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Angel School

von

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Kapitel 2

Meine Übelkeit verflog langsam und der Druck auf meinen Ohren auch. Der Start des Flugzeuges war der Grund dieser Übel gewesen. Micail bedachte mein Gejammer mit einem sanften Lächeln, das sich auch in seinen hellgrünen Augen widerspiegelte. Jetzt war ich also auf dem Weg nach London, nein, nicht nur dorthin, sondern auch auf dem Weg in ein neues Leben. Mit meinen mittlerweile fünfzehn Jahren war ich nun auch kein Kind mehr. Verständlich, dass man mich dann auch nicht mehr so behandelte. Ich bemerkte das leise Rascheln des Mantels neben mir. Micail schien irgendetwas zu suchen und hörte mit dem Wühlen in seinen vielen Taschen nicht eher auf, als er das Objekt seiner Begierde gefunden hatte. Ich schaute das Ding, das er da in der Hand hielt, mit großen Augen an. So etwas hatte ich bis dahin wirklich noch nicht gesehen. „Stimmt“, meinte mein Begleiter, „Du bist ganz ohne die Vorzüge der Technik aufgewachsen.“ Für diesen Kommentar knuffte ich ihn in die Seite. „Ist ja gut. Dieses Ding hier nennt man einen ‚mp3-Player’. Eine schöne Erfindung, wenn du mich fragst. Du kannst damit die Musik, die du am liebsten hörst, überall mit hinnehmen. Pass auf“, sagte er und nahm einen kleinen Stöpsel, den er mit behutsam in mein Ohr steckte. Dann drückte er auf einigen Knöpfen herum und ich hörte Musik. Doch diese kam mir unbekannt vor. Ich muss zugeben, ich verstand unter Musik nur sakrale Gesänge auf Latein und das Spiel der Orgel, Flöte oder auch einer Harfe. Aber was ich da hörte, war mir gänzlich fremd. „Was ist das für eine Art von Musik?“, wollte ich wissen. „Das nennt man bei uns ‚Rock’. Wird meistens mit Gitarren, Schlagzeug und so weiter gespielt. Was meinst du dazu?“ „Bis auf die Tatsache, dass ich nicht viel vom Text verstehe eigentlich ganz gut.“ Ich brachte ein Lächeln zustande. Mir war noch gar nicht aufgefallen, dass Micail und ich uns die ganze Zeit auf Italienisch unterhielten. Ich verstand nämlich nur wenige Worte Englisch, das eigentlich meine Muttersprache war, dafür waren aber Latein und Italienisch die Sprachen, die ich fließend beherrschte. Er schien meinen Gedanken erfasst zu haben und meinte: „Wenn du zu deiner Tante kommst, wird sie glaube ich erst einmal an die Decke gehen, weil du ihre Sprache kaum sprichst. Ich kann dolmetschen, wenn du das möchtest.“ Ich nickte. „Es wird mir ein Vergnügen sein. Außerdem werde ich dir dann Englisch beibringen, es muss ja nicht unbedingt der teure Lehrer sein.“ Er lächelte. Ich mochte es, wenn er das tat, denn der Ausdruck in seinem Gesicht strahlte eine Wärme und Fröhlichkeit auf mich ab, die ich kaum kannte. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und schloss die Augen. Ich schaute wieder nach draußen, wo es mittlerweile dunkel war, und suchte die Sterne am Himmel.

Etwas später saßen wir mit unserem wenigen Gepäck in einem Wagen, der uns auf den Landsitz meiner Tante bringen sollte. Sie wohnte etwas außerhalb von London in einem Herrenhaus mit einem großen Grundstück, hatte Micail mir erzählt. Die Bauart der Gebäude war hier ganz anders, als ich gewöhnt war. Die Luft außerdem auch, das hatte ich sofort bemerkt, als wir aus dem Flughafen herausgegangen waren. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht merkte, wie wir vor einem großen Haus hielten und der Chauffeur ausstieg. Ich wollte die Tür öffnen, doch Micail hielt mich am Arm fest. „Das brauchst du nicht zu tun.“ Kaum hatte er das gesagt, wurde meine Tür geöffnet und ich stieg aus. Sofort begann ich zu frieren. Der eisige Wind drang durch meine Kleidung hindurch und ich stand mit meinen dünnen Schuhen auf festgefahrenem Schnee. Micail nahm meine Hand und führte mich auf den Hauseingang zu. Mittlerweile war die Hausherrin zur Tür gekommen, um mich persönlich zu empfangen. Dort stand sie, meine Tante. Groß, in einem einfachen Kleid, mit hochgesteckten Haaren und sanft lächelndem Gesicht. „Guten Abend, Kirya“, sagte sie und umarmte mich. „Komm doch herein, hier ist es wärmer.“ Zu meiner allergrößten Verwunderung verstand ich sie und trat ein. Scheinbar konnte ich meine Muttersprache nicht mehr sprechen, aber immer noch bestens verstehen. Dann schaute sie Micail an. Dieser Blick hatte eine Bedeutung, die ich nicht verstand. Einerseits kalt und abweisend, andererseits freundlich und warm. „Schön, dass du wieder daheim bist.“ Er verbeugte sich. „Die Freude ist ganz meinerseits, Mylady.“ Sie nickte. „Geh’ dich bitte umziehen, ich erwarte dich nachher beim Abendessen.“ Er verbeugte sich noch einmal und ging. Ich schaute ihm fragend nach. „Er ist hier Bediensteter, also hat er auch den Dienstboteneingang zu benutzen. Aber jetzt erst einmal zu dir. Ich bin, wie du sicher schon weißt, deine Tante mütterlicherseits. Mein Name ist Annie Savier. Ich habe dir oben ein Zimmer zurechtmachen lassen. Dort kannst du dich waschen und umziehen. Komm’, ich zeige dir den Weg.“ Ich folgte ihr schweigend die marmorne Treppe hinauf, weil ich nicht wusste, was ich erwidern sollte. Mein Zimmer war in einem Flügel des Hauses und als ich die Tür öffnete, staunte ich wirklich nicht schlecht. Es war wunderschön eingerichtet und kein Vergleich zu meiner Kammer im Kloster. Es gab ein großes Bett, einen Schreibtisch und ein eigenes, abgetrenntes Bad. Außerdem waren alte Bilder aufgehängt und die Fenster zierten schwere Vorhänge. „Gefällt es dir?“, fragte meine Tante und ich nickte. „Schön. Ich erwarte dich in einer Viertelstunde wieder unten. Links ist das Bad und in dem Schrank dort hängen einige Kleider, die dir passen müssten. Bis später.“ Sie ging hinaus und schloss die Tür.

