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Katenha

von

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Ankunft

Die unangenehme Bewusstlosigkeit endete schon nach kurzer Zeit, doch Noevy erkannte seine Umgebung trotzdem nur ziemlich verschwommen, fast wie durch eine dieser Milchglasscheiben, allerdings mit deutlicheren Umrissen.

Er lief über ein unebenes Gebiet voller größerer und kleinerer Gesteinsbrocken, die höchstwahrscheinlich weiß sein sollte, aber das wusste er nicht genau. Der seltsame Himmel über ihm tauchte alles in ein zartviolettes Licht und verunsicherte Noevy; gab es auf der Erde Plätze mit einem dunkelvioletten Himmel ohne Wolken oder anderen ähnlichen Objekten? Mond oder Sonne fand er ebenfalls nicht.

Links und rechts von ihm schlurften die zombieähnlichen Frauen, die ihn sicherheitshalber stützten und jeden seiner Schritte überwachen zu schienen. Sie hatten ihn hier hergebracht, so weit er sich erinnerte, und steuerten nun mit ihm auf ein Gebäude zu, was mitten in dieser trostlosen Landschaft stand; ein großer roter Klotz, dessen genau Funktion Noevy völlig schleierhaft war, doch da sie direkt darauf zugingen, vermutete er, dass er es bald wissen müsste. Ob er wollte oder nicht. Man hatte ihn schließlich nicht einmal gefragt, ob er mit diesen zwei schweigsamen Damen mitkommen wollte; man hatte ihn praktisch vor der Haustür seines Gastgebers entführt, weil er, Noevy, einfach ein großer Vollidiot war. Aber daran ließ sich nun nichts mehr ändern.

Als sie nach wenigen Minuten fast vor dem Eingang angelangt waren, stellte Noevy zwei Dinge fest: Das Gebäude hatte keine Ecken und kein erkennbares Dach, es sah aus wie eine zu groß geratene Halbkugel und außerdem strahle es ein tröstliches rotes Licht aus. Was leuchtete hier wohl als nächstes?

Die zwei Frauen zogen ihn grob ins Innere und durch viele unbelebte Gänge, in denen der rote Schein hing, und als Noevy neugierig eine der Wände berührte, spürte er eine unerwartete Wärme und zog erschrocken die Finger zurück. Sollte das hier die Heizung der Zukunft sein? Hoffentlich nicht, das war unheimlich.

Irgendwann standen sie vor einer unscheinbaren Tür; eine der Frauen öffnete sie, die andere schob ihn in den Raum und verschwand schließlich, nachdem sie Noevy auf eine Matratze nahe einer Wand verfrachtet hatte.

Während er auf der weichen Unterlage lag, begann sich seine Sicht zu klären und er bemerkte endlich ein paar Jugendliche in seinem Alter, die ihn von der anderen Seite des Raums teils neugierig, teils misstrauisch musterten. Scheinbar befanden sich hier die wenigen Jugendlichen, die in den vergangenen Wochen entführt worden waren. Und er gehörte ab jetzt dazu. Dummheit wurde nun mal bestraft.

Ein Junge löste sich aus der Gruppe, ging zögerlich auf ihn zu und kniete sich vor ihn auf den Boden. „Geht es dir gut?“

Bis auf ein leichtes Schwindelgefühl, das noch nicht verflogen war, schon, weshalb Noevy zustimmend nickte und es gleich bereute, weil alles in Sichtweite wieder zu verschwimmen begann.

