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Boku wa shiritai aisurutte donna koto

von

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Ryo und Yuhin

Fye war mehr aus dem Kampfring gehumpelt. Jetzt saß er auf der Tribüne, auf der die anderen Teilnehmer auch saßen. Er sah zu Ryo. Die stritt sich mit Yuhin.

Yuhin hätte Fye umgebracht, wenn sie nicht eingegriffen hätte. Aber ihr war ja alles so egal gewesen.

Fye schüttelte lächelnd den Kopf.

“Was soll’s drum?” , flüsterte er leise. Shaolan kümmerte sich mehr schlecht als recht um die Wunden des Magiers.

“Das kann nachher Yuri-san machen, Shaolan. Yuri-san ist zwar keine Magierin oder so, aber sie kann mit Kräutern umgehen.” Ryo stand neben ihnen. Kurogane, der entnervt an der Wand lehnte, warf ihr einen vielsagenden, missbilligenden Blick zu. Mokona sprang sie fröhlich an. “Du hast Fye gerettet!” , reif das kleine, weiße Etwas. Ryo schüttelte den Kopf. “Nein, ich habe aus Reflex gehandelt. Ich hatte das Gefühl, Fye erwartete irgendetwas von mir.” , meinte sie. Und an Fye gewandt fügte sie hinzu: “Vielleicht wolltest du mich einfach ändern.” Fye antwortete ihr nicht. Er lächelte nicht mal. Er sah sie einfach nur an.

Ryo nahm Mokona von ihrer Schulter und reichte ihn zu Shaolan. “Tut mir leid, dass ich so nervig war, Shaolan. Ich habe euch nur Ärger gemacht. Vor allem mit Yuhin.” Dann drehte sie sich um und ging wieder.
 

Die Kämpfe wurden für einige Zeit unterbrochen, damit Arbeiter den Kampfring wieder etwas herrichten konnten. Währenddessen ging Ryo zum Tempel.

Der ‘Toki no Shinden’ , der Tempel der Zeit, lag in der Nähe ihres Hauses. Der Tempel war alt und aus grauem Stein gebaut. Für Ryo war er eine Art Zuflucht vor der Wirklichkeit. Mit Meister Jikan konnte sie immer reden. Der Meister der Zeit war einer von fünf Weisen des Landes. Er hat ihr immer gesagt, sie soll ihm alle Fragen stellen, die sie hat. Er würde sie beantworten.

Jetzt hatte sie eine Frage.

“Meister Jikan. Sagt mir, wer ich bin.” Ihre roten Augen glühten in dem schwachen Schein der Fackeln, die das dunkle Innere des Tempels erhellen sollten. Der Meister stand vor einem kleinen Altar und sah das Mädchen lange an.

Ryo kannte den Meister schon lange, da sie seit Jahren den Tempeldienst für die Königin übernahm, die ja inzwischen tot war. Der Meister war nicht überrascht, dass sie auf einmal da war.

“Ryo, es gibt Fragen, die ich dir nicht beantworten darf. Du würdest es nicht verstehen.” , antwortete der alte Weise, aber um seine Lippen huschte ein warmes Lächeln. “Ihr sagtet einst, Ihr würdet mir jede Frage beantworten!” , entgegnete Ryo ruhig.

“Ja, das sagte ich. Aber diese Frage musst du dir ganz alleine stellen. Ich kann dir nur einen Rat geben. Schau dir das Land an, besuche vielleicht die anderen vier Tempel. Finde heraus, wer du sein willst. Denn wer du warst, ist irrelevant und wer du bist, ändert sich mit jeder deiner Handlungen.” Der Meister trat einen Schritt auf sie zu und legte ihr die Hand auf die Schulter. “Ryo, die Entscheidung über dein Schicksal liegt bei dir, nicht bei anderen. Was wünscht du dir?”

Ryo sah ihn kurz an, senkte dann den Blick. “Ich wünsche mir, dass ich lernen kann, was es heißt, zu lieben und zu leben. Ich wünsche mir, herauszufinden, wer ich bin und woher ich komme. Aber all meine Wünsche sind doch nur unsinnig. Ich werde es nie erfahren. Die Menschen mögen mich doch nicht.”

“Nein, Ryo. Du magst die Menschen nicht und hältst dich von ihnen fern. Aber dein Blick eben hat mir gesagt, dass es jemanden gibt, an den du dich jetzt mit deinen Problemen wenden möchtest, stimmt das?” , entgegnete der Meister der Zeit.

Ryo trat einen Schritt zurück und verbeugte sich leicht. “Ich habe jemanden getroffen, der mir die Augen öffnen wollte. Aber ich habe ihm und seinen Freunden Ärger bereitet. Ich denke, das ist nicht gut.” Dann wandte sie sich ab, um zu gehen.

“Ryo. Auf einer Reise braucht man Begleiter. Begleiter, die einem auch mal Probleme machen können. Begleiter, die dich vielleicht nicht mögen. Denn gerade durch solche Erfahrungen wird man ein besserer Mensch. Denk darüber nach.”

Ryo ließ die Worte des Meisters kurz in ihren Gedanken kreisen, ehe sie die schweren Holztüren des Tempels hinter sich schloss.

Dann lief sie schnell zu sich nach Hause. Im Garten setzte sie sich unter einen Baum. Ihr Blick hing an den vorbeiziehenden Wolken. “Menschen, die mich nicht mögen? Menschen, die mir Probleme machen? Davon gibt es viele, Meister.” Ryo grübelte lange über diese Worte, fand aber keine Lösung. Nicht selbst.

