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Vis-à-Vis

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Neues Kapitel! :3

Habt Spaß! Komplett anzeigen

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Blaue Augen

Cloud erwachte. Es war dunkel. Scheinbar hatte er den kompletten Tag verschlafen. Seine Hand kribbelte leicht und war kalt, als er sie unter dem Kopf mit der anderen tauschte und in die Decke zog. Vincent lag ihm still und ruhig atmend gegenüber. Er schlief noch. Die Hälfte des blassen Gesichts war unter dem breiten Kragen des Umhangs und einer großen, schwarzen Haarsträhne verborgen. Ein schlechtes Gewissen keimte in Cloud auf, weil er seinem Freund die Decke gestohlen hatte. Doch er war nicht davon ausgegangen, dass Vincent noch vor dem nächsten Tag zurückkehren würde. Umso überraschender war es nun, ihn hier liegen und schlafen zu sehen. Seit er sich ihnen in Nibelheim angeschlossen hatte, war das erst einige wenige Male vorgekommen. Er übernahm oft freiwillig die Nachtwache oder blieb stundenlang fort, wenn sie mehr Zeit zum Ruhen hatten. Cloud rieb sich mit dem Handballen über die Augen und strich sich ein paar Haare von der Stirn. Vincent schlief so ruhig, dass er sich für einen Moment sicher war, er hätte aufgehört zu atmen. Es war faszinierend, wie still ein Mensch sein konnte. Er selbst war schon kein Freund großer Worte und verbrachte oft lieber Zeit mit sich selbst als mit den anderen, doch Vincent übertraf ihn da in jeder Hinsicht. So in sich gekehrt, als wollte er etwas vor der Welt verborgen halten, so still, damit niemand auch nur den Hauch einer Ahnung davon erhaschen konnte. Doch seine ganze Erscheinung schrie förmlich danach, ein einziges, unentdecktes Geheimnis zu sein. Er atmete tief ein und aus. Beobachtete er gerade seinen Freund im Schlaf? Eilig setzte er sich auf, rieb sich mit beiden Händen kräftig über das Gesicht und verfluchte sich noch im selben Moment dafür. Augenblicklich riss die feine Kollodiumschicht über der Brandwunde auf und ein beißender Schmerz durchschoss seine Wange. Er sog scharf die Luft ein. In seinem Kopf dröhnte es noch immer, doch er bildete sich ein, dass es bereits nachgelassen hatte. Leise zog er sein Kleiderbündel zu sich, wickelte es aus dem feuchten Papier und rubbelte ein paar grobe, getrocknete Schlammspritzer vom Stoff. Hoffentlich waren sie bald wieder in Rocket Town. Die Wasservorräte reichten definitiv nicht mehr aus, um seine Kleidung zu waschen. Er seufzte leicht, rieb sich über den steifen Nacken und faltete sein Shirt auseinander. Doch er zögerte damit hineinzuschlüpfen. Ein seltsames Gefühl legte sich auf ihn, so, als würde sich ein Augenpaar in seinen Rücken bohren. Langsam wandte er den Kopf zur Seite und blickte über die Schulter, doch Vincent lag unverändert da. Er war sich sicher gewesen, seinen Blick auf sich gespürt zu haben. Doch warum sollte er ihn ansehen? Dann schüttelte er nur kräftig den Kopf und zog sich sein Shirt über. Mühsam schlüpfte er auch in seine Hose, zurrte den Gürtel nur halbherzig fest, stieg in seine Stiefel, warf sich die zerwühlten Decken über die Schultern und verließ dann das Zelt.

Vincent öffnete die Augen wieder. Er hatte schon befürchtet, Cloud würde ihn noch stundenlang anstarren. Mit dem Handrücken rieb er sich über die Stirn und damit den Gedanken aus dem Kopf. Er hatte die meiste Zeit wach verbracht und Erinnerungen gewälzt, war nur für ein, vielleicht zwei Stunden eingeschlafen. Seinen Freund zu beobachten, wie er vollkommen ruhig neben ihm geschlafen hatte, hatte auch seine Gedanken irgendwann zum Stillstand gebracht.

