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Heartless Hearts

von

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Kapitel: 5/7
 

Disclaimer: Alle handelnden Personen gehören nur sich selbst – ich habe sie mir nur für die Geschichte ausgeborgt x)
 


 

H e a r t l e s s H e a r t s
 


 


 


 

Kapitel 5
 

Ryu hatte genau genommen keine Ahnung, wie er wieder zu seiner Wohnung gekommen war. Seine Beine hatten sich schon bleischwer angefühlt, als er nur von dem Stuhl aufgestanden war um seinen Blondschopf allein zu lassen - wortlos und leichenblass. Alles verschwamm in einem düsteren, hässlichen Farbenmischmasch aus Gedanken und Eindrücken des Erlebten, seine Emotionen wirbelten aufgescheucht in seinem Kopf herum und wollten sich nicht wieder einfangen und ordnen lassen. Dies war der endgültige Beweis: egal wie schrecklich sein Leben sich ihm zeigte - es ging immer noch einen Tick schlimmer.
 

Es war vorbei. Herzloser hätte Keita wohl nicht sein können, als er ihm deutlich klar gemacht hatte, dass ausgerechnet er ihm unangenehm war. Es war eher so, als würde in seiner Brust ein Loch klaffen - alles, was ihn einmal liebenswert gemacht hatte, war entfernt worden. Ryu musste es einsehen, egal wie bitter es war. Sie waren kein Paar mehr. Da war nichts vertrautes mehr - gar nichts. Zu verleugnen war es einfach nicht mehr, wie die Kälte in ihm hinauf kroch und ihn zu erquetschen drohte. Er hatte schon das ein oder andere Mal Bekanntschaft mit Herzschmerz gemacht, als er noch jünger und vor allem unschuldiger in diesen Dingen war und auf andere Männer hereingefallen war. Schnell hatte er gelernt, dass es besser war derjenige zu sein, der verletzte - und nicht anders herum. Aber das alles war nichts gegen die schweren Tritte, die Keita ihm beigebracht hatte.
 

Egal wie lange Ryu darüber nachdachte und sich eigentlich sträubte zu glauben, dass er seinen Liebsten nicht zurück bekommen würde, sah er ein, dass es keinen Sinn machte ihm weiter nachzulaufen. Er musste ihn ziehen lassen, den Wunsch akzeptieren und seinen Kummer schlucken - selbst wenn er fast daran erstickte. Trotzdem ging er ihre gemeinsame Zeit noch mal in allen Einzelheiten durch, erinnerte sich an die Schusseligkeit, mit der Keita sich und vor allem auch Ryu oft versehentlich schon vor dem Aufstehen schon fünf Mal verletzt hatten. Genau das hatte ihn aber noch liebenswerter gemacht, wenn er sich mit großen runden Augen an ihm versteckt und sich entschuldigt hatte. Wer konnte da schon böse sein? Und das war nur eine von ungefähr tausend Erinnerungen, die ihn immer wieder heimsuchten.
 


 

~*~
 

Ryu kleidete sich in seinen dicken Wintermantel und wickelte sich einen warmen Schal um den Hals. Seinen Kopf zierte eine hübsche schwarze Mütze mit einer Fellbommel daran. Wenn er sich so im Spiegel ansah, erkannte er eher einen fetten Yeti als sich selbst. Gerade mal sein mürrisches Gesicht konnte man noch sehen.
 

Er musste zurück ins Leben und raus aus seinem Alltagstrott, der nur noch aus arbeiten und vor sich hinvegetieren bestand. Selbst hätte er sich wahrscheinlich noch eine ganze Weile selbstbemitleidet. Pünktlich nachdem das Todesurteil eingetroffen war, hatte auch der Schneefall ohne Erbarmen eingesetzt und die Stadt in Weiß gehüllt. Eigentlich empfand Ryu es gar nicht als angemessen, seine Wohnung zu verlassen.
 

Nur ließ eine ganz bestimmte Person das nicht zu: Takafumi. Er hatte die Initiative ergriffen und die Vorweihnachtszeit schrie ja förmlich nach einem Treffen - und er brauchte schließlich Beratung in Sachen Geschenke für seinen Liebsten. Aus der Sache würde er wohl nicht wieder herauskommen, auch wenn er bei der Kälte lieber seinen Platz auf der Couch suchen und sich an der Wärme erfreuen. Nun ging es geradewegs hinaus zu den Minustemperaturen. Schon als er die Tür aufmachte, schlugen ihm die eisigen Temperaturen entgegen und der Schnee knarrte leise, als er darauf trat.
 

