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Cruel Nature

von

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Raito gegen Epheral

Raito gegen Epheral
 

Von der Kälte der Nacht merkt Keisuke nicht viel, weil in Lunas Auto die Sitzheizung angeschaltet ist. Ein Seitenblick verrät ihm, dass sich die Hände der Medizinstudentin auf dem Lenkrad verkrampfen.

Sie hat es auch nicht leicht, überlegt der Vampir besorgt; immerhin trägt sie Mitschuld an Lures Tod. Auch wenn sie den Pfeil abgefeuert hat, um sein Leben zu schützen, würde Luna nicht so schnell darüber hinweg kommen, sie würde sich das vielleicht nie verzeihen können.

Mitfühlend legt er seine Hand auf ihre Schulter, woraufhin sie nur mit gespielter Verwunderung den Kopf zu ihm dreht und fragt: „Was denn?“

Keisuke sagt nichts, sondern lächelt sie nur an.

Verunsichert wendet sie sich wieder der Straße zu, und er wirft einen Blick in den Seitenspiegel.

Er kann Epherals Wagen erkennen. Sie haben, nachdem sie sich auf der Brücke wiedergetroffen hatten, vereinbart, dass er ihr zum Haus der Valleys mit seinem eigenen Auto folgt.

Mitgenommen lässt Keisuke seinen Kopf in den Sitz sacken.

Ihm geht Lure einfach nicht aus dem Kopf.

So böse war sie eigentlich nicht... Trotzdem musste sie sterben.

Laut Epheral ist Raid auch schon tot, oder zumindest sehr schwer verletzt.

Das ist ihm mehr oder weniger egal, trotzdem hofft irgendetwas in ihm, dass Lure den Sturz von der Brücke vielleicht überlebt haben könnte.

Selbst wenn es unwahrscheinlich ist, die regenerativen Fähigkeiten von Vampiren sollte man nie unterschätzen.

„Können wir das Radio anmachen?“, fragt er müde, aber Luna lehnt es ab:

„Wir sind doch gleich da.“

Sie hat recht, das Viertel, indem Keisuke, seine Geschwister und Shizuka wohnen, durchqueren sie gerade mit circa 40 km/h.

„Der Tag hat so schön angefangen...“, murmelt er traurig, und Luna, die nun normalerweise etwas aufheiterndes sagen würde, schweigt.

Sie steigen aus und warten auf Epheral, der, nachdem er einen Parkplatz gefunden hat, gelassen zu ihnen herüber schreitet und grinsend fragt, worauf sie noch warten.

Keisuke nickt.

Mit den beiden Erwachsenen im Schlepptau schließt er die Haustür auf und lässt sie eintreten.

Im Wohnzimmer sitzen seine Schwester, Raito, Yuri, Shizuka und Desmond, alle an verschiedenen Plätzen des Raumes.

Miho springt sofort auf und rennt auf Luna zu: „Du bist verletzt!“, ruft sie erschrocken, als sie die ganzen Schrammen und blauen Flecken in ihrem Gesicht bemerkt.

„Ja, kann sein“, sagt Luna und lächelt sanft; „Aber dafür geht es Keisuke gut.“

Schnell wirft Miho einen Blick auf ihren Bruder, und nachdem sie festgestellt hat, dass körperlich wirklich alles in Ordnung mit ihm ist, nimmt sie Luna in den Arm und drückt sie ganz fest an sich.

„Danke...“, flüstern beide kaum hörbar.

Keisuke hat sich inzwischen zu Yuri und Shizuka auf das Sofa gesetzt.

„Wieso wart ihr solange weg?“, fragt Shizuka, während Yuri ihn auffordert, alles zu erzählen, was passiert ist.

Währenddessen geht Epheral ein paar Schritte auf Raito zu, der sich vor den Kamin gehockt hat, um das Feuer anzufachen.

„So sieht man sich wieder...“, grinst Epheral hämisch, und Raito steht auf und wendet sich ihm zu.

Vor nicht allzu langer Zeit erst wurde der Vampirjäger bei einem Kampf gegen Raito schwer verletzt, und wäre fast zur Tode gekommen.

