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Katenha

von

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Entdeckung

„Ich glaube, sie haben uns nicht bemerkt“, flüsterte Raven Diu zu, als sie seiner Meinung nach lange genug in ihrem Versteck gewartet hatten. „Wir müssen es jetzt versuchen, hoffentlich sieht uns keiner.“

Diu nickte nur, er sollte nämlich nicht mit Raven sprechen, um nicht die Katenha auf sich aufmerksam zu machen. Daran hielt er sich auch so weit es ihm möglich war, die geplante Aktion durfte nicht seinetwegen ins Wasser fallen.

Vorsichtig schlichen sich die beiden an den Haupteingang an, lauschten auf jedes verdächtige Geräusch, das aus der Station kommen könnte, und ließen ihre Umgebung nicht aus den Augen. Man konnte sich hier nie sicher sein, ob nicht eins dieser Wesen auf sie lauerte.

Die Tür vor ihnen öffnete sich überraschend von allein, sodass Raven im ersten Augenblick befürchtete, entdeckt worden zu sein, aber da sich im Inneren nichts zu regen schien, ging er von einem automatischen Mechanismus aus, der durch ihre Bewegung ausgelöst wurde; selbst die Katenha hatten keine Lust, die Tür immer aus eigener Kraft zu bewegen, wenn es hier niemanden gab, der unerlaubt in ihr Gebäude eindrang. Bis auf sie, allerdings rechneten die Katenha eher nicht mit dem Kommen zweier Menschen – oder auch Halbmenschen, um korrekt zu sein – weshalb auch? Auf normalem Weg kamen sie nicht auf den Mond.

Raven nahm Diu an der Hand und gemeinsam betraten sie die Halle, die sich hinter dem Eingang erstreckte; kein Mensch oder Katenha zu sehen, also brauchten sie sich noch keine allzu großen Sorgen zu machen, jedenfalls in diesem Abschnitt, obwohl sie nun vor einem anderen Problem standen: In welche Richtung sollten sie gehen? Und welche Abzweigung war dann die richtige?

Eine Ausschilderung fehlte hier, wahrscheinlich kannten sich die außerirdischen Bewohner hier bestens aus, auf Diu und ihn traf das dummerweise nicht zu. Was konnten sie tun, um sich nicht völlig in diesem Labyrinth zu verirren?

„Uns bleibt nichts anderes übrig als einfach irgendwo anzufangen“, flüsterte Raven seinem Begleiter so leise wie möglich ins Ohr. „Wenn du etwas hörst, sag es einfach.“ Selbst wenn die Gefahr bestand, dadurch vom außerirdischen Teil der Einwohner bemerkt zu werden.

Zur Bestätigung nickte Diu, schließlich wollte er Raven unterstützen und ihn nicht in die nächsten Katenha hineinlaufen lassen.

Ohne genau nachzudenken, ob der Weg sie ans Ziel oder in eine Falle führte, folgte Raven einem der Gänge, behielt den kleinen Außerirdischen ganz nah bei sich und überlegte, was sie unternehmen sollten, falls sie plötzlich von einem Katenha überrascht werden würden. Sich verstecken funktionierte in diesem Abschnitt nicht und gegen diese Viecher konnte man kaum etwas ausrichten, weil sie ja unverschämterweise tausende geheime Fähigkeiten besaßen; das einzige, was vielleicht möglich wäre, war flüchten, aber es bestand immer noch die Gefahr, in eine Sackgasse zu gelangen und gefangen zu werden.

Ein wenig ängstlich drückte sich Diu an Raven, er wollte sich gar nicht vorstellen, was passierte, wenn die anderen seines Volkes ihn mit einem Menschen hier fanden. Immerhin hatte er ihr Verbot vollkommen ignoriert und würde nun versuchen, ihre Testpersonen wieder zurückzuholen, weil er es einfach nicht richtig fand, sie gegen ihre Willen in diesem Gebäude für irgendwelche Zwecke festzuhalten.

Zwar merkte er, dass es Raven nicht besonders gefiel, weil er sich so an ihn hängte, aber statt erwartet weggeschoben zu werden, durfte Diu damit fortfahren. Das freute diesen natürlich; so fühlte er sich sicherer, nicht ganz so allein und sie verloren sich bestimmt nicht.

