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Ein Schreibtisch voller Vergangenheit

von

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Jemand hatte einmal gesagt, dass Neugier ein unter Strafverteidigern weit verbreitetes Leiden ist. Ein Leiden, an dem Apollo zweifelsohne litt. Neugier brachte ihm dazu, bis auf den Grund der Dinge zu gehen, die ganze Wahrheit herausfinden zu wollen...
 

Und Neugier war es auch, dass es ihm zustimmen ließ, mit Trucy zusammen das Büro aufzuräumen, während Mister Wright einen „alten Freund“ abholen gehen wollte. Abgesehen davon, dass Apollo schon gerne wissen würde, wer dieser „alte Freund“ war und warum Trucy offensichtlich höchst erfreut über dessen Besuch Schrägstrich Rückkehr war (so richtig heraus gekommen war das nicht), bot eine Aufräumaktion die perfekte Gelegenheit, sich ein wenig in den privaten Dingen seines Chefs anzusehen.
 

Nun, die Privatdinge bestanden hauptsächlich aus alten Traubensaftflaschen und Rechnungen, ab und zu ein Papier mit einer Kritzelei. Außerdem fand er dreiundzwanzig „Steel Samurai“-Sammelkarten, drei Päckchen von Fastfood-Ketchup (abgelaufen seit drei Jahren), Taschentücher (unbenutzt!), eine Flasche „Coldkiller X“ (ebenfalls seit einer ganzen Weile abgelaufen und ungeöffnet), einen Löffel und noch mehr Fäden, Ringe und Bälle von Trucy.
 

„Oh, den hab ich seit Ewigkeiten gesucht!“, rief Trucy aus und nahm Apollo eine schwarze-Acht-Kugel ab und betrachtete sie glücklich.
 

„Was ist das?“, fragte Apollo etwas überrascht von der offensichtlichen Freude seiner Schwester.
 

„Es ist eine Billiardkugel, natürlich! Oder hast du noch nie Billiard gesehen, Polly?“, fragte Trucy erstaunt.
 

„Ahaaa...“, machte Apollo langsam. Er WUSSTE, dass es eine Billiardkugel war, aber er hatte irgendwie etwas... anderes erwartet. „Und nenn mich nicht Polly! Ich heiße Apollo.“
 

„Jaja, Polly. Aber wirklich, diese Kugel ist etwas besonderes!“
 

„Wie das? Sie scheint mir eine ganz normale, schwarze Kugel zu sein...“
 

„Oh, sie ist aber alles andere als das!“
 

„Und warum?“
 

„Ah ah ah, Polly!“, machte Trucy und wackelte mit ihrem Zeigefinger vor Apollos Gesicht hin und her. „Ein Zauberer verrät niemals seine Tricks. Ich zeige es dir, wenn du heute Abend mit zu meiner Show kommst.“
 

Apollo gab ihr nur einen Blick.
 

„Okay, okay...“, murmelte er.
 

„Hihi.“, kicherte Trucy. „Ich wusste, dass du nicht wiederstehen kannst, Polly.“
 

„Apollo.“
 

„Nein, ich Trucy. Du Polly.“
 

Apollo gab einfach auf und machte sich daran, weiter den Schreibtisch auszuräumen.
 

Nach weiteren zwei Stunden fand Apollo im Schreibtisch weitere fünf Päckchen Ketchup, zweimal Mayo (alle mindestens zwei Jahre über dem Verfallsdatum, was zum Geier machte Mister Wright nur damit?), eine Packung Streichhölzer, ein Haufen Broschüren für Weis-der-Himmel-was und auch einige Fotos.

Eine junge Frau mit schwarzen Haaren und einer seltsamen Kette, die fröhlich winkend ein jüngeres Mädchen mit braunen Haaren umarmte, Landschaftsbilder, ein Bild von einem ernst blickenden Mann mit grauen Haaren und einem magentafarbenen Anzug (oder war es pink?), der gleiche Mann noch einmal, doch lächelnd, ein Bild von einer weiteren schwarzhaarigen Frau, älter und äh... anatomisch... größer mit einem sanften Lächeln, weitere Menschen in Gruppenbilder (war das nicht Powers, der Schauspieler? Und das eine Mädchen sah ziemlich nach Ema Sky aus...) und jede Menge Bilder von Trucy in den unterschiedlichsten Altersstufen.
 

