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Trouble mit den Tribbles

von

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5. Tag

Die Tür flog auf und ein wie immer mies gelaunter Zaubertränkelehrer schritt mit wehendem Umhang und weit ausholenden Bewegungen zielstrebig auf sein Pult zu.

Augenblicklich verstummte die Klasse, in der bis eben noch die Ereignisse des vergangenen Tages diskutiert worden waren.

„Wir brauen heute den Gripsschärfungstrank.“, sprach Snape mit seiner ölig klingenden Stimme, die den Schülern wie Schmirgelpapier über die Haut fuhr, „Dieser Trank wurde erstmals Anfang der fünfziger Jahre entwickelt. Er hat die Wirkung, dem Trinkenden zu höherer Konzentration, Einfallsreichtum und Scharfsinn zu verhelfen.“

Nun ließ er seine tiefschwarzen Augen über die Klasse schweifen und sagte hämisch: „Zweifelsohne haben einige von Ihnen diesen Trank bitter nötig.“, bei Potter und Longbottom blieb sein Blick ein Paar Sekunden länger hängen, woraufhin letzterer auf seinem Sitz leicht zusammensank. Harry blieb gänzlich unbeeindruckt. Im Laufe der Jahre hatte sich seine anfängliche Angst vor dem Tränkemeister, die wohl jeder hatte, wenn er ihn das erste Mal im Unterricht erlebte, durch stetigen Hass ersetzt. So zog er es vor, nur seine rechte Augenbraue zu heben und den brummigen Griesgram unverhohlen anzustarren.

„Nun.“, sprach Snape erneut und vollführte einen Schlenker mit seinem Zauberstab, woraufhin hinter ihm weiße Buchstaben aufleuchteten. „Das Rezept steht an der Tafel. Fangen Sie an!“

Hastig standen die Schüler auf und liefen bis zur hintersten Ecke des Klassenraumes, um sich die Zutaten aus dem Schrank zu nehmen. Dann holten Sie ihre Kessel hervor, um schon mal das Wasser, welches sie benötigten, zum Kochen zu bringen. Und während sie anfingen, die Kräuter zu schnippeln und ein allgemeines Schaben der Messer auf den Schneidebrettern den Raum erfüllte, warf Snape seinen Umhang zurück, um sich auf seinen Stuhl zu setzen. Er wollte, während die Schüler arbeiteten schon mal die Aufsätze korrigieren, die die Drittklässler geschrieben hatten. So ließ er sich langsam nieder, hielt aber abrupt in seiner Bewegung inne, als ein lautes Quieken unter seinem Hintern erklang. Da – abgesehen von dem Schaben und Kratzen – kein weiterer Laut zu hören gewesen war, war die ganze Klasse darauf aufmerksam geworden; einige Schüler wagten sogar vorsichtig einen Blick in Richtung ihres Lehrers.

Dieser erhob sich indes und musterte seinen Sitz. Mit der rechten Hand holte er die Ursache des Geräusches hervor – ein schwarzbraunes pelziges Etwas.

Misstrauisch und mit zusammengekniffenen Augen beäuge er das kleine Ding. Einige Schüler – unter ihnen waren auch Harry, Ron und Hermine – kicherten verhalten, als sie dieses Bild ihres Pädagogen sahen. Selbst Draco konnte nicht ernst bleiben und seine Mundwinkel zuckten gefährlich nach oben.

Doch als Snape seinen Blick wieder der Klasse widmete, verstummte alles wieder.

Wortlos ging er – den Tribble noch immer in der Hand haltend – um sein Pult herum und durch die Reihen der Schüler. Erst jetzt schien er zu bemerken, dass der ganze Klassenraum voll von diesen kleinen Biestern war: Sie lagen auf den Tischen, krochen den Boden oder die Wände entlang und gaben nur gaaanz leise, sanfte Töne von sich, als würden sie ahnen dass der Zaubertränkemeister keine überflüssigen Klänge oder Stimmen in seinem Unterricht duldete.

Snape lief weiter durch den Klassenraum, konfiszierte von mehreren Arbeitsplätzen einige dieser Viecher, um sie dann auf seinen Armen zu stapeln, während ihm die Schüler gespannt mit den Augen folgten.

Vor Neville Longbottom blieb er schließlich stehen.

