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Katenha

von

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Ende

Sie einigten sich darauf, für die nächsten Tage eine Pause einzulegen, damit Muka noch einmal genau über sein Fehlverhalten nachdenken konnte und Raven genügend Zeit bekam, sich zu erholen. Zusätzlich verlangte Raven für sich und Diu irgendwelche Dinge, um sich in der längeren Zeitspanne nicht in dem leeren Raum zu Tode zu langweilen.

Für den weiteren Verlauf der Testreihe entschieden sich, dass es wohl besser sei, nicht nur Muka, sondern auch andere Katenha mit einzubinden und die Tätigkeiten nicht nur auf Körperkontakt zu reduzieren, schließlich ging es hier hauptsächlich um die menschlichen Gefühle und nicht um die sexuelle Bereitschaft, die man von Raven sowieso nicht erwarten durfte. Nach der kleinen Attacke war sein Verlangen auf Sex und Konsorten unter Null gesunken und er nahm an, bis an das Ende seines Lebens nichts mehr damit am Hut haben zu wollen.

„Sag mal, Raven, wann weiß man, dass man verliebt ist?“

„Hä?“ Verwirrt sah Raven von seinem Buch auf, das er gerade zu lesen angefangen hatte. „Wie kommst du da drauf?“ Gerade eben noch hatte sich Diu über das sich ständig wiederholende Essen in der Station beklagt und nun das.

„Keine Ahnung.“ Verlegen kritzelte Diu ein wenig auf seinem Blatt weiter, auf dem man bis jetzt nicht besonders viel erkennen konnte außer einer kleinen Anzahl an schiefen Kreisen. „Mir ist nur eingefallen, dass Menschen ja immer sehr viel von Liebe erzählen, ich aber eigentlich gar nicht richtig weiß, wann man davon reden kann.“

„Also wenn du jetzt irgendwelche Erklärung von mir hören willst, wie man Liebe definiert, bist du an der falschen Adresse, ich hab ungefähr genauso viel Ahnung wie du.“ Sah er aus, als wäre er schon einmal richtig verliebt gewesen? „So viel ich weiß muss das jeder für sich selbst herausfinden. Manche meinen, es gäbe keine richtige Liebe, andere schwätzen irgendetwas vom winzigen Unterschied zwischen Freundschaft und Liebe und anderen wie mir ist das so was von egal, das glaubst du gar nicht.“Sicher gab es noch mehr Ansichten darüber, aber da ihn das Thema eigentlich noch nie richtig interessiert hatte, hatte er sich auch nicht sehr viel davon gemerkt.

„Aha.“ Sehr überzeugt hörte sich Diu nicht an. „Und wie würdest du das definieren?“

„Ach Mann, was weiß ich denn? Wenn du verliebt bist, benimmst du dich peinlich, rennst demjenigen dauernd hinterher, willst ihn nur für dich haben und so oft wie möglich anfassen. Aber verwechsel das nicht mit dem, was Muka macht, der will nämlich einfach nur Sex, nehm ich an. Und, fühlst du dich jetzt schlauer?“

„Ein bisschen.“ Schnell widmete sich Diu seinem unfertigen Gemälde und Raven beschlich das dumme Gefühl, dass da noch mehr hinter der Frage steckte statt nur reiner Neugier.

„Hast du das Gefühl, verliebt zu sein oder was?“ Wehe wenn, sie hatten im Moment genug zu tun als sich noch zusätzlich um das schwierige Innenleben eines kleinen Halbkatenhas zu kümmern.

„Ich bin mir nicht sicher.“

„Na super, ein Problem mehr.“ Diu war verknallt, er selbst musste sich neu sortieren und Muka sollte seiner Sucht den Kampf ansagen. Die Liste schien von Tag zu Tag länger zu werden. War denn da gar kein Ende in Sicht?

„Danke, dass auf Muka immer Rücksicht genommen wird und auf mich nie.“

„Das stimmt doch gar nicht." Seufzend klappte Raven das Buch zu – der Inhalt langweilte ihn sowieso schon nach einer halben Seiten – und ging zu Diu, der ihm aber nur demonstrativ den Rücken zutrete. „Jetzt hör mir mal... scheiße!“

Hilflos stand er hinter Diu, der leise angefangen hatte zu weinen, und fühlte sich nun ziemlich schuldig. Er hatte doch gewusst, dass Diu eigentlich ein kleines Sensibelchen war und trotzdem hatte er ihn selbst in seiner neuen Phase sehr unfair behandelt, dabei hatte ihn der Kleine immer geholfen. Und das dankte er ihm natürlich wieder nur, indem er ihn für seine Gefühle zur Schnecke machte.

„Komm, hör auf, bitte.“ Was sollte er denn jetzt tun? Sein neuerwachtes schlechtes Gewissen machte ihm gerade die Hölle heiß für sein Dasein als Riesenidiot und Diu schluchzte unbeeindruckt von seinen armseligen Worten weiter. Was für eine grauenhafte Situation.

„Es tut mir leid, Diu, wirklich.“ Er erkannte sich selbst kaum wieder bei diesen Worten, die er früher höchstens einmal im Jahr benutzt hatte, aber so war er wohl nun; auf seine Mitmenschen wirkte das hoffentlich vertrauenserweckender als vorher. Zögernd legte er von hinten seine Arme um Diu, zog ihn etwas an sich und wünschte sich, dass diese Geste dem Halbkatenha vielleicht vermittelte, wie ernst er es meinte.

Vereinzelt fielen Dius Tränen auf seinen Arm und auch auf sein T-Shirt und hinterließen nasse Spuren; das Beruhigen zog sich ewig lange hin, so kam es Raven vor, und in der ganzen Zeit kommunizierte Diu kein einziges Mal mit ihm, das machte ihn ziemlich nervös.

Warum besaß er das unschlagbare Talent, jüngere Jungen zum Weinen zu bringen? Vor nicht allzu langer Zeit hatte es Noevy erwischt und nun musste Diu daran glauben.

