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Spiegel deiner Selbst

...bis du ganz unten angekommen bist...
von

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Der Lauf der Dinge

Ich konnte es kaum erwarten diese lästigen, erniedrigenden Klamotten wieder los zu werden. Ich hatte den ersten Tag kaum überstanden und schon wünschte ich, ich hätte mich niemals darauf eingelassen als Zimmermädchen zu arbeiten. Ich wollte Empfangsdame sein, kein Speichellecker der nur gut genug war um in fremden Schmutz zu wühlen. Ich war deutlich überqualifiziert. Im Grunde verstand ich nicht einmal mehr, warum von Morrington so scharf darauf gewesen war mich in einer derartigen Position anzustellen. Hielt er mich denn etwa selbst für Dreck?! Je länger ich darüber nachdachte, umso wütender wurde ich. Ich bemerkte nicht einmal, dass ich anfing vor mich hin zu schimpfen, als ich ohne den Blick zu heben an meinen Lieblingsläden vorbei lief und nach Hause hastete. Genau wie beim ersten Mal schon, kündigte sich auf meinem Weg ein Wolkenbruch an. Die Luft war überladen, prickelte auf meiner Haut und stachelte mein überhitztes Gemüt noch weiter an. Was bildete sich dieser aufgeblasene Fatzke eigentlich ein?! Ich war viel zu schön und viel zu intelligent um als putzendes Mauerblümchen in diesem Bunker zu versauern! Am liebsten wäre ich umgekehrt und hätte ihm einen gehörigen Tritt in seine Weichteile verpasst!

„IDIOT!“ polterte ich und versank tiefer und tiefer in meine bösen Gedanken als es plötzlich ohne jede Vorwarnung passierte. Wie der Blitz aus heiterem Himmel walzte ein Schlag auf meinen Körper herein und ließ mich zu Boden sinken. Was war denn jetzt wieder los? Stöhnend griff ich an meinen Kopf der noch immer von einer Schmerzwelle geschüttelt keinen klaren Gedanken zu greifen vermochte. Erst als eine Hand von oben in mein Blickfeld geriet und mir ein überaus freundliches Gesicht entgegenstarrte, verstand ich was passiert war.

„Willst du noch länger da unten sitzen bleiben.“ Fragte der junge Mann völlig perplex, der mir seine Hand zur Hilfe anbot. Irgendetwas war komisch an ihm. Obwohl er einen freundlichen Gesichtsausdruck auf hatte, schien es als würden aus seinen Augen Pfeile schießen. Er glühte mich förmlich an. Das war schon das zweite Mal innerhalb kürzester Zeit, dass mir ein Mensch derart unheimlich gewesen war.

„Bist du von allen guten Geistern verlassen?!“ schrie ich „Kannst du nicht aufpassen wo du hinläufst?!“

Mit einer wischenden Bewegung wehrte ich seine Hand ab und sammelte auf Knien ein, was aus meiner Tasche gerollt war. Make Up, Geldbeutel, Haarbürste… Irgendetwas fehlte doch noch? Oder? Was war es nur? Während ich auf allen vieren auf der Straße herumkroch, lief das Leben weiterhin an mir vorbei. Die Leute die in einem zähen Strom an mir vorbei strichen, würdigten mich keines Blickes, machten keinerlei Anstalten mir bei meiner fragwürdigen Suche zu helfen. Ich wusste ja nicht einmal selbst wonach ich überhaupt suchte. Vielleicht bildete ich mir auch nur ein dass etwas fehlte? Im Eifer des Gefechts musste wohl mein Verstand abhanden gekommen sein. Trotzig wie ein kleines Kind blieb ich im Schneidersitz hocken und verschränkte demonstrativ die Arme vor meiner Brust. Was zum Henker hatte ich denn nun vergessen? Teufel aber auch!