Vor seinem Haus wartete Takafumi schon gewohnt gut gelaunt. Er war gerade intensiv damit beschäftigt Schneebälle zu formen und warf gleich einen auf seinen Freund, der der weißen Kugel nicht mehr ausweichen konnte und am Arm getroffen wurde. Sofort lachte der andere.
 

»Na endlich - ich dachte schon, dass ich alleine gehen muss«, meinte er und wischte die Hände an seinem Mantel ab und klopfte den Schnee davon ab, der sich schon darauf gesammelt hatte, denn es schneite die ganze Zeit kleine Flöckchen.
 

»Ach ja? Und du siehst aus wie ein Schneemann in Ausbildung«, brummte Ryu schlecht gelaunt und ging zu ihm. »Lass uns gehen bevor ich mir den Hintern abfriere.« Seine schlechte Stimmung war nicht zu übersehen, aber damit hatte Takafumi schon gerechnet und übersah es gekonnt. Er redete sich auch tapfer ein, dass es an der frostigen Jahreszeit lag, und nicht an seinem seelischen Konflikt. Natürlich hatte er erfahren, was geschehen war und ließ es zu, dass Ryu Trost bei seinen Freunden suchte. So gut es ging versuchte das Paar ihn abzulenken und besonders Takafumi schaffte das auch immer wieder.
 

»Was willst du Hayato eigentlich schenken?«, fragte Ryu, nachdem sie eine Weile stumm nebeneinander hergegangen waren. Von seiner Wohnung waren es zu Fuß nur ein paar Minuten bis zu der belebten und jetzt so bunt geschmückten Innenstadt und sie hatten den großen Trubel schon erreicht. Es tummelten sich einfach zu viele Menschen in den eigentlich breiten Passagen und suchten aufgeregt nach den letzten Geschenken für ihre Liebsten. Es war der gleiche Rummel, der jedes Jahr herrschte und eigentlich mochte Ryu es seiner Umwelt zuzusehen und das alles auf sich wirken lassen. Schon oft hatte er sich in ein gemütliches Cafe zurückgezogen, einen heißen Tee und etwas Gebäck zu sich genommen und die Menschen beobachtet, wie sie teils hektisch, teils erfreut durch die Straßen wuselten. Es war interessant zu sehen, wie sie sich aneinander vorbei schoben und von allen Seiten mit Sonderangeboten bombardiert wurden - stetig begleitet von den hübschen bunten Lichterketten und geschmückten Weihnachtsbäumen. Ihm persönlich bedeutete das Fest nicht viel - er wollte nichts verschenken und würde wahrscheinlich auch nichts als eine kleine Aufmerksamkeit von Hayato und Takafumi bekommen, aber das war schon okay so.
 

Die beiden hingegen machten einen riesigen Wirbel darum. Zumindest tat Takafumi das und scheinbar überzeugten Hayato diese funkelnden Augen immer wieder und er ließ ihn einfach machen. Wenn der Dunkelhaarige sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, war er nur schwer wieder davon abzubringen. Und so tischte er zum großen Fest immer viel zu viel Essen auf und beschenkte seinen Freund reichlich. Eigentlich war das wirklich süß mit anzusehen.
 

»Ich weiß auch nicht so richtig«, antwortete er schließlich und verschränkte seine Finger ineinander und platzierte sie an seinem Hinterkopf. Auf seiner Stirn bildete sich eine nachdenkliche Falte.
 

»Er wünscht sich nichts - das macht es nicht gerade einfacher.« ein Seufzer entkam seinen vollen Lippen, dann ließ er seine Arme wieder sinken und zuckte mit den Schultern. Er lächelte. »Irgendwas wird mir schon einfallen. Ich lasse mich einfach vom Angebot inspirieren.« Das konnte ja heiter werden, denn es bedeutete eine stundenlange Shoppingtour durch unzählige Geschäfte, bis er endlich gefunden hatte, was er suchte. Und er kannte absolut kein Erbarmen.
 