Dieser zuckte zusammen und erwartete schon eine Standpauke, da die Flüssigkeit, die sachte in seinem Kessel schwamm, schon wieder die falsche Farbe angenommen hatte. Doch die obligatorische Zurechtweisung blieb aus. Stattdessen beugte sich der Zaubertränkelehrer so tief zum Kessel hinunter, dass seine lange Hakennase fast mit der zähen, grünen Masse in Berührung kam. Mit einer Hand fischte er einen rotgelben Tribble aus Longbottoms Zaubertrank und betrachtete ihn argwöhnisch.

Spätestens jetzt kämpften die meisten Schüler gegen einen Lachanfall an. Sie pressten ihre Hände auf die Lippen, um nicht laut loszuprusten. Das Gesicht, welches ihr Lehrer zur Schau stellte, war einfach zu köstlich.

Doch Snape beachtete sie gar nicht weiter. Sein nur allzu blasses Gesicht nahm allmählich ein Scharlachrot an und er begann, leise vor sich hin zu grummeln. Das war’s! Er hatte genug von alledem! Die Nase voll!
 

~~O~~
 

„ALBUS!“

„Severus.“

Snape hatte wie immer krachend den Raum betreten und stand nun grimmig mitten im Büro des Schulleiters. Er hatte gehofft, wenigstens hier von besagten pelzigen Knäuels verschont zu bleiben, doch als er sah, wie eine riesige Pyramide aus Tribbles von Dumbledores Schreibtisch aufragte, erreichte seine Laune den absoluten Nullpunkt und so schaute er – man glaubte es kaum – noch mürrischer und verdrießlicher als jemand, der gerade in einen frischen Hippogreif-Haufen getreten war. Doch schon bald wechselte seine Miene zu einem irritierten Gesichtsausdruck, da er den Schulleiter nicht sah, obwohl er doch eben gesprochen hatte. Nur die winzige Spitze eines purpurnen Zauberhutes lugte hinter der Pyramide hervor und ließ erahnen, dass da hinter jemand saß.

„Severus, kommen Sie doch rein.“, ertönte nun erneut die ruhige Stimme von Dumbledore, „Kommen Sie und setz…“

Doch Snape schnitt ihm das Wort ab, da ihm nun wieder der Grund einfiel, weshalb er soeben mit Krawall die Tür des Schulleiters eingetreten hatte, ehe er von dem seltsamen Bild, das sich ihm bot, abgelenkt worden war.

„Tribbles!“, rief er aufgebracht und gab nun stakkatoartig seiner Wut freien Lauf: „In meinem Unterricht! Zwischen den Phiolen und Kesseln! Auf den Pulten der Schüler! In den Schränken! Auf dem Boden! Im Zaubertrank…“ Doch ehe er noch weitere Ausführungen anbringen konnte, wurde er von einem Kichern unterbrochen, das eindeutig nicht Dumbledore gehörte, sondern von einer dritten Person stammte.

Erst jetzt wurde er sich eines rothaarigen, leicht untersetzten Mannes bewusst, der vor dem Schreibtisch auf einem Stuhl saß, sich den Bauch hielt und leise vor sich hindruckste. Die Tatsache, dass Snape so ungestüm sein in ihm wohnendes Temperament herausließ und dabei so rot wie Dumbledores Erdbeerpudding wurde, der vor diesem in einer kleinen Schüssel auf dem Tisch stand, amüsierte ihn.

Der Tränkemeister öffnete den Mund, um etwas zu sagen, klappte ihn jedoch wieder zu, da im nächsten Augenblick der Kopf des Schulleiters hinter der Pyramide aus Tribbles erschien.

„Severus, nun setzen Sie sich doch erst einmal hin. Arthur Weasley…“, hierbei deutete er mit einer Handbewegung auf den Rothaarigen, „…war gerade dabei, mir etwas wichtiges mitzuteilen, was uns alle, ja den gesamten Orden des Phönix betrifft. Also zügeln Sie sich und ziehen Sie sich einen Stuhl ran!“

Dumbledore war wohl der einzige, dem Snape erlaubte, so mit ihm zu reden. Er hatte Respekt vor diesem alten, weisen Zauberer und würde nie vergessen, was dieser für ihn getan hatte, um ihn ein einigermaßen sorgenfreies Leben zu ermöglichen. Na ja, das war übertrieben: Im Grunde hasste er die Schüler samt Kollegen und wäre am liebsten nach Übersee gefahren, um dort sein restliches, armseliges Dasein zu fristen und die Vergangenheit ein für alle Mal hinter sich zu lassen. Aber nein, er hatte Dumbledore versprochen, ihm bei der Sache gegen den Möchtegern-Weltbeherrscher alias Dunkler Lord zu helfen.

