolle Helden sind. Ist's da ein Wunder, wenn Anfänger etwas Ähnliches Erschaffen wollen, aber mit einem weiblichen Charakter?
Wenn dann noch andere Anfängerfehler dazu kommen, wie schlechter Schreibstil, Perspektivensprünge, Plotholes, unpassende Sprachebene, joa, dann ist das Chaos perfekt. Aber da wächst man raus.
Also, warum dem jungen Gemüse nicht ihren Spaß lassen? Vielleicht wird über die Jahre was draus, vielleicht nicht. Na und? Man muss es ja nicht lesen, und jeder von uns, so wie jeder Athlet, Sänger, Author, Künstler, hat mal klein angefangen.

Ich glaube, wenn ich das zu einem thread-gerechten Punkt zusammenfassen müsste, würde ich sagen:

- ich kann den blinden Hass und die Überheblichkeit gegenüber Mary Sues nicht mehr sehen. Der ist mittlerweile genauso klischeehaft und abgestanden wie 0815 Mary Sues an sich.

Und den Punkt ergänze ich um:

- Das reflexartige Verdammen ohne einen Hauch von Nachsicht gegenüber Anfängern/Kindern, anders gesagt reines Schwarz/Weiß-Denken, obwohl man viele Dinge in seiner Anfangszeit genauso falsch gemacht hat, und sich nun für einen Helden hält, weil man über seine eigenen Anfängerfehler hinausgewachsen ist.

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