Keisuke spürt schon, dass es gleich Probleme geben könnte, deswegen spricht er direkt Raito an und lenkt ihn somit von Epheral ab: „Ähm, Raito, du musst wissen, Lure ist tot.“

Raito nickt nur.

Keisuke kann sich schon denken, dass er es wahrscheinlich schon wusste.

Die Schattenwesen, die Raito aus einer Parallelwelt beschwören kann, dienen ihm nicht selten auch als Informationsübermittler.

Dabei fällt dem jungen Vampir ein: „Wo ist eigentlich die Schattenkatze?“

„In ihre Welt zurückgekehrt“, erklärt Raito; „Diese Geschöpfe können sich für gewöhnlich nicht länger als ein paar Stunden ohne Unterbrechung in unserer Welt aufhalten.“

Nun mischt sich Miho ein: „Wo ist eigentlich unsere Katze? Ihr wisst schon, Shya.“

Alle sehen sie an.

„Sie ist immer noch nicht zurück gekommen?“, hakt Luna mitfühlend nach.

Miho schüttelt den Kopf und verschränkt unsicher die Arme:

„Ich fange an, mir wirklich Sorgen zu machen...“

„Die Katze wird schon wiederkommen“, antwortet Epheral plötzlich, und Miho schaut ihn schräg an: „Wer sind Sie eigentlich?“

Der schwarzhaarige Vampirjäger wird leicht sauer: „Ich bin Epheral Locover, der Präsident der Provitas! Sag bloß, du kennst mich nicht!“

„Achso, der“, seufzt Miho bloß.

Yuri und Shizuka müssen kichern, aber als Epheral ihnen ein bösen Blick zuwirft, hört zumindest Shizuka damit auf.

Plötzlich macht Epheral einen Satz nach vorne: „Du!“

Er schaut Yuri durchdringend an, deren Kichern daraufhin erstirbt.

„Du hast mich damals doch ausgetrickst, oder?! In diesem Café!“

„Das ist doch kalter Kaffee“, versucht Yuri ihn zu beruhigen, aber dann will sie plötzlich selbst etwas von ihm wissen:

„Wer ist eigentlich der alte Mann, der das Café damals geöffnet hat?! Weißt du eigentlich, dass seit diesem Tag jede Woche Kunden kommen, die denken, dass Café hätte zu Zeiten geöffnet, an denen es normalerweise geschlossen ist?“

„So viele werden es ja wohl nicht sein“, grummelt Epheral, und Keisuke antwortet:

„Der alte Kerl ist der Direktor meiner alten Schule.“

„Du meinst, Direktor Sagheim?!“, erschrickt Shizuka.

Keisuke nickt. Dieser Mann hat ihn einst gezwungen, die Logaly High zu verlassen, weil er Vampire für eine Bedrohung in der Schule hält.

Shizuka ist mitgekommen und seitdem gehen die beiden zur Sanary High.

Nun fängt Epheral an, zu lachen.

„Was hast du auf einmal?“, fragt Yuri und gibt ihm einen leichten Stoß.

„Nunja, ihr müsst wissen, Christopher Sagheim ist mein Vater.“

„Was?!“, rufen Keisuke, Shizuka und Yuri verwundert.

Er erklärt ihnen: „Früher war mein Vater der Präsident der Provitas und somit Anführer der Vampirjäger. Verstehst du nun seine Abneigung gegen euresgleichen? Ich bin vor zwei Jahren in seine Fußstapfen getreten, und er kam an eure Schule als neuer Direktor.“

Keisuke weiß nicht, was er sagen soll.

Miho lächelt: „Tja, die Welt ist klein. Möchte jemand etwas trinken?“

Desmond gähnt: „Noch einen Kaffee, bitte.“

Sie stürmt in die Küche, während Luna sich zu dem Wissenschaftler an den Tisch setzt.

„Also Epheral, hilfst du uns im Kampf gegen die Cursers?“, fragt Yuri hoffnungsvoll.

„Vielleicht“, schmunzelt er.

„Wieso nur vielleicht?“, fragt Keisuke vorsichtig. Eigentlich ist er davon ausgegangen, dass Epheral, wenn er schon mitgekommen ist, ihnen auf jeden Fall zur Seite stehen wird.

