Zum Inhalt der Seite

Der Schatten des Doktors

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Hoffnung auf vergilbtem Papier

Etwa einen Monat nach der Trennung

*******************************
 

John trat auf die Terrasse der Penthouse-Wohnung. Er wollte für einen Moment dem Trubel hinter sich entfliehen und Atem schöpfen.

Die Firma, die er eigens für den Zweck angeheuert hatte, zerlegte und verpackte gerade die letzten Möbel um sie in den Lastwagen zu bringen, der unten auf der Straße wartete. Das Mobiliar sollte an geeigneter Stelle eingelagert werden, bis er entschieden hatte, ob er London und England ganz den Rücken kehren wollte. Und wenn er sich doch dazu entschied, in diesem Land zu bleiben, dann würde er nicht mehr hier hin zurückkehren wollen, denn alles erinnerte ihn zu sehr an Rose und ihre gemeinsame Zeit …
 

Die wenigen Dinge, die ihm etwas bedeuteten, hatte er bereits selbst eingepackt und in seinem geräumigen neuen Auto verstaut. Es war nicht viel an persönlichem Besitz, vor allem Bücher, ein Laptop und ein paar Geräte, an denen er in der letzten Zeit gebastelt hatte.
 

Dazu Kleidung zum Wechseln und ein paar Dinge, die ihn an die glücklichen Tage an der Seite von Rose erinnerten und die er noch nicht aus der Hand geben konnte und wollte.
 

Seine Geliebte selbst war schon vor einem Monat gegangen, so dass er sie seit dem Tag ihres Abschieds nicht mehr gesehen hatte. Nur Jackie war eine Woche später mit dem kleinen Tony und ein paar Möbelpackern aufgetaucht und hatte ein paar Sachen.

Obwohl sie normalerweise nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg hielt, war sie diesmal ausgesprochen zurückhaltend und freundlich gewesen, hatte nicht noch mehr in den offenen Wunden gebohrt.

Genau so wie Peter Tyler in der Firma hatte sie den Dingen ihren Lauf gelassen und sich nicht eingemischt. Keines von Roses Elternteilen hatte ihm Vorwürfe gemacht, niemand zu vermitteln versucht um wieder alles zu kitten… und dafür war er dankbar.

Denn die Zurückhaltung der beiden half ihm über die Schuldgefühle hinweg zu kommen, die trotz allem in ihm wühlten. Denn er fragte sich, ob er sich nicht doch zu wenig bemüht hatte, einen Kompromiss zu schließen …
 

Obwohl die Leere in der Wohnung manchmal erdrückend gewesen war, hatte er in den vier Wänden doch die Zeit und Muße finden können, um in sich zu horchen und herauszufinden, warum er sich zu zerrissen und uneins mit sich selbst fühlte.
 

So sehr er sich auch dagegen sträubte, er war nicht nur John Smith, der einfache, sterbliche Mensch, er war trotz allem immer noch der Doktor, der schon mehrere Leben hinter sich gebracht und so unendlich viel gesehen hatte.
 

Die Erinnerungen seines „originalen Ichs“ wogen einfach zu schwer, um sie zu vergessen. Nicht ohne Grund war er nach dem Abschied von Rose für ein paar Tage in den hohen Norden gefahren und hatte fernab des Lichtsmogs von London oder anderer großer Städte den winterlichen Sternenhimmel beobachtet.
 

Denn der Teil in ihm, der noch Timelord war, sehnte sich danach einen Weg zurück zu den Sternen zu finden, weiterhin ihre Geheimnisse zu erforschen und natürlich auch heraus zu finden, inwieweit sich dieses alternative Universum wirklich von dem unterschied, in dem sein Original gelebt und gewirkt hatte. Die sterbliche Hälfte hoffte auf genügend Erkenntnisse, endlich die Vergangenheit hinter sich zu lassen und so als neuer Mann wiedergeboren war, der sich endlich entschieden hatte, wohin er eigentlich gehören wollte.
 