So unterdrückte der Tränkemeister seine Wut, ließ knurrig und brummig wie eh und je mit seinem Zauberstab das hölzerne Möbelstück erscheinen und setzte sich drauf.

Dumbledore indes lehnte sich wieder zurück, was dazu führte, dass sein Kopf erneut hinter den auf dem Schreibtisch aufgestapelten Tribbles verschwand, sodass Snape sich entscheiden musste, links oder rechts an diesen „nervenden Viechern“ vorbeizulinsen, um seinen Mentor in die Augen sehen zu können. Da er aber dazu seinen Körper hätte stark zur Seite lehnen müssen, wozu er nicht die geringste Lust hatte, entschied er sich dazu, seinen Blick den vielen Kuriositäten, die Dumbledores Büro zu bieten hatte, zuzuwenden, und sich nur aufs Zuhören zu beschränken. Er war froh, als ihm auffiel, dass die Tribbles, die sich auf dem Schreibtisch befanden, die einzigen im Raum zu sein schienen.

„So, Arthur.“, ergriff der Schulleiter wieder das Wort, „Erzählen Sie mal, was Sie entdeckt haben.“

Während Snape also sich in aller Ruhe die Schränke mit allerlei Zaubererutensilien (darunter waren Stundengläser, Merlinorden, Berty Botts Bohnen, Phönixfutter, der Sprechende Hut und das Denkarium) betrachtete und Dumbledore sich genüsslich einen Löffel von seinem Erdbeerpudding in den Mund schob (was Snape allerdings nicht sehen konnte), räusperte sich Arthur Weasley und begann: „Seit Voldemort letzten Sommer zurückgekehrt ist, hat die Politik des Zaubereiministeriums einen unerfreulichen Weg eingeschlagen und sich zum Ziel gesetzt, die ohnehin schon vorhandenen Feindseligkeiten zwischen uns Zauberern und unseren nicht-magischen Verwandten noch mehr zu steigern. Überall gibt es Hetzkampagnen und die Angriffe auf Muggel häufen sich. In der letzten Zeit hatte ich es mit Belästigungen und Überfällen auf gesellschaftliche Zusammenkünfte der Muggel zu tun, meistens waren es Parties, Kongresse oder Messen. Und Hierbei zeichnet sich ein beunruhigendes Muster ab: Jedes Mal wurde berichtet, dass Schlangen plötzlich erschienen, die offensichtlich fliegen konnten und die Muggel zu Tode erschreckten.“

„Schlangen, die fliegen?!“, wunderte sich Snape, ließ von seiner Tätigkeit, den Raum zu durchforsten, ab, und blickte Arthur verdutzt an, als hätte sich sein rotes Haar soeben in ein strahlendes Blond verwandelt.

Dumbledore strich sich nur nachdenklich über seinen langen silbernen Bart, was Snape jedoch wieder nicht mitbekam, da ihm besagte Pyramide die Sicht versperrte.

„Ja.“, sagte Arthur und berichtete weiter: „Was mir auffiel war folgendes: Der erste Übergriff ereignete sich am Freitag in Wilmington, einer Kleinstadt in East Melville, das zweite Mal geschah in Pemberley, das dritte Mal in Little Quakmansport, am Montag in Wiltshire, gestern in Lumberton und heute in Islington. Diese sechs genannten Orte liegen alle exakt 20km auseinander und stehen, wenn man eine Karte genauer studiert, in einer geraden Linie, die von Norden nach Süden verläuft und auf direktem Wege Hogwarts kreuzen würde, wenn man sie verlängern würde.“

Es wurde still im Raum. Dumbledore, der beim Zuhören sich den Erdbeerpudding auf der Zunge hatte zergehen lassen, ließ seinen Löffel zurück in die kleine Schüssel fallen. Dies war das einzige Geräusch, was man hörte – abgesehen von dem leisen Schnurren der auf dem Tisch befindlichen Tribbles.

