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How I met my love

von

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Verrat schmeckt bitter

Wie betäubt schleiche ich in die Küche, immer noch komplett konfus. Ich bin nicht alleine, aber das fällt mir erst nach einer Weile auf. Im Schrank krame ich nach einem Glas und gieße mir etwas Leitungswasser ein, da ich keine Lust mehr habe auf Bier. Alleine vom Gedanken daran wird mir schlecht.

Der Wirbel in meinem Kopf ist immer noch da, geht nicht weg und hindert mich daran vernünftig nachzudenken. Selbst das Wasser macht es nicht erträglicher.

„Hey, was ist los? Du siehst so durcheinander aus.“ David betritt lächelnd den Raum, während die beiden Mädels, die sich bis jetzt hier drin unterhalten haben an ihm vorbei ins Wohnzimmer drängen.

Wir sind alleine, die Tür hat er geschlossen und von draußen höre ich die Stimmen der lauten Gäste und Musik. Der Song kommt mir bekannt vor, irgendwas von Adele.

„Ja.“ Ich lehne wie paralysiert am Kühlschrank und starre auf die Uhr. Gerade mal halb Zehn.

Er kommt zu mir an die Seite, stützt sich mit einem Arm direkt neben mir ab und schaut mich neugierig an. Ich starre ausdruckslos zurück.

Wieder kann ich seinen Geruch wahrnehmen, der mir so angenehm in der Nase kitzelt.

„Was ja?“

„Nichts.“ Mein Kopf rollt wieder nach vorne. Die Zeiger der Uhr haben sich noch nicht viel weiter bewegt.

Stoff raschelt und Davids Gesicht schiebt sich in mein Blickfeld, verdeckt dabei die Uhr, die farblich zu der grünen Küche passt. Alinas Eltern haben einen eigenartigen Geschmack.

Ich halte immer noch das Glas Wasser in der Hand und setze es mir an die Lippen, ohne davon zu trinken. David hebt seine rechte Hand langsam, fast fragend, doch ich stehe viel zu sehr neben mir, um zu verstehen was er meint. Dann spüre ich, wie seine kräftigen Finger durch meine Haare streichen, sanft spielen sie mit einer kurzen Strähne. Seine Augen tasten dabei mit einem ungewohnt intensiven Blick mein Gesicht ab, beobachten aufmerksam meine Reaktion.

Er ist mir ganz nah...

Unwillkürlich muss ich an Philipps Warnung denken und das sie vielleicht wirklich nicht so unbegründet war.

„Ich bin nicht schwul.“, teile ich ihm tonlos mit.

Erstaunt hebt er die Augenbrauen, nimmt dann die Hand aus meinem Haar, entfernt sich aber nicht. Bleibt einfach so stehen, die Unterarme rechts und links neben mir an den Kühlschrank gepresst.

„Ich habe eine Freundin.“ Keine Ahnung warum ich das überhaupt erwähne, zudem ich mir nicht einmal wirklich sicher bin, ob ich tatsächlich noch eine Freundin habe. Selbst wenn nicht, schwul bin ich trotzdem nicht.

Seufzend schließt er kurz die Augen und stößt sich dann vom Kühlschrank ab.

„Ok, hab verstanden. Wollte wirklich nicht aufdringlich sein, du warst nur so durch den Wind, da ist es etwas mit mir durchgegangen.“ Er lächelt mich entschuldigend an und macht Anstalten zu gehen. Schnell greife ich nach seinem Arm, berühre ihn aber nur ganz kurz.

„Nein, bleib hier.“

Mitten in der Bewegung hält er inne und wendet sich wieder zu mir, aber diesmal mit etwas Abstand als eben.

„Wir können doch trotzdem Freunde sein, haben uns ja bisher auch gut verstanden. Also was solls.“ Ich klinge lockerer als ich mich fühle.

„Stört es dich nicht?“ Abwartend mustern mich seine grauen Augen.

Ich zucke nur mit den Schultern.

„Weiß ich noch nicht.“

„Du weißt es noch nicht?“, wiederholt er mich skeptisch.

„Hatte noch nicht viel Gelegenheit drüber nachzudenken, kenne auch sonst niemanden der so ist. Bisher hast du mich nicht gestört.“

„Woher weißt du es eigentlich? Hat mein Bruder mich verpetzt, oder hat mich irgendwas verraten?“

„Weder noch, einer aus deiner Klasse hat es mir geflüstert.“

Er verzieht den Mund.