„Suchst du vielleicht den hier“ funkte die nervige Gestalt mit dem verstrubbeltem schwarzen Haar erneut dazwischen und hielt mir ein schillerndes Stück Metal unter die Nase. Nein, das war kein gewöhnliches Metal. Kein Metal der Welt war in der Lage so zu glitzern und vor Funken zu sprühen. Erst als ich mich aufrichtete und den kleinen Ring mit den ineinander geschlungenen Herzen aus seiner Hand nahm, überkam mich wieder dieses brennende Gefühl im Nacken. Ich konnte mir nicht helfen. Je länger ich den Ring anstarrte, den ich heute morgen erfolgreich erbeutet hatte, umso mehr fing mein Inneres Feuer und umso schlimmer hatte ich das Gefühl, das ich beobachtet wurde. Es war wohl besser diesen Platz auf der Stelle zu verlassen. Wortlos steckte ich den Ring an meinen Finger, rannte los, als gäbe es für mich kein Morgen mehr. Der junge Mann rief mir noch irgendein unverständliches Gewäsch hinterher, aber was interessierte es mich schon was ein herumstreunender Nichtsnutz wie er mir groß zu sagen hatte. Und gerade als mich das Gefühl peitschte, der Teufel wäre hinter mir her, hätte ich unter Garantie nicht kehrt gemacht um ihm zuzuhören. Ich folgte lieber meinem Instinkt, rannte und rannte, rempelte Leute um, drängte mich durch die Menschenmassen und erst als ich sicheres Gelände unter meinen Füßen verspürte und abgeschieden vom Rest der Welt die schützende Haustüre hinter mir zuschlug, erst dann erlaubte ich es mir keuchend zusammen zu sinken und die unzähligen nervenzehrenden Gedanken auf mich einprasseln zu lassen. Gebannt lauschte ich in die Dunkelheit des Hauses hinein. War Mama denn noch nicht zuhause? Wie auch immer. Ich hatte kein gesteigertes Verlangen mit ihr über meine Zukunftsplanung zu sprechen. Nach einer kurzen Verschnaufpause schlich ich mit federnen Sohlen lautlos die Treppe hinauf und verbarrikadierte mich in meinem Zimmer, dem einzigen Zufluchtsort der mir all die Jahre über geblieben war. Entnervt löste ich die Schleife meiner Schürze, striff Rock und Bluse von mir und gab meinen Körper der totalen Entblößung hin. Ich sehnte mich nach einem Bad. Der ideale Ort um zu entspannen und seine Gedanken zu einem konstruktiven Gegenschlag zu bündeln. Neugierig betrachtete ich mich im Spiegel. Nicht das ich meinen Körper nicht bereits kannte, aber ich war wirklich außerordentlich zufrieden mit ihm.

„Yes!“ flirtete ich mein gläsernes Gegenüber an „Ein Prachtstück Alice. Du bist wirklich wunderschön.“ Zärtlich blies ich meinem Spiegelbild einen Luftkuss zu und wandte mich letztlich ab um mir angenehm heißes Wasser in die Wanne einlaufen zu lassen. In den Fluten eingetaucht gab ich mich voll und ganz der entspannenden Wärme hin die meinen Körper umwob. fast hatte ich das Gefühl eine unangenehme Hülle abzustreifen. Eine schmutzige, stinkende Fassade die in Dreck gewühlt hatte. Wo ich wieder beim Thema angekommen war, pfui Teufel! Wie konnte mich ein Mensch nur so derart erniedrigen?! Augenblicklich war ich wieder genau so wütend wie zuvor, als ich angewidert von der Arbeit durch die Gassen stapfte. Es war Zeit zu handeln. So konnte es auf keinen Fall weiter gehen und ich dachte nicht im Traum daran da weiter zu machen wo ich heute aufgehört hatte!

„Benutz deinen Kopf Alice“ feuerte ich mich an „Was kannst du tun, um es diesem Missgünstling von Morrington heim zu zahlen? Wo liegen seine Schwächen? Und wo sind deine Stärken?“

Spielerisch wühlte ich in den Schaumkronen des Badewassers, zog Linen, zeichnete die Konturen meines Körpers nach und schlagartig kam mir eine Idee in den Sinn, die ich zuvor als Schwachsinn abgetan und verworfen hatte. Dabei war der Grundgedanke doch gar nicht so schlecht. Von Morrington war mit Sicherheit einer der wohlhabendsten Männer weit und breit. Theoretisch betrachtet musste es ausreichen wenn ich mit meinen weiblichen Reizen spielte, um ihn um den Finger zu wickeln. Das bisschen Geld das er für mich Opfern müsste würde ihm sicher nicht weh tun. Es bot sich geradezu an ihn als Melkkuh zu benutzen. Und ob ich mir dabei noch einen anderen Kerl hielt, von dem ich mich flach legen ließ weil ich ihn tatsächlich liebte, dass musste er nun wirklich nicht wissen. Für von Morrington musste es meine bloße Anwesenheit tun um ihn zum Überkochen zu bringen. Notfalls musste ich eben ein wenig Hand anlegen, wenn gar nichts half, aber sein Geldbeutel gehört MIR! Soviel zu jener Person die mir meine Würde raubte… Aber was sollte ich mit Lucien machen? Sobald ich nur an diesen widerlichen Kerl dachte, stellten sich meine Nackenhärchen auf. Ein Angstschauer durchzuckte mich und ich musste unweigerlich an seine seltsamen Augen denken die mich auf Schritt und Tritt zu verfolgen schienen. Warum war er eigentlich so bösartig zu mir? Noch nie in meinem Leben war mir jemand wegen einer berechtigten Ohrfeige so böse gewesen und Lucien hatte es doch geradezu heraus gefordert. Was wollte er also? Wie konnte dieser unverschämte Bastard es wagen mich auch nur anzufassen?! Unweigerlich spielten sich Sequenzen vor meinem inneren Auge ab, wie ihm in den Fängen meiner Freunde aus dem Untergrund das Genick gebrochen wurde. Die bloße Vorstellung reizte mich so sehr, dass hitzige Wallungen kreuz und quer durch meinen Unterleib schossen und mich buchstäblich in extatisches Zucken trieben. Wahrhaft, Vergeltung war das einzige was mir jemals dieses erfüllende Gefühl bereitete und meine Hände in Spieltrieb versetzte… Heiße, kochende Spiele, wie sehr ich sie doch liebte.