Snape setzte sich auf und durchbrach das Schweigen: „Sie meinen also, es könnte sein, dass besagte Übeltäter auf Hogwarts zusteuern?“

„Nicht bloß zusteuern.“, entgegnete Arthur, „Anscheinend wollen sie in Hogwarts eindringen; womöglich planen sie einen Überfall.“

Dumbledore räkelte sich in seinem Stuhl und nahm erstmal einen weiteren Löffel seines Erdbeerpuddings, schob ihn sich zwischen die Zähne, um dann die zitternde Masse seine Zunge und anschließend seinen Hals hinunter gleiten zu lassen, denn das entspannte und regte gleichzeitig das Denkvermögen, fand er. (Aber wahrscheinlich behauptete er das nur, damit er seinem Hang zu Süßem weiterhin frönen konnte; es ging ihm doch letztlich eh nur um den Geschmack!)

Snape sah schon wieder nicht, was der Schulleiter tat und langsam wurde ihm das zu bunt. Er fing wieder an zu knurren, zückte seinen Zauberstab und fegte mit einem wohl gewählten Zauber die Tribbles kurzerhand vom Tisch.

Das veranlasste Dumbledore dazu, aufzuschauen, die Schüssel, die er bis eben in der Hand gehalten hatte, samt Löffel zurückzustellen, sich wieder über den Bart zu streichen und erstmal laaange nachzudenken.

„Wieso legen Sie uns diese Spur?“, fragte er schließlich nach einer endlosen Weile in die Stille hinein und fixierte dabei irgendeinen imaginären Punkt an der Decke.

„Ich habe keine Ahnung.“, Arthur zuckte mit den Schultern, „Anscheinend wollen sie, dass wir wissen, dass sie kommen – was auch immer sie sich davon versprechen.“

„Wer immer SIE sind.“, setzte Snape hinzu und blickte triumphierend auf den pelzigen, bunten Haufen auf dem Boden und stellte sich innerlich vor, er würde diesen mit dem Incendio-Spruch in Flammen setzen.

Dumbledore grübelte derweil weiter. Schlangen waren bekanntlich die Maskottchen von Voldemorts Todesserbande.

Snape fasste in diesem Augenblick denselben Gedanken wie der Schulleiter, glaubte aber nicht, dass Todesser dahinter steckten.

„Es kann sich doch dabei nur um irgendwelche Möchtegern-Anhänger-des-Dunklen-Lords handeln.“, knurrte er, „Mit derartig banalen Mitteln zu versuchen, in Hogwarts einzudringen! Ich bin bestens informiert, was Voldemort und seine Kumpanen gegenwärtig treiben und Muggel zu erschrecken und einen Plan zu entwerfen, wie man sich Zutritt nach Hogwarts verschaffen kann, gehören nicht dazu. Schlangen! Also wirklich, manchmal denke ich, die Menschen werden von Tag zu Tag dümmer!“

Jeder wusste, dass man in die magische Schule weder hinein- noch hinausapparieren konnte, dass das Internatsgebäude neben Gringotts aufgrund diverser Schutzzauber den nahezu sichersten Ort in ganz England darstellte und das zudem noch einer der herausragendsten – aber auch vollkommen durchgeknalltesten Zauberer (fand Snape) – hier das Amt des Schulleiters bekleidete. Und diese Einfaltspinsel wagten doch tatsächlich einen Einbruch! Eine solche Naivität war ihn in all den Jahren seit er sich damals dazu entschlossen hatte, bei dem zweiten Durchgeknallten, der auf der Erde herumlief und obendrein noch total hässlich war, zu spionieren, nicht untergekommen.

„Sie haben recht, Severus.“, ertönte nun wieder Dumbledores Stimme, „Doch auch wenn ihnen ein Überfall – mit aller Wahrscheinlichkeit nach – nicht gelingen wird, können wir sie doch hier in Hogwarts erwischen – mit heruntergelassenen Roben sozusagen.“

„Dumm genug sind sie ja.“, murmelte Snape.

