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Spiegel deiner Selbst

...bis du ganz unten angekommen bist...
von

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Hinauf in die Hölle

„Darf ich dich mal etwas fragen Lorain?“

So unauffällig wie möglich hatte ich sie beäugt, von oben bis unten akribisch untersucht, ja schon fast seziert und es wollte mir einfach nicht in den Kopf.

„Natürlich. Schieß los.“ Kicherte sie vergnügt ehe sie sich den kleinen Transportwagen schnappte der mit allerhand Putzutensilien ausgestattet war. Kaum zu glauben was alles auf diesem kleinen Ding Platz hatte. Von Staubsauger, Putzlappen, Wassereimer bis hin zu einem Sack für schmutzige Wäsche und einem Stapel frischer, rein weißer Handtücher hatte diese Gerätschaft wohl alles inne was den Alltag eines Zimmermädchen bestimmte. Ein schauderhafter Gedanke der den Ekel in mir entfachte.

„Ich dachte du wärst auch ein Zimmermädchen, warum trägst du dann eine völlig andere Uniform als ich? Oder läuft es hier nach Dienstgrad?„

„Nein“ lachte sie „ich bin hier eigentlich als Sekretärin eingestellt. Deswegen trage ich andere Kleidung als du.“

Mit dem Aufzug steuerten wir dem dritten Stock entgegen und folgten dem Bimmeln links in den Korridor hinaus.

„Aber warum wurdest du dann geschickt um mich einzuweisen? Müssen Sekretärinnen denn auch von Zeit zu Zeit putzen?“

Kaum hatte ich diesen Satz vollendet, flackerte meine eigene Dummheit vor meinen Augen auf. Natürlich putzten Sekretärinnen nicht. Warum wohl hatte ich mich selbst als Empfangsdame beworben? Ich hatte das mit Sicherheit nicht getan, um anderer Leute Dreck aufwischen zu müssen. Nein! Eigentlich wollte ich das hier alles gar nicht!

Ungläubig warf sie mir einen Blick über ihre Schulter zu, der sich in eine hässliche, herablassende Fratze verwandelte. Jene Fratze, die meine Naivität belächelte.

„Nein du Dummerchen. Aber ich habe vor einigen Jahren auch als Zimmermädchen angefangen und ich bin eine der wenigen Ausnahmen die als Universaleinweiser eingesetzt werden. Dafür bin ich hier.“

„Achso“ erwiderte ich resignierend und zog den Kopf ein.

Ich hatte wohl schon gleich zu Anfang den Punkt erreicht, an dem es besser war die Klappe zu halten. Also folgte ich ihr stillschweigend und beobachtete ihre Bewegungen, studierte sie und versuchte ihre Art zu kopieren um Herrn von Morrington in nächster Zeit nicht negativ aufzufallen.

Vorsichtig klopfte sie an die erste Tür die wir erreichten und hauchte ein paar freundliche Worte, wartete auf Reaktion, ehe sie sich den Schlüssel griff der an ihrem Gürtel hing und aufsperrte. Vor mir erstreckte sich nun das Paradies in dem sich schon unzählige Individuen gewälzt und geräkelt, ja teilweise sogar quietsch vergnügt besudelt hatten. Bei näherer Betrachtung wollte mir der Gedanken nicht mehr aus dem Sinn entweichen, dass jeder einzelne Mensch, der hier abgestiegen war nur dazu kam, um das zu tun was zuhause unter die Kategorie Tabuthema fiel. Was man wohl alles aus den Leuten heraus erpressen konnte, wenn man nur eine Kamera installierte und mit den eiskalten Tatsachen hausieren ging?

„So!“ polterte Lorain los „herein spaziert und an die Arbeit.“

Bedacht stolzierte ich mit verschränkten Armen durch einen kleinen Gang in das Luxuszimmer hinein und ließ die Eindrücke auf mich wirken. Auf den ersten Blick schien alles sehr schlicht und einfach gehalten. Die Details fielen erst auf wenn man ihnen unmittelbar gegenüber stand. Die Wände waren in einem fleckigen, sandfarbenem Ton gezeichnet der in einer abrupten Kante etwa zehn cm vor dem Boden und der Decke endete. Durchquerte man den Gang im Eingangsbereich, so hatte man direkten Blick auf das kunstvoll verzierte Doppelbett, dessen Kopfende an der rechten Wand anschloss. Gegenüber trohnte ein monströser Flachbildfernseher, der, wie das Bett auch von zwei elektronischen Wandfakeln umrahmt war. Schlussendlich endete das Zimmer mit einer schwarzen Ledercouchreihe und einem gläsernen Tisch die unbeholfen in die rechte Ecke des Raumes gesetzt war, so das auch aus dieser Sichtwarte noch einen bequemen Blick auf die Bildröhre gewährt war. Rechts, gleich nach der Eingangstür fiel mir eine marmorierte Schiebetür auf, die einen kleinen Spalt weit offen stand. Doch gerade als ich sie öffnen wollte, funkte Lorain dazwischen.