Auf dem Platz brannte ein kleiner Pressholzklotz. Der Rest der Truppe saß zusammen, hatte gegessen und verbrachte den Abend in fröhlicher Runde. Cloud ließ sich zwischen ihnen auf den Boden sinken. Seine Kleider waren noch klamm und die Kälte des Bodens kroch eilig in sie hinein.

''Kannst du mich verstehen? Geht's dir besser?'' Tifa lehnte den Kopf mit einem sanften Lächeln zur Seite und legte ihm die Hand auf die Schulter. ''Schwer, aber ja.'' Er nahm das Stück Trockenfisch entgegen, das sie ihm reichte und begann zögerlich darauf herumzukauen. ''Passt beim nächsten Mal gefälligst besser auf und treibt nicht so einen Unfug! Wir können es uns nicht leisten nochmal auf dich zu verzichten.'' Barret hatte wohl Recht, auch wenn er die ganze Situation vollkommen überdramatisierte. Von der anderen Seite knuffte ihm Cid in die Rippen. Wäre er nur nicht aufgestanden. Einfach liegen geblieben... ''Die sind noch vom Raumfahrtprogramm. Shin-Ra hat sie damals selbst erst getestet und sie sind jetzt schon ein paar Jährchen alt, aber sie wirken bestimmt noch.'' Cid hielt ihm eine kleine, zerbeulte Metalldose hin. Er schob sich den Fisch in den Mundwinkel, nahm die Dose und ließ sie aufspringen. Ein Dutzend Tabletten. ''Ein paar Jährchen, ja?'' ''Werd' mal nicht frech, sonst schieß' ich auch noch auf dich! Und ich treff' sicher nicht daneben!'' Cid verschränkte aufgebracht die Arme vor der Brust und ein Lachen ging durch die Gruppe. Tifa hielt ihm eine Plastikflasche entgegen. ''Wenn er danach wieder ins Koma fällt, bist du dran Cid!'' Sie zwinkerte. Langsam stellte Cloud die offene Dose auf seinem Knie ab, nahm eine der Kapseln heraus, klemmte sich den Fisch zwischen die anderen beiden Finger und griff nach der Flasche. ''Wenn der wieder in's Koma fällt, dann prügle ich ihn eigenhändig wieder wach!'' Barret stieß seine Faust in die Mechahand. ''Jetzt lasst ihn doch in Ruhe!'' Yuffie sprang auf und zeigte mit bösem Funkeln in den Augen auf Cid und Barret. ''Außerdem...'' Sie stemmte eine Hand in die Hüften und wies dann auf sich. ''Wenn ihn einer wieder wachprügelt, dann bin ich das!'' Wieder lachten sie. Es tat gut, dass sie sich von den düsteren Zeiten nicht die Freude nehmen ließen. Cid verstaute die Dose wieder in der Brusttasche seiner Fliegerjacke und holte im gleichen Zug eine Zigarette heraus. ''Wie lange werden wir noch bis Rocket Town brauchen?'' Cloud schluckte das letzte Stück Fisch herunter, nahm noch einen Schluck Wasser und wandte sich wieder an den Piloten. ''Pff... da fragst du was... ich habe keine Ahnung, wo wir im Moment sind. Ich hol die Karte.'' Cid stand auf, zündete seine Zigarette am brennenden Holzklotz an und stapfte zum Zelt. Es dauerte einen Moment, ehe er die zerknitterte Karte und den Kompass zwischen seinen zerwühlten Sachen fand. Als er sich aus dem Zelt rückwärts wieder herauskämpfte, rauschte ein roter Umhang an ihm vorbei. ''Heee~ey Vincent!'' Yuffie wedelte wild mit den Armen. ''Komm, setz dich zu uns!'' Doch er winkte nur mit einer knappen Handbewegung ab und schritt eilig an der Gruppe vorbei. ''Das heißt dann wohl nein.'' Yuffie ließ sich wieder auf ihre Decke fallen und verschränkte gekränkt die Arme vor der Brust. ''Kurz angebunden wie eh und je, he?'' Barret rieb sich über den Bart und zuckte dann mit den Schultern. ''Wie dem auch sei. Cid, wie sieht's aus?'' Der Pilot ließ eine schmutzige Flasche mit Hochprozentigem in den Kies sinken, setzte sich dann wieder und faltete raschelnd die Karte auseinander. Das zerfledderte Papier war speckig und fiel schon halb auseinander. Dann positionierte er den Kompass am Rand und fuhr mit dem Finger grübelnd über das Blatt. ''Hm, ich wusste gar nicht, dass dieser Ort so nah an der Rocket Town ist.'' Er rieb sich über's Kinn, griff nach seiner Zigarette, die noch in seinem Mundwinkel hing und zündete sie erneut am Feuer an. ''Es ist nicht mehr weit, vielleicht knapp drei Tage. Dann sollten wir wieder dort sein.''
 