Vielleicht lernte Raven so mit der Zeit, dass Berührungen doch nichts Schlimmes waren, sondern einfach zum Leben dazugehörten. Vor allem, wenn man mit Diu unterwegs war.

Der Gang, den sie entlang liefen, schien kein Ende zu nehmen, sodass Raven mit der Zeit immer unruhiger wurde. Hörte das hier irgendwann auf? Warum gab es nicht ein paar Türen, die man untersuchen musste, um zu kontrollieren, ob sich Noevy und Jevo dahinter befanden? Konnten die nicht bald auftauchen?

Sein letzter Wunsch wurde ihm erfüllt, schon nach einigen Metern erreichten sie einen Bereich, indem mindestens fünf Türen zu anderen Räumen führten. Mithilfe seiner speziellen Fähigkeit testete Diu einen nach dem anderen auf außerirdische Lebensanzeichen, bevor Raven diese betreten und genau inspizieren durfte. Leider fünfmal ohne Ergebnis, es war niemand dort drin, weder Katenha noch Mensch.

„So eine Scheiße!“, fluchte Raven ungehalten über diesen ernüchternden Misserfolg und knallte die letzte Tür heftiger als nötig ins Schloss. Erschrocken zuckte Diu über diesen plötzlichen Lärm zusammen und vergewisserte sich gleich, dass keiner auf dieses Geräusch aufmerksam gemacht worden war.

„Mach das bitte nicht noch einmal“, erklang seine Stimme ganz leise in Ravens Kopf. Das erste Mal, dass er seinen Begleiter so eindringlich zurechtwies.

„Ja, ist gut, tut mir leid.“ Eigentlich nicht – Raven war frustriert, da durfte er sich seiner Meinung nach aufregen –, aber erstens war es ungerecht gegenüber Diu, sich so aufzuführen, und zweitens musste er sich doch etwas zusammenreißen, damit nicht sofort der nächstbeste Katenha vor ihnen auftauchte und sie freundlich einlud, mit ihm zu kommen.

Die folgende halbe Stunde blieb genauso erfolglos, wie man es nicht haben wollte, und langsam kamen sie in eine Zone, in der die Katenha deutlich präsenter erschienen als zuvor, zumindest teilte Diu das ziemlich beunruhigt mit und hielt Ravens Hand noch eine Spur stärker fest. Hoffentlich hatten die anderen seinen Hinweis nicht aufgeschnappt, sonst wäre ihre Lage noch unschöner geworden, da sich die Möglichkeiten zum erfolgreichen Entkommen überhaupt nicht erweitert hatten, ganz im Gegenteil. Durch die steigende Anzahl an Katenha nahm sie rapide ab.

Bei Raven und Diu wuchs natürlich von Sekunde zu Sekunde unaufhaltsam die Nervosität und sie fanden kein Mittel, sich dagegen zu wehren, außer sich selbst ständig einzureden, dass ihr Vorhaben auf keinen Fall schief laufen oder komplett scheitern konnte.

Aber ihre Hoffnung wurde leider enttäuscht, als sie an einer typischen Katenha'kreuzung' – natürlich ohne erkennbare Ecken – unerwartet vor einem silbernen Katenha standen, der sie zuerst einige Sekunden verwirrt musterte, plötzlich beide am Kragen packte und gegen ihren Willen tiefer in das labyrinthische Gängesystem brachte. Auf dem Weg begegnete ihnen noch eine Handvoll anderer Katenha, die sie kaum beachteten, sondern uninteressiert an ihnen vorbeigingen, als wäre ihr Anblick etwas Alltägliches. Sicher hatte das silberne Vieh, was sie mit sich schleifte, den Rest schon über die zwei Eindringlinge informiert.

Hilflos hing Raven im Griff des Außerirdischen, unfähig sich loszureißen, und ärgerte sich unglaublich, nach so kurzer Zeit erwischt worden zu sein. Nun brauchten sie wohl selbst erst jemanden, der ihnen aus der Klemme half, bevor sie ihre wichtige Mission fortsetzten. Und derjenige durfte nicht lange auf sich warten lassen, sonst stellte der Katenha bei ihrem Pech alles andere als angenehme Dinge mit ihnen an. So ungerne er es zugab, diese Vorstellung machte ihm schon ziemlich nervös.