Der Vampirjäger grinst nun: „Vorher muss ich noch was klären.“

Er geht direkt auf Raito zu, und hält erst ein paar Millimeter vor ihm inne.

Dieser sagt nichts, ballt aber seine Hand zu einer Faust.

„Beim letzten Mal hast du mich besiegt“, knurrt Epheral; „Aber ich gebe zu, ich war zu unvorsichtig. Ich kenne deine Kräfte jetzt. Nochmal werde ich nicht verlieren!“

Raitos Blick verfinstert sich: „Du willst also kämpfen?“

Sein Gegenüber antwortet grinsend: „Ich will Rache!“

Keisuke fühlt sich, als würde er gleich in Ohnmacht fallen. Das darf doch nicht wahr sein!

Miho ist inzwischen wieder im Wohnzimmer, und Keisuke nimmt Shizuka und Yuri an den Händen und zieht sie zum Esstisch:

„Was ist?“, fragt Shizuka verwirrt.

Keisuke fängt sofort an, flüsternd zu erklären:

„Epheral und Raito werden sich gleich einen erbitterten Kampf liefern, wenn wir nichts unternehmen! Die beiden haben nämlich noch eine Rechnung offen!“

„Wie?“, fragt Miho verständnislos; „Jetzt? Hier?“

Keisuke nickt schnell: „Ja, und das müssen wir irgendwie verhindern! Wir sind ein Team, ich will nicht, dass sie gegeneinander kämpfen!“

„Aber wie willst du diese stolzen Männer davon abhalten, sich zu messen?“, will Yuri wissen.

Da kommt ihm eine Idee: „Hm, vielleicht...“

Wild beginnen sie zu tuscheln.

„Was macht ihr da?!“, ruft Epheral, der sich umgedreht hat.

Das Flüstern erstirbt, und alle nicken sich gegenseitig zu.

Daraufhin läuft Keisuke zu den beiden Männern und stellt sich auf das Sofa.

Er räuspert sich: „Ihr beide wollt also gegeneinander kämpfen?“

Epheral und Raito schauen ihn an, als wäre er ein Geisteskranker, aber Keisuke ist von seiner Idee so begeistert, dass er diese Blicke einfach ignoriert.

„Wenn ihr unbedingt einen Kampf ausfechten wollt, dann denkt bitte daran, dass ihr eure gesunden Körper noch benötigt!“

„Worauf soll das hier hinauslaufen?“, fragt Epheral genervt.

„Wir haben uns einen Wettbewerb ausgedacht, in dem ihr zeigen könnt, wer von euch der bessere ist!“, ruft Keisuke glücklich; „Wenn ihr da nicht mitmacht, seid ihr definitiv Feiglinge!“

„Fein, mache ich halt mit!“, schnaubt Epheral, und Raito nickt ernst.

„Das wird lustig!“, kichert Yuri.

„Den ersten Wettbewerb wird Miho vorstellen!“, kündigt Keisuke an.

Miho tritt vor: „Bitte folgt mir in die Küche!“

In der Küche verweist auf den Kühlschrank:

„Dort könnt ihr euch bedienen! Denn dieser Wettkampf ist ein Kochwettbewerb!“

Raito erschrickt plötzlich, aber Epheral sag selbstsicher: „Kochen? Nichts lieber als das!“

Miho stellt die Eieruhr auf dreißig Minuten ein: „Ihr habt eine halbe Stunde! Wessen Kochgericht Yuri besser schmeckt, gewinnt!“

Keisuke hält ein Lachen zurück. Sie haben Yuri als Bewerterin ausgewählt, weil sie schon öfter das Essen, was ihre Eltern für die Kunden von Café 'Lexy' vorbereiten, vorgekostet hat.

Sie ist wie perfekt für dieses Amt geschaffen!

Die Zeit läuft, und der Wettstreit beginnt.

Epheral reißt den Kühlschrank auf und schnappt sich eine Zutat nach der anderen, während Raito den Herd anwirft.