„Na?! Habe ich dir etwa aufgetragen zu schnüffeln?“

„Ich wollte mich doch nur umsehen.“ konterte ich schroff „ich bin davon ausgegangen das sich hier vielleicht das Badezimmer befindet. Ist das ein Verbrechen?!“

Das konnte doch nicht wahr sein. Ich brauchte nur etwas anzufassen und schon haftete mir der zäh-klebrige Ruf einer Schnüfflerin an. Was durfte ich hier überhaupt anfassen, ohne gleich derart attackiert zu werden?!

„Ja ja, das sagen sie alle“ sang sie mich wie ein Leiherkasten an „was auch immer, wir sind zum arbeiten hier. Also aufgepasst. Ich zeige dir die Vorgänge maximal zwei Mal, dann musst du sie selbst beherrschen.“

Ein unbändiges Gefühl von Druck braute sich zusammen. Zwei Mal hatte sie gesagt, zwei Mal würde sie mir zeigen was ich zu tun hatte. Und wenn ich etwas falsch machte?

„Sieh her“ mahnte sie mich als sie sich an das Bett stellte und nach der Decke griff. In einer raschen Bewegung hatte sie sie umgeschlagen.

„Sieh dir das Bettlacken genau an. Fällt dir etwas auf?“

In übertriebener Pose bückte ich mich und beäugte mit gespielt akribischem Blick was sich vor mir erstreckte. Aber was hätte mir auffallen sollen?

„Nun? Was ist? Fällt dir etwas auf, oder nicht?!“

Ich hasste es wenn man mich unter Zwang zu einer Aussage trieb.

„Nein, tut mir Leid. Ich sehe nichts Auffälliges“

„Nun komm schon“ trieb sie weiter „das sieht doch ein blinder mit dem Krückstock. Dazu musst du dich noch nicht einmal bücken.“

„Ich sagte doch, mir fällt nichts auf!“

Was bildete sich diese Ziege eigentlich ein! Ich hatte noch nie gearbeitet, verlangte sie nun etwa von mir das alles aus dem FF zu können?

„Na schön“ schnaubte sie „ich erklär’s dir. Das Bettlacken weißt keine Flecken auf, es ist schneeweiß, wäre es anders, müsstest du es wechseln. Allerdings hat es Falten. Eine normale Gebrauchsspur die sicherlich auch bei dir zuhause auftaucht wenn du in deinem Bettchen geschlafen hast. Du musst es lediglich auf Flecken kontrollieren und es wieder straff ziehen indem du es in die Kanten stopfst“

Wortlos sah ich sie an und folgte ihren Erläuterungen.

„Als nächstes schnappst du dir die Kissen, schüttelst sie auf und legst sie ordentlich wieder hin. “

Langweilig! Es war jetzt schon entsetzlich langweilig. Am liebsten hätte ich mich auf der Stelle in das gemachte Bett sinken lassen. Demonstrativ verschränkte ich die Arme, schweifte mit den Gedanken fort und gähnte lauthals los.

„Alice!“

„Was ist?“

In ihren Augen manifestierte sich ein Anflug von Wut. Ich war mir sicher, Lorain benahm sich bestimmt nur deshalb so anständig, weil sie fürchtete Von Morrington in die Hände zu fallen. Vielleicht war sie gar nicht so perfekt, wie sie sich dargestellt hatte und musste um ihren Posten fürchten.

„Bevor du einschläfst, schnappst du dir jetzt die Bettdecke, schüttelst sie auf und legst sie ordentlich auf das Bett! Aber Faltenfrei!“

„Ist ja gut!“

„Pass auf das du dir keinen Fingernagel abbrichst!“

Na wunderbar. Wie gerne hätte ich mich jetzt davon gestohlen. Aber dieses Biest würde mich nicht eher aus ihren Fängen weichen lassen, bis ich mich ihrer Aufgabenwut gestellt hatte. Seufzend schüttelte ich die Decke und legte sie auf das Bett zurück. Zum krönenden Abschluss schlug ich sie noch einmal um und glättete die Falten.