Noevy... der kleine Auslöser für das Theater, ohne ihn säße Raven sicher noch planlos und mit seinem lächerlichen Selbsthass zuhause fest und würde die Wand in Grund und Boden starren. Da gefiel ihm diese Variante hier fast schon besser, denn er fühlte sich dadurch nicht mehr ganz so nutzlos wie davor. Obwohl man einige Dinge ruhig hätte weglassen können.

Zum Beispiel das Drama momentan, das an seinen Nerven zerrte, da er sich dumm wie Brot vorkam und Diu wirklich nur ganz langsam wieder in einen Zustand verfiel, in dem er nicht wie ein Wasserfall seine direkte Umgebung durchnässte.

Wenigstens stieß er in der ganzen Zeit Raven nicht von sich, was dieser als gut deutete und deshalb auch keine Anstalten machte, ihn loszulassen.

„Warum sagst du ständig solche Sachen, wenn es dir nachher dann doch wieder leid tut?“ Diu hatte sich in der schraubstockartigen Umarmung – man merkte, dass Raven davon keine Ahnung hatte – umgedreht, in seine Augen konnte Raven den Vorwurf gar nicht übersehen.

„Weil ich dumm bin und es eine schlechte Angewohnheit ist.“ Die er aber so bald wie möglich loswerden sollte, wenn er nicht noch mehr Leute verletzten wollte.

So saßen sie noch eine ganze Weile lang herum. Diu antwortete nichts, lehnte nur seinen Kopf an Ravens Schulter und Raven wusste nicht, wie er die Situation noch irgendwie retten konnte, ohne gleich wieder dummes Zeug zu erzählen.

„Magst du Muka mehr als mich?“

„Natürlich nicht.“ Immer diese seltsamen Fragen, langsam wurde es Raven unheimlich. „Ich finde Leute, die mir gegen meinen Willen an die Wäsche gehen, im Allgemeinen nicht so toll.“ Vor allem wenn sie das regelmäßig taten.

„Merkt man leider nicht unbedingt.“ Dius Finger krallten sich in den Stoff des T-Shirts und Raven befürchtete, er könnte jeden Moment wieder anfangen zu weinen. Was war denn hier bloß los? Zwar hatte er schon früher gemerkt, dass Diu wohl an ihm hing, aber so intensiv hatte er es noch nie wahrgenommen.

„Du weißt doch, im Gefühle zeigen bin ich manchmal noch die absolute Niete.“ Mit etwas Übung änderte sich das hoffentlich bald, sonst wäre Raven hier ganz allein unter Wahnsinnigen, weil Diu sich schnellstmöglich aus dem Staub gemacht hätte.

Diese Vorstellung gefiel ihm überhaupt nicht.
 

Seit diesem Vorfall war Diu entgegen Ravens Annahmen sogar noch ein wenig anhänglicher geworden und Raven versuchte sein Bestes, ihm zu zeigen, dass er ihn wesentlich sympathischer fand als Muka, der sie nach knapp einer Woche wieder besuchte, um sie darauf hinzuweisen, dass sie möglichst bald ihre Arbeit fortsetzen mussten.

Dieses Mal lief es aber deutlich zivilisierter ab: Raven durfte sich angezogen zu Muka auf den Stein setzen und ihm kostprobenartig kleinere Mengen unterschiedlicher Gefühle übermitteln, sowohl gute als auch schlechte, damit Muka auf keinen Fall annahm, die menschliche Gefühlswelt bestand nur aus Freude, Glück und Lust auf Sex. Wenn Muka nämlich tatsächlich mit Gefühlen leben wollte, musste es der Realität ins Auge blicken und auch mit Trauer, Enttäuschung und Angst zurechtkommen.

„Das ist ja schrecklich.“ Noch leicht irritiert von der Eifersucht, die auf ihn projiziert worden war, schüttelte Muka heftig den Kopf und löste seine Fingerspitzen von Ravens Schläfen; näheren Körperkontakt hatte Raven bis auf weiteres wegen Dius neidischen Blicken abgelehnt und außerdem konnte sich der Katenha so daran gewöhnen, bei Raven zu sein, ohne ihn gleich komplett für sich und seine Anforderungen zu benutzen.

„Das ist natürlich und kommt sehr häufig bei Menschen vor. Bist du sicher, dass es dir trotzdem noch gefällt?“ Vielleicht wirkten die Beispiele sich negativ auf Mukas Wunsch aus. Dann hätten sie schon einen Katenha weniger, den sie überzeugen mussten, auch ohne Emotionen ihr Leben fortführen zu können.

Aber anscheinend ließ es sich nicht davon abbringen, denn es forderte gleich noch eine neue Dosierung anderer Gefühle, obwohl die Nachwirkungen von den vorhergehenden noch nicht völlig abgeklungen waren.

Nach einer knappen halben Stunde kamen zum ersten Mal seit Langem Ayu und Xenika zu ihnen, die nun auch eine kleine Probe von Ravens Innenleben bekamen, allerdings schienen Ayu die negativen Beispiele ziemlich abzuschrecken; Xenika hielt es deutlich länger durch trotz der geballten Ladung Wut, die ihm Raven auf den Hals hetzte. Sozusagen die verspätete Rache für den brutalen Versuch, den sie an Diu vorgenommen hatten.

„Das reicht jetzt für heute“, meldete sich Diu irgendwann zu Wort, als er bemerkte, wie müde Raven von der ganzen Transferaktion schon geworden war. „Morgen oder übermorgen könnt ihr weitermachen, aber jetzt braucht er erst einmal Ruhe.“

Zu dritt brachten die Katenha Raven und Diu in ihren Raum – Raven konnte kaum noch laufen, so überanstrengt hatte er sich – und besprachen sich schließlich leise, ob die Forschung sich überhaupt noch lohnte. Ayu war angeschreckt, Xenika unentschlossen und Muka immer noch von seinem Wunsch besessen, sodass sie beschlossen, mit der Zeit alle Katenha zu Raven zu bringen, um sich danach alle zusammen ein Urteil zu bilden. Der Rest wollte nämlich nicht die gesamte Zeit lang untätig in der Station verbringen und die Entscheidung allein von Muka fällen lassen.

