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Ein Augenblick, um das Richtige zu tun

Kapitel 25: Ein Augenblick, um das Richtige zu tun


 

„Wie seh ich aus?“
 

Matsuri musterte ihre Freundin kritisch. Temari trug ein violettes, Figur umspielendes Top mit halblangen Ärmeln und dazu einen kurzen, schwarzen Rock. Und sie hatte sich seit Monaten wieder dezent geschminkt.
 

„Dafür dass du schwanger bist und es dir seit Wochen scheiße geht, hast du das Beste aus dir herausgeholt“, sagte sie und streckte beide Daumen nach oben. „Deinen Bauch, deine ungesunde Hautfarbe und deine Augenringe hast du jedenfalls gut kaschiert.“

„Ich hoffe nur, dass sich mein Magen heute zur Abwechslung mal zusammenreißt“, murmelte sie.

„Das wäre wirklich ein ziemlicher Abtörner“, stimmte ihre beste Freundin zu. „Aber wird schon werden. So ein Date ist doch mindestens so eine gute Ablenkung wie ein Videospiel.“

„Hoffentlich.“
 

Die beiden verließen das Bad und gingen zurück ins Wohnzimmer.

Kairi turnte auf der Couch herum und lachte mit ihrem Onkel um die Wette.

Ein flüchtiges Lächeln huschte über Temaris Lippen. Es war eine schöne Vorstellung, wenn er sich auch so liebevoll um das zweite Kind kümmern würde, wenn es auf der Welt war, aber zu diesem Zeitpunkt war das ein weit entfernter Traum.

Kankurou sah auf und betrachtete seine Schwester.
 

„Dein Oberteil könnte enger sein“, bemerkte er, „aber du wirst Manabu garantiert gefallen. Du siehst heiß aus.“

„Sag bitte nicht noch einmal, dass du mich heiß findest“, entgegnete sie. „Ich finde es nämlich merkwürdig, das von meinem eigenen Bruder zu hören.“

„Das sollte nur ein Kompliment sein“, sagte er und grinste. „Und jetzt verschwinde, bevor du noch zu spät kommst.“
 

Temari drückte ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn, dann verabschiedete sie sich von Matsuri und Kankurou und ging.

Als sie die Haustür hinter sich zuzog, überkam sie ein flaues Gefühl. Sie wusste nicht, ob sie das Richtige tat. Absolut nicht.
 

---
 

Manabu wartete vor dem Lokal bereits auf sie.

Er begrüßte sie mit einer herzlichen Umarmung, von der sie sich überrumpelt fühlte – sie kannte ihn schließlich kaum –, dann führte er sie zu dem Platz auf der Terrasse, den er reserviert hatte.

Wie ein Gentleman zog er den Stuhl vom Tisch und sie setzte sich.

Um ein Gespräch noch etwas hinauszuzögern, griff sie nach der Speisekarte und studierte sie. Temari überflog die einzelnen Seiten, ohne deren Inhalt wirklich zu sehen. Vor ihren Augen herrschte ein einziger Buchstabensalat.
 

Was tat sie hier?
 

Sie sollte zu Hause sein und Kairi fürs Bett fertig machen. Ihre Windel wechseln und ihre Kleidung gegen Schlafanzug und Schlafsack austauschen, ihr das Lieblingsbuch vorlesen und ihre Tochter in den Schlaf begleiten, indem sie ihre Hand hielt.

Doch stattdessen hatte sie ein Date mit einem im besten Fall Bekannten, von dem sie keine Liebe, sondern maximal Sex wollte. Etwas das sie genauso gut von irgendeinem Typen, den Matsuri kannte, bekommen konnte.
 

Gott, was zur Hölle machte sie hier?
 

„Schwere Entscheidung, oder?“, riss Manabu sie aus ihren Gedanken.

„Ja“, sagte sie tonlos. „Viel zu viel Auswahl.“
 

Temaris Blick wanderte zu den Reisgerichten. Im Grunde hatte sie keine Lust, etwas zu essen, da es bei der nächstbesten Gelegenheit ohnehin in der Toilette landete, aber sie wollte nicht unhöflich sein.
 