Sie schloss die Augen. Vor ihrem inneren Auge huschte ein Bild der Königin her. “Yuki-ou. Ihr konntet mir immer Antworten liefern. Wäret Ihr doch bloß hier, Yuki-ou.” Und ohne dass sie es wollte, schlich sich eine Träne aus ihren Augenwinkeln und huschte über ihre Wange.
 

Ryo war zehn, als sie ein Gespräch von Yuri-san und der Königin mitbekam, in dem es um sie gang. Eigentlich sollte sie längst schlafen und Yuri-san würde böse werden, wenn sie das Mädchen bemerkte, aber Ryo konnte einfach nicht mehr von der nur leicht geöffneten Tür wegtreten.

Sie lauschte lange. Bis sie diesen einen Satz horte.

“Sie ist nicht meine Tochter, Yuki.”

Dieser eine Satz von Yuri-san zerriss Ryos Herz. Das Mädchen schlich leise zurück in ihr Zimmer. Schnell verkroch sie sich unter ihre Bettdecke. Leises Schluchzen und Wimmern war zu hören. “Nein, das ist nicht wahr. So denkst du nicht, Yuri-san!” Ryo wusste schon immer, dass Yuri nicht ihre Mutter war, aber die Wirtin und Schwester der Königin hatte sie immer so freundlich behandelt und geliebt wie eine Tochter. Zumindest hatte sie das gedacht.

Irgendwann schlief Ryo unter Tränen ein.
 

“Das hat Yuri gesagt?” Yuhin und Ryo saßen im Schlossgarten am Flussufer. Ryo hatte ihm grade erzählt, was sie in der Nacht zuvor gehört hatte. “Ja, sie hat es gesagt. Sie liebt mich also doch nicht.” Ryo lehnte sie an Yuhins Schulter. Ihre Augen waren schon wieder mit Tränen gefüllt. Der Prinz strich ihr brüderlich übers Haar. “Das ist sicher nur ein Missverständnis.” , versuchte er, sie zu beruhigen. Aber Ryo ließ sich nicht beruhigen. Mit jedem seiner Worte wurde sie nur mehr angeheizt und war mehr überzeugt, dass Yuri sie nicht liebte. “Du liebst mich doch auch nicht, Yuhin. Keiner will ein Kind, von dem niemand weiß, woher sie kommt.” Sie ruckte ein Stück von ihm weg und sah ihn aus ihren roten Augen lange an. Er versuchte, sie an den Schultern zu packen, aber ihr Blick und ihre ganze abwehrende Haltung hinderten ihn daran.

“Das Stimmt nicht, Ryo. Wir alle lieben dich. Das weißt du genau! Wieso denkst du auf einmal so etwas?” Yuhin versuchte, sie wieder zur Vernunft zu bringen, aber Ryo hörte ihm nicht zu. “Nein, nein, nein!” Sie schüttelte den Kopf so stark, dass ihr Haar flog. Sie sprang auf und wollte weglaufen. Aber dann stand sie direkt vor Yuki-ou, der Königin und Mutter von Yuhin. Die Königin sah sie leicht betrübt an. Betrübt und entschuldigend. “Du hast uns also belauscht, Ryo? Aber Yuhin hat doch recht. Das ist alles ein Missverständnis.”

“Hört auf, zu lügen! Wieso sollte Yuri-san das sonst sagen, wenn sie mich lieben würde?” Ryo mochte die Königin eigentlich sehr, aber jetzt war sie nur wütend und aufgebracht. Sie wartete nicht, bis die Königin wieder etwas erwidern konnte. Sie lief einfach davon.

Sie lief aber nicht nach Hause zu Yuri-san. Sie lief weiter zum Tempel und setzte sich dort im Tempelgarten unter einen Baum. An den Stamm gelehnt und die Knie angezogen saß sie da. Sie weinte nicht. Sie hielt die Tränen zurück. “Nie wieder werde ich weinen! Ich will nicht schwach sein. Ich werde mein Leben alleine Leben, dafür brauche ich niemanden. Ich brauche kein Mitleid.”

Für Ryo war die ganze Welt auf einen Streich nur noch gegen sie verschworen.
 

Yuhin stieß die Eingangstür des Gasthofes auf. Dabei schlug die Tür fast gegen die Wand, so heftig hatte er sie aufgerammt. “Ryo!” , rief er und stürmte schon die Treppe in den ersten Stock hoch. “Ryo!”

Immer und immer wieder rief er nach dem Mädchen. Er stand vor ihrer Zimmertür, klopfte an und dachte, sie sei verschlossen. Aber sie war es nicht.

Das Mädchen saß schweigend auf dem Fensterbrett und sah die vorbeiziehenden Wolken an. “Ryo...” Ryo sah den Prinzen nicht an. Aber das störte Yuhin nicht.

“Ryo, Mama ist schwer krank. Sie hat gesagt, sie will dich sehen.” , sagte er, während er sich langsam wieder beruhigte.

“Ich will sie nicht sehen.” , entgegnete Ryo.

“Ryo, sie ist deinetwegen so krank. Sie macht sich Sorgen um dich!”

“Hat sie das gesagt?” Ryo sah Yuhin noch immer nicht an. Nicht direkt, aber Yuhin wusste instinktiv, dass sie sein Spiegelbild in der reflektierenden Glasscheibe des Fensters ansah. “Nein, aber ich weiß es!” , gab er zurück. “Bitte, geh zu ihr, Ryo.”

“Wenn du dann glücklich bist.” Ryo sprang vom Fensterbrett und ging an ihm vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.

Yuhin sah ihr aus seinen goldenen Augen nach. “Ryo...”



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