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Geschwisterbanden sind unzerbrechlich

Alles neu macht der Mai
von

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Brüderchen und Schwesterchen

Du entkamst uns nicht. Wir haben dich.

Die Zeit vergeht für uns nicht. Lebe in Frieden, freue dich.

Wir holen dich zu uns. Bald wirst du verstehen.

Dein Brüderchen kann dich nicht beschützen. Niemand kann euch retten.

Der Wahnsinn wächst in dir. Weine. Lache. Schreie. Leide.

Wir holen dich.
 

Neugierig guckten die Kinder Ruben hinterher, der eine alte Kiste herumtrug. Tuschelt blieben die Mädchen beieinander, während die Jungs hinter ihm herliefen. Ruben tat so, als würde er die aufgeweckten Knaben nicht bemerken. Einer der Knaben, ein unerschrockenes Kerlchen mit dem Hang sich in Schwierigkeiten zu bringen, zupfte nach einigen Metern an seinem Hemd. Ruben blieb stehen.

„Wo bringst du die Kiste hin? Was ist da drin? Woher kommt sie?“

„Zum Bürgermeister. Geht dich und mich nichts an. Aus der nächsten Stadt.“

Staunend, das Ruben ihn antwortete, blickte er zu seinen Freunden. Eines der Mädchen nährte sich und fragte schüchtern, ob sie wieder einmal Dina besuchen könne. Ruben nickte und lief weiter. Er wollte seine Arbeit pünktlich verrichten.
 

„Wie lange arbeitest du schon bei uns?“

„Ich denke fast ein halbes Jahr. So in der Art.“

Der Fleischer nickte und stellte den Zuber mit dem heissen Wasser in die Ecke. „Wasch die Messer. Danach geh zu meiner Frau“, brummte er und blickte zu der jungen Frau. Dina half ihm und seiner Frau im Haushalt sowie im Betrieb. Sie hatten keine eigenen Kinder und dachten schon daran im Alter die Fleischerei zu verkaufen. Der Gedanke, das Geschäft dem unzertrennlichen Geschwisterpaar zu vererben, keimte schon. Dennoch wollte er noch lange nicht daran denken. Seine Frau hatte die Kleine wirklich fest ins Herz geschlossen.

Dina warf einen Blick zu ihm. Gerade wollte sie angefangen. Unsicher fragte sie, ob sonst noch was wäre. Ertappt brummte der Mann was und verliess den Schlachtbereich. Das Fleisch musste getrocknet und geräuchert werden, bevor die streunenden Köter sich was schnappen konnten.
 

Niemand in der Stadt sprach über den Vorfall. Jeder schwieg und behandelte auf einmal die Geschwister nett.

Ben wurde schwer bestraft. Betsy stritt ab, davon gewusst zu haben. Obwohl Ben bis zum Schluss sie mitbeschuldigte. Sie hätte Dina etwas ins Getränk gemischt und sie zu ihm und seinen Freunden gebracht. Sie hätte Dina die Kleidung vom Leib gerissen und gehässig gelacht. Betsy behauptete, er hätte sie dazu gezwungen. Jedoch schickten ihre Eltern sie in eine fremde, weit entfernte Stadt. Angeblich zu Verwandten, die eine gute Anstellung für sie gefunden hätten. Niemand der Bewohner konnten jemals wieder Rubens hasserfüllten Blick vergessen. Wie schwor, wenn Ben nicht bestraft werden würde, er ihn umbringen wurde. Danach sich und seine Schwester, die nicht in Schande leben sollte.

Dina wurde untersucht. Nur Ruben wusste, ob sie beschmutzt wurde. Er schwieg jedoch darüber. Dina war gut drei Monate nicht in der Stadt. Sie war schweigsam und Ruben liess sie nicht aus den Augen.

Dies war nun aber Vergangenheit.

Dina fühlte sich richtig wohl in dem Städtchen. Ruben war glücklich, weil sie glücklich war. Wäre da nicht das warnende Gefühl in seiner Brust.

 

 
 

Lauernd blickte die Katze Dina an. Fauchte und verschwand unter die Beine des alten Mannes. Dieser winkte Dina zu, die gerade auf dem Heimweg war. Die Sonne wärmte den Sitzenden. Gemütlich rauchte er seine Pfeife und blickte zum Himmel. „Heute ist wieder Vollmond“, sprach er leise. Die Katze lugte misstrauisch unter den Beinen durch. Erst als Dina nicht mehr zu sehen war, kam sie heraus. Der Alte schnalzte mit der Zunge. Er dachte über die Geschwister nach.

Sie versteckten ihre wahre Identität. Dies war im ersten Augenblick klar und seine kleinen Nachforschungen trugen Früchte. Ruben und Dina reisten umher, wechselten jedes Mal ihre Namen. Seine Spur endete in einem Hospital. Die Oberschwester erinnerte sich an einen Jungen, der mit schweren Verletzungen gefunden wurde. Ein Mädchen war dabei und behauptete seine Schwester zu sein. Nur durch eine riskante Bluttransfusion überlebte der Junge. Die damalige Oberschwester war sich sicher ein Gespräch zwischen den Beiden, damals noch Kindern, belauscht zu haben. „Ab nun sind wir wahrlich Blutsverwandt“, soll das Mädchen gesagt haben.

