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Vis-à-Vis

von

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Pläne schmieden

Schon zum zweiten Mal weckte ihn ein Blick, doch dieses Mal war er braun. Sanft und gutmütig. ''Geht es dir besser?'' Cloud wischte mit dem Handrücken über die trockenen Augen und blinzelte ihr kurz entgegen. ''Tifa.'' Sie lächelte. Langsam setze er sich auf, rieb sich über den kalten Nacken und die verhalten pochende Wunde am Hinterkopf. Sie war noch immer empfindlich, doch Tifas Pflege und den früheren Makoinfusionen sei Dank, war sie bereits wieder am abheilen. Er wandte den Kopf wieder zu ihr um und setzte zum Sprechen an. Erst dann nahm er das durchdringende Vibrieren der Luftschiffmotoren wahr.

''Hast du-'' ''Wir sind schon wieder unterwegs?'' Tifa verzog kurz den Mund und überging die Tatsache, dass er ihr so prompt das Wort abschnitt. ''Ja, auf dem Weg nach Junon.'' Cloud fuhr sich mit beiden Händen grob über das Gesicht und sah dann wieder zu ihr herüber. ''Und wieder habt ihr mich nicht geweckt. Wird das jetzt zur Gewohnheit?'' In seinem Blick lag kein Vorwurf, doch er war ernst.

''Willst du mir jetzt die Schuld dafür geben, dass du dich verletzt hast?'' Sie verschränkte herausgefordert die Arme und erwiderte seinen Blick. ''Das ist hier nicht das Thema.'' ''Richtig. Das ist nicht das Thema. Ich bin auch eigentlich hier, um dich zu holen. Wir wollten eine kleine Lagebesprechung machen.''

Sie erhob sich aus ihrer Hocke, strich ihm knapp über den Arm und lächelte ihm wieder entgegen. ''Komm. Steh auf und zieh dir was an.'' Ein leichtes Augenzwinkern, dann wandte sie sich um und verließ die Kabine, die Tür nur angelehnt.

Sie waren bereits unterwegs. Die Information manifestierte sich nur allmählich in seinen Gedanken. Hatte er wirklich wieder so lange geschlafen? Mit einem leichten Seufzen schüttelte er den Kopf. Das war absolut untypisch für ihn. Aber vielleicht hatte sein Kopf die Ruhe gebraucht. Nicht die Wunde, sondern die steten Gedanken...

Träge erhob er sich von dem schmalen Bett, griff nach seinem Pullunder am Boden und ließ ihn nach kurzem Zögern wieder liegen. In einem Spind in der Raumecke wurde er auf der Suche nach einem Ersatzstück fündig.

Er verließ die Kabine und betrat den kleinen Waschraum, der in der Mitte des Ganges lag. Flackernd entflammte die Leuchtstoffröhre über dem kleinen, angelaufenen Spiegel und tauchte den Raum in graugrelles Licht, als auch das Rauschen des kalten Wassers die Stille füllte.

Er wusch sich flugs und fuhr sich mit nassen Händen durch die Haare, als er einen Blick in den Spiegel warf. Überraschenderweise sah er tatsächlich so etwas wie ausgeruht aus, wenn man den müden Ausdruck in seinen Augen übersah. Er seufzte kurz und füllte seine gewölbten Hände ein weiteres Mal mit Wasser. Es war kalt, es war gut und es weckte seinen Kopf.

Sie waren bereits auf dem Weg nach Junon. Er hätte kurz nach der Uhrzeit schauen sollen. Sei's drum.