„Bleib ruhig liegen, das geht bald weg. Das sind die Nachwirkungen vom Transport, die bekommt eigentlich jeder.“ Schwach lächelte der andere ihn an. „Ich bin Jevo.“

„Ich bin Noevy.“ Das traf sich wirklich sehr gut. „Bist du Ravens Bruder?“

„Äh, ja.“ Jevos Gesichtsausdruck wandelte sich von anfänglichem Misstrauen in Überraschung. „Woher kennst du ihn? Besonders kontaktfreudig ist er ja leider nicht.“

„Zufall, er hat mich vor diesen Leuten hier gerettet und mich bei sich übernachten lassen.“

Ungläubig schaute Jevo ihn an. „Mein Bruder... hat dir geholfen? Bist du sicher, dass wir von demselben Raven sprechen? Er tickt doch schon aus, wenn sich seine Klassenkameraden selbst bei ihm einladen. Zugegeben, die sind aber auch nervig.“

„Ich bin mir sehr sicher, Ähnlichkeiten hast du nämlich mit ihm.“ Wie zum Beispiel die Haarfarbe und die Nase, das sah man auf den ersten Blick. „Aber ich bin ihm zum Schluss ziemlich auf die Nerven gegangen und deshalb abgehauen. Dabei wurde ich dann doch geschnappt.“ Peinlicher ging es kaum.

„Mach dir nichts daraus, Raven ist die Gereiztheit in Person.

Wenn es dir später besser geht, kann ich dich hier etwas herumführen, wir werden hier zum Glück nicht eingesperrt oder so.“

„Wo sind wir hier überhaupt? Wie Cellora sieht das nicht aus; sind wir am Nordpol?“

Jevo seufzte leise. „Nein, wir sind auf dem Mond.“

„Was?“ Schockiert schaute Noevy ihn an. „Das kann nicht sein!“ Wer sollte sie alle von diesem kleinen Himmelskörper mitten im Weltall wegholen? Und wie war es überhaupt möglich, hier her zu kommen?

„Doch, das haben sie erzählt“, sagte Jevo niedergeschlagen. „Du kannst das ganze Gebiet absuchen, etwas anderes außer der Station wirst du nicht finden.“

„Das gibt es doch nicht“, murmelte Noevy verzweifelt vor sich in, bis ihm Jevo beruhigend eine Hand auf die Schulter legte. Langsam verschwand das Gefühl des Ausgeliefertseins wieder, wenigstens war er hier nicht völlig auf sich allein gestellt.

„Wen meinst du eigentlich mit 'sie'? Die anderen Leute?“

„Nein, die, die uns hier hergeholt haben. Sie nenne sich Katenha und sind eine Art Außerirdische, die auf den verschiedenen Planeten leben.“

„Sind diese Frauen auch Katenha?“ Wenn ja, konnte man sie kaum von richtigen Menschen unterscheiden, was ihm nicht behagte. Man erkannte die Bedrohung zu spät.

Doch Jevo schüttelte den Kopf. „Nein, das sind Helfer der Katenha, sogenannte Trisets. Zwar sehen sie aus wie Menschen, sind aber keine, nicht einmal richtige Lebewesen, sondern leere Hüllen, die von einem Katenha gesteuert werden. Auf der Erde fallen sie halt nicht auf.“

Von den vielen neuen und zum Teil verwirrenden Details tat Noevy der Kopf erst recht weh, was Jevo schnell erkannte und ihn einige Zeit in Ruhe ließ, um außerdem den anderen zu berichten, was er von Noevy wusste.

Ohne es wirklich wahrzunehmen, nickte dieser ein und wurde davon wach, dass ihm jemand vorsichtig auf die Schulter tippte. Eigentlich erwartete er, es sei Jevo, der sich weiterhin mit ihm unterhalten wollte, allerdings fiel sein Blick, als er endlich die Augen öffnete, auf ein Mädchen, das ihm ein Tablett unter die Nase hielt.

„Hallo Noevy, ich bin Sejena. Hier ist dein Mittagessen, wenn du willst, kannst du dich zu uns setzen.“ Sie deutete auf ihre Gruppe, die in der Mitte des Raumes in einem Kreis zusammensaßen. Tische oder Stühle gab es weit und breit nicht, jeder hatte sein Tablett auf dem Schoß liegen und hockte auf dem blanken Boden, der aber nicht kühl sein konnte, da er aus demselben Material wie die Wände bestand.