Doch dies war nicht, weshalb er seine Gedanken an ihnen verlor. Seit dem Vorfall veränderte sich das Wesen von einem der Beiden. 

 
 

***

 

 

Schön deckte Dina den Tisch. Sie summte vor sich hin. Der Winter war endlich vorbei und der Frühling stand vor der Tür. Sie wollte Ruben eine besondere Freude machen. In letzter Zeit war er in der Nacht so unruhig. Fürchtete er sich vor etwas? Aber er wollte nicht darüber reden. Ruben war so ein Sturkopf.

Summend nahm sie den Topf von der Kochstelle und goss den Eintopf in die schönste Schüssel, die sie besassen. Das Brot schnitt sie und garnierte den Eintopf mit einem Bund Kräuter. Sogar einen Nachtisch bereitete sie eigenhändig zu. Sicherlich freute er sich darüber. Dina setzte sich hin und warte auf ihren geliebten Bruder.

„Es schmeckte mir. Schau mich doch nicht wie ein Hündchen an.“

„Mach ich das? Soll ich dich anmeckern?“

Ruben lachte und schüttelte den Kopf. Das Essen war mehr als köstlich. Sie war, obwohl sie burschikos erschien, eine liebevolle Frau. Ob sie eines Tages einen Ehemann finden würde? Dieser Gedanke gefiel ihm überhaupt nicht. Dina sollte bei ihm bleiben. Er musste sie beschützen. Alleine er konnte dies tun. Er versprach es ihr. Und ihm.

Dina bemerkte nicht, über was ihr Bruder nachdachte. Sie wusch das Geschirr ab und plauderte über ihren Tag. Langsam erhob sich Ruben. Schritt auf sie zu. Umarmte sie und drückte sie fest an sich. Zuerst beschwerte Dina laut und versuchte sich zu befreien. Doch irgendwann wehrte sie sich nicht mehr. „Ruben lass dass …“, flüsterte sie und schloss die Augen. Ihr Herz raste und ihre Gefühle wirbelten in ihrem Inneren durcheinander. Dieser Augenblick sollte niemals vorbeigehen. 

 

 

Der Wollust schmerzt dich. Die Liebe lähmt dich.

Er soll dir gehören. Dir allein.

Der Wollust schmerzt dich. Die Liebe lähmt dich.

Zerreisse ihn. Verbrenne ihn. Seine Seele und Körper. 

 

 

Schwer atmend sass er vor der verschlossenen Türe. Hinter ihm flehte seine Schwester die Türe zu öffnen. Wimmerte. Sprach mit süsser Zunge. Rubens Herz wollte sich nicht beruhigen. Diese Nacht war Dina wie ein Dämon. Riss sich im Wahn die Kleidung vom Leibe, kratze sich die Wangen blutig. Versuchte ihn festzuhalten. Hauchte ihm lüsterne Worte ins Ohr.

Der Vorfall in der Mainacht hat tiefe Spuren hinterlassen. Jede Nacht lachte oder weinte sie. Wanderte im Haus umher. Im Winter lief sie weg zum Wald. Irgendwann quälte sie kleinere Tiere. Singend zupfte sie an ihnen herum, freute sich an ihrem Leid. Jedes Mal wachte sie auf und wusste nichts mehr davon. Ruben versuchte verbissen dies vor ihr Geheim zuhalten. Wusch seine Schwester, kleidete sie wieder ein, bezog das Bett neu. Räumte das Haus auf, wenn sie wie ein eingesperrtes Tier wütete. Verriegelte das Haus, damit sie nicht heimlich aus dem Haus schleichen konnte. Dina sollte nicht daran zugrunde gehen. Lieber würde er sie einsperren. Für immer.

Ruben merkte nicht, wie er zitterte. Was sollte er bloss tun? „Dina, ich bin da. Ich bin für dich ewig da.“ Es war eine Beschwörung. Hoffnung soll es ihm geben. Mut aufflammen lassen. Diese Nacht schnell vorbeigehen lassen.
 

Es klappte nicht. Seine Seele zerbrach am Weinen seiner Schwester. An dem Gedanken, wie zerbrechlich sie doch war. Wie einsam sie hinter der Türe sass. Sie wartet auf ihn. Er musste zu ihr.

 

 

Sein Herz ist zerbrochen. Der falsche Bruder enttarnt.

Ich bestrafe ihn. Du bleibst rein, Schwesterchen.

Sein Herz ist zerbrochen. Der falsche Bruder enttarnt.

Er wird brennen und leiden. Du brauchst ihn nicht.
 

Wimmernd sass Dina auf dem Bett. Ihre Haare waren zerzaust. Ihr Körper zitterte. Schweiss wie Tränen rannen ihrem Körper hinunter. Daneben stand Ruben. Er starrte entsetzt auf seine Schwester. Was war geschehen? Hatte er sie unschicklich berührt? Er wusste nichts mehr. Als er die Türe öffnete und seine Schwester ihm umarmte, sank er in eine Trance.

„Dina … Schwesterchen, weine nicht …“, sprach Ruben und sank auf die Knie. Betete zu einem Gott, an den er schon lange nicht mehr glaubte. Heisse Tränen liefen ihm über das Gesicht. Was sollte er jetzt bloss tun? 



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