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Theater des Lebens

Never was and neber will be
von

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Something to Believe in

Das hier spielt einige Zeit nach Robert-deSaintclair's "Alone", der Vergangenheit von Alain.
 

Fröstelnd schlang sich Alain den viel zu langen Schal enger um die Schultern, trotzdem stieg sein Atem weiter in Form kleiner Wölkchen auf. Wie konnte es nur so kalt sein? Und dabei war noch nicht einmal richtig Winter!

Wie immer stand er abseits der Gruppe von Waisenkindern, die sich im Hof versammelt hatten. Manchmal sah er still und leise zu ihnen herüber, aber meistens bemühte er sich, in eine andere Richtung zu schauen. Er wollte mit ihnen nichts zu tun haben, auch wenn das ständige Alleinsein ihn immer wortkarger machte.

„Hey, Milchkaffe!“, rief eines der Kinder zu ihm herüber und der Rest fing an zu lachen.

Alain vergrub sich tiefer in Jacke und Schal und hoffte so, den größten Teil seiner dunkleren Hautfarbe verbergen zu können. Warum ließen sie ihn nicht einfach in Ruhe?

Die Gruppe fuhr mit ihren Sticheleien fort, bis auf eine. Skayja. Sie hielt sich immer raus. „Hört auf damit.“, rief sie jetzt. „Er ist genauso gut wie ihr auch!“

Verblüfft wurde sie angestarrt. Zwar hatte Skayja nie an den ganzen Streichen und Beleidigungen beteiligt, aber sie hatte Alain auch nie offen verteidigt.

Vor allem Martina, Skayjas Zimmergenossin, schien das nicht zu gefallen. „Was soll das, Ska?“ , fragte sie, ihre Stimme schwankte zwischen Empörung und Entsetzen.

Auf dem Gesicht von Jeffrey breitete sich jedoch ein breites Grinsen aus. Er war zehn und damit der Älteste der Gruppe, allerdings auch derjenige, der den meisten Ärger machte.

„Genauso gut wie wir? Das muss er beweisen.“

Sein Blick richtete sich auf Alain, der aus dunklen Augen ungerührt zurückschaute. „Das krieg ich hin!“, behauptete der arabische Junge und bereute es im nächsten Moment sofort. Was dachte er sich dabei? Er hatte etwas gesagt, bevor er darüber nachgedacht hatte.

Doch bevor er seine Antwort zurückziehen konnte, klatschte Jeffrey in die Hände! „Sehr gut.“

‚Gar nicht gut’, widersprach Alain in Gedanken. Wahrscheinlich ließen sie ihn jetzt heiße Kohle essen oder so etwas in der Art. Er spürte die steigende Panik und zwang sich dazu, langsamer zu atmen. So, wie er es nachts immer tat, wenn er aus seinen Alpträumen hochschreckte.

„Was muss ich machen?“, fragte er mit vor Furcht trockener Kehle.

Jeffrey zeigte auf die baufällige Kapelle, die neben dem Waisenhaus stand. „Siehst du das Kreuz oben auf dem Dach?“

Alain nickte zögernd.

„Wenn du da hochkletterst und das Kreuz berührst, hast du bewiesen, dass du nicht schlechter bist, als wir anderen auch.“

„Aber das ist doch unfair!“, beschwerte sich Skayja. „Keiner von euch würde auch nur die Hälfte schaffen!“ Empört drehte sie sich zu Alain. „Tu’s nicht, du wirst dir alle Knochen brechen!“

Alain war erstaunlich ruhig geworden. Wenn er es schaffte, würden sie ihn hoffentlich in Ruhe lassen und wenn er es nicht schaffte und abstürzte, hatte er wenigstens seinen Frieden. „Gut, ich mach’s.“

Jeffrey konnte seinen erstaunten Gesichtsausdruck nicht verbergen, offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, dass Alain darauf einging. „Dann mal los, Kleiner.“, meinte er dann spöttisch. „Mal sehen, in wie vielen Stücken du wieder runterkommst.“

Ohne die Gruppe weiter zu beachten, ging Alain zur Kapelle und sah an ihr hoch. Die Außenwand war löchrig, das Hochklettern würde nicht das Problem sein. Aber das Holz schien nicht sehr stabil zu sein.

Er spürte die Blicke der Anderen in seinem Rücken und gab sich einen Ruck. Wenn er jetzt kniff, würden sie ihn nie in Frieden lassen. Vorsichtig griff er nach oben und zog sich dann hoch, während er mit dem Fuß nach Halt tastete. Bis jetzt war es ja noch ganz leicht. Vielleicht würde er es doch schaffen.