„Danke.“ Er nahm ihr das Essen ab, folgte ihr in den Kreis und suchte sich zwischen Jevo und einem anderen Jungen ein Plätzchen. Besonders appetitlich sah die Mahlzeit nicht aus; in einer kleinen unförmigen Schale schwamm eine trübe Suppe mit vereinzelten grünen Flecken, daneben lag eine Scheibe dunkles Brot und die Flüssigkeit, die sich in einem rosa Plastikbecher befand, wollte er gar nicht genauer analysieren. Wer wusste, was das in Wirklichkeit war.

„Du kannst es essen“, versuchte Jevo in zu animieren, „es sieht zwar nicht sehr lecker aus, aber es schmeckt einigermaßen. Obwohl der Tee mehr Wasser als etwas anderes ist.“

Vorsichtig tunkte Noevy einen Finger in die Suppe und probierte sie; es sah wirklich schlimmer aus, als es tatsächlich war. Hungrig geworden löffelte er die Schüssel leer, knabberte an der Brotscheibe herum und trank dazwischen seinen Tee, der wirklich mehr nach Wasser als nach Pfefferminze schmeckte.

Die anderen ließen sich ebenfalls vom unterdurchschnittlichen Aussehen des Essens nicht beirren und wenig später stapelten sich die leeren Tabletts und Gefäße in der Mitte ihres Kreises.

„Wenn du willst, zeig ich dir die Station“, erklärte sich Jevo nach dem Essen bereit, „wir dürfen uns hier einigermaßen frei bewegen, was wir aber selten tun.“

Als Zustimmung nickte Noevy und folgte Jevo, der zu einer Tür ging, diese öffnete und ihm somit das Bad zeigte; ein seltsam runder Raum mit den hier charakteristischen Wänden, gefliestem Boden und den typischen Badezimmereinrichtungsgegenständen in weiß: Waschbecken, Toilette, Badewanne und sogar einem Holzschrank mit Handtüchern. Was für ein Luxus.

„Die haben hier eine Abneigung gegen Räume mit Ecken“, meinte Jevo und zog Noevy zurück in den größeren Raum, der ebenfalls ohne Ecken auskam, wie Noevy sehr früh feststellte. Individualität wurde nicht besonders großgeschrieben; bis auf die 'Möbel' und die Art des Fußbodens sahen beide Zimmer ziemlich identisch aus: keine Fenster, da auch die hier die Wände das purpurne Licht absonderte, die gleichen metallisch glänzenden Türen, die kuppelartige Decke.

„Hier essen, schlafen und leben sozusagen wir“, leierte Jevo herunter, als tat er den ganzen Tag nichts anderes als sich Texte für seine Führungen zu überlegen. „Dreimal am Tag bekommen wir essen, dann schalten sie für ungefähr acht Stunden das Licht aus, damit wir schlafen können. Das tun wir auf diesen eigentlich ganz bequemen Matratzen da hinten, die müssen wir uns teilen.“ Neun Jugendliche auf vier Matratzen zu quetschen würde sicher sehr beengt werden, aber es erschien deutlich komfortabler als auf dem harten Boden zu übernachten.

„Und was haben die Katenha mit uns vor?“ Diese waren bis jetzt noch nicht direkt erwähnt worden, obwohl sie die Urheber für ihren unfreiwilligen Aufenthalt waren.

„Das wirst du früh genug merken“, wich Jevo aus, „aber du brauchst keine Angst zu haben, es tut nicht weh, es ist höchstens etwas unangenehm, aber man gewöhnt sich daran.“

Wenn er ihn mit dieser Aussage hatte beruhigen wollen, hatte er genau das Gegenteil erreicht, Noevy gruselte sich nun erst recht vor den Versuchen der Katenha.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  ReinaDoreen
2009-05-12T18:47:02+00:00 12.05.2009 20:47
Äußerlich sieht man ja nichts. Aber wenn Jevo nicht sagen will, was der Zweck ihres Aufenthaltes ist, dann ist das schon seltsam.
Leider muss ich da genau so warten wie Noevy bis ich erfahre was los ist.
Reni


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