Diu neben ihm war völlig aufgelöst; er schien panische Angst zu haben, was bald mit ihnen und ganz besonders mit ihm selbst geschehen sollte. Seine Finger krallten sich haltsuchend in Ravens Oberteil, um nicht zu stolpern, und er zitterte. Leicht, aber merklich. Kein gutes Zeichen, hoffentlich verlor er nicht die Nerven und tat etwas Unüberlegtes, was ihm schadete. Ob und was der silberne Außerirdische ihnen dann nämlich antat, wollte Raven unter keinen Umständen herausfinden.

Sie gingen solange durch die große Anlage, dass sie sich schon fast auf der gegenüberliegenden Seite von ihrem Ausgangspunkt aufhalten müssten, bis der Katenha wie es schien sein Ziel erreicht hatte, eine Tür vor ihnen öffnete, die zwei Jungen grob in den dahinter liegenden Raum stieß und mit einem deutlich hörbaren Geräusch die ziemlich massiv wirkende Tür wieder verschloss.

Sie saßen sozusagen in der Falle, in einer äußerst winzigen sogar, der Raum war nicht mehr als ein paar Schritte lang; durch den entstandenen Schwung knallten sie beide gegen die nächste Wand, was der Katenha mit voller Absicht geplant hatte, um sie für ihre Sorglosigkeit und seinen zusätzlichen Arbeitsaufwand zu bestrafen.

„Raven, was sollen wir tun?“, fragte Diu völlig verzweifelt und rieb sich die Schulter, mit der er am stärksten aufgekommen war. Kurz konzentrierte er sich, beendete es allerdings fast genauso schnell wieder und ließ sich mutlos auf den Boden sinken. „Selbst wenn ich genügend Energie hätte, könnte ich uns nicht von hier wegbringen, die anderen haben den Raum mit einem unglaublich starken Schutz abgesichert, sodass ich uns nicht heraus transportieren kann.“ Man hatte wohl für den Fall von Eindringlingen extra einen doppelt und dreifach gesicherten Ort vorbereitet. In der kurzen Zeit hätte sie nämlich kaum nur für die beiden diese Vorkehrungen herrichten können, das packten nicht einmal die Alleskönner des Universums, wie Raven die Katenha gerne nannte.

„Dann sitzen wir hier fest und müssen warten, bis dieses silberne Vieh wiederkommt und vielleicht eins dieser Experimente an uns ausprobiert.“ Am liebsten hätte Raven aus Frustration wie ein Verrückter gegen die Wände gehämmert oder wenigstens einen Haufen Flüchte auf diese verdammten Aliens losgelassen, aber nichts davon zauberte ihnen einen guten und durchführbaren Fluchtplan herbei, durch denen sie diesen Raum ohne Fenster oder anderen möglichen Öffnungen in die Freiheit verlassen konnten. Nur durch die gut verriegelte Tür, was für sie nicht im Bereich ihrer Möglichkeiten lag und die Situation somit so schrecklich ausweglos machte.

In der Zwischenzeit war Diu zu Raven gerückt und hatte sich dort zusammengekauert, die Arme um die Knie geschlungen, und starrte ratlos und ängstlich auf den Boden unter sich, als entstünde dadurch eine kleine Falltür, durch die sie heimlich aus der Station verschwinden konnten.

Leider entsprach das nicht der Realität, der Untergrund blieb genauso existent wie zuvor und eröffnete ihnen keine Chance, an einen anderen Ort zu gelangen.

„Raven, ich will nach Hause“, murmelte Dius Stimmen in seinem Kopf, während seine Finger vorsichtig Ravens Hände suchten, um sich an ihm festzuhalten und etwas Trost zu erhalten.

„Ich nicht, da wäre es auch nicht besser als hier“, sagte Raven ehrlich und seufzte genervt über alles, was ihm so gar nicht passte. „Überall würden wir nur herum sitzen und nichts tun, um den anderen zu helfen.“

„Aber da wären wir wenigstens in Sicherheit“, warf Diu ein und lehnte seinen Kopf an die Schulter des anderen, um nicht länger nur die harte Wand hinter sich zu spüren. „Und wir wären auch nicht eingesperrt.“

„Ist mir egal, ist doch sowieso alles scheiße. Ich will die zwei hier rausholen, deshalb bin ich auch hier.“

„Sind sie dir so wichtig?“ Gegen seinen Willen klang Diu etwas neidisch, bis vor einigen Tagen war er es gewöhnt gewesen, dass er der einzige war, zumindest im Leben seiner Mutter. Aber für Rave sicher nicht. Bestimmt würde er das auch nie sein.