„Wenn mich nicht alles täuscht,“, sprach Arthur erneut, „ist der nächste Ort auf der Karte Hogsmeade. Wahrscheinlich werden sie von dort aus operieren.“

„Gut!“, Dumbledore klatschte so laut in die Hände, das alle Anwesenden automatisch auf ihren Stühlen zusammenfuhren – ausgenommen der Schulleiter selbst natürlich. „Ich werde den Orden informieren!“, rief er und sprang von seinem Stuhl, wobei er versehentlich auf eines dieser kleinen Fellbündel trat, die langsam über den Teppich krochen. Ein leises ‚Uiieeks’ war zu hören, was von einem konstanten Schnaufen begleitet wurde.

Snapes Zorn, der vorhin noch jede Ecke seiner Seele erfüllt hatte, entfachte von Neuem und er stand kurz davor, alle möglichen Verwünschungen, die ihm gerade einfielen, laut herauszuschreien, während sein Gesicht wieder die Farbe einer frühreifen Tomate angenommen hatte.

Dumbledore schaute indes verdutzt auf, hob die Tribbles vom Boden und begann, sie wieder zu einer Pyramide übereinander zu stapeln.

Arthur Weasley lachte wie er es vorhin schon getan hatte und registrierte gar nicht, dass er damit Snapes Wut nur noch mehr anstachelte.

„ALBUS!“, rief Snape, nachdem er beim Aufspringen seinen Stuhl umgeworfen hatte, „ICH WILL, DASS DIESE PLAGEGEISTER AUS MEINEN RÄUMLICHKEITEN VERSCHWINDEN UND WENN ICH SELBST HAND ANLEGEN UND JEDEN EINZELNEN PERSÖNLICH AUS HOGWARTS ENTFERNEN MUSS!!!“

Dumbledore hielt in seiner Tätigkeit inne und blickte in seiner weisen, ruhigen Art den Zaubertränkelehrer an. Er wollte es sich nicht eingestehen, aber insgeheim wusste er, dass dieser recht hatte. Deshalb nickte er dem rauchenden Tränkemeister, der allmählich anfing, wie ein Pferd die Flügel seines großen Zinkens aufzublähen, nur stumm zu. Ja, sie mussten entfernt werden, ehe niemand mehr in Hogwarts die Möglichkeit hatte, von einem Ort zum anderen zu gelangen, ohne durch ein Meer von Tribbles schwimmen zu müssen. Gleichzeitig aber war Dumbledore bei dieser Vorstellung traurig, denn er fand diese harmlosen pelzigen Geschöpfe irgendwie niedlich.

„Tja“, scherzte Arthur, der das Mienenspiel der beiden Männer beobachtet hatte, „Es scheint so, als hätten Sie eine Menge Trouble mit den Tribbles!“
 

~~O~~
 

Hogsmeade hatte sich seit dem Schülerausflug am vergangenen Samstag stark verändert: Das Städtchen konnte sich zwar immer noch einer regen Besucherzahl erfreuen, doch die Leute, die geschäftig über die Straßen eilten, um ihre Besorgungen zu erledigen, oder die einen langen und stressigen Arbeitstag entspannt mit einem Butterbier in den „Drei Besen“ ausklingen lassen wollten, waren zunehmend missmutiger und grantiger geworden. Schuld waren – wie man sich unschwer denken konnte – kleine pelzige Wesen.

Als Albus Dumbledore gemütlichen Schrittes durch die Straßen spazierte, wurde er auf eine aufgebrachte Madame Rosmerta aufmerksam, die mit einem beleibten Mann mit pausbäckigem Gesicht aus dem Wirtshaus gestürmt kam.

„Ich will keinen von diesen Dingern!“, rief sie und packte den Zauberer an den Schultern, der durch die plötzliche ruppige Berührung zusammenzucken musste. Er murmelte irgendetwas vor sich hin, was Dumbledore jedoch nicht hören konnte, da er zu weit entfernt war und außerdem von einem zwitschernden Vogelpaar, das auf der Lehne einer Bank saß, abgelenkt wurde.