Vorsichtig führte Diu Raven zu ihrem Bett, half ihm sich hinzulegen und blieb geknickt neben ihm sitzen. „Wie fühlst du dich?“

„Irgendwie leer. Und müde.“ Auf jeden Fall nicht besonders gut für seine Verhältnisse. „War wohl etwas zu viel.“

„Warum hast du nicht vorher aufgehört?“

„Die ganze Zeit war alles normal, es hat plötzlich angefangen, keine Ahnung wieso. Vielleicht ist mein Körper nicht so der Blitzmerker, wenn es mir nicht so gut geht.“

„Dann machst du morgen am besten auch noch eine Pause, die anderen werden das verstehen.“ Diu streckte sich nun ebenfalls auf der Matratze aus und kuschelte sich an Raven. „Sie wollen dir ja nicht schaden, das ist nicht ihr Ziel.“

„Ich hoff es doch, irgendwann will ich auch mal wieder nach Hause. Auch wenn ich da sowieso nur allein rumsitze und in die Schule muss.“ Auf seine Klassenkameraden, die sicher nicht schlagartig von seiner neuen Art überzeugt wären, konnte er eigentlich wirklich verzichten, Freundschaft mit ihnen würde er in diesem Leben sicher nicht mehr schließen.

„Wenn du zurück auf die Erde gehst... kann ich nicht mitkommen.“

„Wieso?“ Doch dann fiel Raven wieder Dius Krankheit ein, die er entweder durch das kühle Klima oder durch die Verschmutzung der Luft bekommen hatte. „Das heißt, du wirst hier bleiben? Oder gehst du zurück zu deiner Mutter?“

„Ich weiß es nicht. Natürlich will ich zu ihr, aber... ich will auch bei dir bleiben.“

Damit hätte Raven nicht unbedingt gerechnet. Eigentlich hatte er sich die ganze Zeit eher als Mutterersatz für Diu gesehen und darin den Grund gefunden, weshalb der Kleine so auf ihn fixiert war, aber wenn er anfing, logisch zu denken, eins und eins zusammenzählte und das Gespräch von vor ein paar Tagen mit einbezog, dann blieb nur eine Möglichkeit übrig.

„Denkst du, du bist in mich verliebt?“ Allein diese Frage klang schon dumm; er war ein Junge, Diu genauso – obwohl dieser sich mit diesem Hindernis wohl kaum identifizieren konnte, immerhin hatte er bis vor einigen Wochen nicht einmal den kleinen Unterschied gekannt – und da dürfte so etwas gar nicht passieren. Eigentlich.

„Ich habe keine Ahnung“, klagte Diu leise vor sich hin, „Ich habe dir doch gesagt, dass ich es nicht weiß.“

„Na gut, dann gehen wir noch einmal meine Anhaltspunkte durch, ab wann man möglicherweise verliebt sein könnte.“ Als hätte er nicht schon genug um die Ohren außer seinem momentan angeschlagenen Zustand. „Willst du immer in meiner Nähe sein?“

Nicken.

„Bist du eifersüchtig auf Muka?“

Sehr starkes Nicken, wie vermutet.

„Würdest du mich am liebsten die ganze Zeit irgendwie anfassen?“

Ganz zaghaftes Nicken, aber es genügte, um Ravens Meinung zu festigen.

„Theoretisch müsstest du es sein.“

„Es das sehr schlimm?“

„Nein, normalerweise nicht.“ Zumindest wenn es andere Menschen betraf, aber Raven wusste nun überhaupt nicht, wie er damit umgehen sollte. Es war normal für ihn, dass man ihn nicht einmal besonders mochte und nun kam ein kleiner Außerirdischer an und warf seine schöne Ordnung durcheinander. „Ich werde es aber nicht erwidern können, das muss dir klar sein.“ Sympathie war hier vorhanden, doch Liebe nicht. Hoffentlich blieb das auch so, sonst würde er noch durchdrehen.

„Das schon in Ordnung.“

Ob er das in ein paar Wochen noch genauso sah? Raven wollte sich da nicht festlegen, man durfte Diu nicht mit den Maßstäben von der Erde messen, wo die Leute bei unerwiderter Liebe zu den wahnsinnigsten Handlungen fähig waren.

Solange der Kleine nicht so krankhaftes Interesse wie Muka an den Tag legte, würde er es stillschweigend akzeptieren.

Ansonsten musste er ihn wohl mit unschönen Methoden abschrecken, auch wenn es schwer fiel.
 

Die folgenden Wochen verliefen in einem eintönigen Rhythmus: Raven übertrug kleinere Mengen Gefühle auf eine Anzahl Katenha – zwei bis drei pro Tag – und durfte sich danach zwei Tage ausruhen, dann fing der Kreislauf von vorne an. Zwischendrin musste er sich ab und zu um Muka kümmern, der ihn sonst wahrscheinlich zu irgendetwas gezwungen hätte, Hauptsache er bekam dadurch seine kleine Portion Nähe.

„Wie ein kleines Kind“, brummte Raven verstimmt, nachdem er mindestens eine Stunde lang den Katenha ausgehalten und Diu vorsorglich in ihrem Zimmer gelassen hatte, damit dieser sich nicht sofort wieder benachteilig fühlte. Man brauchte es wirklich nicht zu provozieren.

„Er ist nun mal so, du wirst nichts daran ändern können.“ Ayu erschien mit einem kleinen Grüppchen Katenha – einem orangefarbenen und zwei blauen – und musterte den aufgebrachten Jungen auf dem Stein. „Sei froh, dass wir anderen nicht so abhängig von dir sind wie Muka, sonst hättest du sehr viel zu tun.“

„Jetzt soll ich mich auch noch freuen.“ Was erwartete Ayu denn noch alles von ihm? Muka versorgen, mit Gefühlen um sich werfen, das Essen hier ohne Beschwerden zu sich nehmen, langsam wuchs ihm die Liste ein wenig über den Kopf. „Habt ihr bald mal eine Entscheidung wegen eurem Projekt getroffen oder soll ich mich noch bis in alle Ewigkeiten zum Depp machen?“

„Wenn es dir nicht mehr passt, holen wir uns andere. Wir bereden schon, aber es waren noch nicht alle hier, deswegen wird es noch eine Weile dauern.“ Es schob den an nächsten bei sich stehenden Katenha auf Raven zu.