Ein Kellner notierte die Bestellung und fragte nach den Getränken.
 

„Wie wäre es mit einem guten Wein?“, schlug der Mann vor. „Wir haben einen neuen Rotwein im Sortiment, der –“
 

Sie schüttelte den Kopf und brachte die Bedienung zum Verstummen.
 

„Nein, danke“, sagte sie. „Ich trinke keinen Alkohol mehr.“
 

Ihre Hand huschte unter dem Tisch zu ihrem Bauch.

Zuletzt hatte sie einige Wochen, bevor sie schwanger geworden war, etwas getrunken. Drei von den grellgrünen Cocktails, die ihre beste Freundin ihr aufgequatscht hatte. An dem Abend vor viereinhalb Monaten, als sie Koutarou kennengelernt hatte.
 

„Dann also ein Wasser und einmal Sake“, schloss der Kellner. „Kommt sofort!“
 

Sie hatte den Geruch von Sake vor der Schwangerschaft nie gemocht und sie glaubte nicht, dass sich das geändert hatte. Sie hoffte nur, dass sie sich nicht sofort übergeben musste, wenn ihr der eigenwillige Duft von dem Zeug in die Nase stieg. Das hieß, wenn Manabu sich ihr überhaupt weit genug näherte, damit sie es riechen konnte.
 

Temari klappte die Speisekarte zusammen und legte sie beiseite. Um ihre Verabredung nicht direkt ansehen zu müssen, nahm sie einen Bierdeckel und drehte ihn zwischen den Fingern hin und her.

Sie kam sich blöd vor. Warum war sie überhaupt hergekommen, wenn sie keine Lust auf die Prozedur eines ersten Dates hatte?
 

„Bist du nervös?“, fragte Manabu.
 

Sie fühlte sich erwischt.
 

„Eigentlich nicht“, erwiderte sie. „Es ist nur ein bisschen seltsam, da meine letzte Beziehung noch nicht so lange her ist.“

„Das hat Kankurou mir schon erzählt“, sagte er. „Es hat mich ziemlich überrascht, als er vor ein paar Tagen gesagt hat, dass du dich doch mit mir treffen möchtest.“
 

Sie hielt inne, hob ihren Blick und schaute ihn an.

Er trug keine Sonnenbrille und sie fand sein markantes Gesicht im Zusammenspiel mit den kurzen, blonden Haaren und den blauen Augen gar nicht so übel. Ihr fiel auf, dass er ein breites Kreuz hatte und sich seine Brustmuskeln unter seinem T-Shirt abzeichneten, was ziemlich ungewöhnlich für einen Shinobi war. Vom Typ her war er ganz anders als ihre Exfreunde. Aber das kam ihr gar nicht so ungelegen, da sie sich an beide im Moment nicht erinnern wollte. Erst recht nicht an den, der sie Anfang Mai geschwängert und sitzen gelassen hatte.

Eine Tatsache, die es nur umso absurder machte, dass sie gerade ein Rendezvous hatte.
 

„Ich dachte, es kann nicht schaden, mal wieder etwas anderes zu sehen“, antwortete Temari schließlich. „Zuhause fällt mir die Decke auf den Kopf und ich möchte nicht auf Ewig alleinerziehende Mutter bleiben.“

„Dann suchst du einen Ersatzvater für deine Tochter?“
 

Sie lächelte.
 

„Nein, den Job erledigt Kankurou schon, seit Kairi auf der Welt ist.“

„So klingt er manchmal auch“, entgegnete Manabu amüsiert. „Er redet wirklich viel von euch beiden.“

„Das ist irgendwie gruselig“, sagte Temari und zog skeptisch die Augenbrauen zusammen. „Das muss auf andere wirken, als hätten wir ein inzestuöses Verhältnis oder so.“

„Überhaupt nicht.“ Er schüttelte den Kopf. „Es ist doch schön, wenn man sich in der Familie so gut versteht. Ich habe den Eindruck, dass es heute eher selten geworden ist, dass Geschwister so aufrichtig miteinander umgehen.“

„Ja“, gab sie zurück, doch ihr Lächeln verschwand. „Kann schon sein …“
 

Von wegen …

Sie war gegenüber Kankurou weder aufrichtig, noch ehrlich, noch sonst irgendwas in die Richtung. Sie war jedem gegenüber unehrlich und verlogen. Ihren Brüdern, ihrem Date, Koutarou, dem Vater ihrer Kinder.
 