„Diese Plappermäuler, nie können die was für sich behalten.

Egal, hab eh keine Lust mich zu verstellen.“

Polternd wird die Tür plötzlich aufgerissen und eine wütende Sheila steht im Türrahmen. Ihre Augen blitzen gefährlich auf, als sie mich entdeckt.

„Kai du Vollidiot! Warum hast du das gemacht? Katrin ist total fertig wegen dir!“, wütet sie und kommt stampfend auf uns zu. Scheinbar weiß sie schon von dem Zwischenfall im Keller. Fragt sich nur wie viel sie weiß.

„Ich hab gar nichts gemacht! Sie hat da nur wieder was falsch verstanden.“

„Entschuldige dich gefälligst bei ihr!“

„Warum sollte ich? Ich hab gar nichts gemacht!“

„Genau das ist der springende Punkt du Vollpfosten! Wegen dir weint sie jetzt, hab sie erst mal bei Basti gelassen, weil ich dich zur Rede stellen wollte. Du hast sie eiskalt auflaufen lassen, obwohl ich euch sogar in den Keller geschickt hab. Was ist nur los mit dir?“

Jetzt werde ich langsam wütend, muss sie vor David so einen Aufstand machen? Und wer weiß wer noch alles zuhört! Nachher macht noch überall die Runde ich würde es nicht bringen, da hab ich nun echt keinen Bock drauf.

„Kann ja nichts dafür, wenn sie sich anbiedert wie 'ne Schlampe, da vergeht jedem der Spaß.“

„Sie hat recht, du bist ein absolutes Arschloch!“

Damit stürmt sie wieder aus der Küche und knallt geräuschvoll die Tür zu.

David sieht ihr nach und ein pfeifendes Geräusch entfährt seinen Lippen.

„Deine Schwester ist ganz schön auf Draht. Was hast du angestellt?“

„Nichts.“

„Klang aber ganz anders, irgendwas musst du ja gemacht haben.“

Soll ich es ihm erzählen? Nicht die komplette Wahrheit natürlich aber, ja warum eigentlich nicht.

„Hm, meine Freundin wollte mit mir im Keller...na du weißt schon, fummeln, nur da steh ich so gar nicht drauf. Zu ungemütlich, und dann ist das Haus voller Leute. Das hat ihr irgendwie nicht gepasst und kam mit dem Ding das ich sie nicht lieben würde und so.“

„Tust du es denn?“

„Nee, aber das spielt doch keine Rolle. Mein bester Kumpel hat dauernd Freundinnen und war noch nie in eine von denen verknallt. Versteh nicht warum sie da so einen Aufriss drum macht.“

„Na ja, ich kann's ihr nicht verdenken. Vor allem, wenn sie in dich verliebt ist, ist es schon hart. Stell dir mal vor, du liebst jemanden und der sagt dir knallhart, das er nichts für dich fühlt? Ist schon irgendwie scheiße.“

Boah nicht er auch noch! Da habe ich nun wirklich keine Lust zu.

„Ich hab keinen Bock auf so was.“, motze ich nur verstimmt.

„Ich bin so absolut kein Beziehungstyp. Habe ihr auch nie gesagt, dass es was ernstes ist, oder das ich sie lieben würde. Sie hat das einfach ein wenig falsch aufgefasst, schätze ich. Mädchen sind so anstrengend!“

„In der Beziehung kann ich dir leider nicht wirklich helfen, mit Mädchen kenne ich mich nicht aus.“

„Macht nichts.“

„Wenn du willst können wir wieder ins Wohnzimmer gehen, die andern haben vorhin Singstar angemacht und Philipp singen zu hören ist immer wieder ein Spaß!“

„Kann er so gut singen?“, frage ich naiv nach.

David fängt spöttisch an zu lachen. „Um Gottes Willen, nein. Aber das macht es gerade so lustig!“
 

Es ist fast Mitternacht und ich stehe zusammen mit Jonas auf der Terrasse und schauen ein paar Jungs im Garten dabei zu, wie sie sich einen Ball grölend hin und her werfen, natürlich vollkommen betrunken.