Denn so lange er das nagende Gefühl der Neugier nicht befriedigt hatte, würde er keine Ruhe finden, würde er niemals den Schatten des Doktors abschütteln und er selbst sein können.
 

Aus diesem Grund hatte er die gemeinsamen Reisen mit Rose rund um die Welt dazu genutzt, um in Bibliotheken zu stöbern, alte Stätten zu besuchen, an denen angeblich die Spuren außerirdischer Besuche zu finden waren. Er lächelte, als er daran dachte, wie sie sich gemeinsam aus den Führungen davongestohlen hatten, um heimlich in den Ruinen herum zu stöbern, Hinweise darauf zu sammeln, wo sich wer herumgetrieben hatte. Und Rose war an seiner Seite gewesen, hatte ihn für einen kurzen Moment vergessen lassen, dass dies nicht die alten Zeiten waren …
 

Er schüttelte unwillig den Köpf und die düsteren Gedanken ab, die sich wieder in sein Bewusstsein schlichen. Die Bitterkeit, die ihn immer noch beherrschte, wenn er an den Doktor dachte und die Eifersucht, die ihm anders als dem Timelord nicht fremd war … oh, nein.
 

Statt dessen zwang er sich Luft zu holen und an das Ziel zu denken, das er sich jetzt schließlich selbst gesetzt hatte. Der Durst nach Wissen war durch diese Aktionen allerdings nur kurzzeitig gestillt worden und später um so stärker zurückgekehrt, denn sie hatten immer wieder Inschriften und Bilder gefunden, die vor allem ihm seltsam bekannt vorkamen, auch wenn er nicht sagen konnte, warum. Denn leider setzte ihm auch hier sein all zu menschlicher Körper Grenzen, sein Gehirn reagierte mit heftigen Kopfschmerzen, wenn er all zu tief in den Erinnerungen seines Originals suchte, sie sich in den Zellen eingegraben hatten.
 

Jede noch so kleine Andeutung hatte ihn neugierig gemacht, sein Verlangen gesteigert, mehr über das Treiben jenseits der Erdatmosphäre heraus zu finden und damit endlich Heilung für seine zerrissene Seele zu finden – auch wenn er nur ein Menschenleben Zeit hatte.
 

Und vielleicht – diese Hoffnung wollte er ebenfalls nicht aufgeben – fand er so auch zurück zu Rose!
 

Eine Suche lag ihm dabei besonders am Herzen und war neben dem Abstand ein weiterer Grund, warum er sein Leben hier in London und in der Firma erst einmal hinter sich lassen wollte. In dieses persönliche Projekt hatte er nicht einmal Rose eingeweiht.
 

Ob Zufall oder der Wink des Schicksals, die schwer angeschlagene Erstausgabe eines phantastischen Romans aus dem späten 19. Jahrhundert, der ihm vor gut einem Jahr auf einem Flohmarkt in London ins Auge gefallen war, hatte seine Neugier geweckt und ihn seither nicht mehr in Ruhe gelassen, zumal er nicht an „magische“ Zufälle glauben mochte.
 

Eine scheinbar harmlose Widmung war der Auslöser gewesen – ein Satz, umgeben von ein paar kunstvollen Schnörkeln, hatte seine Aufmerksamkeit geweckt: „Meinem zeitlosen Wanderer Ulysses von seiner geliebten Gefährtin Penelope, Cambridge, anno Dezember 1889.“.
 

Daran wäre absolut nichts ungewöhnliches gewesen, hätte es sich bei den Verzierungen, die mit feiner Feder um die Worte gezeichnet waren nicht um Symbole gehandelt, die auf Gallifrey eine besondere Bedeutung besaßen, wie etwa das Siegel von Rassilon.
 

Und ULYSSES war einer der Namen, die jeder Absolvent der Akademie kannte – egal welchem Kapitel er angehörte, handelte es sich doch um einen der großen Forscher, der Frühzeit, die sich mutig in den damals noch unbekannten und unkontrollierten Vortex gestützt hatte, um Zeit und Raum zu erkunden. Der Doktor hatte diesen großen Mann Zeit seiner Leben verehrt und ihn sich zum Vorbild genommen.
 

