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Angel School

von

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Kapitel 3

„Guten Morgen, Mylady. Es ist Zeit zum Aufstehen“, flüsterte eine Stimme sanft und eine warme Hand tätschelte meinen Haarschopf. Ich wollte noch nicht aufstehen, denn ich hatte lange nicht mehr so gut und vor allem lang geschlafen. Doch als ich meine Augen öffnete, erschrak ich: Micail hatte sich an mein Bett gesetzt und schaute mich nun lächelnd an. „Falls du es nicht gemerkt haben solltest: Ich saß die ganze Nacht hier. Aber die Sorgen deiner Tante waren unberechtigt. Du scheinst gut geschlafen zu haben.“ Ich drehte mich trotzig wieder auf den Rücken und streckte mich genüsslich. Das Laken und die Bettdecke waren aus einem angenehm weichen Stoff, der sich himmelweit von dem im Kloster unterschied. „Kannst du mir sagen, was das Theater gestern Abend sollte?“, fragte ich Micail. „Sie wollte dich nur testen. Deine Tante achtet sehr auf Ordnung, Benehmen und Disziplin. Ich glaube, damit wird sie auch in den nächsten Tagen fortfahren. Denke daran, du gehörst zu einer sehr alten Familie und solltest dich daher nicht unter ihrem Standard benehmen.“ Ich musste lachen, denn wenn er so redete, hörte er sich an wie Fra Antonio. „Was ist denn so witzig?“, fragte Micail gespielt empört und ich musste nur noch mehr lachen. „Kommst du nun noch zum Frühstück mit hinunter? Annie wird sonst ziemlich schlechte Laune haben und das möchtest du doch nicht riskieren“, ermahnte er mich und stand auf. „Ich warte draußen. Aber bitte lass’ dir nicht zu viel Zeit.“ Mit diesen Worten ging er hinaus und ich beeilte mich mit Waschen und Anziehen.

Nach dem Frühstück eröffnete meine Tante mir, dass sie vorhätte, mit mir nach London zu fahren. „Wir müssen dir etwas Anständiges zum Anziehen und Schuhe kaufen. Außerdem müssen diese langen Haare ab. Alles in Allem müssen wir aus dir einen vorzeigbaren Menschen machen.“ Was sie da sagte, stieß bei mir auf wenig Gegenliebe, aber ich konnte nichts dagegen tun. Ich musste feststellen, dass London ein riesige Stadt war, die den Namen ‚Hauptstadt Großbritanniens’ mehr als verdiente. Annie führte mich in verschiedene Läden und zu meiner Überraschung hatte ich auch ein gewisses Mitspracherecht, was die Auswahl meiner Kleidung anging. Am späten Nachmittag wurden mir schließlich auch noch die Haare abgeschnitten, sodass sie mir nur noch bis auf die Schultern fielen. Derart zufrieden mit meinem Benehmen, musste ich mir keinen allzu langen Vortrag über das richtige Sitzen bei Tisch und die Benutzung des Besteckes bei einem Drei-Gänge-Menü anhören.

Micail ließ es sich auch an diesem Abend nicht nehmen, mich zu Bett zu bringen. „Ich bin kein kleines Kind mehr!“, schalt ich ihn, als wir in meinem Zimmer angekommen waren. Er seufzte und setzte sich auf die Bettkante. „Das weiß ich doch. Aber ich kann doch nichts gegen die Anweisungen deiner Tante tun“, entgegnete er und ich drehte mich zu ihm herum. Ich sah ihm in die Augen. Ein seltsamer Ausdruck lag in ihnen. „Danke …“, murmelte ich und Tränen rannen mir über die Wangen. Micail lächelte. „Schon gut. Komm, setz dich.“ Ich setzte mich neben ihn und lehnte mich an seine Schulter. Ich konnte einfach nicht aufhören zu weinen. Er versuchte mich zu beruhigen und strich sanft mit der Hand über meine Wange. „Ganz ruhig“, flüsterte er mir ins Ohr, „Alles ist gut. Ich kann dich ja verstehen. Es ist bestimmt schwer für dich, so plötzlich ein neues Zuhause zu haben, meilenweit weg von dort, wo du die letzten Jahre gelebt hast.“ Ich nahm seine Hand, die sich warm und weich anfühlte. „Es ist … Es … Es kommt nur so plötzlich. Warum? Warum habt ihr mich hier her geholt?“, fragte ich ihn mit zittriger Stimme. Sein Gesichtsausdruck wurde auf einmal ernst. „Über die Gründe weiß ich selbst auch nichts. Aber sicherlich hat deine Tante nur Gutes mit dir vor. Ich bin hier nur Dienstbote. Eins kann ich dir jedoch sagen: Die nächsten Tage werden sicherlich ruhiger. Irgendwann, wenn du dich eingelebt hast, wirst du dich hier richtig wohl fühlen. Ich mache dir einen Vorschlag: Ich werde Annie morgen fragen, ob ich dich in Englisch unterrichten kann.“ Er lächelte wieder. „Ist jetzt wieder alles in Ordnung?“ Ich nickte. „Gut. Dann wünsche ich dir eine gute Nacht, ich muss wieder hinunter.“ Er wollte aufstehen, doch ich hielt seine Hand immer noch fest. „Schon gut, Kleine.“ Er lachte und umarmte mich. Dann wandte er sich ab und ging mit einem weiteren „Gute Nacht!“ hinaus. Wäre es nach mir gegangen, hätte er noch viel länger bleiben können, denn kaum war er weg, machte sich in mir ein kaltes Gefühl der Einsamkeit breit. Ich streifte das enge Kleid ab und schlüpfte in mein bequemes Nachthemd. Dann holte ich meine alte Bibel aus der Tasche. Als ich das Buch in der Hand hielt, fiel die kleine silberne Kette, die mir der Abt gegeben hatte, zwischen den Seiten heraus. Ich musste sie wohl im Flugzeug dorthin gesteckt haben. Ich legte das Schmuckstück um und fühlte mich wieder auf die Klosterinsel zurückversetzt. Die salzige Brise des Meeres umwehte mich und ich hörte die Wellen rauschen. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass jemand hinter mir stand und so drehte ich mich herum. Da stand wirklich jemand, doch ich hatte keine Angst vor ihm. Vielmehr schien er mir sehr vertraut. Es war ein junger Mann mit heller Haut und rabenschwarzen Haaren. Seine Augen schlugen mich in ihren Bann und ich fiel in einen tiefen Schlaf.