„Und wie viele sind es noch?“ Es kam ihm vor, als müsste schon längst die gesamten Bewohner der Station bei ihm gewesen sein. Aber wenigstens hatte er dadurch gemerkt, dass nicht alle Katenha gleich aussahen, wie er anfangs angenommen hatte: Natürlich unterschieden sie sich durch Haut-, Haar- und Augenfarbe, aber auch die Größe und die Proportionen variierten bei manchen, genau wie die Reaktionen auf die erhaltenen Gefühle.

„Ungefähr zwanzig, es dauert also nicht mehr allzu lange. Bei der Auswertung bin ich mir da aber nicht sicher, das kann sich hinziehen, wenn sich viele nicht einig sind.“ Es half dem anderen Katenha auf den Klotz und wies Raven an, seine Übertragung zu starten, damit der Rest nicht unnötig lange warten musste.

Dieser Kandidat hielt es allerdings nicht sehr lange aus, sondern verschwand schon nach einer halben Minute aus dem Raum, dabei hatte Raven nicht einmal negative Gefühle gewählt. Vielleicht bedeutetet das einen Katenha weniger, der für eine Fortsetzung des Projekts stimmte.

„Das hat heute aber nicht lange gedauert“, wunderte sich Diu, als Raven noch in ziemlich guter Verfassung die Tür öffnete und sich mit einem schrägen Blick seinem totlangweiligen Essen widmete, das man ihm in seiner Abwesenheit vor die Matratze gestellt hatte.

„Die fanden es alle nicht so toll, einer hat sogar vorzeitig den Abgang gemacht. Vielleicht wächst jetzt endlich mal die Seite, die mich so schnell wie möglich von hier wegbringen und die Versuche einstellen möchte.“ Dius betretener Gesichtsausdruck rief Raven wieder ins Gedächtnis, dass sie sich dann möglicherweise nie wieder sehen würden und schon sah die Möglichkeit gar nicht mehr so gut aus. „Aber wahrscheinlich will mich die Mehrheit lieber hier behalten, sonst wären ihre ganzen Arbeiten ziemlich für die Tonne gewesen.“
 

„Die Mehrheit hat abgestimmt, das Projekt weiterlaufen zu lassen, heute werden wir dich anzapfen.“ Mit dieser Botschaft erschien Muka in der Tür, knallte Raven das Frühstück vor die Nase und wartete auf dessen Reaktion auf diese Neuigkeit.

„Schön für dich, du kommst deinem Traum immer näher. Mal sehen, ob er dir immer noch gefällt, wenn er sich erfüllt.“ Wie oft hatte er erlebt, wie Menschen sich etwas sehnlich gewünscht hatten und als es endlich eintraf, fanden sie es mit einem Mal gar nicht mehr so erstrebenswert.

„Ja, es ist schön für mich.“ Muka ging um Raven herum, hockte sich hinter ihn und begann, ihm mit den Lippen über den Nacken zu fahren. „Hätte ich die Gefühle schon, könnte ich mich sogar freuen.“

Seufzend entzog Raven sich Mukas Reichweite; zum Glück befand sich Diu in diesem Augenblick in der Badewanne, sonst hätte es bei dieser Szene wieder einen Zwergenaufstand gegeben. Warum musste er auch auf engsten Raum mit einem notgeilen Alien und einem unglückliche verliebten Jungen auskommen?

„Jetzt wehr dich nicht schon wieder, ich weiß, dass du es magst.“ Mukas Hände packten Raven am T-Shirt, schlichen sich unter den Stoff und suchten sich den Weg zu ihren Lieblingsstellen, obwohl Raven damit gar nicht einverstanden war.

„Ohne den Stein ist es sowieso langweilig für dich“, versuchte er sich aus dieser pikanten Situation zu befreien, stöhnte aber leise auf, als sich eine Hand um sein Glied schloss und leicht zudrückte. „Lass es endlich sein!“ Sprach er chinesisch oder warum tat Muka in den wenigstens Fällen das, was man von ihm wollte?

Aufgrund des lautstarken Protests hörte Muka schließlich doch auf – allerdings erst, nachdem er Raven noch einmal ziemlich zum Keuchen gebracht hatte – und beobachtet, wie sein Opfer mit bösen Seitenblicken aus seinem Wasserglas kleinere Schlückchen trank.

„Warum könnt ihr kein schlechtes Gewissen haben? Dann würdest du es dir mindestens dreimal überlegen, ob du deine sexuelle Frustration an mir auslassen willst oder nicht.“

„Ich bin nicht frustriert, ich weiß nicht einmal, was das ist“, konterte Muka, der dieses Gefühl tatsächlich noch nicht übertragen bekommen hatte, und streckte schon seinen Arm aus, um zu testen, wie sich Raven Wange im Gegensatz zu seinem Bauch anfühlte und ob es vielleicht noch etwas verpasst hatte.

„Nimm deine Pfoten weg! Ich mach schon genügend für euch, da kannst du auch mal aufhören.“ Es nervte ihn nur noch, selbst wenn es ihm einigermaßen gefiel, was Muka mit ihm anstellte, im Moment hatte er definitiv kein Interesse daran.

Durch Dius Auftauchen wurde Muka von seiner Tätigkeit abgelenkt, da es natürlich merkte, dass der kleine Außerirdische höchst allergisch auf seine Anwesenheit war.

„Diu, ab heute wollen sie richtig anfangen. Du kannst entweder mitkommen oder hierbleiben, wie du willst.“ Nicht dass er sich benachteiligt vorkam, weil über ihn bestimmt wurde, immerhin war er ein eigenständig denkendes Wesen und hatte daher ein Recht darauf, für sich zu entscheiden.