»Ich dachte an ein süßes Kostüm für mich, mit dem ich ihn überraschen könnte. Vielleicht eines mit Katzenöhrchen und Pfoten und einem Schwanz.« Sogleich imitierte er ein Schnurren und versuchte mit seinen Händen die besagten Pfoten zu bilden. Ryu musste lachen.
 

»Darauf steht er?«
 

»Ich weiß es nicht - er mag eigentlich alles was ich für ihn tue. Und ich will nicht, dass unsere Beziehung irgendwann einschläft und langweilig wird.« Ryu konnte sich nicht helfen, aber er fühlte sich bei diesen Worten merkwürdig angesprochen und sah Takafumi einen Moment lang nur an. Dann schnaubte er etwas verächtlich und schob die Hände in die Manteltaschen und ging einfach weiter. Er hatte sicher nicht versagt, wenn es um Keita ging!
 

»Entschuldige. Ich wollte dich nicht daran erinnern.« Sogleich eilte Takafumi ihm nach und hakte sich bei ihm unter. »Denk nicht daran. Du wirst auch wieder jemanden finden, der dich wirklich glücklich macht.« Das war zu viel. Schlagartig riss Ryu sich los und sah seinen Freund entsetzt an.
 

»Was soll das heißen?« Es war eigentlich keine Frage, sondern ein Angriff. »Keita hat mich glücklich gemacht und daran kommt kein anderer ran, kapiert? Ich will nicht darüber reden also lass mich in Ruhe mit dem Thema.« Takafumis Augen wurden groß. Ryu wusste, dass er unfair war, aber bremsen konnte er sich gerade auch nicht mehr.
 

Entkräftet ließ er die Schultern und dann auch den Kopf hängen. »Es tut mir leid, Taka. Ich… ich bin einfach noch nicht darüber hinweg.« Und sein Freund verstand ihn und legte die Arme um den sonst so stolzen jungen Mann, den er so noch nicht gesehen hatte. Auch ihm fiel es schwer mit der Situation umzugehen. Allein seine Frohnatur sorgte dafür, dass aus so etwas kein Streit wurde.
 

Trotzdem küsste Takafumi jetzt auf seinen Kopf und drückte ihn herzlich an sich. »Ist schon okay«, sagte er freundlich und Ryu konnte sein Lächeln regelrecht spüren. »Ich kann dich verstehen. Schrei mich ruhig an, wenn es dir dann besser geht. Dafür sind Freunde doch da.« Zur Antwort kam nur ein kleines Grummeln, dann wurde ihm in die Seite gepiekt und Takafumi fuhr zusammen. Dann lachte er und zog Ryu einfach die Mütze ins Gesicht.
 

Sie hatten sich schnell wieder gefangen und gingen schließlich wieder nebeneinander her und durch die Passage. Takafumi fand wirklich ein hübsches Kostüm, bestehend aus Katzenöhrchen, einem Höschen mit Schwanz daran und kleinen Pfötchen für die Hände. Auch ein ganz reizendes Halsband mit einem Glöckchen daran nahm er mit und errötete bei Ryus amüsiertem Blick.
 

»Glaub mir - so was hält die Beziehung frisch«, erklärte er sich mit glühenden Wangen. »Nach ein paar Jahren geht einfach die Luft raus - dann muss man sich was einfallen lassen.«
 

»Schon okay - wenn es euch beide glücklich macht.« Ryu winkte nur ab, aber die Vorstellung seines Freundes in dem Outfit schmückte sein Gesicht immer wieder mit einem Lächeln. Er hatte es wirklich geschafft den Blonden abzulenken. Bestimmt würde er sich nach Herzenslust vor seinem Partner auf dem Bett räkeln und ihn zu einer heißen Nacht verführen können.
 

Gemeinsam klapperten sie noch eine Vielzahl an Geschäften ab und Takafumi kaufte überall ein paar Kleinigkeiten, die am Ende sicher ein Kunstwerk ergeben würden. Ryu zeigte sich sogar als Gentleman und nahm ihm ein paar Tüten ab. Irgendwann wurde es aber sogar dem Dunkelhaarigen zu viel und sie beschlossen sich in einem Café eine kleine Pause zu gönnen. Schon jetzt freute er sich auf ein warmes Getränk, welches ihn aufwärmen konnte. Erst jetzt merkte Ryu, wie durchgefroren er eigentlich war. Seine Finger fühlten sich an wie Eiszapfen.
 