Apollo lächelte leicht, als der die Bilder sah, Trucy beim Zaubern, Trucy mit der Mütze ihres Daddys auf und schließlich ein Bild von einer sehr jungen Trucy, wie sie an Mister Wright gelehnt schlief, ihr Adoptivvater sanft lächelnd. (bei diesem Bild fragte sich Apollo wage, wer es aufgenommen hatte)
 

Er legte die Fotos sorgfältig auf einen Haufen und suchte dann nach etwas, was vielleicht ein Fotoalbum sein könnte... sicher gab es das hier irgendwo, oder?
 

„Hm?“, machte Apollo und griff nach einem in Leder gebundenen Buch, ganz hinten im Schreibtisch.
 

Es war ein Notizbuch, das jemand offenbar als eine Art Mischung aus Tagebuch und Notizzettel-Sammlung benutzte. Termine und Berichte wechselten sich ab mit Zeichnungen von Pflanzen und hier und da kleinen Gegenständen. Hier und da schien eine Art Tagesbericht zu stehen, gelegentlich war ein Blatt hineingelegt worden, mal ein Zeitungsausschnitt, mal ein Brief und mal etwas, was nach einer Einkaufsliste aussah.
 

Einer dieser loser Zettel fiel aus dem Buch heraus zu Boden und Apollo hob ihn neugierig auf.
 

“You took my dignity and broke my pride.

You screwed me over, and back again.

You ripped out my heart, you sold my blood, darken my light.

And I? I bared myself to your fangs.

You've ripped me open and let me to bleed.

You took all I had and wanted and all I need.
 

But really? It doesn't matter anymore.

Because I have won so long before.

I have settled this unfortunate strife

And I burned and came back to life,

Risen from the ash and be reborn to this world.

Free from all you are, the pain and hurt.
 

And So, I give you back your cup of poison,

because it killed me, so give it a try.

My world has returned, I will keep moving on,

I did all I could, I stayed strong.

I will love and live and laugh and smile.

And you? Drink thy poison... and die.“, las er vor.
 

„Brrr.. ziemlich düster...“, murmelte Apollo bei diesem Text. Er drehte und wendete ihn, suchte nach irgendeiner Bemerkung, die offenbare, was es damit auf sich hatte.
 

„Ah, das kenne ich.“, sagte Trucy auf einmal und trat zu Apollo heran, blickte ihm über die Schulter. „Das ist aus einem Theaterstück! Daddy und ich hatten es einmal gesehen, ist schon eine ganze Weile her.

Es ging um einen Mann, der eine Wette mit einem anderen abgeschlossen hatte. Würde er sieben Jahre lang für den Mann arbeiten, alles hinnehmen was dieser von ihm verlangt ohne zu brechen, zu protestieren oder zu weinen, würde er am Ende der sieben Jahre etwas zurück erhalten, was ihm lieb war. Würde er dagegen brechen, würde er auf ewig der Sklave des anderen sein. Der andere Mann nutzte aber die ihm so gegebene Macht schamlos aus, weil er seit Jahren neidisch auf das Glück des Mannes war.

Der Mann durchlebte so sieben Jahre die reine Hölle, denn der andere nahm dem Mann seine Familie, seine Liebe, seinen Besitz und alles, was ihn Freude machte. Es machte den Mann halb wahnsinnig, doch er hielt durch, auch wenn er gegen Ende sogar die Erinnerung daran verlor, warum er durch hielt. Doch er gewann die Wette und das Leben des anderen war nun in seiner Hand.

Er bekam all das wieder, was er verloren hatte, doch anstatt den anderen als Sklaven zu halten, verbannte er ihn nur, zeigte so, dass er wahrlich der größere von beiden war. Das Gedicht sind die Worte, die er sprach, kurz bevor er den Mann in die Ferne schickte.“
 

„Trotzdem ziemlich finster...“, murmelte Apollo. „Warum hat dein Vater einen solchen Text in seinem Notizbuch?“
 

Trucy zuckte nur mit den Schultern.
 

„Daddy ist halt so.“, sagte sie. „Er war schließlich einmal in einer Theatergruppe als Student. Vermutlich ist es noch da her. Aber ich kenne das Stück auch sehr gut... ich hatte eine Weile überlegt, ob ich es in meine Show einbaue!“
 

Sie räusperte sich, ehe sie sich dramatisch hinstellte und mit einer tiefen Stimme, die fast wie die von Mister Zylinder klang anfing zu sprechen.
 

„...Und wenn die Welt versinkt, in Sturm und Feuer, in Flut und Donner, in Blitz und bebender Erde, in Schock und Lärm, in Licht und Dunkelheit, in der Hölle selbst und mit brennenden Himmel und eisigen Winden... Ich werde an der Klippe der Vernichtung stehen, werde die Schreie hören, werde das Unheil sehen, die Angst und Verzweiflung spüren... und ich werde lachen, wie nie in meinem Leben..."
 