Der Vampirjäger holt sich Salatköpfe aus einem Eimer neben dem Kühlschrank und fängt nach dem Waschen an, sie zu schälen.

Raito steht währenddessen hilflos vor dem Kühlschrank.

„Was könnte Menschen schmecken...?“, fragt er sich beim Durchschauen der Fächer.

Schließlich nimmt er ein paar Eier und gekühltes Fleisch heraus.

Bis er es geschafft hat, die Eier in die Pfanne zu werfen, und dem Fleisch Form zu verleihen, ist Epheral schon komplett fertig mit dem Salat und stellt ihn zur Seite:

„Jetzt kommt der Lachs!“ Das ganze geht noch ein paar Minuten so weiter,

doch dann wird es Miho zu heikel, als schwarzer Rauch von Raitos Pfanne aufsteigt.

„Ähm, brechen wir hier ab!“, ruft sie, und alle helfen, das Essen auf den Tisch zu tragen.

Yuri besieht sich den Kochgerichten:

Zu ihrer Linken: Epherals Essen: Gemischter Salat, geräucherter Lachs mit Petersilie verziert, sowie einen selbstgemachten Pudding aus Weincreme und einer orientalischen Kräutersuppe.

Das Essen von Raito wirkt dagegen nicht so imposant: Verbrannter Toast mit verkohltem Rührei und irgendetwas schwarzes, unförmiges, was früher vielleicht einmal Fleisch war.

Yuri atmet tief durch, konzentriert sich, und probiert von allem etwas.

Dann steht sie auf, öffnet die Augen nach einer langen Denkpause, und verkündet schließlich:

„Der Gewinner ist... Hmm...“

„Nun sag schon!“, fordert Desmond sie auf.

„Epheral natürlich“, grinst sie nun.

„Yeah!“, freut dieser sich.

„War das nicht von Anfang an klar?“, lächelt Luna, und Raito sieht beschämt zu Boden.

„Ich weiß nicht, wie lange es her ist, dass ich das letzte Mal menschliches Essen zubereitet habe...“

Keisuke fällt auf, dass es deswegen eigentlich ein bisschen unfair war, sagt aber nichts.

„Kommen wir jetzt zu meinem Wettbewerb!“, ruft Shizuka und führt die Gruppe in den Garten hinter dem Haus der Valleys.

Dieser ist ziemlich klein, und von einer Menge Gestrüpp und wilden Pflanzen umgeben.

Schon als Keisukes Mutter noch gelebt hat, hat sich niemand um den Garten gekümmert.

Plötzlich hält Shizuka zwei kleine Hacken empor, und verkündet freudig:

„Ihr beide werdet nun das Unkraut jäten!“

Bei diesem Wettbewerb stellt Raito sich besser an als Epheral, denn er kann in der Dunkelheit das Unkraut am Boden besser erkennen und beschwört sich einen schattenartigen Hund, der ihm beim Graben hilft.

„Das ist unfair!“, knurrt Epheral und versucht verzweifelt, mitzuhalten.

Raito grinst nur. Schon nach ein paar Minuten ist das gesamte Unkraut auf seiner Seite der Fläche beseitigt, während der Vampirjäger es noch nicht einmal bis zur Hälfte geschafft hat.

„Der Gewinner dieser Runde steht fest“, lacht Shizuka und nimmt den beiden ihre Arbeitsgeräte weg: „Es ist Raito!“

„Na warte!“, sagt Epheral im bedrohlichen Tonfall.

„Wie viele von diesen Wettbewerben kommen noch?“, fragt Raito genervt.

Keisuke antwortet: „Noch einer, um den Sieger zu ermitteln. Dafür gehen wir wieder rein.“

Zurück im Wohnzimmer fordert Miho die beiden Kontrahenten auf, sich zu Desmond an den Esstisch zu setzen.

Dieser sagt entspannt: „Der letzte Wettbewerb. Ich werde ein Quiz veranstalten. Ich stelle fünf Fragen, und der Gewinner dieser Runde wird automatisch Sieger des gesamten Wettbewerbs sein!“

„Leg los!“, ruft Epheral ungeduldig.