Drinnen wurde es mir irgendwann zu stickig, deshalb hab ich mir Jo geschnappt, der sich sowieso nur die ganze Zeit deprimiert in einen Sessel gekuschelt hatte und verstohlen ein paar Röcken nach stierte. Ich schätze, wäre er auch nur ein Fünkchen mutiger, hätte er längst ein nettes Mädchen gefunden das ihn mag, auch wenn es vielleicht nicht so eins wäre, wie er es sich vorstellt. Keins von diesem Topmodells aus seinen Träumen, aber vielleicht eine, die ihn so nimmt wie er ist. Hoffe nur, dass es ihm klar wird, bevor er sich noch komplett in irgendeine Sache verrennt.

Die frische Luft tut ungemein gut, mir wird mit jeder Minute wieder klarer im Kopf.

Da Jonas eh schon die Hälfte mitbekommen hatte, hab ich ihm inzwischen auch den Rest erzählt was im Keller gelaufen ist. Bei ihm macht es mir nicht so viel aus, ihm und Basti habe ich bisher fast immer alles anvertrauen können.

„Wie geht’s jetzt weiter?“, fragt Jonas und nippt dabei an seinem Bier.

„Hm, weiß nicht. Meinst du Katrin fängt sich wieder?“

Wir stehen am Geländer, das die Terrasse vom Garten abtrennt. Über uns hängt eine bunte Lichterkette, so dass es nicht komplett dunkel ist.

„Puh, keine Ahnung man. Mädchen sind nun mal sensibel. Frag doch Basti, er meint doch immer ein Experte in Sachen Frauen zu sein.“, meint er etwas bitter.

„Hey, sei doch nicht gleich angepisst.“

Er seufzt ergeben.

„Sorry, mich nervt nur das Basti alle Weiber zu Füßen liegen, selbst du, der es nicht mal drauf anlegt kriegt so eine tolle Frau wie Katrin ab!“

„Dafür hab ich's aber auch verdammt schnell mit ihr versaut. Ich glaub sie ist echt sauer auf mich, werde wohl später mal mit ihr reden, wenn sie sich beruhigt hat.“

„Du hast dir aber auch echt was geleistet. Ich frage mich, wie sie es überhaupt so lange bei einem Tollpatsch wie dir aushalten konnte.“, meint er scherzhaft.

„Hm, keine Ahnung, bin halt nicht so sehr der Beziehungstyp.“

„Nicht schon wieder die Masche, damit kommst du immer, wenn man dich kritisiert.“

„Aber es stimmt doch! Ich hab rein gar nichts mit ihr gemeinsam, nicht mal zum schwimmen kommt sie mit, und zocken geht auch nicht. Hab ich einmal versucht, aber sie hat nur rumgekichert, wie albern das ist und wollte nur knutschen.“, schmolle ich.

„Ich schätze da muss ich dich enttäuschen, die Zeit als wir noch im Buddelkasten saßen ist vorbei.“

„Ist mir schon klar.“

„Hast du denn gar kein Interesse dran? Ich mein, mit 'nem Mädel knutschen ist doch der Wahnsinn! Und dann hast du noch eine, die dich auch ran lässt! Ich will auch mal Titten sehen, also so richtig und echt in natura.

Hast du Katrins schon mal angefasst?“

Seine Augen glänzen regelrecht vor Neugierde, trotz der roten Flecken auf seinen Wangen, wegen der peinlichen Frage.

Ich druckse ein wenig herum, das Thema ist mir echt unangenehm und nun wirklich das letzte über das ich mich jetzt unterhalten will.

„Hm.“

„Echt? Und wie wars?“

„Keine Ahnung.“

„Das musst du doch wissen, man! So was vergisst man doch nicht!“

„Irgendwie weich halt, hab sie auch nicht richtig angefasst, sie hatte noch ihr Oberteil an.“

„Achso.“ Er klingt ein wenig enttäuscht.

Ob Jonas auf Katrin steht? Nein, eher nicht. Wird wohl nur an ihren Brüsten liegen, er starrt ihr sonst ja auch dauernd bei jeder Gelegenheit in den Ausschnitt.

„Wo ist sie eigentlich? Seit sie heulend aus dem Keller kam, hab ich sie nicht mehr gesehen.“, fragt er beiläufig.