„Ich komme mit.“ Mit etwas anderen hatte Raven auch nicht gerechnet.

„Wenn ihr euch schon so sicher seid, können wir schon gleich anfangen.“ Nach der Abfuhr von vorhin wollte Muka so schnell es ging wenigstens einen Erfolg für diesen Tag verbuchen; wenn nicht komplett für sein eigenes Wohl, dann wenigstens noch ansatzweise für das von allen Anwesenden.

Nervosität machte sich in Raven breit, als er zusammen mit Diu und Muka den Versuchsraum betrat, wenig später folgten auch immer mehr Katenha, die Muka per Telepathie zu ihrem ersten richtigen Versuch einberufen hatte.

„Ich hab Angst.“ Besorgt betrachtete Diu seine Fastverwandten um sich herum. „Es fühlt sich nicht gut an, zumindest wenn es unfreiwillig gemacht wird, aber es wird sicher auch bei dir sehr unangenehm werden.“

„Keine Panik, ich werde das schon überleben.“ Irgendwie auf jeden Fall, allerdings wusste er nicht, ob er möglicherweise Schädigungen an Seele und Geist – falls er so etwas überhaupt besaß – davontragen könnte. Leider war es für Zweifel zu spät, die hätte er gleich zu Beginn oder besser noch vor dem Vorschlag haben sollen, nun musste er hier durch.

Heute übernahm Xenika die Prozedur, achtete dabei auch darauf, dass die von Raven angesprochenen Punkte beibehalten wurden – kein Zwang, kein Ausziehen der Kleidung oder ähnliches, was zu Unwohlsein führen konnte – und ließ sogar zu, dass Diu sich bei Raven aufhalten und ihm einen kleinen Strom seiner Energie übermitteln durfte.

Es fühlte sich tatsächlich nicht schön an, trotzdem versuchte Raven, sich zu entspannen, gleichmäßig alle Emotionen aus sich herauszulassen und sich auch nicht von Xenikas Fingern auf seinem Gesicht irritieren zu lassen. Je länger es dauerte, desto größer und tiefer schien das Loch zu werden, das sich dort auftat, wo sich zuvor die verschiedensten Empfindungen aufgehalten hatten. Tapfer biss Raven die Zähne zusammen und ertrug es schweigend, aber irgendwann funktionierte das trotz Dius Energie nicht mehr, vor seinen Augen verschwamm plötzlich alles und er wurde immer blasser, bis Xenika sicherheitshalber den Stein deaktivierte und sich leise mit Ayu besprach. Für den Anfang langte es allemal; die beiden durften zurück in ihr Zimmer.

„Fast jedes Mal, wenn du da warst, muss man dich zurücktragen.“ Kopfschüttelnd bei dieser Tatsache untersuchte Diu Raven, holte ihm ein Glas Wasser aus dem Badezimmer und legte sich wie immer zu ihm, damit er sich nicht so allein vorkam. „Das ist doch kein Zustand, das ist wahnsinnig.“ Wie von selbst schlangen sich seine Arme um Ravens Körper, er zog sich an ihn und drückte ganz zaghaft einen kurzen Kuss auf Ravens Wange. „Denk doch bitte wieder an dich.“

Entgegen seines sonstigen Verhaltens schob Raven Diu nicht weg, sondern nahm die durch den Kuss entstandenen Gefühle in sich auf, um das Loch wieder zu füllen und sich nicht mehr so schrecklich leer zu fühlen.

„Mir gefällt es auch nicht, wie ich im Moment bin“, murmelte er leise, „ich wäre langsam gern wieder so wie früher.“ Da hatte er wenigstens einschätzen können, wie er auf welche Situationen reagieren würde, nun ging das gar nicht mehr. Außerdem war er nicht so unglaublich pseudozivilisiert gewesen, das nervte auf Dauer fast schon.

„Nein, ich nicht. Dann bleib lieber so wie jetzt; du bist viel offener und nicht mehr so übertrieben zurückgezogen.“ Dass das Diu mehr zusagte als der dauerschlechtgelaunte und unnahbare Raven, war kein Wunder. Solche Menschen kamen bei vielen besser an.

„Ich find mich so aber richtig peinlich.“ Immerhin wartete er gerade sehnlichst darauf, dass Diu sich vielleicht noch etwas mit ihm beschäftigte. „Das ist ein absoluter Rückschritt.“

„Für mich ist es ein Fortschritt“, erklärte Diu ihm schnell, deutete Ravens Blick richtig und liebkoste noch einmal seine Wange mit seinen Lippen. „Du verhältst dich viel eher so, wie meine Mutter es mir von Menschen erzählt hat.“ Er lächelte leicht. „Schlaf jetzt am besten, danach fühlst du dich sicher besser.“

„Ich hoff es doch.“ In seiner jetzigen Verfassung konnte er sich selbst nicht einmal im Spiegel ansehen, ohne sich über sich selbst aufzuregen, aber vielleicht sollte er gleich anfangen, sich daran zu gewöhne, falls das wirklich sein neues Ich war.

Der Gedanke gefiel ihm immer noch nicht besonders. Aber mit der Zeit freundete man sich mit allem an, eine typisch menschliche Eigenschaft, die möglicherweise doch ihr Gutes hatte.
 

„Das kann doch nicht sein.“ Muka wurde fast wahnsinnig und hämmerte auf den Stein ein. „Warum bleiben sie nicht bei uns?“

„Beruhig dich, du machst ihn noch kaputt“, unterbrach Ayu den Gefühlsausbruch des anderen Katenha und zerrte ihn vorsichtshalber zur Seite, damit die Befürchtung nicht tatsächlich eintrat.