„Wenn du dich unwohl fühlst“, warf Manabu ein, „können wir das hier auch abbrechen.“

„Mir geht’s gut“, entgegnete sie im Affekt. „Ich bin nur ein wenig hungrig.“
 

---
 

Das Essen schmeckte und blieb in ihrem Magen und es wurde tatsächlich ein netter Abend.

Ihre Verabredung war ein interessanter Gesprächspartner mit einer bodenständigen Lebenseinstellung, war sich aber auch für keinen Witz zu schade.

Temari konnte nachvollziehen, warum Kankurou so darauf beharrt hatte, dass sie sich mit seinem Kollegen traf. Er schien wirklich kein schlechter Fang zu sein, wenn …
 

Das leidige Wenn.

Wenn sie eine neue Beziehung wollen würde. Wenn sie keine Gefühle mehr für ihren Exfreund hätte. Wenn sie von eben diesem nicht ein zweites Mal schwanger wäre.
 

Sie lauschte einer Anekdote, die Manabu erzählte und ihr Mund bog sich zu einem Lächeln.

Ihr Gewissen klopfte auf penetrante Weise an und schaffte es, ihr ein wenig die gute Laune zu verderben. Sie machte jemandem etwas vor und amüsierte sich noch dabei. Das war doch Mist. Manabu hatte ein Recht darauf, dass sie ehrlich zu ihm war. Genauso wie die anderen, bei denen sie die Chance darauf verstreichen gelassen hatte.
 

„Jetzt rede ich hier die ganze Zeit“ – er lachte – „dabei hast du doch bestimmt auch was zu erzählen, oder?“
 

Das hatte sie, nur leider war sie bei ihrem Date damit an der falschen Adresse.
 

„Entschuldige“, murmelte Temari, „aber ich sollte besser gehen.“

„Stimmt etwas nicht?“, fragte er.

„Mit dir schon“, antwortete sie. „Du bist wirklich ein netter Typ, ganz wie Kankurou gesagt hat …“
 

Er schaute sie vor Verblüffung an und zog die Stirn kraus.
 

„Ich bin das Problem“, klärte sie ihn auf. „Und du hast was Besseres als mich verdient.“
 

Sie wollte aufspringen und einfach gehen, doch dann wäre sie sich feige vorgekommen. Und in den letzten Monaten war sie schon vor zu vielen Dingen davongelaufen.
 

„Woher willst du das wissen, wenn –“
 

Ein Handwink von ihr und er sprach nicht weiter.
 

„Wir sitzen seit zwei Stunden hier und unterhalten uns und obwohl ich eigentlich keinen Grund dazu habe, bin ich von Anfang an nicht ehrlich zu dir gewesen.“ Sie musterte ihn und als er nichts sagte, fuhr sie fort: „Ich bin im vierten Monat schwanger und der Vater ist derselbe wie der von meiner Tochter.“
 

Manabu stieß einen tiefen Atemzug aus.
 

„Mann“, sagte er überrascht, „davon hat dein Bruder aber nichts erwähnt.“

„Er weiß es nicht“, entgegnete Temari. „Also sei nicht wütend auf ihn. Es wäre schade, wenn euer Arbeitsklima wegen mir in Mitleidenschaft gezogen wird.“
 

Er lehnte sich zurück und nun spielte er am Fuß seines Weinglases herum.
 

„Mann“, wiederholte er. „Das ist mir bei einem Date wirklich noch nie passiert.“
 

Er sah ihr direkt in die Augen und es beruhigte sie, dass in seinem Gesicht weder Ärger noch Enttäuschung stand. Ja, er wirkte sogar eine Spur belustigt darüber.
 

„Es tut mir leid, dass ich dir jetzt den Abend versaut habe“, sagte sie, „und wenn ich dir falsche Hoffnungen gemacht habe.“

„Das hast du nicht.“ Manabu schüttelte den Kopf und winkte ab. „Aber ich stelle mir gerade trotzdem die Frage, warum du hergekommen bist, wenn du doch jemanden hast.“
 

Sie lächelte traurig.
 