Ich zucke mit den Schultern.

„Weiß nicht, Sheila kümmert sich wahrscheinlich um sie, nehme ich mal an. Zumindest wollte sie mich vorhin nicht sehen, als ich mich entschuldigen wollte.“

Und dabei hatte ich das sogar ernsthaft versucht. Bin ja jetzt auch kein Unmensch, nur es ging mir einfach zu schnell.

Die ganze Aktion von ihr war einfach totaler Mist. Wie kann sie das in einem Haus voller Leute tun wollen? Egal, ich wollte trotzdem bei ihr zu Kreuze kriechen, aber meine Schwester hat mich sofort aus Alinas Zimmer geworfen, wo die Beiden sich verschanzt hatten.

„Ich versteh nicht warum die da so einen Aufriss drum machen, ist ja jetzt nicht so als hätte ich die betrogen oder geschlagen. Ich wollte nur nicht in einem Haus voller Leute, noch dazu in einem ungemütlichem Keller mit ihr schlafen!“

„Jeder Andere Kerl würde seine Freundin dafür vergöttern und du beleidigst sie als Schlampe, was erwartest du?“

Schnaubend und ein wenig trotzig verschränke ich die Arme vor der Brust.

„Ich bin eben nicht wie jeder Andere! Manchmal hab ich das Gefühl ich bin der Einzige hier, der nicht andauernd nur mit seinem Schwanz denkt.“

Dabei werfe ich Jonas einen bedeutenden Blick zu.

Empört umfasst er sein Bier fester.

„Was soll das denn heißen? Jetzt bin ich der Sexgeile, oder wie? Bloß weil du es verbockt hast?“

„Du und Basti, nimmt euch doch beide nichts, Basti pennt mit jeder die nicht bei drei auf den Bäumen ist und du würdest es am liebsten, traust dich aber nicht.“

„Was kann ich dafür, wenn du so prüde bist!“

„Ich bin nicht prüde, ich denke nur nicht dauernd an Sex und poppe nicht alles was Brüste hat! Das ist ein Unterschied.“

„Tu ich auch nicht.“, meint er trocken.

„Nur wegen deiner kranken Komplexe, ansonsten würdest du doch alles bespringen!“

„Du bist echt ein Arsch!“ damit dreht er sich wütend um und geht ins Haus. Autsch, das war nun schon der Dritte, der mir das heute an den Kopf wirft. Wenn ich nicht so extrem schlechte Laune hätte, würde es mir wohl auch leid tun, aber jetzt nicht.

Ich will einfach nicht mehr...ich will wieder zurück, zu dem Zeitpunkt als das alles noch nicht wichtig war. Ich will mich nicht mehr rechtfertigen wollen, nur weil ich noch kein Interesse an Mädchen habe. Ich weiß doch selbst, dass es abnormal ist, dass ich ein Spätzünder bin, mit meinen sechzehn Jahren, wo Basti seine ersten Erfahrungen mit Mädchen schon mit Dreizehn hatte. Es frustriert mich so furchtbar, und der ganze Druck, der von meinen Freunden und meiner Familie ausgeht, macht es nicht besser.

Aber ohne Katrin würde es wieder so werden, alle wollen einen verkuppeln, oder machen doofe Sprüche. Es ist halt 'Mode' eine Freundin zu haben, oder man macht es wie Basti.

Und es ist jetzt nicht so das ich Katrin blöd finde, manchmal kann man sich auch gut mit ihr unterhalten. Zum Beispiel, wenn es um die Schule geht, da sie eigentlich ganz gute Noten hat, und trotzdem keine von diesen Strebern ist. Sie ist keine von diesen strohdoofen Puten, auch wenn sie gerne ihre Reize zur Schau trägt.

Ich sollte mich wirklich bei ihr entschuldigen und wer weiß, vielleicht müsste ich es einfach wirklich darauf ankommen lassen. Weiß ja auch nicht was dann passiert, aber aus Bastis Erzählungen kristallisiert sich halt immer heraus, dass es wahnsinnig gut ist. Auch wenn es mir wahnsinnig schwer fällt die Initiative zu ergreifen.

