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Flammen-Hexe

von

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Wenn ich mein Leben in drei Worten beschreiben müsste, wären das Leid, Trauer und Schmerz. 

Mein Name ist Tia Brown und ich wäre gerne unsichtbar. 

 

Kennt ihr das Gefühl einfach nicht am richtigen Ort zu sein? Ungewollt hervorzustechen? 

Nein? 

Ich schon! 

Bei meinen Haaren fängt es an.  Meine Eltern sind beide normal, meine Mutter dunkelblond, mein Vater schwarzhaarig. Doch irgendwie sind bei mir die Gene meines Uropas mit schottischen Wurzeln durchgesickert und meine Haare haben einen schon fast penetranten Rotton. 

Dann färb' sie doch denkt ihr? Schon versucht, aber egal welche Marke, Farbe oder Frisör ich ausprobiert habe, keine blieb haften. 

Und damit kommen wir auch zum nächsten Teil meines erbärmlichen Lebens, den ich am liebsten wie den Strich eines Bleistiftes ausradieren würde. 

Die Schule. 

Denn dieser schöne Rotton, der an ein rostiges Rohr erinnert, gibt meinen ach so netten Mitschülern quasi die Lizenz mich zu mobben. 

Feuermelder, Pumuckel oder Ginger genannt zu werden ist an der Tagesordnung. Und seit mein Vater uns verlassen hat, sind meine Mutter und ich denen ausgeliefert. 

So auch heute. 

„Schatz, setz doch bitte deine Mütze auf. Es ist kalt draußen!“, predigt meine Mutter. Aber ich weiß schon lange, dass ich sie nur tragen soll, damit keiner meine roten Haare sieht. Nur leider herrscht in der Schule eine Regel, die jegliches Tragen von Kopfbedeckung verbietet. Ausgenommen natürlich Kopftücher, vielleicht sollte ich konvertieren? 

„Ja ja, bis später.“, rief ich hinter mich. 

„Ruf bitte an, wenn du angekommen bist, ja?“ 

„Ja doch, bis heute Abend!“ 

Es ist Ende November und schon ziemlich kalt. Dieses ständige Anrufen geht mir auch auf die Nerven. Seit mein Vater weg ist hat sie zwanghaft Angst ich könnte auch abhauen und sie alleine lassen. Das artet schon fast in Paranoia aus. 

In der Nacht zuvor hatte es geschneit und die Straßen sind spiegelglatt. Wenn ich jetzt ausrutschen würde, wäre das ein gefundenes Fressen für meine Mitschüler, die sich bereits einige Meter hinter mir zu den anderen Schülern auf dem Gehweg eingereiht hatten. 

So auch Noel, Marie und Jenny - die Zicken Clique meiner Klasse und das schlimmste was mir in meiner armseligen Schullaufbahn passieren konnte. Denn Mädchen im Teeniealter waren erbarmungslos grausam. 

 

In der sechsten Klasse fing das ganze Drama an, nach der Trennung meiner Eltern waren meine Mutter und ich umgezogen und ich war die Neue in der Klasse. Zuerst war Noel noch freundlich zu mir. Aber als ich begann mich mit einem Jungen anzufreunden, den sie höchstwahrscheinlich mochte, drehte sich der Wind bei ihr um 180 Grad und sie wurde gemein, hinterhältig und grausam. Sie stachelte meine Mitschüler gegen mich auf und eine Zeit lang wollte ich nicht einmal mehr zur Schule gehen. 

 

„Schaut mal, da vorne geht ja Ginger unser Feuerteufel.  Hey Ginger , heute schon von einem Hund bepinkelt worden?“ 

Das war Noel, die sogenannte Anführerin der Clique. Ich lief einfach weiter und hoffte die Distanz zwischen uns unauffällig zu vergrößern. 

„Hey jetzt renn doch nicht weg!“ 

Oh nein. 

Noel packte mich an der Schulter und brachte mich so zum Anhalten.  

Mist!, dachte ich denn ich ahnte was jetzt kommen würde. 

Marie riss mir die Mütze vom Kopf und mein Zopf mit dem rostroten Haar viel mir in langen Wellen über die Schultern. 