Desmond nickt: „Also dann. Fangen wir einfach an. Welcher englische Naturforscher gilt aufgrund seiner grundlegenden Untersuchungen zur Atomtheorie als einer der Wegbereiter der Chemie?“

„John Dalton“, schießt es den beiden wie aus einem Mund.

„Richtig“, lächelt Desmond; „Ein Punkt für beide. Weiter: Welcher berühmte Wissenschaftler schrieb das Werk: „Out of my later years“?“

Epheral kommt bei dieser Frage in Bredouille, denn offensichtlich hat er es nicht so mit Büchern.

Raito hingegen äußert nach kurzem Überlegen, dass es Albert Einstein sein müsste.

„Der Punkt geht an Raito“, sagt der blonde Wissenschaftler anerkennend.

Plötzlich steht Epheral auf:

„Was soll dieser Mist hier eigentlich?! Ich bin doch nicht gekommen, um Spielchen zu spielen, sondern um mich zu rächen!“ Er funkelt Raito zornig an.

Auf einmal legt Luna ihre Hand auf Epherals Schulter:

„Bist du nicht eigentlich gekommen, um uns zu helfen? Wir wollen die bösen Vampire bekämpfen, schon vergessen?“

Heftig schüttelt Epheral den Kopf: „Es kann ja sein, dass der da“ - er deutet auf Keisuke; „... noch nie einen Menschen umgebracht hat. Bei Raito weiß ich aber, dass es anders ist. Er hat schon gemordet, er gilt ebenso als böser Vampir wie die blutrünstigen Cursers.“

Alle schauen Raito an, der die Augen schließt und langsam aufsteht:

„Ich muss es zugeben, auch wenn ich nicht stolz darauf bin. Es hat sich nicht immer verhindern lassen. Aber ich kann guten Gewissens sagen, dass es mir weder Spaß macht, Menschen zu töten, noch halte ich sie für eine abscheuliche Rasse, die es auszurotten gilt. Setz mich also nicht mit den Cursers gleich!“

Nachdem er das gesagt hat, setzt er sich wieder hin und schweigt.

„Vielleicht bist du im Moment anders als sie, aber das könnte sich auch noch ändern. Ist ja egal, aber ich kann ehrlich gesagt nicht glauben, dass du unvoreingenommen kämpfen können wirst“, kritisiert ihn Epheral.

„Warum sollte er nicht unvoreingenommen kämpfen können?“, fragt Yuri und schaut Keisuke an, der auch nur mit den Schultern zuckt.

Als niemand seine Frage beantwortet, grinst Epheral selbstsicher:

„So ist das also. Du hast ihnen nichts davon erzählt.“

Raitos Hand ballt sich zu einer Faust, doch dem Vampirjäger ist das egal:

„Wenn du mit all diesen Menschen hier gegen die Gesellschaft antreten willst, solltest du es ihnen vorher erzählen, oder nicht? Herr Prinz?“

Schon wieder dieses 'Prinz'. Keisuke fragt sich, was das eigentlich zu bedeuten hat.

Raito atmet tief ein, dann verschränkt er die Arme vor sich auf dem Esstisch:

„Ich werde es ihnen sagen. Es dreht sich um unseren Erzfeind, Emily Halo.“

„Was ist mit ihr?“, fragt Desmond.

Raito schaut starr auf seine Hände:

„Sie ist meine Mutter.“

Zuerst sagt niemand etwas.

„Was?!“, ruft Yuri entsetzt.

„Ist das ein Witz?“, fragt Shizuka verwirrt.

„Unmöglich!“, keucht Desmond, und Luna schaut den Vampir nur überrascht an.

Das kann doch gar nicht sein, überlegt Keisuke geschockt; Raito hasst doch die Cursers! Er will sie vernichten, damit ihr Plan, die Menschheit auszulöschen, scheitert.

Heißt das, Raito ist bereit, seine eigene Mutter zu töten?

Aber ist sie damals nicht gekommen, und hat versucht, Raito umzubringen, als er verletzt war?

Welche Mutter ist dazu imstande?

An seinem Blick erkennt Keisuke, dass Raito es ernst meint, er hat keinen Witz gemacht.