Die Erfahrung möchte ich ja schon irgendwann machen, vor allem wenn es wirklich so schön ist, aber nicht so. Nicht in einem Haus voller Leute, oder in dunklen Kellern. Kann sein, dass ich einfach zu sehr in einer Traumwelt leben, oder vielleicht liegt es auch an dem Einfluss meiner Schwester und meiner Mutter, aber ich stelle es mir schon irgendwie lieber romantisch vor.

Nicht so kitschig, wie viele Mädchen es wollen, aber auch nicht so...ja so brutal unromantisch. Ich glaube man versteht auf was ich hinaus will, oder?

„Kai?“

Ich drehe mich um und sehe Mathias, der in der halb geöffneten Terrassentür steht.

„Ja?“

„Wir wollen langsam los, weißt du wo mein Bruder ist?“

„Nein, ich hab ihn das letzte mal im Wohnzimmer vorhin gesehen.“

„Hm, da ist er jedenfalls nicht mehr, kannst du ihn suchen gehen? Sheila und ich helfen Alina noch dabei die leeren Flaschen in den Schuppen zu räumen.“

Wie aufs Stichwort kommen in dem Moment mein Schwesterherz und Alina, und drängelnd sich an Mathias vorbei, die Arme voller Bier- und Colaflaschen.

„Drinnen stehen noch einige, holst du die, Schatz?“, fragt Sheila an ihren Freund gewandt, wobei sie schon ganz schön angetrunken klingt. Mathias ist wahrscheinlich der einzige, der komplett nüchtern ist von uns, da er ja noch fahren muss.

„Mach ich gleich.“

Die Mädels verschwinden um die Ecke und Mathias sieht mich wieder fragend an.

„Ähm, ja klar mach ich.“ Damit wendet er sich ab und ich mache mich daran David zu suchen.

Ein kurzer Blick in den Garten sagt mir, dass er auf jeden Fall nicht unter den Jungs ist, die immer noch im Garten sich den Ball zuspielen. Also gehe ich wieder ins Haus.

Im Wohnzimmer sind immer noch einige Gäste, aber deutlich weniger als vorhin, und spielen Flaschendrehen. Das Spiel fand ich schon immer etwas albern, aber sie scheinen zumindest Spaß dran zu haben, doch hier kann ich David auch nicht entdecken.

Mein Blick in die Küche und in den Flur ist auch erfolglos.

Wo ist er denn hin? Im zweiten Stock? Da ist Alinas Zimmer, wo Katrin wahrscheinlich noch drin ist. Kann ich mir aber auch nicht vorstellen, dass er bei ihr ist und gegangen ist er sicherlich nicht ohne uns. Der einzige Ort der mir noch einfällt ist das Gästezimmer, wo unsere Jacken liegen. Ohne groß nachzudenken gehe ich den kleinen Flur entlang, stoße die Tür auf und mache das Licht an.

„Scheiße!“ Höre ich jemanden zichen und mein Blick fällt sofort auf die Ecke des Zimmers, wo das schmale Bett steht und entdecke Basti.

Basti, mein bester Freund. Basti, den ich seit meiner Kindheit kenne, mit dem ich meine Jugenweihe gefeiert habe, mit dem ich zusammen das erste Mal heimlich ein Bier getrunken habe. Basti, der jetzt zusammen mit Katrin in diesem Bett liegt. Beide nur noch mäßig bekleidet und mit rot geküssten Lippen.

Vollkommen schockiert stehe ich immer noch im Türrahmen, eine Hand am Lichtschalter.

„Kai, also, äh das ist jetzt echt nicht so...äh...“ fahrig versucht er seine Haare zu ordnen.

„Du meinst, es ist nicht so wie es aussieht?“ sage ich kalt.

Ein bitterer Kloß bildet sich in meinem Hals und ich bin erstaunt wie ruhig ich noch bin. Vollkommen kalt betrachte ich diese Szene, habe nur diesen bitteren Geschmack im Mund. Der Geschmack nach Verrat!

„So ist das also. Deshalb wolltest du also dass ich mit ihr Schluss mache. Verstehe.“

„Nein! Kai, so ist das nicht!“ Hastig ordnet er seine Klamotten und zieht sein Shirt wieder an, während Katrin wie erstarrt immer noch auf dem Bett liegt und mich mit weit aufgerissenen Augen anstarrt. Mein Blick trifft ihren und mir wird noch kälter. Eiskalt. Nordpolarkalt.