„Das hässliche Ding hier darf man in der Schule aber nicht tragen. Weißt du das denn nicht? Ach, stimmt ja, außer den roten Fusseln da ist ja nichts da oben drinnen.“ 

„Last mich in Ruhe!“ Ich wollte weg, aber Noel versperrte mir den Weg und gab mir einen kräftigen Schubs, sodass ich in dem nächsten Schneehaufen landete. 

„Na fang' jetzt bloß nicht so an! Wir haben dir doch oft genug gezeigt, wo dein Platz ist!“ 

Sie nahm meine Schultasche und zog meine Wasserflasche hervor, dann goss sie den Inhalt über mich aus. 

Anschließend warf sie sie mit samt meiner Mütze über den nächsten Zaun bevor sie sich mit einem Tritt in den Schnee von mir verabschiedete und mit ihren Kumpanen lachend davonstakste. Der matschige Schnee traf mich mitten ins Gesicht. 

Völlig durchnässt rappelte ich mich auf und versuchte dann irgendwie an meine Tasche zu kommen. 

Eine Viertelstunde und eine nette alte Omi, die mich freundlicherweise in ihren Garten gelassen hatte später, kam ich dann zu spät in der Schule an. Doch zu meinem Glück hatte auch der Lehrer Verspätung, sodass ich zeitgleich mit ihm ankam. 

Dann ging es weiter. 

„Herr Baumgarten, können wir ein Fenster öffnen? Hier stinkt es unheimlich.“ Jenny wusste genau das ich bis auf die Knochen durchnässt war und genoss es sichtlich , mir dabei zuzusehen wie ich anfing zu zittern. 

Nach etwa zehn Minuten ging es weiter. 

„Herr Baumgarten, der Geruch geht einfach nicht weg, ich glaube er kommt aus Tias Tasche!“ 

Oh verdammt. 

Herr Baumgarten kam auf mich zu und ich sah an Noels selbstgefälligem Grinsen bereits, was er in meiner Tasche finden würde. 

Er öffnete sie und lies sie direkt wieder fallen. Er hielt sich ein Tuch vor den Mund, denn aus der Tasche die jetzt auf meinem Tisch lag schaute eine tote Ratte hervor. 

So ein Mist, sie musste sie hineingetan haben kurz bevor sie sie über den Zaun geworfen hatte. 

Noel machte weiter. 

„Ich wusste ja, dass du anders bist, aber dass du solche Hobbys hast ist echt pervers.“ Die ganze Klasse fing lauthals an zu lachen und der Lehrer sah mich angewidert an, als wäre ich es nicht wert bei ihm unterrichtet zu werden. 

Seit ich an der Schule bin, kann er mich nicht leiden, dafür hatte Noel gesorgt. Ich verstehe einfach nicht wie ich anfangs noch glauben konnte ,dass wir einmal Freundinnen werden könnten. 

„D-das war ich nicht! Die hat mir jemand da rein getan! Noel, Noel und ihre Anhängsel waren das!“, mir stiegen Tränen in die Augen, denn allein der Blick des Lehrers verriet mir, dass er mir nicht glaubte. 

„Noel ist das Musterbeispiel einer guten Schülerin, sie hat die besten Noten hier. Sie würde so etwas nicht tun, also schieb nicht alles auf andere ab, wenn du einen Fehler gemacht hast. Nach dem Unterricht kommst du mit zum Direktor, dann klären wir das. Und jetzt räum' das da weg!“ 

Ich konnte es einfach nicht fassen. Sie hatte wieder gewonnen. Stück für Stück zerstörte sie mein Leben. Ich packte die tote Ratte am Schwanz und warf sie in den Mülleimer. Begleitet von der ganzen Klasse mit Iii- und Bäh-Rufen verließ ich samt Mülleimer den Klassenraum. 

Nachdem ich den Inhalt im Großen Müllcontainer entleert hatte, blieb ich vor der Treppe zum Hauptgebäude stehen. Irgendwie wollten meine Füße nicht weiter. 