„Ich habe niemanden.“
 

---
 

In Temaris Kopf hämmerte es, als sie die Haustür aufschloss.

Sie wusste, dass sie das einzig Richtige getan hatte und sie hatte sich vorgenommen, dies gleich noch mal zu wiederholen und Kankurou die Wahrheit zu sagen.

Sie trat in den Flur und sah, dass im Wohnzimmer noch Licht brannte. Sie zog ihre Schuhe aus, setzte sich in Bewegung und mit jedem Schritt schlug ihr Herz ein wenig schneller.

Ihr kam die Idee, dass es vielleicht gar nicht so schlimm wurde, wie sie es sich in den letzten Wochen ausgemalt hatte. Warum sollte ihr Bruder die gute geschwisterliche Bindung wegen so einer Bagatelle kappen? Sie war schwanger und von wem das Kind war, konnte doch im Grunde egal sein …

Ja, im Grunde, aber sie wusste, dass es ihm nicht egal sein würde. Und das konnte sie verstehen.
 

Kankurou hatte sich in den Sessel gefläzt, ließ sich von einem alten Martial Arts-Streifen berieseln und knabberte nebenbei ein paar Salzstangen.
 

„Du bist schon zurück?“, fragte er. „War ja ’n kurzes Date.“
 

Temari setzte sich auf die Couch, nahm die Fernbedienung vom Tisch und schaltete den Fernseher aus.
 

„Hey, ich wollte das sehen!“, protestierte er und versuchte, ihr das Gerät wieder abzuluchsen. Er streckte sich und fuchtelte herum, doch sie rückte ein Stück nach links und brachte sich so in Sicherheit.
 

Entschlossen blickte sie ihren Bruder an und er stellte seine Kinderei ein.
 

„Stimmt was nicht?“

„Mehr oder weniger“, erwiderte sie. „Wir müssen reden.“
 

Kankurou zog seine Augenbrauen zusammen und brach in Gelächter aus.
 

„Willst du etwa mit mir Schluss machen?“, flachste er.

„Wie lustig“, sagte sie trocken. „Es ist mir ernst. Also hör auf mit dem Scheiß.“
 

Er hörte auf zu lachen und schaute sie aufmerksam an.
 

„War das Date etwa ein Reinfall?“, fragte er weiter. „Wenn ja, ich hab nichts damit zu tun.“

„Nein“, gab sie zurück, „es war nett. Aber darum geht’s nicht.“

„Na, dann red nicht so drumherum und rück mit der Sprache raus, damit ich den Film weitergucken kann.“

„Der kann warten.“

„Ich kenn ihn aber noch nicht.“

„Dann leih ich ihn dir morgen aus“, erwiderte sie in einem Anflug Genervtheit. „Aber jetzt halt endlich mal für ’nen Moment die Klappe!“
 

Er verzog irritiert das Gesicht, schwieg aber.
 

Temari überlegte, wie sie die Nachricht am besten formulieren sollte, doch geradeheraus war bei ihrem bisweilen begriffsstutzigen Bruder die beste Wahl.
 

„Ich bin wieder schwanger“, sagte sie.
 

Kankurou blinzelte sie vor Ungläubigkeit an.
 

„Wie bitte?“, fragte er. „Wie hast du denn das geschafft?“
 

Sie überhörte seine letzte Bemerkung.
 

„Du hast schon richtig gehört.“

„Wow, damit hab ich nicht gerechnet“, meinte er und grinste vor Belustigung. „Von wegen, du hattest keinen Sex … Du hättest es ruhig zugeben können.“

„Ja, damit du dir wie jetzt das Maul drüber zerreißen kannst, was?“, merkte sie sarkastisch an.

„Ist doch nur ein bisschen Spaß. Wann hast du es denn krachen lassen?“

„Als du in Kumogakure warst.“

„Verstehe“ – das Grinsen ihres Bruders nahm ganz merkwürdige Züge an – „dann hast du Koutarou abserviert, weil er’s nicht bringt, hm?“
 

Sie hatte sich mögliche Reaktionen von ihm vorgestellt, aber so etwas Absurdes wäre ihr niemals in den Sinn gekommen.
 