„Und du, kaum geht es nicht nach deiner Nase, poppst du mit wem Anderen, ja? Nur weil ich es nicht mit dir in einem versifften Keller treiben wollte, hm? Dabei wollte ich mich sogar entschuldigen. Oh ich bin so ein Dummkopf!“

Doch sie sagt nichts, schaut nur betroffen auf ihre Hände, die sich nervös ineinander verknoten.

„So ist das nicht Kumpel! Sie, also, sie war echt fertig wegen dir und da...“

„Ach halt doch die Klappe!“, schreie ich nun doch wütend. Meine Geschichtszüge fühlen sich ganz verkrampft an und in meinem Bauch fängt es an zu brodeln.

„Ich sehe doch was abgeht! Der tolle Basti will gleich die erste Gelegenheit nutzen mit dem einzigen Mädchen in unserer Klasse zu poppen, mit der er es bisher noch nicht getrieben hat! Scheiß doch auf seinen besten Freund, der schafft es ja eh nicht es seiner Freundin richtig zu besorgen. Herzlichen Glückwunsch! Ich könnte einfach nur kotzen, wenn ich dich sehe! Und ich dachte du wärst mein bester Freund.“ Damit drehe ich mich um und knalle die Tür mit so viel kraft wie meine zitternden Arme aufbringen können zu.

Mir ist einfach nur schlecht, und in meinem Kopf pocht es schmerzhaft.

Gedankenverloren und mit gesenktem Blick eile ich den Flur zurück, ohne wirklich zu wissen wo ich hin will und renne prompt in jemanden hinein.

„Hey hey, ganz ruhig Brauner!“

Mein Kopf zuckt nach oben und meine Augen treffen auf Nebel. „David...“, hauche ich verwirrt. Seine Augenbrauen ziehen sich fragen zusammen und mir wird bewusst, dass er mich an den Schultern festhält.

„Was ist passiert?“

„Nichts...ich will nur weg...“

Doch bevor ich etwas sagen kann höre ich wieder Bastis Stimme hinter mir, der meinen Namen ruft. Wütend mache ich mich aus Davids Griff los und drehe mich um.

„Was ist?!“, blaffe ich zurück.

„Bitte, lass uns bitte drüber reden!“

„Ich will nicht reden! Ich will nie wieder mit dir reden! Hau gefälligst ab und nimm deine Schlampe mit!“

Ich stürme an ihnen vorbei zur Eingangstür, und verlasse fluchtartig das Haus. Draußen schlägt mir der kalte Wind unangenehm entgegen, doch das ist mir egal. Ich will weg. Weit weg!

Ich gehe einige Schritte, ohne richtig zu registrieren in welche Richtung ich überhaupt laufe. Hinter mir höre ich ebenfalls Schritte, schnell folgen sie mir. In der Annahme es ist Basti drehe ich mich wieder um und will ihm die nächste Schimpftirade an den Kopf werfen, doch überraschender Weise steht nicht mein ehemals bester Freund vor mir, sondern David.

Mit seinen durchdringendem Blick mustert er mich besorgt, kommt aber nicht näher. Still ist es um uns herum und mir wird plötzlich bewusst, dass ich keine Jacke trage. Sie liegt immer noch drinnen im Haus, in dem Raum wo mein bester Freund mich gerade betrogen hat.

Mir ist etwas kalt, doch rein gehen werde ich bestimmt nicht nochmal, ich will weg. Nach Hause. Verdammt, wo bleibt Sheila nur?

„Psst, ganz ruhig. Atme erst mal durch.“, sagt David mit einer sanften Stimme. Erst jetzt fällt mir auf das ich viel zu schnell atme. Kurz schließe ich die Augen und versuche runter zu kommen, doch noch immer brodelt es in mir.

„Brauchst du etwas?“

Mit den Händen reibe ich über meine Unterarme. „Meine Jacke, sie liegt noch drinnen.“

„Warte hier, ich hol sie.“ Und schon eilt er mit federnden Schritte zurück zum Haus.

Ich bin in dem Moment einfach nur froh, dass er mich nicht gleich mit Fragen bombardiert, denn hätte er mich jetzt auch noch ausgequetscht was gerade passiert ist, ich wäre komplett ausgerastet, schätze ich.