„Das ist mir egal, ich will, dass es funktioniert!“

Verwundert beobachtete Raven das ungewöhnliche Verhalten Mukas, der sich sonst trotz der Menge Emotionen noch nie so aufgeführt hatte. Allerdings wusste er nicht genau, aus welchem Grund der Katenha gerade den Raum zusammenschrie und kurz davor stand, die komplizierte Technik des Steins auseinanderzunehmen. Ihm erzählte man so etwas Wichtiges natürlich nicht, obwohl er seit Wochen – wenn nicht sogar Monaten – sich hier für sie zum Anzapfen bereitstellte.

„So wird es aber erst recht nicht gehen.“ Ruhig wie immer versuchte Ayu mit dem aufgebrachten Muka zu kommunizierten, doch es weigerte sich strikt, überhaupt zuzuhören und veranstaltete stattdessen ein riesiges Theater, bis Raven es endgültig auf den Geist ging, er vom Stein sprang und Muka einmal heftig schüttelte, um es vielleicht so wieder in einen normalen Zustand zu bringen, indem man mit ihm reden konnte und sogar das Problem verstand.

„Was ist mit ihm los?“, fragte er Ayu, das aufmerksam dem Schauspiel vor seiner Nase zusieht, als hätte es noch nie einen der beiden vorher getroffen.

„Die Gefühle scheinen immer noch nicht dauerhaft bei ihm bleiben zu wollen.“

„Ach so, ich dachte schon, mit dem Stein wäre etwas nicht in Ordnung.“ Er beendete den Versuch, Muka zu beruhigen, da es nun seltsamerweise auch noch kurz davor stand, in Tränen auszubrechen. Was war denn heute bitte mit ihm los? „Komm mal wieder runter, rumheulen macht es auch nicht besser.“

„Die anderen werden aber langsam ungeduldig und haben vor, das ganze Projekt vorzeitig abzusetzen, wenn die Gefühle nicht bald mindestens einen Tag lang halten.“ Verzweifelt vergrub Muka das Gesicht an Ravens Schulter und erwartete wohl eine Priese Mitleid, was er auch notgedrungen geben musste, das Muka sich sonst gar nicht mehr beruhigt hätte.

„Also noch mal ganz von vorne. Der Stein funktioniert eigentlich und überträgt die Gefühle auf euch, aber sie halten immer noch nicht lange genug.“

„Genau.“ Ayu war in der Zwischenzeit zum Stein gegangen und hatte ihn ausgestellt. „Wieso das so ist, wissen wir nicht, anscheinend haben wir wieder etwas nicht genau einkalkuliert.“

„Wäre nicht das erste Mal.“ Wenn sie alles so unstrukturiert planten wie hier, durften sie sich gar nicht wundern, dass sie bis jetzt nichts erreicht hatten. „Und deshalb wollt ihr jetzt aufgeben?“

„Was bringen uns hundert Jahre Versuche, wenn nachher nichts herauskommt? Nur weil wir nichts fühlen, bedeutet das nicht automatisch, dass wir dumm sind“, erinnerte Ayu ihn. „Ihr Menschen seid da ja auch nicht unbedingt die unübertroffenen Vorbilder, wenn es um Perfektion geht.“

Wo es Recht hatte, hatte es Recht, allein die Panne bei der Erneuerung der U-Bahn vor ein paar Jahren mit einem Schaden von fast einer Million Euro zeigte das schon. Und das gehörte noch zu den harmlosen Beispielen, die Raven im ersten Moment durch den Kopf gingen.

„Ich will nicht, dass alles so wird wie vorher“, jammerte Muka weiter und drückte Raven dabei fast die Luft ab. „Ich will nicht mehr so leblos durch das Universum gehen wie vorher.“

„Das musst du aber, wenn wir keine Möglichkeit finden, sie für längere Zeit an uns zu binden. Da hat wohl wirklich jemand schon zu viel Gefühle abbekommen, ein Grund mehr, damit aufzuhören.“ Kopfschüttelnd überlegte Ayu, was es als nächstes tun sollte. „Wir werden uns so schnell wie möglich einen neuen Plan überlegen müssen.“

„Stimmt doch wieder ab, was ihr machen wollt“, schlug Raven vor, dem das demokratische Verhalten der Katenha immer noch sehr seltsam vorkam. Waren sie nicht eigentlich ziemliche Einzelgänger? Warum wurde dann so darauf geachtet, auf die Bedürfnisse von jedem einzelnen einzugehen?

„Das wird schwer, wenn die Mehrheit immer noch für das Projekt ist. Muka, lass es endlich gut sein, du kannst auch nichts mit deinen Beschwerden ändern.“ Mit diesen Worten machte sich Ayu auf den Weg, um die anderen von ihrem Fehlschlag zu unterrichten.

„Komm, Ayu hat recht, es bringt nichts, wenn du dich stundenlang wie ein kleines Kind benimmst“, versuchte Raven Muka zu Verstand zu bringen und seufzte genervt auf, als er langsam merkte, auf was der Katenha wieder hinauswollte. Warum lagen sonst seine Hände nicht mehr irgendwo um seine Schultern, sondern fummelten im Bereich seiner Hose herum? „Kannst du nicht mal eine Minute lang an etwas anderes denken, wenn wir allein sind?“ War das denn so schwer, seine dauerpräsenten Triebe im Zaum zu halten? Er hatte ja auch nicht rund um die Uhr jemanden geschlagen, wenn er gerade Lust darauf gehabt hätte.

„Warum? Ich mag es, du auch, wieso sollte ich damit aufhören? Außerdem könnte es das letzte Mal sein, wenn tatsächlich das Projekt vorzeitig abgebrochen wird.“ Geschickt hatte es Ravens Hose geöffnet und war ein wenig unschlüssig, mit was es sich als erstes befassen sollte.