Ein Zittern durchlief Johns Körper, als er an seine Recherchen in den Archiven Londons dachte, die sich ihm mit vielen netten Worten und ein wenig Trickserei geöffnet hatten. Leider besaß er keinen Ausweis mit psychischem Papier, der alles einfacher gemacht hätte – aber auf der anderen Seite, hatte er so auch weniger Aufmerksamkeit auf sich gezogen, die ihm nicht so lieb gewesen wäre. In die staubigen Keller und fensterlosen Räume in ehemaligen Bunkern hatte er sich am liebsten zurückgezogen, wenn er nach einem Streit mit Rose das Haus verlassen hatte, weil er selbst vor Wut nicht mehr aus noch ein gewusst hatte …
 

Nach einer Weile war er in ein paar alten Zeitungen sogar fündig geworden …
 

Es hatte in den 1880er Jahren tatsächlich eine Penelope Gate gegeben. Sie hatte zu ihrer Zeit die feine Gesellschaft nicht nur damit empört, dass sie sich für Frauenrechte ausgesprochen und die Zulassung von Frauen in allen Disziplinen gefordert hatte, sondern auch aufgeregt, weil sie der undamenhaften Beschäftigung mit Technik und Wissenschaft nachgegangen war, anstatt zu heiraten und danach nur noch sittsam Teekränzchen abzuhalten.
 

Ein anerkannter Professor hatte ihre gewagten Theorien über Zeit und Raum zwar für das hysterische Geschwätz eines überdrehten Frauenzimmers gehalten und doch zwischen den Zeilen durchklingen lassen, dass er nicht ganz so überzeugt von seinen Worten gewesen war, wie er die Öffentlichkeit glauben ließ – wenn das stimmte, was die Reporter dort in schwarzen Lettern festgehalten hatte.
 

So jemand konnte mit seinen Erfindungen durchaus die Aufmerksamkeit der Timelords geweckt haben, sei es nun, weil sie wie im anderen Universum die Augen nach Störungen im Zeitstrom Ausschau hielten oder sich einer von ihnen auf der Erde herum trieb.
 

Er wusste selbst nur zu gut, was ihn … für einen Moment dachte er finster an den „Doktor“ … an den Menschen angezogen hatte und faszinierte. War Ulysses nur ein wenig vom gleichen Schlag, dann lag die Antwort klar auf der Hand und die Widmung war ein klarer Hinweis auf die Möglichkeit, dass Gallifrey auch in diesem Universum existierte. Vielleicht …
 

Ein leises Lächeln spielte um seine Lippen, als er an die Zukunft dachte. Sein erstes Ziel würde Cambridge sein. Den Zeitungen aus dem 19. Jahrhundert zufolge lebte dort die Familie von Penelope Gate. Also würde er dort auch die besten Chancen haben, mehr über das Leben und das Werk der jungen Frau herauszufinden
 

Und danach – dann würde er sich entscheiden, ob er das Wagnis eingehen wollte, die Spur weiter zu verfolgen, oder sich doch lieber zurück nahm …
 

Ob er dem Verlangen des Timelords in ihm weiter freien Raum ließ oder ein für alle Mal seine Träume begrub und endlich akzeptierte, was das er nur ein sterblicher Mensch war …
 

Ob er dem Ruf die Sterne wiederzusehen im jeden Preis folgte oder endlich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkehrte.
 

Und nicht zuletzt … ob er alles dafür tat, um Rose in der Gestalt und mit den Tugenden des Doktors zurückzugewinnen, um ihre Wünsche zu erfüllen … oder sich endlich als John Smith allein – mit all den guten Seiten, die ihm zur Verfügung standen, darum bemühte, ihre Liebe neu zu gewinnen!
 

„Allons-y!“ sagte er zu sich selbst und straffte den Rücken, ehe er sich umdrehte. Nun galt es, sich um ein paar kleine weltliche Dinge zu kümmern. Es galt eine Unterschrift zu leisten und einen Schlüssel zu abzugeben, ehe aufbrechen konnte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück