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Zwischen Fieber und Stolz

ZdW-Jubiläumsspecial
von

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Tadel vs. Einsicht

Ich bin erleichtert, als das »Meido no Hitsuji« in Sichtweite gerät. Es hat keine weiteren Vorfälle gegeben zwischen Shin und mir. Vermutlich war es das erste Mal, dass wir so lange friedlich miteinander ausgekommen sind. Naja, den Großteil zumindest.

„Du solltest dich vorsehen.“

„Wovor?“

„Vor Waka-san“, erklärt er und prüft mich über die Schulter. „Du läufst ihm besser nicht über den Weg. Das Klügste wär‘, du wartest hier und ich hole die Tasche. Weißt du, wo sie ist?“

„Sie müsste in meinem Spind sein“, antworte ich zögerlich. Fragend lege ich den Kopf schief. „Wieso soll ich mich vor ihm in Acht nehmen?“

„Das willst du nicht erfahren. Glaub mir, ich tue dir damit einen Gefallen.“

Beunruhigend. Dabei hatte ich gehofft, im Pausenraum ein wenig verschnaufen zu können.

„Warte hier und verhalte dich ruhig“, weist er mich an.

„Na schön.“ Ich seufze geschlagen und drehe mich zur Seite ab, um mich gegen die Hauswand zu lehnen. Noch bevor ich sie erreiche, höre ich es poltern: „Soldaten, stillgestanden!“

Erschrocken verwurzle ich an Ort und Stelle und wende mich nach hinten um. Dort erkenne ich Shin, die Hand noch nicht in Reichweite der Klinke, und unseren Boss, der wenig erfreut in der Tür steht. Sein Blick ist grimmig hinter der schmalen Brille und jagt mir einen kühlen Schauer über den Rücken.

„Shin“, spricht er laut und kühl, „du bist spät. Ich habe dein Eintreffen vor zehn Minuten erwartet. Bericht! Was hat dich aufgehalten?“

„Sie“, sagt er kurz und deutet mit dem Finger auf mich. Ich will mich hinter der nächsten Mülltonne verkriechen, doch Wakas Blick ist schneller.

„Shizana“, adressiert er mich. Die Ruhe in seiner tiefen Stimme trifft mich wie ein Dolchstoß, extra eisgekühlt. Vorbei ist jede Aussicht auf Flucht. „Toma hat mich über dein Eintreffen unterrichtet. Was machst du hier? Du hast auf dem Schlachtfeld nichts verloren.“

„Ich“, setze ich an und muss mich räuspern, um das Kratzen aus meiner wispernden Stimme zu verdrängen. „Ich wollte meine Tasche holen.“

„Darüber bin ich im Bilde. Sie ist bei uns in gutem Gewahrsam. Es besteht kein Grund zur Sorge.“

„Meine wichtigen Dinge befinden sich darin“, erkläre ich rechtfertigend. „Mein Schlüssel und mein Portemonnaie. Ich komme nicht lange ohne diese Dinge aus.“

Stille kehrt ein und ich fühle mich unbehaglich. Von der Seite fange ich Shins vorwurfsvollen Blick auf, der mir sagt, dass ich es anders hätte haben können. Recht hat er, aber dafür ist es nun zu spät.

„Ich verstehe“, bricht Waka das Schweigen und nickt. „Mutig von dir, trotz deines Zustands kein Raum für Schwäche zu lassen. Dennoch, ich kann diesen Leichtsinn nicht tolerieren. Shin, geh nach hinten dich umziehen. Ich werde ausnahmsweise von einer Bestrafung absehen, dafür, dass du Shizana sicher eskortiert hast.“

„Danke.“

„Gut gemacht.“

Die beiden schenken sich ein Nicken, schon zieht Shin an Waka vorbei ins Innere. Ich wäre ihm zu gern gefolgt, stattdessen …

„Und du“, adressiert mich Waka erneut, was mich unwohl schlucken lässt. „Du wirst mich begleiten. Keine Widerrede.“

Gehorsam setze mich nach ihm in Bewegung und folge ihm anstandslos durch den erleuchteten Flur. Wir begegnen glücklicherweise keinem auf unseren Weg. In der Küche ist es ruhig, das Café noch geschlossen. Ich hoffe, dass ich verschwunden sein werde, bevor irgendeiner der anderen auf mich aufmerksam wird. Peinlichkeiten und Moralpredigten hatte ich zu Genüge.