Nachdem ich mich erst einmal auf das weiche Bett hatte fallen lassen, erkundete ich das Bad. Viel Zeit hatte ich nicht, aber ich nahm mir vor, bei Gelegenheit die große Badewanne auszuprobieren. Ich wusch mich schnell – warmes Wasser kann wirklich etwas sehr angenehmes sein – und kämmte meine fast schon blutroten Haare, die bis eben unter einem dunklen Tuch verborgen gewesen waren. Diese flocht ich mir dann wieder zu einem Zopf. Dann öffnete ich den Kleiderschrank und wurde wiederum überrascht: Es waren keine Puppenkleider voller Rüschen darin, wie ich erwartet hatte, sondern es hingen schlichte, aber dennoch schöne Kleider darin. Ich suchte mir eines aus und es passte auch. Außerdem standen vor dem Schrank ein paar einfache Schuhe, die mir ein wenig zu groß waren, aber das störte mich nicht. Ich sah auf das Ziffernblatt der großen Pendeluhr, die an der Wand hing. Es war Zeit für mich, hinunterzugehen.

Als ich am Fuße der Treppe angelangt war, kam Micail aus dem anderen Flügel des Hauses gelaufen. Es muss für meine Tante äußerst amüsant ausgesehen haben, wie wir beide dort gestanden und uns überrascht angesehen haben. Micail sah im schwarzen Anzug einfach nur toll aus. Ich hatte vorher noch nie einen so gutaussehenden Mann gesehen. Ich konnte nicht sagen, ob ich denselben Eindruck auf ihn machte. Bestimmt hat ihn nur die ungewöhnliche Farbe meines Haares so geschockt, aber daran war ich ja gewöhnt. Deswegen hatte ich ja auch ein Kopftuch tragen müssen, weil ich nicht gewollt hatte, dass man sie mir abschneidet. Als er sich wieder gefasst hatte, verbeugte Micail sich und fragte: „Mylady, darf ich Sie zum Essen geleiten?“ Ich war versucht zu lachen, doch dann besann ich mich und antwortete: „Sehr gern.“ Er bot mir seinem Arm an und führte mich zum Esstisch, wo er mir meinen Platz zeigte. Dann verschwand er ohne ein weiteres Wort. Ich sah meine Tante über den Tisch hinweg an. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. „Ich muss dich loben, das eben entsprach ganz meinen Vorstellungen. Wo hast du das gelernt?“ „Was? Ach, das eben“, entgegnete ich und eine Erinnerung schoss mir durch den Kopf: Ich sah das Gesicht meines Vaters, wie er sich vor mir verbeugte und dieselben Worte sprach wie Micail eben. Ich musste lächeln. „Das hat mein Vater immer mit mir gemacht.“ Meine Tante sah erst geschockt aus, dann wurde der Ausdruck in ihrem Gesicht ärgerlich. „Wage es ja nicht, in meinem Haus über diesen Mann zu sprechen!“, schrie sie aufgebracht und zum Glück kam Micail gerade mit dem Essen herein, sodass sie sich nicht weiter auslassen konnte. „Ich wünsche den Damen guten Appetit“, sagte er und ging wieder aus dem Zimmer, doch nicht ohne mir noch ein flüchtiges Lächeln zu schenken.

Als wir mit dem Essen, das für meinen Geschmack äußerst vorzüglich gewesen war, fertig waren, meinte meine Tante: „Ich denke, ich lasse es für heute gut sein, du bist schließlich weit gereist und sicher müde. Micail wird dich hinaufbegleiten und dir zeigen, wo der Rest der Sachen liegt. Ich wünsche dir eine gute Nacht.“ Ich lächelte. „Ich wünsche dir auch eine gute Nacht, Tante.“ Ich stand auf und begab mich auf den Flur, wo Micail schon auf mich wartete.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  mocca-shake
2007-05-08T18:11:41+00:00 08.05.2007 20:11
so weiter gehts ^^
also scheint so als wenn micail immer in etwas unangenehmen momenten auftaucht und jemanden rettet XDD
also vom stil her sehr flüssig aber du könntest weiter hin besser auf die detail eingehen wie baukunst, wie hat es denn ausgesehen und beim duschen nicht so abrupt alles enden lassen XDDDD
aber irgendwann muss man ja mit dem schreiben anfangen ^^
hoffe ich bin nicht zu hart
VLG mia *knuddel*


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