Cloud stützte sich mit den Händen auf dem Waschbeckenrand ab, ließ den Kopf einen Moment sinken und lauschte seinen Wirbeln beim Kacken, als er die Schultern langsam zurückzog. Ein dunkler Fleck am Rand des Wasserhahns erregte seine Aufmerksamkeit. Nur Schmutz? Nein. Die Ränder des Flecks fransten rot aus, als er sich allmählich in einem Wassertropfen auflöste. War das Blut? Er wischte mit dem Finger darüber. Die Schlieren die er auf der Keramik und seiner Haut hinterließ waren deutlich. Tatsächlich. Blut. Woher...? Sein Kopf knüpfte die Verbindung schneller, als erwartet. Natürlich. Die kleine Blutlache im Maschinenraum. Die Blutspur, die durch die halbe Highwind geführt hatte.

Wie schwer war Vincent in der Nacht wirklich verletzt gewesen? Er erinnerte sich an die kleinen, kreisförmigen Wunden auf der weißen Brust, als er sie im Hotel betrachtet hatte. Diese Nacht waren sie ihm gar nicht mehr aufgefallen. Dabei war er ihm direkt gegenüber... Er rieb sich über die Augen. Diese Gedanken. Dieses sanfte, warme Ziehen in ihm. Nein, jetzt war absolut nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Sie warteten alle auf ihn.

Eilig trocknete er sich ab, zog sich den frischen Pullunder über und verließ den Waschraum.
 

~
 

''...diese blonde Hure für verantwortlich.'' Cids Stimme war schon auf dem Gang zur Brücke zu hören. ''Ah! Sieh an. Die Prinzessin ist erwacht.'' Der Pilot grinste ihm zerknirscht entgegen. ''Ja, ist in Ordnung. Ich bin da. Also?''

Er winkte die Bemerkung abschätzig beiseite, blieb im Kreis der andern stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie waren alle da. Alle.

Vorsichtig ließ er seinen Blick am Saum der schwarzen Kleidung empor wandern, nur um ein abgewandtes Gesicht zu entdecken. Vincent stütze sich mit beiden Armen auf dem Geländer an der Steuerkonsole auf und hatte den Blick gesenkt. In seiner gewohnt kühlen und gleichgültigen Mine war nicht zu lesen, wie es ihm nach... dieser Nacht ging. Nichts. Nicht eine einzige, verdächtige Regung. Dann hob er plötzlich seinen Kopf. ''Natürlich ist sie dafür verantwortlich.'' ''Wie?'' Cid rieb sich über das Kinn und versuchte an das unterbrochene Gespräch anzuknüpfen. ''Scarlett. Das ist ihr Konzept.'' Vincent verlagerte das Gewicht auf ein Bein und löste seine Hand vom Geländer, um sich das Haar von der Schulter zurück zu streichen. Er trug sein Stirnband noch immer nicht. Ein leichtes, flüchtiges Lächeln huschte über Clouds Lippen, als er daran dachte, wie er das rote Stoffband aus den langen schwarzen Haaren gezogen hatte. Der Staubschleier auf ihnen war jedoch schon fast wieder vollkommen verschwunden.

''Wie ich sagte. Diese-'' ''Cid!'' Tifa schnitt ihm das Wort ab. Sie war durchaus etwas empfindlich, wenn es um seine Ausdrucksweise ging. Sie schüttelte langsam und bedeutend den Kopf. ''Soweit waren wir schon. Ihr Plan. Schön. Was machen wir also?'' Der Pilot zuckte nur mit den Schultern und nahm einen Schluck aus dem Glas, dass er mit einer erloschenen Zigarette zusammen umklammert hielt. ''Auf jeden Fall verhindern, dass die Sister nach Midgar gelangt.'' ''Fantastischer Plan.'' Yuffie hockte auf dem Boden und lehnte den Kopf gegen das Steuerpult. Scheinbar hatte sie wieder Zeit für ihre Reisekrankheit gefunden, zumindest sah sie nicht all zu gut aus und ihrer Stimme schwang eine leichte Unsicherheit mit. ''Bleibt die Frage nach dem wie.''