„Hast du gesoffen?“, erwiderte Temari beherrscht.
 

Er zuckte die Achseln.
 

„Ein Bier. Mehr nicht.“

„Dann reiß dich gefälligst zusammen und benimm dich nicht wie ein pubertierender Jugendlicher!“, fuhr sie ihn an. „Es hat mich nämlich echt Überwindung gekostet, dir das zu sagen.“

„Warum denn?“

„Weil deine nächste Nichte oder dein Neffe wie Kairi ohne Vater aufwachsen wird.“

„Und warum?“, entgegnete er. „Koutarou wohnt doch vor Ort. Selbst wenn eure Beziehung aus irgendeinem Grund nicht funktioniert hat, wird er sich sicher um sein Kind kümmern. So viel Anstand hat er.“

„Das würde er“ – sie nickte – „wenn es sein Kind wäre.“
 

Kankurous Grinsen verflüchtigte sich.
 

„Es ist nicht seins?“, fragte er argwöhnisch. „Wie weit bist du denn jetzt?“

„In der vierzehnten Woche“, antwortete sie. „Es ist mehr oder minder bei einem One-Night-Stand passiert und da ich deswegen ein schlechtes Gewissen hatte und ich Koutarou nichts vormachen wollte, hab ich mit ihm Schluss gemacht. Von der Schwangerschaft wusste ich da aber noch nichts.“

„Ein One-Night-Stand?“, wiederholte ihr Bruder kritisch. „Wenn du es so nötig hattest, warum hast du es dann nicht mit ihm gemacht? Hat Matsuri hier etwa so ’nen Kerl angeschleppt, den du so geil fandest, dass du nicht widerstehen konntest?“

Sie überhörte den zweiten Teil seiner Aussage und antwortete: „Nein, hat sie nicht.“

„Was hat dich dann dazu gebracht, deine neue Beziehung wegzuwerfen? Und warum dachtest du, dass du das so lange vor mir verheimlichen musst?“
 

Temari senkte den Blick und antwortete nicht.
 

„Klar, ich bin nicht begeistert darüber, dass du bald zwei Kinder hast und immer noch allein erziehende Mutter bist und wie schon bei Kairi eine Menge Arbeit an mir kleben bleiben wird“ – Kankurou holte tief Luft und schenkte ihr ein Lächeln – „aber die Familie ist doch dafür da, dass man sich gegenseitig hilft und unterstützt.“
 

Tränen stiegen ihr in die Augen.

Sie hatte gedacht, dass sie ihren Bruder kannte, aber sie hatte ihn wirklich falsch eingeschätzt. Bis zu diesem Punkt zumindest, denn sie glaubte nicht, dass er an seinen Worten festhielt, wenn sie ihm erzählte, wer für das Ganze verantwortlich war.
 

„So, und nun ist es raus und du kannst diesen furchtbaren Schlabberlook wieder in den Kleiderschrank verbannen“, witzelte er. „So viel sieht man doch auch noch nicht, oder?“
 

Sie zog ihr Oberteil hoch und zeigte ihm ihren Bauch.
 

Er stieß einen Pfiff aus und fragte: „Sicher, dass du erst im vierten Monat bist?“

„Ja“, sagte sie und ließ den Saum ihres Tops wieder los. „Alles andere ist ausgeschlossen, schließlich hatte ich es nur an dem einen Abend.“

„Einmal gevögelt und schon wieder schwanger“, bemerkte er. „Du hast den Zufall wirklich auf deiner Seite.“

„Ja, ja, mach dich nur drüber lustig …“
 

Sie fuhr sich mit dem Handrücken über ihre Augen und entfernte die Feuchtigkeit, bevor sie noch losheulte. Die Tränen sparte sie sich für später auf.
 

Kankurou machte einen Satz zum Sofa herüber und setzte sich neben sie. Er legte ihr einen Arm um die Schultern und grinste.
 

„Und?“, fragte er mit einem Augenzwinkern. „Wem hast du das Ganze zu verdanken?“
 

Seine Frage ließ sie zusammenzucken.
 