„Dass du es magst, weiß inzwischen jeder.“ Bei sich selbst war er sich immer noch nicht sicher, ob er es jetzt abstoßend oder erregend fand, wenn Muka ihn permanent anfasste; da saß er wohl in einem ziemlichen Zwiespalt, aus dem er nicht so leicht herauskam. „Gewöhn dich mal lieber daran, dass ich bald nicht mehr da sein werde, um für dich da zu sein. Vielleicht gibt es einen anderen Katenha, der das übernimmt.“

„Nein, ich habe es schon versucht und keiner von ihnen wollte, deshalb will ich nicht, dass du gehst.“ Es fingerte schon wieder ganz ungeniert zwischen Ravens Beinen herum und ließ es sich auch nicht nehmen, vorsichtig mit der Zunge diesen Bereich zu erkunden, was er davor noch nie getan hatte. So weit hatte Raven es bis jetzt nicht kommen lassen, aber weil es sich dieses Mal wohl um das letzte Mal handelte, hielt er es ohne große Beschwerden aus, obwohl ihm es doch schon etwas zu intim wurde, als Muka hingebungsvoll begann an seinem Glied zu saugen.

Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem seine Beine ihm den Dienst verweigerten, einknickten und Raven leise keuchend auf Muka landete, was es allerdings nicht dazu brachte, von seiner Tätigkeit abzulassen. Stattdessen zog es ihm noch das Oberteil aus – dass es das schaffte, ohne von ihm abzulassen, wunderte Raven trotz seiner kaum noch vorhandenen geistigen Anwesenheit – und streichelte zufrieden die fremden Brustwarzen, auf die es sich schon beim ersten Mal unglaublich fixiert hatte. Raven konnte immer noch nicht nachvollziehen, was an seinem Körper so toll sein sollte, er selbst fand ihn eigentlich recht unansehnlich im Vergleich zu dem von anderen, aber Muka schien er sehr zu gefallen, zumindest deutete er das aus den nicht enden wollenden Berührungen.

„Schläfst du mit mir?“, fragte der Katenha plötzlich aus heiterem Himmel, während er mit seinen Zähnen die Haut über den Schlüsselbeinen bearbeitete. „Nur einmal, damit ich wenigstens weiß, wie es sich anfühlt.“

„Ich habe aber keine Erfahrung da drin“, versuchte sich Raven aus der Affäre zu ziehen und seufzte leise auf, als Muka ganz zufällig mit dem Ellbogen sein Glied berührte. „Ich weiß also nicht, was wann man genau macht und was dir gefallen könnte.“

„Das ist egal, Hauptsache, ich spüre, wie es ungefähr ist“, versicherte Muka, hörte mit seiner Verwöhnung auf, zog sich stattdessen aus und saß nun genauso nackt wie Raven es inzwischen war ihm gegenüber. „Tu einfach das, was du denkst, dass es so gemacht wird.“

„Kannst du von mir schwanger werden?“ Immerhin sollte vorher geklärt werde, ob er nicht ungewollt der Vater eines kleinen Halbkatenhas wurde. Das wäre nicht unbedingt in seinem Sinn. „Diu hat erzählt, seine Mutter wäre es von seinem Vater geworden.“ Was auch ganz logisch war, sonst gäbe es Diu nicht in dieser besonderen Form, wenn seine Mutter auf normale Katenhaart schwanger geworden wäre.

„Dann besteht bei mir auch die Möglichkeit, aber ist das nicht egal. Du wirst mich sowieso nie wieder sehen und dann habe ich wenigstens ein Andenken an dich.“

Gut, dass er keine Kinder bekommen konnte; für immer an Muka erinnert zu werden gehörte nicht zu Ravens Zielen im Leben. Aber wenn der Katenha das Risiko in Kauf nehmen wollte, würde er es nicht daran hindern, vielleicht konnte er sich dann auch eher einreden, nicht mit einem Außerirdischen sondern mit einer normalen Frau zu schlafen, wenn sie es auf normale Art und Weise taten. Dafür müsste er nur die ganze Zeit über die Augen schließen und sich jemanden vorstellen. Nur wen? Die wenigen Mädchen in seinem Bekanntenkreis fand er sicher nicht so umwerfend, um mit ihnen ins Bett zu steigen.

„Los, fang an“, riss Muka ihn aus seinen Überlegungen und setzte sich auf seinen Schoß, um ihn zu demonstrieren, dass es für den letzten Schritt bereit war.

Es verlief alles sehr unspektakulär, eigentlich hatte Raven mehr erwartet, aber da sie beide nicht das Wissen mitbrachten, was man haben sollte, spielte sich die Angelegenheit relativ schnell ab: Raven platzierte den Katenha auf dem Boden und drang vorsichtig in es ein, um ihm nicht unnötig weh zu tun, da er nicht wusste, was es bei Muka auslöste. Er spürte aus jeden Fall kaum etwas, während Muka hingegen genüsslich die Augen schloss, die Arme um Ravens Nacken legte und sich verlangend an ihn drückte. So unterschiedlich fielen also ihre Reaktionen auf ihre erstes und gleichzeitig letztes Mal miteinander aus, irgendwie erstaunte Raven das.

Kaum hatte es begonnen, endete es schon, denn Muka schien die baldige Ankunft von jemandem zu bemerkte, gab Raven noch schnell einen Kuss auf die Wange und löste sich schließlich widerwillig von ihm, was Raven einerseits schade fand, andererseits erleichterte. Was er nun genau davon hielt, ließ sich nicht genau zuordnen, wie scheinbar bei allem, was Muka mit ihm anstellte.

Es war tatsächlich das letzte Mal, dass sie sich so intensiv miteinander beschäftigen konnten, da Ayu mit Xenika im Schlepptau keine halbe Minute, nachdem sie sich angezogen hatten, im Raum erschien und zu Mukas großem Bedauern das endgültige Ende des Projekts bekannt gab.

Raven durfte also wirklich bald zurück auf die Erde zurück kehren, weil die Katenha keinen Sinn mehr in einer Arbeit sahen, die zu großer Wahrscheinlichkeit nie zu einem befriedigenden Ergebnis kam.
 

Mit gemischten Gefühlen wachte Raven am letzten Tag seines Aufenthalts in der Station auf; in ein paar Stunden wäre er wieder zuhause, in seinem gewohnten und geregelten Alltag. Vielleicht im kleinen Appartment, vielleicht wollten seine Eltern ihn nun doch wieder bei sich haben, das entschied sich erst, wenn er ankam.