Es dauert nicht lang bis er wieder kommt und ich fahrig meine Jacke überstreife. „Weißt du ob dein Bruder bald kommt? Wir wollten eigentlich eh gerade gehen.“

Er nickt.

„Ja, er und deine Schwester kommen gleich, habe ihnen gesagt das wir draußen auf sie warten.“

„Danke...“, flüstere ich leise.

„Keine Ursache.“

Dann stehen wir hier, es ist immer noch windig, aber nicht mehr so unangenehm wie gerade eben. Keiner von uns sagt ein Wort, trotzdem ist es keine unangenehme Stille. Er lässt mir Zeit, wartet ob ich von mir aus etwas erzählen will und ich genieße es endlich mal nicht unter Druck zu stehen.

David hat eine angenehme Art an sich, alleine seine stumme Anwesenheit beruhigt mich ungemein. Vorsichtig schiele ich zu ihm rüber, doch er steht ganz ruhig da, ganz entspannt starrt er nach oben zu den Sternen.

Ich habe plötzlich das Gefühl, dass selbst wenn ich nichts sagen würde, würde er es kommentarlose akzeptieren. Einfach so. Vielleicht ist das auch der Grund weshalb ich plötzlich von mir aus zu reden anfange. Etwas, was ich sonst eher selten mache.

„Ich habe gerade meinen besten Freund mit meiner Freundin im Bett erwischt.“, sage ich tonlos. David nimmt den Blick von den Sternen und sieht mich an, sagt aber nichts, lässt mich einfach erzählen, was ich erzählen will. Ganz ohne Druck, ohne Zwang.

„Er ist ein totaler Weiberheld, ich hätte aber nie gedacht das er so was tut. Nur wegen dem Streit mit Katrin hat er das ausgenutzt. Dabei sind...äh...waren wir noch zusammen. Also ich und Katrin. Es war doch nur ein kleiner Streit. Ich weiß nicht, aber ich fühle mich irgendwie von ihm betrogen. Wir kennen uns schon sehr lange, er ist...war mein bester Freund!“

David wartet ab, ob ich noch etwas sagen will, ehe er leise anfängt zu sprechen.

„Du bist auf deinen besten Freund sauer?“

Ich muss bitter lachen. „Und wie! Ich möchte ihn am liebsten...arg!“

„Und auf deine Freundin?“

„Weiß nicht, Ja...nein...vielleicht. Immerhin waren wir zusammen, auch wenn es nicht so Bombe lief. Aber wirklich böse bin ich nicht auf sie. Sie ist mir eigentlich egal.“

„Kurze Zusammenfassung: Du fühlst dich aber nur von deinem Freund betrogen. Es liegt dir viel an eurer Freundschaft, an Katrin aber nichts. Du fühlst dich von ihm verraten, einfach weil er dich hintergangen hat.

Also, es war nicht richtig was er getan hat, aber vielleicht solltest du wirklich mit ihm darüber reden, gerade wenn er dir als Freund wichtig ist. Und das mit deiner Freundin, nun ja, überlege doch erst mal, ob es so nicht vielleicht besser ist.“

„Hm, ja kann sein. Ich bin gerade einfach nur enttäuscht von ihm. Lass uns...lass uns über was anderes reden, ich brauche jetzt einfach nur eine Ablenkung.Bitte!“

„Ok.“

Doch wir bleiben einfach nur stumm nebeneinander stehen und hängen unseren Gedanken nach. Er Wind bringt die Büsche, die hier stehen zum rauschen und am Himmel ziehen einige Wolken rasend schnell vorüber. Der Mond ist nur eine kleine Sichel am Himmel.

„Hast du morgen schon was vor?“ Seine Stimme ist so leise und zart, dass ich einen Moment brauche um zu merken, dass er mit mir spricht.

„Nein...“, hauche ich in die Nacht hinein.

„Hast du...also nur wenn du Zeit hast, aber hast du Lust mit mir was zu unternehmen? So als Ablenkung?“

Misstrauisch schaue ich ihn an. „Ich hab dir doch gesagt, dass ich nicht schwul bin.“

Er schüttelt den Kopf.

„Ich will ja auch kein Date. Nur als Freunde.“ Er zuckt mit den Schultern.