Ihm fällt auf, wie wenig er eigentlich über Raito und seine Familie weiß, aber er spricht ja auch nie über sich.

„Das solltest du erklären“, grinst Epheral zufrieden.

Raito seufzt: „Meine Mutter hat vor einigen Jahren angefangen, Pläne zu schmieden, um die Vampire, die sie als Krone der Schöpfung betrachtet, an die Weltherrschaft zu bringen und die Menschen zu verdrängen. Dazu wollte sie die ganze Menschheit ausrotten. Sie gründete eine Organisation von Vampiren, die sie Curser-Gesellschaft nannte. Mit den Jahren bekam sie immer mehr Mitglieder, denn Emily trommelte so viele Vampire, wie sie finden konnte, zusammen und zwang sie, beizutreten, wenn sie es nicht freiwillig taten. Wer sich ihr widersetzte, wurde einfach getötet.“

„Das ist schrecklich...“, murmelt Shizuka bedrückt.

Raito nickt kaum merklich:

„Ich fand es damals falsch, die Menschen zu töten, denn ich hatte viele Freunde unter ihnen. Meinem Vater war es egal, was meine Mutter getrieben hat, und so konnte ich ihn auch nicht um Hilfe bitten. Ich habe mit allen Mitteln versucht, Emily von ihrem Plan abzubringen, und so sagte ich ihr, dass ich ohne meine menschlichen Freunde auf keinen Fall weiterleben wollen würde. Doch sie bekam einen Wutanfall, in dem sie ihre Schergen losschickte, alle Menschen, die mir nahestanden, zu töten. Es ist ihr geglückt...“

Nun ist der Raum in Schweigen gehüllt.

Raito musste also auch eine Menge durchmachen, wahrscheinlich viel mehr als Keisuke.

Er tut ihm leid, aber weil er nicht weiß, was er sagen soll, bleibt er stumm.

„Nach dieser Aktion jedenfalls“, fängt Raito wieder an; „... habe ich beschlossen, aktiv gegen den Plan dieser Frau vorzugehen. Von diesem Tag an hörte ich auf, sie als meine Mutter zu sehen, sondern nur noch als Feindin, die es aufzuhalten gilt.“

„Aha, jetzt fängt das Bild ja langsam an, Sinn zu ergeben“, fügt Desmond bei, doch dann will er von Raito wissen: „Und warum heißt du jetzt 'Prinz'?“

Keisuke weiß, dass die Cursers Emily Halo als Königin betrachten, wenn Raito ihr Sohn ist, wäre er demzufolge Prinz. Aber das kann er sich eigentlich nicht vorstellen, denn Raito hatte mit den Cursers ja nie viel zu tun, sieht sie sogar als feindliche Organisation.

Raito versucht, zu lächeln: „Das kommt daher, dass mein Vater der wahre König der Vampire ist.“

Erstaunt schauen alle ihn an. „Dein Vater ist ein König?“, fragt Shizuka erschrocken.

„Er ist der erste Vampir, der je gelebt hat, und mittlerweile schon über tausend Jahre alt. Natürlich sieht man ihm das nicht an, aber im Laufe der Zeit ist ihm alles egal geworden. Er lebt alleine auf einem Schloss, das er nie verlässt, und weder ich noch Emily haben Kontakt zu ihm.“

„Welche Fähigkeit hat er?“, will Keisuke sofort wissen.

Raito schmunzelt: „Er hat sehr viele Eigenschaften, die ihn von anderen Vampiren unterscheiden, zum Beispiel kann er soviele Menschen wie er will zu Vampiren machen, außerdem ist er gegen die Spezialfähigkeiten anderer Vampire immun. Aber seine eigentliche Kraft ist es, Vampire zu kontrollieren. Er kann jedem seinen Willen aufzwingen, das zu machen, was er will.“

„Das... Das ist doch dasselbe wie bei Samuel!“, ruft Keisuke erschrocken.