Cloud löste die Arme wieder und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. ''Sie haben einen Plan. Wir nicht. Nur den, ihren zu vereiteln.'' Ein Murren von der Seite unterbrach ihn. ''Ja, wie gewöhnlich. Wir können uns nicht immer nur auf den Zufall verlassen.'' Das Leder des Polsterstuhls knirschte, als sich Barret vorbeugte und auf den Knien abstützte. ''Aber was sollen wir auch unternehmen?'' ''Das ist doch genau die Frage, die wir hier zu klären versuchen.'' Yuffie rieb sich mit einem gedehnten Seufzen die Stirn und bette sie auf ihre Arme. ''Wir sind die Meister im Pläne schmieden.''

Sie redeten, alle. Die Stimmen begannen in seinem Kopf zu verschwimmen und es fiel ihm zusehends schwerer sich auf jede einzelne von ihnen zu konzentrieren. Sicher, Junon war ihre nächste Station und es war wichtig, dass sie sich Gedanken darum machten, wie sie Shinra davon abhalten könnten, etwas wirklich dummes zu tun, doch es war mehr als nur schwierig, sich wirklich einen Plan dafür zurechtzulegen. Sie wussten nicht, was sie tatsächlich in der stählernen Hafenstadt erwarten würde. Wenn der Kerl aus dem Corel-Gefängnis wirklich Recht hatte, dann wäre es eine fünzigfünzig Chance, dass die Sister überhaupt noch in Junon war. Hier blieb ihnen nur noch das Glück. Er seufzte leise. Ja, Glück. Das war ihr einziger Plan.
 

~
 

Sie blieben fast bis zum Abend auf der Brücke zusammen und besprachen Vorgehensweisen ohne feste Handhabe. Es war ein Elend. Die Anspannung war merklich zu spüren und drückte die allgemeine Stimmung. Vincent stieß sich vom Geländer ab und verließ ohne ein weiteres Wort die Brücke. Auch Yuffie hatte sich bereits vor einer Weile entschuldigt und sich in ihre Kabine zurückgezogen. Der Flug nach Junon war länger als der Weg von Corel nach Rockettown und bekam ihr nicht sonderlich gut. Ihm war der Flug an sich egal, doch die Gedanken in seinem Kopf nicht. Und sie hinderten ihn daran, dem Gespräch weiter zu folgen. Er musste raus. Am liebsten raus aus dem Flugschiff, doch sie waren mitten über dem Wasser.

Mit Junon kam auch Midgar in immer greifbarere Nähe. Und mit Midgar... auch Hojo. Verdammt.

Irgendwann war dieser Name gefallen. Und er hatte sich langsam aber beständig durch seinen Kopf gefressen. Jetzt war er angekommen und er konnte das gehässige Rumoren in seinem Innern nicht länger ignorieren. Der Ausbruch in der Höhle hatte ihn so empfänglich für die kleinsten Reize gemacht. Und Hojo war mehr als klein.

Die Tür klickte ins Schloss und mit leisem Summen entbrannte das Licht. Mit verkrampften Händen klammerte sich Vincent in den Rand des kleinen Waschbeckens. ~''Es wird nicht mehr lange dauern. Endlich.''~ Das Lachen, das ihn durchzog, war leise, aber deutlich. Die Erwähnung Hojos hatte ihn so plötzlich aus seinem erleichternden Schlaf geweckt und wieder dicht an die Oberfläche getrieben, ihn in freudige Aufregung versetzt und den falschen Herzschlag zum Rasen gebracht.