 

„Setz dich“, lautet der Befehl, kaum dass wir in Wakas Büro angekommen sind. Unmissverständlich wird mir ein Stuhl gewiesen, auf den ich mich dankbar niederlasse.

„Ich hole, wofür du hergekommen bist. Hat Toma dir nicht angeboten, die Auslieferung zu übernehmen?“

„Doch, schon“, gestehe ich verhalten. „Aber ich wollte ihm keine Umstände machen. Es ist nicht so, dass ich nicht laufen kann, und bis zum Meido war es nicht weit.“

„Das war verantwortungslos von dir“, werde ich getadelt. Im nächsten Moment steht Waka wieder vor mir und reicht mir die kleine schwarze Stoffhandtasche, die mit ihrem aufgestickten Pentagramm unverkennbar mir gehört. „Dein letzter Einsatz hat dich schwer verwundet. Ukyo musste extra beordert werden für deine Heimeskorte.“

„Ich weiß … Es tut mir leid wegen all der Umstände. Aber mir geht es wirklich besser.“

Er besieht mich für einen langen Moment, bevor seine Augen schmal werden. „Wirklich?“

Ich nicke trotz seines anzweifelnden Untertons. Es scheint ihn nicht zu überzeugen, denn er tritt näher an mich heran und beugt sich vor.

„Du machst nicht den Anschein auf mich. Ich erkenne, wenn ein Krieger an seinem Limit steht.“

„Ich bin vielleicht erschöpft von dem Weg …“, knicke ich ein. Wakas Nähe bedrängt mich, ich sinke unwillkürlich weiter auf meinem Stuhl zusammen.

Derweil beobachte ich, wie Waka sich den schwarzen Handschuh von seiner rechten Hand streift. Die Bewegung ist so vornehm, einem Butler würdig, dass es sie mich gänzlich in ihren Bann zieht.

„Darf ich?“, vergewissert er sich, worauf ich wortlos nicke. Seine Finger fühlen sich angenehm kühl an, als sie unter mein Pony fahren und dort verweilen.

„Erhöhte Temperatur“, lautet seine Diagnose, worauf er die Hand zurückzieht und sich in eine gerade Haltung begibt. „Du bist schwerer getroffen, als ich vermutet hätte. Du stehst unter Quarantäne und strenger Observation! Ich kann als dein Anführer nicht verantworten, dass sich dein Zustand weiter verschlechtert, solange du dich unter meiner Obhut befindest.“

„Ähm … so schlimm ist es nicht.“

„Keine Widerrede! Du bleibst hier, bis ich einen geeigneten Geleitschutz für dich gefunden habe. Das ist ein Befehl!“

Dagegen kann ich nichts erheben. Ich nicke nur und willige ein, als Waka mir anbietet, mir einen Tee zu bereiten. Darauf verschwindet er und ich atme erschöpft durch.

Meine Schläfen hämmern wie ein Specht von beiden Seiten. Ich schreibe es Wakas lauter Stimme zu, dass ich mich so beladen fühle. Vielleicht ist es auch die Anstrengung von dem Weg, aber das kann eigentlich nicht sein. Die meiste Strecke bin ich gefahren und die paar Meter, die ich gelaufen bin … Habe ich mich so sehr überschätzt?

„Wenn du noch etwas brauchst, sag es“, lässt Waka mich nach seiner Rückkehr wissen. Der Tee, den er vor mir auf dem niedrigen Kaffeetisch abstellt, duftet stark nach Kräutern. „Ich werde tun, was in meiner Macht steht. Es ist meine oberste Pflicht, meinen Leuten in Zeiten des Kampfes beizustehen.“

„Ich fühle mich nicht so gut“, gestehe ich leise und drücke mir eine Hand gegen die pochende Stirn. Sie schwitzt und ist heiß. Dahinter dreht sich alles. „Ich würde mich gern hinlegen. Nur kurz. Geht das?“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Erenya
2017-02-28T23:16:50+00:00 01.03.2017 00:16
Mir fehlt was. Ein richtiger Kriegsfanatiker hätte wahrscehinlich noch was gesagt wie "Es wäre verantwortungslos, wenn du den Rest der Einheit ansteckst. Mit gebrochenen Körper ist auch die Einheit geschwächt und der Feind dem Siege nah!"

Merks dir!
Antwort von:  Shizana
01.03.2017 00:21
Guter Einwand. Notiere ich mir für die vorgemerkten Ergänzungen.
Danke. :)


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