Und dann geschah es und kam so unvorbereitet, wie es überhaupt nur möglich war. Gerade, als die beiden eintreten wollten, entdeckte Ryu ein bekanntes Gesicht. Einfach so saß er da an einem der runden Tische. Sein Haar hatte er mittlerweile braun gefärbt, aber sonst hatte er sich nicht im geringsten verändert. Er sah unwiderstehlich gut aus.
 

Ryu blieb das Herz förmlich stehen. Bildete er sich das nur ein und dieser Mann sah seinem ehemaligen Partner einfach nur verblüffend ähnlich? Eine Hand packte sein Herz und quetschte es schmerzlich zusammen, als würde man ihm den finalen Stoß geben wollen. Nein, es gab keinen Zweifel. In diesem Café saß Keita. Und er war nicht allein. Ihm gegenüber saß ein anderer junger Mann, der seine Hand auffällig auf die von Keita gelegt hatte. Sie unterhielten sich angeregt und hielten die ganze Zeit über Blickkontakt - fast so, als wären sie ganz allein. Dabei herrschte auch um sie herum reges Treiben.
 

Ryu konnte nicht beschreiben, was sich gerade in ihm tat, aber er spürte seinen letzten Funken Hoffnung, den er heimlich noch gehabt hatte, einfach so erlöschen. Keita lebte weiter und offensichtlich gut - ohne ihn. Er traf andere Männer und so wie es aussah, hatte er schon einen neuen Partner.
 

Scheinbar fühlte er aber den gespannten Blick, der auf ihm lag und blickte einen Moment in Ryus Richtung. Der Blonde griff sich an die Brust und versuchte verzweifelt zu atmen, aber er fühlte sich blockiert. Dieses Bild bohrte sich wie eine große Glasscherbe in seine Brust und wollte ihn gnadenlos niederstrecken.
 

Er wurde wieder nach draußen geschoben und von langen Armen umfangen. Einfach so brach er in Takafumis Armen zusammen, brach wie ein kleines Kind in Tränen aus und konnte sich gar nicht mehr auf den Beinen halten. Wäre sein Freund nicht gewesen, hätte er diesen Zusammenbruch vor all diesen Menschen erlebt und sich selbst noch mehr erniedrigt. War das überhaupt möglich? Konnte er noch tiefer sinken?
 

»Ganz ruhig«, versuchte Takafumi sanft auf ihn einzureden, aber die nächsten Worte drangen schon gar nicht mehr zu ihm durch. Es half gerade nichts und schien es nur noch schlimmer zu machen.
 

Ryu stieß ihn gewaltsam von sich und wischte sich mit dem Ärmel seiner Jacke über das Gesicht. Es war zu viel. Dieses Bild von seiner Liebe mit einem anderen Mann wollte ihm das Herz aus der Brust reißen. Und sie hatten so vertraut gewirkt - so wie sie es einmal gewesen waren. Ryu wollte sich einreden, dass es nicht Keita gewesen war, auch wenn er es tief im Inneren doch wusste. Selbst auf die Entfernung hin hatte er den kleinen Leberfleck an seiner Unterlippe erkennen können, der ihn einfach unverwechselbar machte. Doch auch ohne diesen Hinweis war er sich sicher - diese warme Aura, die ihn umgab, war einfach nicht zu verkennen. Nicht für ihn. Hatte Keita ihn überhaupt erkannt?
 

Es war nicht vorbei. Ryu hatte es noch lange nicht überwunden und spürte den Schmerz intensiver denn je. Ehe er weiter darüber nachdenken konnte, nahm er die Beine in die Hand und rannte davon. So schnell wie er davon stürmte konnte nicht einmal Takafumi reagieren und sah ihm nur schockiert nach.
 