Vielleicht konnte kaltes Wasser den aufkommenden Schwindel verdrängen. Seine Hand griff nach dem Wasserhahn und verharrte auf dem kühlen Metall, nachdem das Rauschen erklang. ~''Du wehrst dich wieder.''~ Noch ein Lachen. ~''Glaub nicht, dass du mir noch all zulange Standhalten kannst.''~ ''Schweig.'' Die Knöchel seiner Finger traten allmählich weiß hervor. ~''Du weißt, dass ich Recht habe.''~ Wenn der Dämon weiter so an Stärke gewinnen würde, musste er ihm wohl leider zustimmen. Doch jetzt... nein. Nicht jetzt. Nicht hier. ~''Hojo gehört mir. Du hast uns schon die eine Rache vereitelt, ich werde es bei der zweiten nicht zulassen!''~ ''Sei still.'' Die Stimme erfüllte ihn und ließ seine Konzentration auf das Wasser, das Metall in seiner Hand, seinen eigenen Herzschlag immer weiter schwinden. Auch er wollte zu Hojo, wollte seine Rache üben und ihn für all diese Vergehen zur Rechenschaft ziehen, doch diese absolut tödliche Vorfreude des Dämons in ihm machte ihn krank. ~''Er wird sterben. Ja! Aber lass mich, lass uns doch zuvor ein bisschen spielen.''~ ''Schweig!'' Die Verwandlung hatte ihn gestärkt. Endlich wieder Macht zu haben, einen Körper zu haben. Er hatte Blut geleckt und wollte mehr. Dämon blieb Dämon. Und Dämonen fanden Freude in den niedersten Gelüsten.

Das Blut rauschte in seinen Ohren und als er aufsah verschwamm sein Spiegelbild vor seinen Augen auf dem blanken Glas. ~''Los. Lass mich raus!''~ ''Nein!'' Die stumpfen Dornen des Wasserhahns bohrten sich tief in seine Handfläche. ~''Lass... mich...''~ ''Nein!'' ~''Frei!''~

Hastig presste Vincent sich beide Hände fest auf den Mund und sank auf die Knie, als er das Stechen in seinen Schultern fühlte. War er so schwach geworden? Oder war der Dämon so stark? Er versuchte tatsächlich auszubrechen. Versuchte...

Er drückte die Stirn auf den kalten Boden und krallte sich tief in seinem Gesicht fest, als das Reißen von Haut und Stoff an seine Ohren drang und der Schmerz heiß durch seinen Rücken schoss.

''Nein! Nein!''

Boshaftes Lachen durchzog seinen Körper. ~''Hör auf dich zu wehren! Überlass diesen Körper endlich mir!''~ Vor Schmerz fast betäubt rutschte er halb auf die Seite, sog mit einem scharfen Atemzug neue Luft in seine Lungen und versuchte vergebens sich in den glatten Fliesen am Boden festzukrallen. Die knochigen Rahmen der Flügel stießen ungelenk gegen die Wände des zu kleinen Raumes. Er konnte, nein, er durfte dem Dämonen nicht nachgeben. Er würde sie alle in Gefahr bringen. Er würde sie alle... Seine Finger gruben sich tief in seine Kopfhaut. ''Verschwinde! Hör auf!'' Das dunkle Gelächter erfüllte ihn vollkommen, doch mit aller Kraft wehrte er sich gegen die drohende Metamorphose. Nicht jetzt. Nicht hier. Das Lachen wurde lauter, als erneut ein heißer, stechender Schmerz durch seinen Rücken fuhr und sich die Flügel quälend langsam wieder zurückzogen. ~''Du weißt, ich werde dich kriegen. Dieser Körper gehört mir!''~ Ein letztes Aufbegehren, ein letztes lautes Lachen, dann konnte er den Dämonen endlich wieder zurückdrängen.

Schweiß tropfte ihm von der Nasenspitze, als er sich erschöpft aufrichtete und gegen die kalte Fliesenwand fallen ließ. Er atmete tief und langsam ein und wieder aus und wartete bis der Schmerz in seinen Schultern zu einem verhaltenen Pochen abebbte.

Junon. Die nächste Station wäre erst Junon. Midgar schien ihm noch so weit entfernt wie am Tag, als er mit der Gruppe zusammen Nibelheim verlassen hatte. Und solange sie noch nicht in Midgar waren, solange Hojo noch nicht in greifbarer Nähe war, musste er dem Dämonen standhalten. Er ballte die Hände zu Fäusten und ließ sich an der Wand wieder hinabsinken. Standhalten. Ja.



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