Am nächsten Morgen konnte ich mich nur noch vage an den Traum, den ich gehabt hatte, erinnern. Doch was mir im Gedächtnis blieb, waren die Augen des Fremden. Doch im Laufe des Tages hatte ich keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Scheinbar hatte meine Tante Micails Vorschlag zugestimmt, denn mein Freund tauchte nach dem Frühstück bei mir auf und meinte, dass wir uns in die kleine Bibliothek des Hauses setzen könnten. Ich mochte Bibliotheken. Im Kloster hatte ich dort viele Stunden meiner Strafarbeit damit verbracht, Bücher einzusortieren. Micail lies mich an einem kleinen Tisch Platz nehmen und verschwand dann wieder zwischen den Regalen, nur um ein paar Minuten später mit einem Packen Bücher unter dem Arm wiederzukommen. Er ließ sie etwas unsanft vor mir auf den Tisch fallen, sodass Staubwolken aufstieben und ich niesen musste. „So … Annie meinte, dass du klassische Werke lesen solltest, um dein Sprachgefühl zu verbessern. Hier, fangen wir am besten damit an.“ Er reichte mir ein in dunkles Leder gebundenes Buch, auf dem in goldenen Lettern der Schriftzug „Shakespeare, Romeo und Julia“ gedruckt stand. „Und so was soll ich lesen?“, fragte ich, skeptisch auf das Buch schauend und Micail nickte langsam. „Ja. Fangen wir an. Bitte lies’ mir laut vor, danach wirst du erläutern, was du gelesen hast.“ Ich machte mir eine geistige Notiz: Zu gegebener Zeit würde ich mich dafür noch an Micail rächen. Es war nicht unbedingt einfach, die lange nicht mehr benutzten Worte über die Lippen zu bringen und heimlich ertappte ich mich dabei, das Gelesene immer wieder ins Italienische zu übersetzen. Micail ließ mich immer nur bestimmte Passagen lesen, dann gab er mir ein anderes Buch, doch nicht ohne die Tatsache, dass ich ihm den Inhalt der Textstücke erläutern musste – und zwar wieder auf Englisch. Bis lange nach dem Mittagessen, das uns in die Bibliothek gebracht wurde, saßen wir zusammen. Irgendwann am Nachmittag ließ meine Tante schließlich nach Micail schicken. „So, das hätten wir auch geschafft“, meinte er und grinste. „Hast du dich nun wieder daran gewöhnt, Englisch mit uns zu reden? Verlernt hattest du es ja nie, es war nur eingerostet.“ Ich gähnte und streckte mich. „Danke, jetzt kann ich es wirklich wieder. Was machen wir heute Abend?“ Er zuckte mit den Schultern und stand auf, um die Bücher wieder einzusortieren. „Ich weiß es nicht, aber Annie meinte, sie wollte dir heute beim Essen wieder die Anstandsregeln näher bringen.“ Ich erhob mich ebenfalls und schlenderte Micail hinterher. „Weißt du eigentlich, dass du fast genauso aussiehst wie deine Mutter?“, fragte er und legte den Kopf schräg. „Die Kleider, die du da trägst, sind ihre. Auch das Zimmer, in dem du wohnst, gehörte mal ihr.“ „Du kanntest meine Mutter?“, fragte ich, leicht entsetzt. Er lachte. „Denkst du, ich bin so alt? Nein. Als ich hier angefangen habe, kam sie immer einmal zu Besuch, zumeist im Sommer. Doch das scheint mittlerweile auch nicht mehr so zu sein. Aber lass’ uns doch hinunter gehen.“ Er strubbelte mir durch die Haare, was mich jedes Mal rasend machte. Als er meinen Gesichtsausdruck sah, gab er Fersengeld und ich setzte ihm mit einem lauten „Na warte!“ hinterher. Keuchend kamen wir unten im Salon an, wo meine Tante auf dem Sofa saß und uns missbilligend anschaute. „Was sollte denn das sein? Micail, zieh’ dich um und mach’ dich an deine Arbeit. Und du, Fräulein“, sie bedachte mich mit einem leicht bösartigen Grinsen, „setzt dich bitte zu mir. Ich möchte dir etwas mitteilen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  mocca-shake
2007-05-08T18:16:14+00:00 08.05.2007 20:16
schade das die zarte schon entstehende romanze immer so abrupt unterbrochen wird *haare rauf* das spannt auf die folter und das ist gut! aber ich frage mich warum du erschrickst wenn er auf deiner bettkante sitzt so rot im gesicht XDDDDDD
das finde ich schon ausführlicher, was die gefühle angeht und die ganzen in der vergangenheit liegenden familienaspekten ^^
LG mia ^____^


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