„Mir ist egal, was Sie jetzt machen.“, ertönte nun wieder die zornige Stimme von Rosmerta, „Das alles ist IHR Problem! Ich kümmere mich um meines und das ist momentan die Tatsache, dass das ganze Wirtshaus vom Keller bis zur Decke mit diesen Viechern überfüllt ist, die mir meine schöne Einrichtung ruinieren – ganz zu schweigen von dem Essen, was ich unten gelagert habe!“

Der Mann, der aufgrund der tobenden schwarzhaarigen Hexe vor ihm vollkommen aufgelöst und ängstlich war, setzte erneut zu einer vorsichtigen Erwiderung an, welche Dumbledore allerdings wieder nicht registrierte. Stattdessen beobachtete er interessiert die beiden zwitschernden Vögelchen, die nun die Spitzen ihrer Schnäbel aneinanderführten und vergnügt mit den Flügeln flatterten. Er fühlte sich aus irgendeinem Grund an eine Zeit erinnert, in der er noch jung und knackig war, konnte sich aber nicht genau besinnen, wann dies gewesen war.

Dunkel erinnerte er sich an das letzte Jahrhundert und versuchte, sich sein damaliges Spiegelbild ins Gedächtnis zurückzurufen. War er hässlich oder hübsch gewesen? Ein Draufgänger oder ein Musterknabe? Und hatte er nicht ebenso wie diese beiden Vögelchen früher flirtend mit einem attraktiven Mädchen auf einer Bank gesessen? Vielleicht sollte er mal wieder sein Denkarium benutzen…

Während Dumbledore in Erinnerungen schwelgte und dabei versonnen in die Gegend blickte, stemmte Rosmerta die Hände in die Hüften und schrie: „WENN SIE GLAUBEN, SIE KÖNNTEN MIR VORSCHREIBEN, WAS ICH ZU TUN ODER ZU LASSEN HABE, HABEN SIE SICH GESCHNITTEN! ICH DENKE JA NICHT DARAN, DIESES GETIER IN MEINEN RÄUMLICHKEITEN ZU LASSEN!“

Der bebende Mann wollte weitere Erklärungen anbringen, nahm sich aber, da er viel zu aufgewühlt war, erstmal ein Taschentuch aus seiner Jacke, um sich den Schweiß abzuwischen, der tropfend seine Stirn hinunter rann. Diese paar Sekunden nutzte Rosmerta, der nichts mehr einfiel, was sie dem Typen noch hätte an den Kopf werfen können, um zurück zum Wirtshaus zu stapfen und mit lautem Knall die Tür hinter sich zuzuschlagen.

„Äh…“, war das einzige, was der Mann hervorbringen konnte. Eine Weile stand er noch stumm in der Gegend herum; dann entschied er sich, langsam einen Fuß vor den anderen zusetzen, hatte dabei aber keine bestimmte Richtung im Sinn. Nach ein paar Metern blieb er jedoch stehen, als er den Schulleiter von Hogwarts erkannte, der sich aus irgendeinem Grund vor einer alten Holzbank positioniert hatte und anscheinend mit seinen Gedanken ganz woanders war (Die Vögel waren schon längst weggeflogen). Er ahnte schon, weshalb der Alte nach Hogsmeade gekommen war und bemühte sich deshalb, sich möglichst unauffällig zu bewegen. Die schneidende Novemberkälte allerdings ließ ihn frösteln. Er versuchte, sich seine lange Robe noch enger um seinen dicken Oberkörper zu wickeln, was dazu führte, dass die pelzigen Wesen in seinen Taschen eine Erschütterung erfuhren und laut ihren Protest durch ein Glucksen zum Ausdruck brachten. Dies geschah genau in dem Augenblick, in dem er vorhatte, an Dumbledore unbemerkt vorbei zu schleichen.

Der Schulleiter, dem bewusst wurde, was eben an seine Ohren gedrungen war und schlagartig wieder in die Realität zurückfand, drehte sich um.

„Sie!“, rief er mit einem schelmischen Grinsen und deutete mit dem Zeigefinger seiner gnubbeligen Hand auf den Mann, der derweil in sich zusammenzuschrumpfen schien, „Sie sind doch der mit den Tribbles, habe ich recht?“

„Ich bin doch nur ein ahnungsloser, einsamer, unschuldiger Händler. Ich habe das doch alles nicht gewusst!“, flötete dieser und erneute Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Da er Dumbledores freundliches Grinsen partout nicht einordnen konnte, zog er es vor, nur unverhohlen seine Füße zu begutachten und nebenbei die schnurrenden Fellbündel, die er in seinen weiten Taschen deponiert hatte, zum Schweigen zu bringen, indem er ihnen sanft über den Pelz fuhr.

„Wie heißen Sie?“, fragte Dumbledore höflich und schritt ein paar Schritte auf ihn zu.