„Nicht ganz. Samuel kann Menschen kontrollieren, und mein Vater Vampire.“

Jetzt fängt Epheral plötzlich an, zu lachen: „Der Vampirkönig Rage Halo! Früher haben die Provitas mehr nach ihm gesucht als nach irgendwem sonst! Heute interessiert sich niemand mehr für ihn. Emily Halo und Raito Umi sind unsere neuen Ziele geworden.“

„Die beiden tragen ja den selben Nachnamen“, bemerkt Miho; „Sie sind also noch verheiratet?“

Raito lächelt: „Schon seit mehr als sechshundert Jahren. Sie haben sich nie scheiden lassen.“

„Und warum trägst du dann einen anderen Nachnamen?“, hakt Miho nach.

„Ich habe meinen Familiennamen geändert, weil ich mich, nachdem meine Mutter diese fanatischen Ideen bekommen hat, von meinen Eltern distanziert habe. Mein richtiger Name ist Raito Halo.“

Es muss schwer für ihn sein, so viel von seiner Vergangenheit offenzulegen, überlegt Keisuke.

Aber dafür bewundert er Raito jetzt nur noch mehr.

„Also wir müssen gegen den König nicht kämpfen, weil er nicht auf Emilys Seite steht. Das ist gut, aber trotzdem schade, dass er uns nicht hilft“, sagt Keisuke.

„Er kann seinen Vater ja mal fragen“, schlägt Luna scherzhaft vor.

Raito schüttelt den Kopf: „Ihr wisst nicht, wie oft ich das schon versucht habe, es ist sinnlos. Jedenfalls wisst ihr jetzt bescheid.“

Mit einem Seitenblick auf Epheral fügt er hinzu: „Bist du jetzt zufrieden?“

Dieser lächelt nur und sagt schließlich: „Abgemacht, ich werde euch helfen. Leider kann ich von meinen Leuten niemanden zur Verfügung stellen, weil ich selbst nicht sicher bin, wem wir vertrauen können. Dass ich mit euch zusammenarbeite, muss vor meiner Firma geheimbleiben.“

„Das wird es“, versichert Raito ihm; „Offensichtlich wissen die Cursers aber, dass wir die Hilfe der Vampirjäger in Anspruch nehmen. Das ist problematisch, die Zeit drängt. Ich schlage vor, dass wir in genau einer Woche in ihrem Hauptquartier angreifen. Diesmal haben wir den Erstschlag.“

„Nur wir?“, fragt Keisuke ängstlich. Er geht eigentlich nicht davon aus, dass eine handvoll Menschen es mit einer mörderischen Vampirorganisation aufnehmen kann.

„Es gibt nicht mal mehr so viele Cursers“, beruhigt Raito ihn; „Höchstens zehn. Und die werden auch nicht alle im Hauptquartier sein. Seid also optimistisch, dass wir es schaffen werden.“

„Wo ist das besagte Hauptquartier eigentlich?“, lautet Desmonds berechtigte Frage.

„Alexa hat herausgefunden, dass sie sich momentan in der Villa am Riverside Hill eingenistet haben. Die wahren Hausbesitzer sind vermutlich schon von ihnen getötet worden“, erklärt Raito.

Nun steht er auf, und geht langsamen Schrittes in Richtung Flur. Alle sehen ihn an.

„In einer Woche sehen wir uns genau hier wieder. Ich erwarte, dass ihr euch alle vorbereitet!“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2013-01-20T20:27:57+00:00 20.01.2013 21:27
Dass Shya weg ist interessiert den Cast wohl mehr als dass der Bruder auch schon länger nicht mehr aufgetaucht ist, um Luna zu belästigen :D
Und der Kochwettbewerb ... seufz, das war irgendwie lustig
Und endlich zeichnet sich Luna x Epheral ein wenig ab :D
Von:  LittleLuna
2010-03-15T16:02:27+00:00 15.03.2010 17:02
Sag mal, wie kommt denn auf einmal wieder Benzin in meinen Tank ;p
Naja, aber endlich werden mal die ganzen Familienverhältnisse aufgeklärt :3

Weißt du, schon als Keisuke sich auf das Sofa gestellt hat, musste ich grinsen. Aber ein Kochwettbewerb, echt geile Idee. Ich stelle mir Raito und Epheral gerade in Kochschürze vor XD
gute Arbeit
LG Lunalein :3


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