„Brr... wirklich düster.“, kommentierte Apollo schaudernd. „Ich glaube nicht, dass das zu deiner Show gepasst hätte... Oder generell zu dir...“
 

„Warum?“, fragte Trucy verwirrt. „Ich fand es sehr dramatisch... und tiefgründig.“
 

„Ich dachte immer, Zauberei sollte Spaß machen?“, fragte Apollo halb neckend, halb ernst. „Und dann kennst du so einen Text auswendig?“
 

„Es ist der Monolog des Mannes, der durch die Hölle ging.“, erklärte Trucy. „Das sind seine Worte etwa in der Mitte des Stückes, wenn er langsam anfängt, auch seine Erinnerung und Teile seines Ichs zu verlieren. Und es IST tiefgründig und dramatisch!“
 

Apollo schüttelte nur den Kopf.
 

„Wenn du meinst... Und so was ist heute Kunst...“, murmelte er, fühlte sich irgendwie ungleich älter. Sein Blick glitt zurück auf den Text in seiner Hand.
 

„Oh, so neu ist das auch nicht.“, widersprach Trucy. „Es basiert sogar auf einer alten Geschichte... ich glaube, sie stand in der Bibel...“, überlegte Trucy und tippte mit ihrem Zeigefinger gegen ihr Kinn, den Blick leicht nach oben gewandt.

„Ich weis nicht mehr ganz genau, wie sie ging, aber ich glaube, der Teufel wettete darin mit Gott, dass dessen treuster Anhänger, der eine Familie, Haus und Vermögen in Form von Gold und Vieh hatte, sich gegen ihn wenden würde, würde er seines Wohlstandes beraubt werden.

Also wurde das Vieh verenden gelassen, das Gold wurde geraubt und das Haus stürzte ein und tötete die Kinder und der Mann selbst wurde krank. Dennoch verfluchte er Gott nicht und blieb ihn treu und der Teufel verlor die Wette.“
 

„Uh?“, machte Apollo nachdenklich. „Und dann?“
 

„Hmm.“, machte Trucy nachdenklich. „Ich weis nicht mehr so genau... ich glaube, der Mann starb... oder Gott gab ihn zurück, was ihm genommen wurde? Ich weis es nicht mehr...“
 

„Selbst wenn er alles zurück bekam... ist das nicht ziemlich grausam?“, fragte Apollo zögernd, schloss die Augen und tippte sich mit dem Zeigefinger zwischen seine Augenbraunen. „Ich meine, der arme Mann konnte doch nichts dafür, dass zwei übermächtige Wesen anfangen, über ihn eine Wette abzuschließen. Und dann ist er auch noch erfolgreich und bekommt als Gegenleistung nur etwas wieder zurück, was ihm genommen wurde? Mit dem Geld und dem Vieh sehe ich das ja ein, aber die Kinder? Sind die wieder zum Leben erwacht? Und selbst wenn... ist es nicht unglaublich grausam das dem armen Mann anzutun, selbst wenn danach wieder alles gut wird?“
 

Er öffnete die Augen und sah Trucy an.
 

„Hmm.“, machte Trucy. „Das hatte ich auch gedacht, als ich das zum ersten Mal hörte.“
 

„Und ich dachte immer, das Christentum predigt von einem gütigen Gott...“, murmelte Apollo. „Ich meine, das war doch der Punkt, oder? Die ganze „liebe deinen nächsten“-Sache und dass da ein großes, mächtiges Wesen ist, das alles auf Erden liebt und alles.“
 

„Naja, irgendwie mussten ja auch die schlechten Sachen erklärt werden.“, überlegte Trucy und sah nach oben, einen Finger an ihr Kinn gelegt. „Sonst würden ja keine schlechten Dinge passieren.“
 

„Sollte dafür nicht normalerweise der Teufel da sein?“
 

„Ja, aber Gott soll ja mächtiger als dieser sein... eigentlich.“
 

„Warum dann trotzdem noch Leid und alles? Oder überhaupt diese Wette? Warum hat er überhaupt auf so eine Wette reagiert?“
 

„Gute Frage... Hiobs Worte dazu waren einfach nur „Der Herr gibt, der Herr nimmt.“ Aber ganz ehrlich: Ich glaube, das ist Bullshit... Es ist so... willkürlich. Außerdem... geschenkt ist geschenkt, wiederholen ist gestohlen! Mir tat der arme Kerl ziemlich Leid... Vielleicht verwechsele ich auch etwas und das gehörte gar nicht ins Christentum...“
 

„Hmmm...“, machte Apollo zustimmend. „Nicht gerade eine beruhigende Vorstellung, dass irgendwelche übermächtigen Wesen mit dem eigenen Leben Wetten anstellen, und das ohne jeden Nutzen...“
 

Trucy nickte nachdenklich, blickte wieder auf den Zettel in Apollos Hand.
 