„Jones…“, stotterte der Mann, „Cyrano…Jones…und…ich weiß, weshalb Sie hier sind.“

„Ah.“, sagte der Schulleiter, „Und weshalb?“

Da Dumbledore noch immer lächelte und anscheinend nicht vorhatte, wütend zu sein und dem Händler gründlich den Kopf zu waschen, fasste dieser neuen Mut und sprach: „Ich nehme an…Nun, Sie sind gekommen, um…die gekaufte Ware umzutauschen, die eine Ihrer Schülerinnen letzte Woche bei mir erstanden hat.“

Dumbledore lachte: „Ja, im Grunde würde ich das gern, aber mittlerweile ist die ganze Schule voll von diesen niedlichen Geschöpfen, dass dies, denke ich, unmöglich erscheint.“

„Naja…ein bisschen Platz in meinem Laden habe ich schon noch!“, scherzte Jones, der zunehmend überzeugt davon war, dass Dumbledore mit seiner verständlichen Art der Typ Zauberer war, mit dem man reden konnte, und der einen nicht gleich alle Arme und Beine ausriss, nur weil man mal eben mit einem unüberlegten Handel eine ganze Gemeinde mit kugeligen Haustieren überschwemmt hatte. Folglich, da er eben sicher war, dass ihm nichts geschah, bat er den Schulleiter mitzukommen und führte ihn die Straße hinunter zu seinem Geschäft.

Jones öffnete die Ladentür, woraufhin eine winzige Glocke, die im Inneren an der Decke angebracht war, wild zu bimmeln begann.

Als Dumbledore den Fuß über die Schwelle setzen wollte, wurde er gewahr, das dies eigentlich gar nicht möglich war, denn der ganze Boden war übersät mit Tribbles, sodass man schon gar nicht mehr die Farbe des Parketts erkennen konnte. Die kleinen Tierchen waren praktisch überall. Der Raum sah aus, als würden Boden, Decke, und Wände von einem bunten, flauschigen Teppich überzogen worden sein. Auf den Regalen, der Theke und der Lampe türmten sich bergeweise Tribbles, die sanfte, melodiöse Klänge von sich gaben.

Cyrano Jones war froh wieder im warmen zu sein und nicht mehr draußen in der Kälte stehen zu müssen. Mit einem Schlenker seines Zauberstabes teilte er – wie Moses – das Meer (das hierbei allerdings von Tribbles gebildet wurde) und bahnte sich einen Weg durch den Laden.

„Kommen Sie rein und machen Sie bitte die Tür zu.“, forderte er den Schulleiter auf, „Ich habe sonst Angst, dass versehentlich einige Tribbles nach draußen kommen und dann hätten wir ein wirklich ernstes Problem. Dann könnten wir ihre Vermehrungsrate nicht mehr kontrollieren und ganz England würde mit diesen Wesen überflutet. Ich habe schon versucht, das dieser…Frau von den ‚Drei Besen’ zu erklären, aber sie verstand einfach nicht!“

Dumbledore nickte, trat ein und schloss leise die Tür hinter sich. Er hatte ein wenig Mitleid mit dem Händler, der ein bekümmertes und unglückliches Gesicht aufgesetzt hatte. Innerlich musste er daran denken, was wohl geschehen wäre, wenn Snape hier gewesen wäre. Dieser hätte bestimmten kein gutes Haar an Jones gelassen.

„Nun.“, sprach Dumbledore, „Ich wollte eigentlich nur wissen, woher Sie diese Tierchen haben und was Sie über sie wissen, aber wie ich sehe, sind auch Sie noch zu keiner Lösung gekommen.“

„Ach.“, seufzte Jones, „Ich habe sie von einem Händler in der Winkelgasse erstanden. Ich dachte, ein Tribble mit so lieblicher Musik kann doch nichts Böses und es würde sich gut in meinem Laden machen. Ich hatte ja keine Ahnung, was sie anrichten würden. Ich hoffe nur, ich verliere nicht nach dieser Pleite meinen Job. Ich möchte nur ungern dieses schöne Fleckchen Erde hier in Hogsmeade verlassen.“

„Wissen Sie noch, wie dieser Händler hieß und wie er aussah?“

„Nun, es war ein Wanderer. Ich traf ihn im ‚Tropfenden Kessel’. Ein Chinese. Den Namen hat er nicht genannt.“