„Sterben, oder nicht sterben“ flüsterte ich süßlich vor mich hin ehe mich genüssliches Stöhnen übermannte „Was für eine Frage!“
 

Die Nacht zog seinen entspannten Schleier über mich und ich schlief so gut wie schon lange nicht mehr. Als ich aufwachte, war der Mittag bereits angebrochen. Verwundert stellte ich fest das Mama keinerlei Anstalten gemacht hatte mich zu wecken. War sie heute Nacht überhaupt nach Hause gekommen? Oder spielte sie immer noch die beleidigte Leberwurst? Wie auch immer, ich wollte dieser Sache keine weitere Beachtung mehr zu schenken. Ich hatte ohnehin beschlossen den Tag langsam angehen zu lassen, also wanderte ich in meinen Lieblingsklamotten verpackt seelenruhig die Treppe hinunter und sorgte für mein leibliches Wohl. Bei Kaffe und einer ordentlichen Scheibe Sandkuchen durchblätterte ich die Modekataloge und stellte mir im Kopf bereits den neuesten Look zusammen mit dem ich bald aufkreuzen würde. Shoppen, eigentlich musste man dafür bezahlt werden. Schließlich war es doch mehr als nur anstrengend durch die Läden zu ziehn und etliche Kleider anzuprobieren, bis man letztlich mit wenigen Stücken bewaffnet den Laden wieder verließ und trotzdem noch immer nicht glücklich war. Irgendetwas fehlte doch immer für das ultimative, perfekte Outfit. Ob sich wohl jede Frau so fühlte? Egal! Jetzt waren erst einmal andere Belange von Wichtigkeit und langsam aber sicher fühlte ich mich in Aufbruchsstimmung. Ohne meine Arbeitskleidung auch nur annähernd schief angesehen zu haben, packte ich meine Tasche und zog los um mich meiner Bestimmung zu widmen.

„Heute lernst du meine Zuckerseite kennen, von Morrington“

Ein siegessicheres Lächeln malte sich auf mein Gesicht. Sicher wäre dieser Idiot ein wenig angesäuert das ich viel zu spät zur Arbeit kam. Aber, Arbeit? Das war heute sicher nicht mein bestreben. Als sich die Tore des Hotels für mich öffneten stand bereits Lucien in der Tür und augenblicklich verwandelte sich mein Lächeln in eine hässliche Fratze.

„Geh mir aus dem Weg!“ fauchte ich ihn an, genüsslich an dem Eis leckend das ich mir gekauft hatte um die Auswirkungen der herunter brennenden Sonne zu lindern.

„Nanu nana“ plusterte er sich auf und brach in schallendes Gelächter aus. Was war denn nun wieder los?! Was glaubte dieser Kerl eigentlich wer er war?!

„Ich wüsste nicht, was so komisch ist?!“ schnauzte ich ihn an und wollte einen großen Bogen um ihn machen. Doch irgendwie ließ er mich auch dieses Mal nicht zufrieden. Barsch riss er mich an den Haaren zurück um mir seine schmutzigen Worte ins Ohr zu flüstern.

„Lehn dich nicht zu weit aus dem Fenster du verwöhnte Göre! Mein Boss ist äußerst wütend auf dich. Er will dich auf der Stelle sehn. Besser du machst dich sofort auf den Weg!“

Er hatte mich so weit herunter gerissen, dass ich jetzt in seinen Armen lag und seinem Gesicht kaum mehr ausweichen konnte. Sein heißer Atem brannte an meinem Hals und auf eine bizarre Art und Weise fürchtete ich, dass er jeden Moment seine schneeweißen Zähne in meine pulsierende Ader schlagen würde. Es war schwer sich wieder darauf zu besinnen dass das alles nur Märchen waren. Vampire und all die anderen Phantasiegestalten, es gab sie nicht!