Wo rannte er eigentlich hin? Er wusste es selbst nicht und rempelte immer mal wieder herumstehende Passanten an, aber er merkte es kaum. Im Moment spürte er nichts, wenn man von dieser Zerrissenheit einmal absah. Er wollte davon laufen und rannte, solange seine Beine ihn tragen konnten. Seine Lungen wurden immer schwerer und das Atmen wurde auch aufgrund der eisigen Temperaturen immer anstrengender. Schwer keuchend blieb er schließlich stehen und kippte nach vorn. Bevor er hart auf dem Gehweg aufschlagen konnte, fing er sich mit den Händen ab. Der Boden war eiskalt und durchnässte schnell den Stoff an seinen Knien. Dahin hatten seine Gefühle ihn also getrieben, auch wenn er über sich selbst erschrak, wie sehr dieser Anblick ihn kränkte. Er fühlte sich erniedrigt und geschlagen, aber was hatte er auch erwartet? Dass Keita sich plötzlich an alles erinnerte und ihm freudig strahlend wieder in die Arme sprang? Das würde nicht passieren. Niemals.
 

Erneut wischte Ryu sich über sein Gesicht, dann wurde er wieder auf die Beine gezogen. Er hatte gar keine Kontrolle über diese Tat, aber er spürte, dass es Takafumi war, der ihm nachgelaufen war und ihn jetzt vor dem totalen Zusammenbruch bewahrte. Wirklich weit entfernt war er davon ja nicht mehr gewesen.
 

»Es wird alles wieder gut«, redete die sanfte Stimme auf ihn ein und umgab ihn wie ein wärmendes Feuer. Seine Arme hatten sich schützend um ihn gelegt und er fühlte sich wie ein kleines Kind, welches von den umsorgenden Armen seiner Eltern umfangen war. Sein Kopf kippte einfach gegen Takafumis Schulter, der vorsichtig über seinen Kopf strich. Ihre Gesichter waren einander ganz nah und Ryu konnte den leichten, süßlichen Parfümgeruch riechen, der so typisch für den Dunkelhaarigen war. In genau solchen Momenten begriff Ryu, dass er auf ihn als Freund nicht verzichten konnte.
 

»Du bist nicht allein, keine Panik.« Eigentlich wollte Ryu so etwas gar nicht hören, weil es seiner Meinung nach einfach nicht stimmte, aber im Moment tat es gut und er ließ es zu. Sonst wäre er wohl zu stolz gewesen, den Verletzten heraushängen zu lassen und wäre hoch erhobenen Hauptes davon geschritten. So konnten sich die Zeiten also ändern.
 

Takafumi brachte ihn nach Hause. Glücklicherweise kannte er sich in der Wohnung gut aus, auch wenn er lange nicht mehr dort gewesen war. Wenn er Ryu in der letzten Zeit getroffen hatte, waren sie meistens in die Stadt gegangen. Nun verstand er das auch, denn diese Räume würden es nie zulassen, dass er von seinem Verflossenen loskam. Überall tummelten sich Erinnerungsstücke und Fotos, die ihn regelrecht an die gemeinsame Zeit banden.
 

Er stemmte die Hände in die Seite. »So schlimm hatte ich es mir gar nicht vorgestellt«, sagte er sich selbst und war fest entschlossen, den Befreiungsschlag einzuleiten. Das konnte doch niemand mehr mit ansehen! Zwar war er überaus romantisch eingestellt und konnte Ryus Kummer bestens verstehen, aber sich hängen lassen kam einfach nicht in Frage. Wie es ihm nach einer Trennung von Hayato gehen würde, stellte er sich besser nicht vor.
 

Er brachte Ryu eine große Tasse Tee und setzte sich kurz zu ihm. »Hier muss sich was ändern. Das weißt du, nicht wahr?«, fragte er sanft und betrachtete seinen Freund, der immer noch ein wenig apathisch wirkte und mit gesenktem Haupt auf der Couch hockte. Die Finger waren ineinander verschränkt und er presste sie richtig zusammen, sodass das Blut weichen wollte und die feinen Gelenke ganz weiß wurden. Sein Blick verfing sich im Nirgendwo, aber er nickte zustimmend.
 

»Wie soll ich da nur wieder heraus kommen?«, seufzte er mit schwerem Herzen. Takafumi wusste es nicht. »Warum passiert mir das? Warum konnte ich nicht das gleiche Glück haben wie du und Hayato?« Noch eine Frage, auf die es keine Antwort gab, aber der Dunkelhaarige versuchte einen kühlen Kopf zu behalten. Wenigstens einer von ihnen durfte jetzt nicht durchdrehen, auch wenn es nicht leicht war, Ryu so zu sehen und er sich am liebsten um ihn geschlungen hätte, um das alles von ihm abzuwenden. Aber es würde ja doch nichts bringen. Ryu musste sich selbst helfen.
 