„Ist es dir so peinlich?“, spaßte ihr Bruder. „Dann kenn ich ihn?“
 

Temari nickte.
 

„War es dieser Penner, der immer an der Ecke vom Supermarkt rumhängt?“, scherzte er. „Wenn er es ist, kann ich verstehen, dass du lieber –“

„Kannst du nicht einmal ernst bleiben?“, fuhr sie ihm ins Wort. „Wirklich, ich kann nicht darüber lachen. Und du gleich sicher auch nicht mehr.“

„Wer ist es denn?“, gab er zurück. „Ein Kleinkrimineller, ein Minderjähriger oder ein alter Sack? Spuck’s schon aus, so schlimm kann’s doch nicht sein!“
 

Ja, für sie gab es tatsächlich Schlimmeres, aber …

Sie schaute ihm in die Augen, hielt seinem Blick aber nicht lange stand. Sie wollte nicht sehen, wie sie ihm das amüsierte Lächeln von den Lippen fegte. Sein Unverständnis. Und vor allem wollte sie seine Enttäuschung nicht sehen.
 

„Shikamaru war hier“, sagte sie tonlos. „Es ist sein Kind.“
 

Sie spürte, wie sich der Arm ihres Bruders kurz anspannte.
 

„Sag mir bitte, dass das ein schlechter Scherz ist“, presste er hervor. „Das finde ich nämlich nicht lustig.“
 

Sie schüttelte den Kopf und er ließ von ihr ab, als wäre ihm bewusst geworden, dass er einen hochgiftigen Skorpion umarmte.

Vor Wut biss er die Zähne zusammen und ballte seine Hände zu Fäusten.
 

„Du hast dich von diesem Mistkerl wieder schwängern lassen? Das Arschloch, das sich nicht mal um sein erstes Kind kümmert?!“, fluchte Kankurou aufgebracht. „Wie kannst du nur nach alldem noch einmal mit dem in die Kiste springen?“

„Ich hatte fast eineinhalb Jahre keinen Sex mehr!“, sprudelte es aus Temari heraus.
 

Augenblicklich bereute sie ihre Antwort. Ja, es war mit ein Grund gewesen, warum sie mit ihm geschlafen hatte, aber es spielte im Ganzen nur eine untergeordnete Rolle.
 

„Wenn’s nur darum ging: Warum zur Hölle hast du dich dann nicht von Koutarou vögeln lassen?“

„Glaubst du etwa, dass es so einfach ist?“, erwiderte sie. „Meinst du, dass ich das nicht getan hätte, wenn es mir nur um Sex gegangen wäre?“

„Oh, was hat dir der Arsch denn vorgelogen, um dich um seinen kleinen Finger zu wickeln? Oder sollte ich besser sagen: Um dich flachzulegen? Wie dumm kannst du nur sein?“

„Ich –“ Sie brach ab.
 

Wenn er sie so anging, war sie ihm keine Rechenschaft schuldig. Sie war ihm, was das betraf, überhaupt keine Rechenschaft schuldig.
 

„Ach, was weißt du denn schon?“ Ihre Stimme zitterte vor Ärger. „Du hast doch keine Ahnung, was in mir vorgeht!“

„Offensichtlich nichts Gutes“, sagte Kankurou bitter, „wenn du nach der Zeit immer noch deiner gescheiterten Beziehung hinterher trauerst und augenblicklich die Beine für ihn breit machst, sobald er vor der Tür steht.“
 

Temari schaute ihrem Bruder ins Gesicht und da war sie: Die Enttäuschung. Er war wütend und enttäuscht von ihr und dieser Anblick traf sie härter, als sie erwartet hatte.
 

„Er war hier, um seine Tochter zu sehen“, erklärte sie ruhig. „Der Rest hat sich eben so ergeben …“

„Gott, verdammt noch mal!“, fluchte er. „Es geht mich nichts an und es ist mir so was von scheißegal, dass du unbedingt mit ihm vögeln musstest“ – er schnappte nach Luft – „aber warum in drei Teufels Namen lässt du dir ein zweites Kind von ihm machen?“

„Ich –“
 

Sie hielt inne.