Die Gruppe sah verblüfft zu, wie Alain sich scheinbar ohne Probleme immer weiter nach oben hangelte. „Das schafft er niemals.“, murmelte Martina, andere Kinder waren sich da jedoch nicht so sicher.

Weiter oben riskierte Alain einen Blick zum Boden und sah gleich wieder hoch. Das war doch tiefer, als er gedacht hatte. Er schluckte heftig und klammerte sich fester, obwohl seine Finger bereits schmerzten, durch die Belastung und den eisigen Wind. Der Weg nach oben schien ihm auf einmal unendlich lang.

Erschöpft schloss er für einen Moment die Augen, darauf bedacht, sich weiter festzuhalten. Warum bloß hatten seine Eltern ihn hierher gebracht, fragte er sich zum wiederholten Male. Sein Leben hätte so anders verlaufen können, stattdessen riskierte er jetzt seinen Hals für ein wenig Ruhe.

‚Ich hätte den Brief lesen sollen’, dachte er sich bitter. ‚Und zwar, bevor ich hier hochgeklettert bin.’ Jetzt ging es nicht mehr, aber das Knistern des Papiers in seiner Tasche machte ihm Mut.

Die Nonnen hatten ihn ihm vor einiger Zeit gegeben und behauptet, er wäre von seiner Mutter. Alain glaubte ihnen, hatte sich aber nicht getraut den Brief zu öffnen.

Er wusste nicht viel von seiner Mutter. Vielleicht hatte sie ihn gar nicht gewollt?

Er ging davon aus, dass sie die arabische Frau war, von der er oft träumte, diejenige, die das Kind auf dem Arm hielt, während sie vom schwarzen Ritter bedroht wurde. Wenn sie ihn beschützt hatte, musste sie ihn doch geliebt haben, oder?

Wenn er schlief, sah er ihre verzweifelten Augen vor sich und hörte ihre flehende Stimme. Er war sich sicher, dass er sie unter sämtlichen Frauen der Welt wiedererkannt hätte, aber sie ließ sich nicht blicken. Lebte sie überhaupt noch?

Auch bei seinem Vater war es so. Wer war er überhaupt? Von ihm wusste er noch weniger als von seiner Mutter. Eigentlich kannte er nur seine Stimme.

Manchmal kam ihm eine Erinnerung an seinen Vater, aber sie war so flüchtig, dass er den Gedanken nicht festhalten konnte, bevor er wieder verschwand.

Warum konnten sie ihn nicht einfach holen?

Nun, sie würden es zumindest nicht tun, wenn er hier noch lange herumhing und erfror. Fröstelnd öffnete Alain die Augen wieder und bewegte die tauben Finger. Dann kletterte er entschlossen die letzten zwei Meter weiter und kroch schließlich aufs Dach. Erleichtert atmete er aus. Er hatte es tatsächlich geschafft!

Auch Skayja war erleichtert. Alain war also nicht abgestürzt und noch dazu hatte er es Jeffrey und dessen Gruppe sogar richtig gezeigt. Wahrscheinlich war dieser jetzt sprachlos vor Erstaunen.

Oben auf dem Dach bemerkte Alain, wie der Wind immer stärker wurde. Erneut hörte er das Knistern des Briefes, diesmal aber lauter als zuvor. „Verdammt, nein!“

Erschrocken streckte er die Hand nach dem davonfliegenden Papier aus, während er sich mit der anderen auf dem Dach abstützte und bekam den Brief gerade noch so zu fassen.

Das raschelnde Geräusch wurde durch ein anderes ersetzt, wie er bestürzt feststellen musste: Das Knacken von morschem Holz.

Bevor er reagieren konnte, brach die Stelle, auf der er sich abstütze und er stürzte kopfüber in das Loch. Der Fall erschien ihm wie eine Ewigkeit und er bemerkte den Aufprall kaum, als er mit einem dumpfen Laut auf dem Altar aufschlug.

Zischend zog er die Luft ein. Sein ganzer Körper schmerzte und es fühlte sich an, als hätte er keine Knochen mehr im Leib.

Von draußen drang gedämpft Geschrei an sein Ohr. Wenigstens hatten sie es bemerkt.

Alain versuchte sich aufzusetzen und war überrascht, als er seine Hand bewegen konnte. Aber der Schmerz war so unerträglich, dass er den Versuch sofort wieder abbrach.

Als eine der Nonnen entsetzt in die Kapelle stürmte und den unscheinbaren Jungen unverletzt und den Brief seiner unbekannten Mutter umklammernd vorfand, umfing ihn bereits gnädige Ohnmacht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2007-11-24T17:57:46+00:00 24.11.2007 18:57
Kinder sind so gemein aber ich kann mir gut vorstellen das es so gelaufen ist... ich mach mir sorgen um ihn aber ich weiß ja auch das es ihm gut geht


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