„Zufrieden?!“ schnaubte ich.

Musternd runzelte sie die Stirn und zog eine Augenbraue hoch.

„Für den Anfang mag das ganz in Ordnung sein. Aber das muss schneller gehen! Wir haben noch etliche Zimmer vor uns. Los, auf ins Bad.“

In angespannter, kommandierender Haltung marschierte sie in den Gang zurück in der ich bereits auf jene Marmortür gestoßen war, die sie mir untersagt hatte zu öffnen. Sie legte die Hand auf, drückte ein wenig dagegen und schon zog ein Mechanismus die Tür in die Wand hinein.

„Du musst wissen, dass vieles hier ganz automatisch geht. Diese Schiebetür reagiert auf Druck und schließt sich etwa 15 Sekunden später von ganz alleine wieder.“

„Ach, so läuft das hier. Aber warum war sie denn nicht komplett verschlossen als wir herein gekommen sind?“

„Eine gute Frage Alice. Aber das liegt nicht an uns das heraus zu finden. Für solche Fälle ist der Hausmeister da. Wir sagen ihm später bescheid.“

Vorsichtig tappte sie in die Dunkelheit des Badezimmers hinein. Nachdem sie drei Mal lautstark in die Hände klatschte, glomm das warmweiße Licht auf und gab die Geheimnisse dieses hoch intimen Bereiches preis. An der oberen und unteren Kante des Raumes, säumten weiße Fließen mit goldenen Ornamenten die Räumlichkeit. Es war wunderschön und je länger ich reglos dort stand und mich umsah, umso stärker wünschte ich mir, ich könnte Gast in diesem riesigen Palast sein. Doch auch jetzt hämmerten Fragen in mir herum, die ich nicht mehr länger für mich behalten wollte, ganz gleich ob sie nun unsinnig waren, oder nicht.

„Sag Lorain, sehen diese ganzen Halterungen und Wasserhähne nur golden aus, oder ist das tatsächlich gold, das da so glänzt?“

Wieder zog sie mir eine grinsende, überlegene Fratze.

„Sehr richtig erkannt. Alles was du hier so schön blitzen und funkeln siehst, ist mit echtem Gold überzogen. Also pass gut auf, denn solch’ empfindliche Flächen kannst du nicht so ohne weiteres mit einem groben Schwamm abschrubben. Sie brauchen besondere Pflege. Vielleicht verstehst du nun auch warum alles hier täglich geputzt wird.“

Während Lorain sich eifrig daran machte, die Whirlpoolbadewanne zu säubern, wechselte ich die durchnässten Handtücher durch Neue aus und polierte den Wasserhahn des Waschbeckens auf Hochglanz. Der alleine Gedanke daran, einen großen Wert zum strahlen zu bringen, schürte Hitze in mir heran. Ich liebte es. Alles was je geglänzt oder gefunkelt hatte, mich magisch in seinen Bann sog, all jenes fesselte mich und in diesem Augenblick wünschte ich mir, dass das alles in meinem Besitz sei. Spontan überfiel mich wieder der Gedanke der mir gestern noch Übelkeit bescherte. Wäre es nicht doch sinnvoll sich an den Hotelbesitzer anzuschmiegen? Wenn ich seine Freundin werden würde, dann würde mir doch ganz automatisch auch alles gehören, oder etwa nicht?

„Na also!“ rief Lorain und unterbrach den schmutzigen Gedankenstrom der sich um meine Augen legte. Ich konnte es sehen. Alles. Alles was mir je gehören würde, wenn ich nur die Waffen einer Frau benutzte und mir das alles hier zu Eigen machte.

„ Ich dachte schon du würdest niemals selbst einen Lappen in die Hand nehmen“ bemerkte sie. „Weißt du was? Mach dich doch nützlich und schnapp dir den Staubsauger. Ich werde in der Zwischenzeit das Bad fertig machen.“

„Ist gut.“

Ich war schon fast traurig als ich gegen die Tür drückte und wieder in dieses kahle Zimmer hinaus lief, das nicht den geringsten hauch von teurem Glanz an sich hatte. Mir war noch immer ganz heiß. War es in diesem Zimmer tatsächlich so überhitzt, oder spielte mir nur mein Kreislauf wieder einen Streich? Hektisch wedelte ich mir Luft zu während ich sporadisch durch das Zimmer saugte. Bis etwas neben dem Bett in mein Blickfeld fiel. Klein, glänzend, funkelnd. Wem auch immer es gehörte, dem gehörte es nicht mehr lange. Wer seine Wertgegenstände achtlos herumliegen lässt, verdiente sie überhaupt nicht. Ich schaltete den Staubsauger aus und vergewisserte mich, ob mich auch niemand beobachten würde. Lautlos schlich ich zum Bett hinüber und mein Blut kochte. Es schäumte über, sprühte vor Glück und pumpte sich lautstark in meine Halsvene hinein. Ja, ich konnte es hören. Ich konnte es spüren wie es mit Macht und Gewalt meinen Fund quittierte.