Die Frage war angebracht, aber …
 

„Ach, als du eben noch dachtest, dass das Baby von irgendeinem fremden Kerl ist, hat es dich nicht gestört“, merkte sie an, „aber jetzt, da du weißt, wer der Vater ist, regst du dich auf?!“

„Weil er sich einen Scheiß um Kairi kümmert“, erwiderte Kankurou, „deshalb. Oder besteht die geringste Chance, dass es diesmal anders sein wird?“
 

Temari gab keine Antwort.
 

„Ehrlich, warum ist er jetzt nicht hier?“, fragte er.

„Es ist endgültig vorbei“, flüsterte sie. „Also lass es gut sein.“
 

Ihr Bruder sprang auf, hechtete aus dem Wohnzimmer und den Flur entlang. Sie eilte ihm nach.
 

„Was hast du vor?“
 

Er streifte sich seine Weste über und riss die Tür auf.
 

„Kein Kerl schwängert zweimal meine Schwester und zieht sich dann aus der Verantwortung!“, zischte er. „Ich geh jetzt sofort nach Konoha und bring ihn um!“

„Tu das nicht.“ Sie griff nach seinem Arm, um ihn am Gehen zu hindern. „Es ist ganz allein meine Schuld, wie es gekommen ist. Er hat mich gebeten, dass ich mit Kairi zu ihm ziehe, aber da ich das nicht kann, hab ich ihn vor vollendete Tatsachen gestellt und –“
 

Ihre Stimme versagte.

Die Einzelheiten des Gesprächs kamen in ihr hoch und trieben ihr die Tränen in die Augen.

Ja, er war abgehauen, aber Fakt war, dass sie tatsächlich die größte Schuld trug. Wenn sie ihn nicht in der Nacht mit der Wahrheit konfrontiert hätte, dann vielleicht …
 

Nein, es hätte nichts geändert. Nicht mal im Ansatz. Das wusste sie.
 

Kankurous Körperspannung ließ etwas nach.

Temari lockerte ihren Griff und er nutzte es, um sich von ihr loszureißen.
 

„Du bist meine Schwester und ich liebe dich“, murmelte er, „aber irgendwann reicht es auch mal.“
 

Er stürmte nach draußen und warf die Tür hinter sich zu.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Stef_Luthien
2015-04-26T21:20:45+00:00 26.04.2015 23:20
Wow, Kankurous Reaktion ganz am Ende war einfach unbeschreiblich. Ich find es auch iwie süß, dass er das für Temari macht und so unterstützt. :) Und er hat auf jedenfall das Recht Shikamaru jetzt mal wirklich fast unter die Erde zubringen und grün&blau zu kloppen. Ich glaube, dass Shikamaru das jetzt mal wirklich nötig hat. -.-*

Als Temari dann doch zu ihrem Date gegangen ist und Manabu (so hieß er doch oder "^-^?) von ihrer Schwangerschaft erzählt hat und er so locker reagiert hat, war auch sehr überraschend. Ich persönlich hätte eher eine geschockte und vllt auch ein wenig wütende Reaktion erwartet. ;)

Das Kapitel hat mir gut gefallen und ich warte mal gespannt auf die Nächsten beiden, um mir mögliche weitere Gründe ausdenken kann, wieso es jetzt alles genau so ablief und wie das Ende vllt sein könnte XD

LG,
Asuna
Antwort von:  Rabenkralle
28.04.2015 15:49
Dankeschön wieder einmal für dein Review! :)
Aus Kankurous Sicht hat Shikamaru das tatsächlich nötig. xD
Ich wollte Manabu (ja, du hast dir den Namen richtig gemerkt :D), als eher ruhige und besonnere Person darstellen. Temari hätte es zwar verdient, wenn sie mit einem schlechten Gewissen nach Hause gegangen wäre, aber das wollte ich ihr nicht noch zusätzlich antun.
Mach das. Zum Ende ist es ja nicht mehr weit. :)

Liebe Grüße,
Rabenkralle
Von:  fahnm
2015-04-26T21:01:37+00:00 26.04.2015 23:01
Spitzen Kapitel
Antwort von:  Rabenkralle
28.04.2015 15:46
Danke!


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