Dumbledore nickte und strich sich über den Bart. In seinem Kopf überschlug er die Konsequenzen, die sich aus der gegenwärtigen Situation ergeben würden, wie lange es wohl brauchen würde, bis die Tribbles jeden freien Raum ausgefüllt hatten, sodass es nicht mehr möglich war, überhaupt weiterhin Schloss Hogwarts und die Gebäude in Hogsmeade zu betreten. Ihnen blieb nicht mehr viel Zeit. Doch ein Kontakt zum Verkäufer der Tribbles herzustellen, erwies sich ebenfalls als schwierig, wenn dieser keinen Namen hinterlassen hatte und außerdem würde dies viel zu lange dauern. Es musste eine schnelle und effektive Lösung geben!

Nach einer Weile sah er auf und sagte: „Nun, ich denke irgendetwas wird uns schon einfallen.“
 

~~O~~
 

Nach einem langen und anstrengenden Schultag, der zunächst aus Unterrichtsstunden und anschließend aus Hausaufgaben in der Bibliothek bestanden hatte, weil Hermine darauf gepocht hatte, dass Harry und Ron sich mal auf ihren Hosenboden setzen und auch mal ein bisschen Lernen könnten, hatte sich das Trio wahrlich einen entspannten Abend verdient. Nun waren sie auf dem Weg zurück zum Gryffindor-Turm, nannten der Fetten Dame das Passwort, woraufhin die Tür zur Seite schwang, und betraten den Gemeinschaftsraum.

Hätten sie in diesem Augenblick ihre Zauberhüte auf ihren Köpfen getragen, so wären diese bestimmt schnurstracks Richtung Decke geschossen, wie es so oft in den netten Zeichentrickfilmen zu sehen war, die Harry und Hermine als Kind immer geschaut hatten. Sie waren baff, na ja, eigentlich waren sie absolut, total, richtiggehend geschockt.

Die Tribbles, die an diesem Morgen noch den ganzen Raum bevölkert und jede kleinste Ecke mit ihren pelzigen, kugeligen Leibern belagert hatten, waren verschwunden. Stattdessen bot sich ihnen ein sauberes, aufgeräumtes Zimmer wie sie es kannten und in dem keine gurrenden, summenden oder quiekenden Geräusche zu hören waren.

„Wie…wie ist das möglich?“, stotterte Hermine, ohne den Blick von dem sie gänzlich zu überwältigen drohenden Bild abzuwenden.

„Tja.“, meldete sich George aus der hintersten Ecke des Raumes, der mit seinem Bruder an einem Tisch saß und Karten spielte, „Fred und ich haben ganze Arbeit geleistet, was? Nun gibt es in keinem der vier Häuser noch irgendwelche Tribbles, ja nicht mal ein Haar dieser Viecher.“

Hermine konnte sich noch so oft einbilden, dass diese Tatsache nur positiv für sie, ihre Freunde, ja die ganze Schule war, aber aus irgendeinem Grund fühlte sie sich traurig. Ihr eigener Tribble, den sie sich in Hogsmeade zugelegt hatte, hatte sich, da er in seinem kurzen Leben viel zu viel Leid ertragen musste, dazu entschlossen, sich von seiner Besitzerin zu trennen und war seit gestern auf Nimmerwiedersehen spurlos irgendwo in den labyrinthischen Gängen von Hogwarts verloren gegangen. Ihn selbst freute das natürlich, da er nun endlich tun und lassen konnte, was er wollte und nicht mehr gegen seinen Willen zu Tode gestreichelt wurde. Hermine aber hätte ihren wonnigen Gefährten liebend gern wieder zurück gehabt.

„Was habt ihr gemacht?“, erkundigte sie sich deshalb hoffnungsvoll, während sich Ron und Harry noch immer nicht aus ihrer Lethargie befreien konnten; sie schienen in ihrer Position, die sie eingenommen hatten, als sie den Raum betreten hatten, versteinert zu sein.

„Wo habt ihr sie hingebracht?“, fragte Hermine weiter und beachtete ihre beiden Freunde gar nicht, sondern blickte gespannt die Zwillinge an.

„Das…“, antwortete Fred und zwinkerte der Gryffindor verschmitzt zu, „…ist unser Geheimnis!“



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