„Jevo schon, er ist mein einziger Bruder und auch so ungefähr der einzige, der sich nicht ständig über mich beschwert.“ Im Gegensatz zu vielen, vielen anderen Leuten, die es nicht einsahen, dass sie ihm auf den Keks gingen und nicht umgekehrt. „Und Noevy... der ist so hohl, auf den muss man aufpassen, sonst macht der echt nur dummes Zeug.“ Kopfschüttelnd erinnerte er sich an ihr kurzes 'Zusammenleben' und an Noevys kindische Art, sich fast ununterbrochen dumm anzustellen und dann herum zu jammern. Mit ihm kam Jevo sicher besser zurecht als er selbst, sein Bruder ging viel offener auf andere.

„Sag mal“, fing Diu zögernd an, „wenn mich die Katenha entführen würden und nicht mehr hergeben, würdest du mich auch retten oder eher nicht?“

„Was ist das denn für eine Frage?“ Nur weil er gerne seine Ruhe vor nervigen Dingen hatte, bedeutete das nicht, dass er jemanden, mit dem er inzwischen ziemlich viel durchgemacht hatte, einfach links liegen ließ. Das tat er höchstens bei Menschen, die ihm permanent auf den Geist gingen oder die er gar nicht kannte. Und durch Noevy hatte er gemerkt, dass das auch besser war, sonst holte man sich seltsamen Besuch ins Haus, der nicht mehr gehen wollte. „Findest du mich so asozial, dass du mir das zutraust? Du hast mir immerhin auch schon geholfen.“

„Ich meinte eigentlich vorher, bevor wir uns gekannt hätten.“

„Hm, dann wohl eher weniger.“ Aus Fehlern sollte man schließlich lernen, vor allem wenn man dadurch sonst sein gesamtes Leben auf den Kopf stellte.

„Ach so.“ Nun wusste Diu nicht, ob er das schlimm finden oder hinnehmen sollte, wann Raven sich für andere verantwortlich fühlte und wann er sich lieber heraushielt. Aber er wusste ja nicht, ob das bei Menschen normal war, vielleicht interessierte es sie einfach nicht, was mit Fremden geschah.

Die Katenha gehörte auch nicht unbedingt zu der Sorte, die sich gegenseitig halfen, sondern eher zu den Einzelgängern. Nur in dieser Station arbeiteten sie gezwungenermaßen zusammen, um schneller Ergebnisse zu erzielen.

„Was hat dir das jetzt gebracht?“ Irgendwie lief Dius Frage verdächtig in genau dieselbe Richtung wie bei Mädchen dieses sinnlose 'Wie findest du mich?' Fragespiel. Nicht, dass ihn jemals eins danach gefragt hatte – die freuten sich, wenn er sich nicht in ihrer Nähe aufhielt –, aber man bekam es leider an jeder Ecke mit, wenn sie ihre – meistens männlichen – Freunde damit terrorisierten.

Mit dieser Feststellung wollte er Diu allerdings nicht in die Kategorie 'ätzende Mädchen' abheften, da gehörte er nicht hin. Mädchen störten gerne, Diu tat das nur ab und zu und dann auch nicht so extrem.

Mit dieser Einstellung fand er nie eine Freundin, aber das beunruhigte ihn auch kein bisschen.

„Ablenkung“, gab Diu zu und zwang sich zu einem kläglichen Grinsen. „Hat doch geklappt, oder?“ Seine Finger strichen ganz leicht über Ravens Handrücken.

In gewisser Weise schon, Raven hatte für ein paar Minuten über sein dauerhaft beknacktes und verkorkstes Alltagsleben in Cellora nachgedacht und nicht darüber, was man mit ihnen vorhatte.

„Ja, jetzt bin ich mir ganz sicher, dass ich bis an mein Lebensende single bleibe“, antwortete ihm Raven und beobachtete zufrieden, wie Diu ihn mehr als verwirrt ansah. Vielleicht nützte diese Methode doch mehr, als er gedacht hatte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  ReinaDoreen
2009-08-04T20:54:26+00:00 04.08.2009 22:54
Ich denke auch das Diu viel mehr zu fürchten hat als Raven, Der könnte auch mit als Experiment dienen, aber Diu wird bestimmt bestraft werden.
Reni


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