Ich kauerte mich neben die Treppe und vergrub mein Gesicht in den Armen. Meine Ärmel die langsam wieder trocken waren, wurden wieder feucht. 

„Tia!?“, ich sah nach oben . Auf der Treppe stand Ken, der einzige an dieser Schule, der zu mir hielt. 

„Alles okay? Meine Klasse hat alles mitgekriegt, die Wände sind ja leider so dünn wie Papier. Die Lehrer sind zum Direx gegangen, ich glaube Herr Baumgarten ruft deine Mutter an. Noel ist voll am ablästern!“ 

Ich sagte nichts und vergrub den Kopf wieder in meinen Ärmeln. 

„Hey, jetzt schau' mich mal an!“, ich sah ihn an, er kniete jetzt direkt vor mir. 

„Das geht so nicht weiter! Du musst anfangen dich zu wehren, notfalls auch mit Gewalt!“ 

„Das kann ich nicht! Die sind zu dritt und ich bin alleine, sieh mich doch an du Idiot!“ 

„Ich seh' dich doch an! Und ich sehe ein tapferes, schönes Mädchen das bereits zwei Jahre dieser Hölle durchgestanden hat!“ 

Mir entfuhr ein Lachen. 

„Ha...schön, ich? Mit diesen Haaren? Da musst du dir was besseres einfallen lassen Mr. Casanova!“ 

Die Tränen liefen wie Rinnsale über meine Wangen. 

„Sag' mir einfach nur warum? Warum muss ich so leiden? Was habe ich Schlimmes in meinem Leben getan, um sowas zu verdienen?“ 

Ken nahm mich in den Arm und auf einmal brach es aus mir hervor. Ich weinte, laut und ohne Hemmungen. Ich ließ einfach den Schmerz heraus der mich schon so lange plagte. Den Rest des Tages verbrachte ich im Krankenzimmer der Schule. Ken hatte meine Sachen aus dem Kassenzimmer geholt und am Abend hatte meine Mutter bereits ganze 34 Nachrichten auf meinem Smartphone hinterlassen. Alle beinhalteten Sätze wie: „Wo steckst du?“ oder  „Komm nach Hause! Ich mache mir Sogen!“. Etwa eine Halbe Stunde nachdem Ken gegangen war und die 44. Nachricht meine Mutter angekommen war, machte ich mich auf dem Heimweg. Jedoch ohne auch nur ansatzweise zu ahnen, wer dort auf mich lauerte. 

Am Schultor stand Noel. Ausnahmensweise mal allein. 

„Hallo Rattenmädchen, immer noch hier?“ 

„Lass' mich in Ruhe Noel, ich muss nach Hause. Reicht dir das nicht für Heute?“ 

Ich ging an ihr vorbei und genau das war der Fehler. Etwas hartes traf schmerzhaft meine Schulter. Als ich mich umdrehte hatte Noel bereits den nächsten Stein in der Hand. 

„Ob es reicht? Noch lange nicht, so einfach wirst du mich nicht los. Ich werde jeden Tag, den du noch zur Schule kommst, zu deiner persönlichen Folter machen!“ 

Der nächste Stein traf mich am Kopf und etwas warmes, klebriges lief daran herunter. Ich rannte los. 

„Hey, wo willst du hin?“ 

Doch ich war bereits zu weit weg, als dass sie mich hätte einholen können. Trotzdem lief ich weiter. Es reicht, es war genug. Ich konnte einfach nicht mehr. 

Zu Hause angekommen rannte ich in mein Zimmer und zog meine große blaue Reisetasche unter meinem Bett hervor. Das war meine Notfalltasche. Sie enthielt alles was man für einen schnellen Ortswechsel brauchte. Von warmen Klamotten über Kosmetikartikel bis hin zur solarbetriebenen Powerbank war alles enthalten. Meine Mutter kam ins Zimmer und sah wie ich noch ein paar Kleinigkeiten dazu stopfte. 

„Tia, was wird das? Wo willst du damit hin?“, unsicher kam sie ein paar Schritte auf mich zu, dann bemerkte sie wie das Blut von der Wunde an meinem Kopf auf den Boden tropfte. „Oh mein Gott, Tia was ist passiert? Wir- wir müssen dich zu einem Arzt bringen!“, sagte sie in einem hysterisch hohen Tonfall. 