„Ganz deiner Meinung... Jedenfalls ist das Theaterstück eine Art Wiederverwendung des Themas. Statt Gott und Teufel wetten hier zwei Menschen um ihr eigenes Leben. Und der Gewinner bekommt ja alles, was er verloren hat wieder zurück. Und außerdem zeigt der Gewinner schließlich, dass er nicht wie der andere seine Macht ausnutzt. Ich fand immer, dass das wesentlich besser klingt als ein Gott, der mit dem Teufel eine Wette abschließt.“
 

Apollo nickte nur.
 

„Jaaa...“, machte er langsam und blickte abermals auf den Text. Er war eindeutig handgeschrieben, Tinte auf liniertes Papier, was zweifelsohne aus einem anderen Buch gerissen wurde. Es musste Mister Wright schon wichtig gewesen sein, wenn er es extra ab schrieb und in diesem Buch aufbewahrte. War es nur die Faszination mit dem Text? Die Tinte sah ziemlich verblichen aus... und Apollo wusste, dass Mister Wright einst in einer Theatergruppe gespielt hatte, vor vielen Jahren. Vielleicht stammte der Text noch aus dieser Zeit?
 

Oder hatte das Gedicht eine andere Bedeutung für ihn?
 

Denn irgendwie... irgendwie konnte sich Apollo eine Theaterszene nur zu gut vorstellen... eine Szene in einem Raum, mit Kristoph Gavin auf der einen und Phoenix Wright auf der anderen Seite, die tiefblauen Augen auf den anderen Mann gerichtet, die Stimme rau und ernst und fest diese Worte sagend.
 

Und aus irgendeinem Grund erschauerte er bei diesem Gedanken.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2013-09-23T09:42:32+00:00 23.09.2013 11:42
Hey^^

Zuerst einmal finde ich es toll, dass endlich mal wieder neue Gyakuten-Stories auftauchen und dass du die Charaktere so naturgetreu rüberbringst.

Zu der Geschichte mit Hiob:
1. Die ewig lange Vorrede aus deiner Kurzbeschreibung hättest du dir sparen können, denn die Gedanken, die du zu dieser Sache darstellst sind eine ganz natürliche Reaktion auf eine solche Geschichte. Auch gläubige Christen stellen sich genau diese Fragen in dem Zusammenhang. Ich glaube du wirst auf sehr wenige Menschen treffen, die das einfach kommentarlos akzeptieren, so wie es da steht, da muss man schon sehr strenggläubig sein.

2. Es ist richtig, dass das Christentum einen gütigen Gott predigt. Allerdings beruft sich das Christentum hauptsächlich auf das neue Testament, in dem Christus die Lehre vom gütigen Gott verbreitet. Die Geschichte von Hiob stammt jedoch aus dem alten Testament, in dem Gott eher als strafender Gott mit Richterfunktion gesehen wird.

3. Der Punkt der Geschichte ist nicht, dass durch die Wette willkürlich einfach so zum Spaß ein Mensch gequält wird sondern eher eine Art und Weise der Verfasser, den Lesern klar zu machen, dass am Glauben nicht nur festgehalten werden soll, wenn es einem gut geht. Außerdem soll dem Teufel bewiesen werden, dass die Menschen nicht so untreu sind, wie er vermutet und nur in guten Zeiten auf Gottes Seite stehen. Es geht, glaube ich, weniger darum eine Eigenschaft Gottes darzustellen, als um eine Charakterisierung des Menschen und seines Glaubens.

Ich finde es auf jedenfall prima, dass du dich mit solchen Dingen beschäftigst und deine Gedanken auch mit anderen teilen möchtest. Es ist auch eine tolle Idee, die ganze Sache auf diese Art und Weise zu verpacken und "unbeteiligte Charaktere" kritische Aussagen treffen zu lassen. Gerade wegen dieser geschickten Verpackung bin ich der Meinung, dass du dich nicht in deiner Kurzbeschreibung für eine Meinungsäußerung rechtfertigen solltest, die erstens dein freies Recht ist und zweitens (vielleicht mal abgesehen von dem Wort "Bullshit" als Betitelung) vollkommen im Rahmen der konstruktiven Kritik gehalten ist.


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