Auf dem Boden lag ein silberner, verspielter Ring in der eine Reihe ineinander geschlungener Herzchen mit etlichen, schillernden Steinchen prangten. Er war so wunderschön, so wunderschön dass ich ihn sofort auf meinen Finger steckte. Und er passte!

Augenblicklich fing mein Nacken an zu brennen als ich hörte wie sich die Badezimmertür aufschob und jemand direkt auf mich zukam. In Panik riss ich den Ring von meinem Finger und steckte ihn in meinen Mund. Er gehörte jetzt mir!

„Alice? Was machst du denn da unten? Bist du schon fertig?“

Wie schon zu Anfang des Tages hatte ich Mühe das Zittern meiner angespannten Glieder nicht entgleiten zu lassen. Ich durfte mich nicht verraten. Behutsam tastete ich den Ring mit meiner Zunge in die Wange, ehe ich aufstand und mich Lorain zuwandte.

„Ach, die Decke war an dieser Seite noch nicht so ganz in Ordnung.“ Log ich „Ich habe sie nur zurecht gezupft. Und ja, ich bin fertig.“

Ich hetzte das süßlichste Lächeln auf mein Gesicht, das mir diese Situation erlaubte. Mein Nacken brannte, heiß, als hätten kleine Wichtelzwerge ein Feuer auf ihm entfacht. Skeptisch sah sie mich an. Warum nur hatte ich das Gefühl das mich jeder mit seinen Blicken erdolchte? Warum nur wurde ich diese Angst nicht los, dass sie alle genau bescheid wussten und mir jede Lüge wortlos erkannten?

„Na gut, dann lass uns weiter ziehn. Bei einem Zimmer helfe ich dir noch, danach teilen wir uns auf.“

Entwarnung. Erleichtert stieß ich einen Seufzer aus und packte den Staubsauger auf den Transportwagen. Ich hasste es wenn ich beobachtet wurde.

Das nächste Zimmer musste ich alleine machen. Es lag gegenüber jenem, welches wir gerade geputzt hatten. Lorain setzte sich dieses mal auf die Couch und beobachtete jeden meiner Handgriffe, schritt ein wenn sie unzufrieden war und erhob sich erst dann, als ich mich aufmachte um das Badezimmer zu putzen. Zum Schluss hinaus hatte ich selbst die Kontrolle und mühte mich damit ab nur keinen einzigen Handgriff zu viel zu tun. So viele Zimmer es auch waren, es war mir vollkommen egal ob sie nun einfach nur ordentlich oder blitzblank gewesen waren. Was kümmerte mich der Schmutz den andere verursachten?
 

Die Zimmertür schwang auf, als hätte man mein Kommen bereits erwartet, doch niemand war hier. Das Zimmer war leer und empfing meine Präsenz um mir begangene Missetaten zu erzählen. Die Stelle, an der der verheißungsvolle Ring gelegen hatte, war nun plötzlich genauso leer, wie der Rest des Zimmers. Alles war in der selben chaotischen Ordnung, wie an jenem Tag, an dem das Hotel seine Pforten öffnete um den Pakt zu erfüllen. Von Morrington war sicher heiß darauf zu erfahren, dass sein Musterkind bereits am ersten Tag einen groben Fehltritt begangen hatte. Lüstern biss ich in meinen Finger, bis Blut hervor trat und leckte wie ein ausgehungerter, rasender Wolf daran. Schon bald würde ich meine Tore für sie öffnen. Für sie alleine. Und ich würde meine Freude daran haben, sie auszuweiden und ihr jedes Leid, das sie anderen zugefügt hatte zurück zu geben. Bei diesem Gedanken stieg eine ungeheure Geltungssucht in mir empor die meine Augen brennen ließ. Ich musste diesen Brand löschen, sofort. Ich musste mich austoben! Und dafür gab es nur einen einzigen Weg. Ich schloss die Augen und beschwor den schwarzen Rauch in mir herauf, der mir zeigte nach wem auch immer ich suchte.