„Nimm gefälligst deine Griffel von mir!“

Ohne groß auf eine Reaktion zu warten, donnerte ich ihm mein schönes Eis in die Visage, das einen wahrhaft lächerlichen Ausdruck in sein Gesicht zauberte. Unsanft landete ich auf dem Hintern, als er in einer plumpen Bewegung die Überreste meines Angriffs aus seinem Gesicht strich und genauso plötzlich wie ich auf dem Boden landete, brach ich in herzliches Lachen aus.

„Jetzt sieh dich an, du Trottel“ grinste ich „ wer zuletzt lacht, mein Freund…“

Mit dem immer gleichen spöttischen Grinsen erhob ich mich und warf ihm einen letzten Blick über die Schulter zu, bevor ich mich aufmachte in die Höhle des Löwen zu spazieren.

Kaum war ich hinter dem Tresen verschwunden, sprang die Tür zu von Morringtons Arbeitszimmer auf. Hatte er mich etwa kommen sehen?

„Frau Finkenlied…“ mit Argusaugen musterte er mich und drückte die Tür demonstrativ noch ein Stückchen weiter auf.

„Setzen“ sagte er und deutete auf den Stuhl gegenüber seines bequemen Ohrensessels.

Jetzt nur nicht die Nerven verlieren Alice! Denk an den Plan! Ich musste mich einfach selbst ermuntern, sonst wäre ich unter seinen Blicken schon zusammengebrochen, noch bevor er aus seinem Zimmer heraus trat und mich forschend anblickte. In der bereits gewohnten Pose flegelte er sich in seinen Sessel hinein und starrte mich aus unergründlichen Augen an.

Sieh nur hin! Dachte ich bei mir und zupfte forsch mein Top herunter, um ihm einen verführerischen Anblick in mein Dekollete zu gewähren, ehe ich mich setzte und ihn mit engelsgleicher Zunge ansprach.

„Es tut mir wirklich schrecklich leid, Herr von Morrington. Mein Wecker hat versagt und…“

Er ließ mich kaum aussprechen und schmetterte mir seine Predigt entgegen.

„Gute Frau, ich dulde diese Unzulänglichkeiten nicht! Ich habe ihnen diese Stelle gegeben, damit sie mir vermitteln können das ich mich auf sie verlassen kann. Das sie bereits am zweiten Tag derart zu spät kommen ist absolut inakzeptabel!“

Mit wässrigen Augen sah ich ihn an und schluckte hart. Irgendwie musste ich diesem Klotz doch klar machen dass er mich so nicht zu behandeln hatte, also brach ich in Schluchzen aus und weinte meine schönsten Schauspielertränen.

„Aber… es tut mir doch leid.“ Wimmerte ich „mein Wecker hat den Geist aufgegeben. Ich hätte bestimmt nicht verschlafen, hätten mich meine Probleme die Nacht über nicht wach gehalten.“

Mit herzzerreißender, erstickender Stimme verpasste ich meiner Aussage den letzten Schliff. Sieh hin, liebster Geldbeutel. Sieh mich an. Kannst du diesem Gesicht böse sein?

Mit zitternder Hand strich ich eine Haarsträhne hinter mein Ohr die über meine Schultern gefallen war und nun das wichtigste verdeckte. Ich war eine Frau und meine Brüste würden der Schlüssel zu seinem goldigen Herzen sein.

Geladen atmete von Morrington durch ehe er sich dazu zwang wieder einen normalen, freundlichen Ton anzuschlagen.

„Ich gehe davon aus, dass sich das nicht wiederholen wird, Frau Finkenlied. Jetzt machen sie sich an die Arbeit, aber ziehen sie sich vorher bitte ihr Arbeitsgewand an.“

Stotternd gab ich zu das ich das wichtigste Zuhause vergessen hatte und ich konnte ihm ansehen dass er sich sehr, sehr beherrschen musste nicht augenblicklich in einen neuen, cholerischen Anfall zu verfallen. Letztlich einigten wir uns darauf dass ich heute ausnahmsweise ohne die Arbeitskluft putzen gehen durfte. Allerdings erwähnte er beiläufig dass er mir Lucien vorbeischicken würde um den Arbeitsfortschritt besser einschätzen zu können. Es half kein Jammern und kein Flennen. Gütiger Himmel. Ausgerechnet IHN hetzte er mir auf den Hals. Fantastisch! So hatte ich mir meinen glorreichen Sieg nun nicht vorgestellt. Mein großartiger Plan drohte in der Versenkung zu landen…



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