~
 

Er wusste, wo sie sich befanden. Es hatte eine Weile gedauert, doch dann waren die Erinnerungen zurückgekommen. Erinnerungen an ein Gespräch zwischen Hojo und einem hohen Mitarbeiter der Shin-Ra Company. Der Forschungssektor sollte erweitert und verlegt werden, in eine extra dafür angelegte Stadt. Diese Stadt. Die Häuser waren nur Fassade, die eigentliche Stadt befand sich darunter. Ein riesiger, unterirdischer Komplex aus Laboren, Konferenzräumen und Unterkünften. Doch das Projekt wurde vorläufig auf Eis gelegt, als Jenova auftauchte. Die Stadt blieb unbewohnt. Andernfalls wären sie einem voll ausgerüsteten Militärbollwerk in die Arme gelaufen.

Als ihm klar geworden war, wo sie sich befanden, konnte er nicht mehr ruhig im Zelt bleiben. Allein der Gedanke daran, dass Hojo einmal hier gewesen war, war zu viel für ihn. Hojo. Und immer wieder Hojo. Dieses Monster beherrschte sein Innerstes. Unter seinen eiligen Schritten knirschten Steine, als er sich immer weiter vom Lager entfernte. Weg von den anderen. Auf einem kleinen Platz hielt er inne. Die Häuser ringsum waren stark vom Verfall gezeichnet, eines war bis auf die letzten zwei Stockwerke in sich zusammengefallen, große Betonbrocken bedeckten den halben Platz und die Bodenplatten waren aufgebrochen. Hojos Stadt. Mit einem kräftigen Schlag bohrte sich die Metallklaue in den Stein. Hojos Totenstadt. Er ballte die Klaue zur Faust und riss ein Stück Beton aus dem Boden. Wäre doch er nur auch schon tot. Langsam schloss sich seine Hand immer weiter, bis der Stein unter dem Druck nachgab und zerbarst. Er würde diesen Bastard vernichten. Die Klauen drückten immer weiter zu, bis der Brocken vollkommen zerbröselt war und sie sich durch das dicke Leder in seine Haut bohrten. Er würde ihn töten. Als Blut auf den Boden tropfte, öffnete er die Faust wieder. Für einen stillen Moment beobachtete er, wie es zäh seine Finger herabrann. Dann rammte er die Klaue wieder in den Beton. Er fiel auf die Knie und schlug wieder und wieder auf den Stein ein. Die Erschütterungen drangen durch seine Knochen. Wie lange musste er noch warten? Wann würden sie Midgar erreichen? Wann würde er Hojo endlich gegenüberstehen? Wann würde er ihm alles zurückzahlen können? Das, was er ihm, was er Lucrecia angetan hatte? Ein leises Knacken stoppte seine Bewegung. Dann spürte er wie sich der Schmerz in seiner Hand allmählich ausbreitete. Nur noch Schmerz. Sein ganzes Leben lang. Nur... Schmerz. Mit einem Ruck erhob er sich, zückte die Pistole, und begann mit einem lauten Schrei das komplette Magazin zu verschießen.
 