Aber dafür musste er Diu zurücklassen und egal wie lange er sich versuchte einzureden, dass das gar nicht so schlimm für ihn sein konnte, tief in seinem Inneren tat doch etwas bei dieser Aussicht sehr weh. Seine neuentdeckten Gefühle machten ihm wohl alles im Leben ein bisschen schwieriger.

Diu war seit der Bekanntgabe des Abbruchs erschreckend still, starrte fast die ganze Zeit nur vor sich hin und schaffte es kein einziges Mal, Raven direkt anzusehen, was dieser leicht geknickt zur Kenntnis nahm. Der klein Außerirdische musste auf seine Art mit dem Abschied klar kommen und schien es anscheinend am besten zu finden, es erst einmal mit sich selbst auszumachen.

„Raven, wir werden uns auf den Weg machen“, vernahm er Xenikas Stimme und realisierte überrascht, dass der Katenha sich in ihrem Raum befand, ohne dass einer von ihnen das mitbekommen hatte. Sie waren wohl zu tief in ihren eigenen Gedanken vergraben gewesen. „Ich bringe dich persönlich zur Erde. Eigentlich hatte ich gedacht, Muka würde das gerne übernehmen, aber anscheinend hat da jemand noch letzte Reste von Liebeskummer. Bald wird Muka es sowieso nicht mehr spüren, dann wird hoffentlich wieder alles normal sein; das Projekt war nicht ganz so, wie wir es angenommen haben.“ Es klopfte mit dem Fuß auf den Boden. „Komm, ich habe nicht den ganzen Tag für dich Zeit.“

Zögernd stand Raven auf und wollte auf Xenika zugehen, doch endlich erwachte Diu aus seiner Starre, packte ihn am Ärmel und zog ihn an sich. Nun war der gefürchtete Zeitpunkt des Abschieds gekommen, vor dem Diu schon die ganze Zeit Angst gehabt hatte und was man ihm deutlich ansah, seine Miene wirkte nämlich todtraurig und Raven erkannte auch dass verdächtige Glitzern in seinen Augen. Wenn er jetzt anfing zu weinen, könnte er auf keinen Fall ohne weiteres von hier gehen, das wusste Raven mit Sicherheit.

„Mach es mir nicht noch schwerer.“ Seufzend strich er Diu über den Kopf und fragte sich, wie sein Leben nun ohne den Kleinen verlaufen sollte.

„Tut mir Leid, aber ich will nicht ohne dich hier bleiben.“

„Du kannst mich ja manchmal besuchen kommen.“ Vielleicht vertrug er das, wenn er schon nicht länger auf der Erde sein konnte.

„Ich werde es versuchen.“ Zögernd stellte Diu sich auf die Zehenspitzen, hob den Kopf, sodass er endlich direkt in Ravens braune Augen blicken konnte, und drückte ihm einen langen Kuss auf den Mund, bevor ihm die ersten Tränen über das Gesicht liefen. „Ganz sicher, Raven.“ Er biss sich auf die Lippen, um nicht noch laut loszuschluchzen und Raven so den Abschied extrem zu erschweren, und nahm Abstand von ihm.

Das war das Zeichen für Raven, sich zu Xenika zu begeben, da er ansonsten nicht mehr in der Lage dazu gewesen wäre. Er warf einen letzten Blick auf den leidenden Diu, spürte Xenikas Arme um sich und im nächsten Moment verschwamm alles vor seinen Augen.

Gleich war er zuhause. Weg von der Station.

Und weg von Diu.
 

Mit einem mulmigen Gefühl im Magen öffnete Raven die Augen. Die Umgebung kam ihn sehr vertraut vor; die Hochhäuser aus Glas und Metall, die vielen Menschen um ihn herum, die ihn mit schrägen Blicken musterten, und das kühle Klima, das sich so von der viel wärmeren Temperatur im Inneren der Station unterschied. Er war wieder in Cellora, auf einem belebten Platz gar nicht weit vom Haus seiner Eltern entfernt.

Von Xenika fehlte jede Spur, sicher hatte es sich gleich aus dem Staub gemacht, nachdem es ihn hier auf einer Parkbank abgesetzt hatte. Aber immerhin wusste er, in welche Richtung er sich wenden musste.

Mit langsamen Bewegungen setzte Raven sich auf, wartete, dass das Schwindelgefühl, das ihn soeben ergriff, sich zurückzog und begann den Weg nach Hause anzutreten, der ihm viel länger erschien als er ihn in Erinnerung hatte. Vielleicht lag das an seinem angeschlagenen Zustand, vielleicht an der Tatsache, so ewig lange nicht mehr hier gewesen zu sein. Oder er hatte ausversehen einen Umweg genommen.

Irgendwann kam das Haus in Sicht und Raven mobilisierte noch einmal alle seine verbliebenen Kräfte, um nicht direkt vor dem Ziel schlapp zu machen.

Alles sah noch genauso aus wie zu dem Zeitpunkt, als er das letzte Mal hier gewesen war. Der winzige Garten hatte immer noch kaum grüne Pflanzen oder Büsche, das Tor hätte man wirklich endlich reparieren können und die Vorhänge in den Fenstern entsprachen immer noch nicht seinem Geschmack.

Entschlossen drückte er auf den Klingelknopf und hörte das dezente Glockenspiel durch das Haus wehen. Auch hier hatte sich nichts geändert, sein Vater hatte sich immer noch nicht durchsetzen können, einen auffälligeren Ton zu installieren.

Die Tür wurde aufgerissen und Raven stand seinem Bruder Jevo gegenüber, der ihn anstarrte, als wäre er ein Geist, bevor er ihm stürmisch um den Hals fiel und ihn gar nicht mehr loslassen wollte. Sein undeutliches „Oh mein Gott“ rief auch gleich seine Eltern dazu, die es ebenfalls kaum fassen konnten, endlich wieder ihren ältesten Sohn zu sehen.

Raven lächelte gequält; er war wirklich wieder zuhause und er war kurz davor, es zu bereuen. Aber auch nur fast.



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