„Weiß nicht.“

Morgen würde ich den ganzen Tag wahrscheinlich nur vor der Konsole, oder dem Rechner hängen, Sheila würde mich vielleicht nerven, dass ich Katrin unrecht getan hätte, Basti wird vielleicht versuchen mich anzurufen, oder sogar vorbei kommen um mit mir zu reden und meine Mutter wird anfangen mich mit Fragen zu löchern, wenn sie mitkriegt, dass ich mich von meiner Freundin getrennt habe. Wunderbare Aussichten.

„Doch, klingt eigentlich nicht schlecht, wann und wo?“

Er lächelt sanft, als er antwortet.

„Kommt darauf an, wie lange zu schläfst.“

„Das heute war 'ne Ausnahme, normalerweise stehe ich früher auf.“ brumme ich gespielt beleidigt.

„Ok, dann, wir wäre es wenn ich dich um Neun Uhr früh abhole?“

„Was so früh? Dann kann ich ja nicht mal ausschlafen!“

„Wir brauchen von hier mindestens anderthalb Stunden bis nach Berlin rein, deshalb wäre es praktisch, wenn wir früh genug losfahren.“

„Wir fahren nach Berlin? Hm, ok das ist was anderes, aber du musst mir dafür einen Kaffee bei Starbucks spendieren!“ Ich sehe ihn herausfordernd an.

„Gut, aber erst habe ich noch was anderes vor, wir können danach zu Starbucks.“, lacht er vergnügt.

„Wo gehen wir denn hin?“

„Das ist eine Überraschung.“

„Ich mag keine Überraschungen.“

„Ich sage es dir aber trotzdem nicht, nachher kneifst du noch.“

„Jetzt bekomme ich Angst.“

„Brauchst du nicht.“, versucht er mich zu beschwichtigen, aber trotzdem habe ich ein mulmiges Gefühl dabei.

„Kai, David, kommt ihr?“, höre ich meine Schwester rufen, die am Auto steht und uns zu winkt. Oh...sie hatte ich schon fast wieder vergessen.

Hastig laufen wir zum Auto, und mit Erleichterung stelle ich fest, dass Katrin nicht mit uns fährt. Keine Ahnung, ob sie hier bleibt, oder ob sie mit Basti fährt, aber das ist mir auch egal.

Sheila sitzt wieder vorne neben ihrem Freund, also klettere ich mit David auf den Rücksitz vom Mercedes. Jetzt wo ich sitzen kann, überkommt mich eine starke Müdigkeit und ich lasse mich erschöpft in den Sitz sinken. Der Abend war einfach furchtbar anstrengend und auch wenn ich es bisher nicht gemerkt habe, fordert mein Körper jetzt seinen Tribut ein. Ich brauche unbedingt Ruhe. Ruhe und Schlaf.

Da der Platz in der Mitte eh frei ist, weil wir nur noch zu zweit hinten sitzen, lege ich mich so bequem wie es eben geht auf die Seite und schließe entspannt die Augen, während wir fahren. Mein Kopf liegt dabei direkt neben Davids Oberschenkel und ich kann wieder diesen tollen Duft riechen. Hm, ich muss ihn wirklich mal fragen wo man das kaufen kann...

Ich bin schon fast komplett weggedämmert, als ich eine Berührung spüren kann.

Sie ist Federleicht und sanft.

Streicht über mein Haar und wandert dann sachte in meinen Nacken. Es kribbelt unter meiner Haut, doch nicht unangenehm.

Nein, das ist schön...

Unendlich zart streichen Fingerkuppen über die empfindliche Haut, und als ich nicht reagiere, nicht reagieren kann, wird die Berührung etwas fordernder und seine Hand streichelt meine Haut. Es ist angenehm entspannend, beruhigend, schön...

Warme, kräftige Hände in meinen Haaren...dann wieder im Nacken...auf meiner Wange...es kribbelt...ich muss seufzen...schön...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2015-04-02T19:35:38+00:00 02.04.2015 21:35
Awww<3
Man ist da was los gewesen,ein richtig turbolentes Kapitel
Und ich hätte jetzt wirklich nicht,dass Basti mit Katrin schläft (doofer Basti ò^ó)
Aber die gute Nachricht ist:
David und Kai sind sich endlich näher gekommen <3 (Go David!!)


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