~
 

Cloud hob den Kopf. ''Was war das?'' Tifa schrak zusammen und stieß ihre Wasserflasche um. ''Ich gehe.'' Cloud war bereits aufgesprungen, eilte zum Zelt und griff nach seinem Schwert. Er zurrte den Gurt fest um seine Brust und rannte, ohne auf den Rest der Gruppe zu warten, in die Richtung, aus der die Schüsse zu hören waren. War ein weiteres Monster aufgetaucht? So viele Schüsse wie gefallen waren, musste es ernst sein. Er versuchte noch schneller zu laufen. Das Gelände war unwegsam und erschwerte ihm, zusammen mit dem Gewicht seiner Waffe, das Vorankommen. An einer Kreuzung kam er zum Stehen. Wo lang? Doch eine weitere Reihe Schüsse wies ihm den Weg. Es konnte nicht mehr weit sein. Dann bog er in eine Durchführung und kam auf einem kleinen Platz zum Stehen. In der Mitte ein roter Umhang. ''Vincent!'' Sein Freund drehte sich um. Die Kugeln schlugen dicht neben Clouds Kopf in der Wand ein und Steinsplitter streiften sein Gesicht. ''Vincent!'' Das Gesicht auf der anderen Seite blieb reglos. Dann klickte der Abzug erneut. Doch das Magazin war leer. Achtlos warf er die Pistole zu Boden, spreizte die Klaue und ging mit einem Schrei auf Cloud los. Was war passiert? Völlig überrascht tat er zwei Schritte zurück, stellte sich dann aber dem Angriff entgegen. Er bekam die Klaue am Handgelenk zu fassen, ehe sie auf ihn einschlagen konnte. Auch die andere Hand blockte er schnell. Er musste sich mit aller Kraft gegen den Größeren stemmen, als dieser drohte, ihn zu Boden zu reißen. Was war nur in ihn gefahren? Die Augen, die ihm entgegenblickten waren nicht klar, ihr Rot schien sich vertieft zu haben, als würde ein Blutschleier über ihnen liegen. ''Vincent!'' Er nahm ihn nicht wahr. Mühsam rang er die Hände nieder, verschränkte die Arme um seinen Freund und presste ihn an sich. ''Beruhig' dich!'' Vincent wehrte sich heftig gegen die Umklammerung. Er wollte ihn töten. Er musste ihn töten. Konnte ihn nicht am leben lassen. Er spürte, wie die Wut und das Chaos in ihm tobten und wild nach Befreiung verlangten. Doch da waren die Arme die ihn festhielten. ''Beruhige dich!'' Die Stimme durchbohrte ihn wie ein Dolch. ''Vincent, beruhige dich!'' Die Arme, die ihn warm und zärtlich umschlangen. ''Kannst du mich hören?'' Die sanfte Stimme. ''Komm zu dir! Sieh mich an.'' Das weiße Gesicht vor ihm. ''Lu... cre...'' Die braunen Augen die ihn unentwegt ansahen. ''...cia...'' Nein, nicht braun. Blau. Strahlend blau. ''Vincent. Hörst du mich?'' Clouds Stimme. Der Druck der Umarmung ließ nach. Er kam langsam wieder zu Sinnen. Cloud löste seine Arme und strich seinem Freund beschwichtigend über die Schultern. ''Alles in Ordnung?'' In diesen blauen Augen lag so viel Ruhe. Sie schienen sich direkt in seinen Kopf zu bohren und für den Bruchteil eines Moments verlor er sich in ihnen. So viel Ruhe. ''Vincent?'' Dann gaben seine Beine unter ihm nach.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Einfach der Stimmung halber empfehle ich mal ''Dir en Grey - Vinushka''.

Habt einen schönen Nachmittag! ^_^ Komplett anzeigen

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