Von Morrington. Zeigt mir von Morrington. Jetzt! Sofort!

Aus schwarzem, beißendem Rauch wurden Farbkleckse, Ecken, Kanten, die sich nach und nach zu einem festen, greifbaren Raum entwickelten, in der eine aufgestachelte Person hin und her wetzte.

Was suchst du? Was? Was begehrst du so sehr, das du nicht ruhen kannst?

Erneut wabberte die schwarze Substanz empor, bohrte sich in meine Ohren und entblößte die geistige Stimme des Hotelbesitzers. Und er war aufgebraucht. SEHR aufgebracht!

„Warum dauert das nur so lange?! Anailarna! Ich erwarte dein Feedback! Wo bleibst du?!“

Genug! Ich wusste, was ich wissen wollte und beschwor ein letztes Mal die pechschwarzen Gefährten um mich zu leiten.

Bringt mich zu ihm! Vor die Tür! Sofort!

Einen Augenblick später stand ich im Schatten eines Schrankes, unweit der Bürotür von ihm. Ohne zu Klopfen trat ich ein, denn er wusste bestimmt bereits, dass ich mental nach ihm gesucht hatte und ihn aufsuchen würde. Jeder spürte es, wenn ich hier war. Doch nur die wenigsten wussten, dass es ich war, den sie vernahmen, denn sie kannten dieses Gefühl nicht, wussten es nicht zu interpretieren.

„Lucien? Was führt dich hier her?“ polterte die raue Stimme des Hotelbesitzers durch den Raum.

Grinsend schlang ich die Arme hinter meinen Rücken.

„Nun, ich hatte eine leise Ahnung Ruben. Ihre Unruhe kann Tote wecken, wissen sie das?“

Forschend blickte er mich an, wühlte sich in die Abgründe meines verhangenen Antlitzes

„Du weißt, was ich wissen will, nicht wahr?“

„Allerdings.“

Spielerisch tänzelte ich an ihm vorbei, hinter den Schreibtisch und fixierte das Bücherregal.

„Ich fürchte, dieses Mädchen ist noch unverfrorener als wir anfangs geglaubt haben.“

„Was weißt du Lucien? Sag es mir!“

Prüfend wand ich mich zu ihm um, überlegte wie ich es ihm sagen sollte und entschied mich für die aufschlussreichste Methode, die jedem normalsterblichen verweigert geblieben war. Die Menschen waren zu schwach für so viel Macht. Auf der Stelle zerriss meine Gestalt zu körperlosem Rauch und floss über seine Ohren in seinen Kopf hinein.

„Sieh gut hin, von Morrington, sieh guuut hin.“

In rasender Geschwindigkeit spielte ich ihm vor, was Alice, unser schwarzes Schaf, dieses Mal schönes verbrochen hatte. Der Ring, die Gier die ihr aus den Augen sprang bei all den schönen Dingen die sie sah und das Unrecht etwas einzustecken, was nicht ihr gehörte. Ein Laientheater, das ich ihm mehrere Male vor Augen führte, um seinen Zorn zu schüren. Denn ich war seine Sense und erst wenn er zornig genug wäre, würde er mir die Erlaubnis geben meiner Natur entsprechend zu handeln. Allmählich verflüchtigte sich der Dampf aus seinem Kopf und ich hatte meine alte Gestalt angenommen. Wie ein Raubtier starrte ich ihn aus hungrigen Augenhöhlen an, beobachtete wie sich sein Brustkorb gequält hob und wieder senkte. Er war diese Eskapaden, diese Reisen in die Vergangenheit nicht mehr gewöhnt und es war lange her dass ich in ihn hinein gefahren war und er mit meinen Augen sehen durfte. Er atmete schwer als er sich wieder besann und eine Hand auf meine Schulter legte.

„Du weißt was du zu tun hast, Lucien!“

Bestätigend nickte ich. Lange hatten wir von außerhalb zugesehen. Man zwang uns dieses Mädchen nach freiem Willen handeln zu lassen. Viel zu lange hatten die Oberen ihr Chancen gegeben, die sie wieder vertan hatte. Ewigkeiten gestand man ihr das Recht zu, sich von selbst zu bessern. Aber jetzt war genug Zeit verstrichen, die letzten Chancen gnadenlos vertan. Und jetzt war es endlich an der Zeit zu handeln. Die Fallen waren gelegt und sie waren bereit endlich zuzuschnappen.



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