Etwas lauter als gewollt antwortete ich: "Es ist alles okay, lass' mich einfach in Ruhe!“ Ich ging an ihr vorbei in die Küche und stopfte noch ein paar Lebensmittel hinein, als meine Mutter in der Tür stand und mir den Weg nach draußen versperrte. Ihr Blick war ganz glasig. 

„Was hast du vor? Willst du mich auch noch alleine lassen? Das lasse ich nicht zu junge Dame!“ 

Klick, der Schalter war umgelegt. 

„Ich halte es hier nicht mehr aus! Ständig werde ich in der Schule gemobbt und du bist zu feige um mit dem Rektor Klartext zu reden, damit er etwas unternimmt! Seit Papa weg ist lässt du dich total gehen. Ich bin deine Tochter verdammt, du musst dich um mich kümmern und nicht anders herum!“ 

Sie sah mich sprachlos an. 

„Ich muss hier weg!“ 

Ich bewegte mich in Richtung Haustür und da merkte sie was ich im Begriff war zu tun. Ich ging weg, genau wie Papa. „Nein, du gehst nirgendwo hin! Nicht du auch noch!“ Sie versuchte mich festzuhalten doch ich riss mich los und verschwand durch die Haustür. 

„Tia! Tia!“, hörte ich meine Mutter hinter mir rufen und ich glaubte auch, dass sie mir eine Weile hinterher lief, doch ich war schneller als sie. 

Ich wusste nicht wohin, Hauptsache nur weg von hier. Es war bereits dunkel und die Stadt war bereits weihnachtlich geschmückt und erstrahlte ich allen möglichen Lichtern und Farben. An einer großen Kreuzung hörte ich ihn rufen. Es war Ken, glaubte ich, denn er trug anders als in der Schule keine Brille und seine schulterlangen Haare waren zurückgebunden. 

„Hey, was machst du so spät noch hier? Und was soll die Tasche? Moment ist das etwa Blut an deiner Stirn? 

„Das war Noel.“, antwortete ich trocken. 

Dann sah ich, wie ihm ein Licht aufging. 

„Mensch Tia, das lässt sich doch alles klären. Deine Mutter und ich können zum Rektor gehen und-“ 

„NEIN!“, unterbrach ich ihn, „Das bringt doch alles nichts, Noel hat mir eben unmissverständlich klar gemacht, dass sie nie damit aufhören wird. 

Ich halte das einfach nicht mehr aus  ich-“ 

„Wer ist das denn?“, unterbrach mich eine blonde Schönheit, die ihren Kopf auf Kens Schulter gelegt hatte und mich aus ihren großen blauen Augen herausfordernd ansah. 

„Nur eine Bekannte, die jetzt sofort umdrehen und nach Hause gehen wird!“, so hatte ich Ken noch nie gesehen, der kalte Blick, den ich hier erntete, war mir völlig fremd. 

„Bekannte? Was soll das? Du also auch, ja? Ich weiß ja nicht was du um diese Uhrzeit hier noch treibst, aber ich wünsche dir noch ein schönes Leben Ken. Ich dachte du wärst ein guter Freund, aber da bin ich mir jetzt nicht mehr so sicher.“ 

Ich drehte um und ging über die Kreuzung. 

„Tia, warte! Ich kann-“, rief Ken hinter mir her, aber ich wartete nicht und sah den Lastwagen der auf mich zukam zu spät. Ich hörte Ken noch meinen Namen rufen, dann wurde alles schwarz. 

 

Als ich die Augen öffnete sah ich einen wolkenverhangenen Himmel. 

Eben war es doch noch Dunkel? 

Ich lag auf feuchter Erde. Als ich mich umsah lag neben mir der abgetrennte Kopf eines Menschen. 

Ich schrie, stand zu ruckartig auf. Mir tat alles weh. Um mich herum lagen unzählige Leichen und weit und breit nichts von der Stadt mehr zu sehen, in der ich eben noch war. 



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