»Das wird jetzt echt hart klingen«, begann Takafumi und atmete tief ein und aus und machte sich darauf gefasst, dass der Blonde ihm gleich ins Wort fallen würde. »aber das ganze Zeug, was mit ihm zutun hat, muss aus deinem Blickfeld.« Sofort sah Ryu ihn wie erwartet an, seine Augen weiteten sich vor Schreck über die Anweisung und Takafumi musste sofort zurückrudern, wenn er nicht eine endlose Diskussion riskieren wollte. »Du sollst sie ja nicht wegwerfen, aber wegräumen. So wird es nicht besser, wenn dich jeder Winkel deiner Wohnung an ihn erinnert.« Er hatte Recht, dass wusste Ryu, aber die Worte wollten nicht über seine Lippen schwappen. Stattdessen schob er sie nur etwas vor und sah verbittert drein. Er wollt dazu nichts sagen und schwieg lange vor sich hin. Es kam ihm vor, als könnte Takafumi seine Gedanken lesen, denn er sah ihn derart gespannt an, als würde er gleich platzen. Seine dunklen Augen waren wie immer weit geöffnet und wenn er ihn so ansah, hatte Ryu immer das Gefühl, dass er vollkommen bei der Sache war.
 

»Hilfst du mir?«
 

Und natürlich half er ihm und bewies einmal mehr, dass sie wirklich die besten Freunde waren. Es bedurfte viel Zeit und Mühe und vor allem auch Nerven seitens Takafumi, bis die beiden jungen Männer sämtliche Erinnerungsstücke, angefangen von Fotos bis hin zu Kleidung und sogar Keitas Lieblingstee, in einer Kiste verstaut hatten. Hin und wieder weigerte Ryu sich und der Dunkelhaarige musste ihm die Dinge regelrecht aus den Händen reißen. Besonders bei dem Bild, welches er aus dem Blog getrennt und ordentlich eingerahmt hatte. An jedem noch so kleinen Ding hingen einfach so viele Emotionen und Ryu tat sich sichtlich schwer, diese der Vergangenheit zuzuschreiben - obwohl der Vorfall nun schon einige Monate zurück lag. Aber langsam begriff auch er, dass er sich albern benahm und endlich darüber hinweg kommen musste, wenn er nicht ein Leben lang einsam sein wollte.
 

Takafumi riet ihm sogar umzuziehen, als er das Schlafzimmer betrat und feststellen musste, dass Ryu nur auf einer Seite des Bettes schlief. Die andere war ordentlich gemacht worden - fast so wie in einem Hotel. Vielleicht war das auch gar keine so schlechte Idee - zumindest ein neues Bett sollte er sich zulegen.
 

Schließlich ließ Takafumi ihn am Abend allein. Eigentlich hatten sie nicht vorgehabt den gesamten Tag so zu verbringen, aber sie wussten beide, dass das zwingend notwenig gewesen war und so fand die fein säuberlich zugeklebte Kiste ihren Platz im Flurschrank. Und wenn Ryu jetzt durch seine Wohnung ging, ließ nichts mehr darauf schließen, dass dort einmal noch ein Mensch gewohnt hatte. Es war fast so, als wäre das alles niemals geschehen…
 

Fortsetzung folgt



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Toffelchan
2011-10-02T21:55:32+00:00 02.10.2011 23:55
hätte ich das lesen nicht auf Grund von einer Person, die mit mir kommuniziert hatte *dich anglotz* unterbrechen müssen, so würde ich jetzt sicherlich auch weinen.
Ist ganz schön Herz zerreißend ;___________________________________________;!!!

DER ARME RYU MAN ;__; womit hat er das verdient? ;^;~ gar nicht. genau.
du hast noch 2 Kapitel um alles gut werden zu lassen - sonst nimm lieber die Beine in die Hand Mausezähnchen :)
Von:  Ryouga
2011-05-10T22:55:06+00:00 11.05.2011 00:55
Ich heul grad ;________;
Das nimmt einen alles so mit und ist so traurig ._____.
Aber mann kann Keita ja keinen Vorwurf machen, wenn er sich an nichts erinner .____.
Trotzdem sehr schön geschrieben!
:3


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