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Wenn Ostern sein Frühling findet

Die Hüter des Lichts
von

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Kapitel 3 – Vom Wiedersehen überwältigt

 

Sophie! Er hatte Sophie gesehen.

 

Sein Herz hämmerte noch immer wild in seiner Brust, schneller als es ohnehin schon für einen Hasen üblich war. Zunächst hatte er sie nicht erkannt, aber wie auch. Dieses Gesicht war nicht mehr Sophies Gesicht gewesen. Abgesehen von den kurzen schwarzen Haaren, was ihm nun am meisten irritierte.

Er hatte mitbekommen, obgleich er nicht gerade viel mit Menschen zu tun hatte, das seit einigen Jahrzehnten es zum Alltag gehörte, sich die Haare zu färben, um die vergängliche Jugend weiter aufrecht zu erhalten und die grauen Strähnen überfärbte, war nicht an ihm vorbei gegangen. Auch nicht das sie heutzutage auch die Jugend damit schmückte, immer öfter wechselte sich die Farbe und es konnte nicht bunt genug sein. So manches mal hatte er schmunzeln müssen, da ihn manche Haarprachten an seine Ostereier erinnerten.

Aber Sophie mit ihren hübschen goldenen Längen, die wallend über ihre Schulter gefallen waren. Nun abgeschnitten und mit dieser Finsternis überschmiert.

Jedoch war das nicht sein Problem.

 

Ihre Augen hatten ihren Glanz verloren, das leuchtende Grün erloschen. Ihr Gesicht war so blass, das er glaubte die Adern darunter sehen zu können und das lag nicht an der dunklen Haarfarbe. Auch die dunklen Ringe unter ihren Augen zeugten von einem unglücklichen Leben. Beunruhigender war eher das sie zusammengezuckt war als sie gerufen wurde. Etwas stimmte nicht.

 

Sich hinter Bäumen und Büschen versteckend folgte er ihr. Straßen überquerte er mit Hilfe seiner Tunnels. Erwachsene konnten ihn zwar nicht sehen, doch waren nun viele Kinder unterwegs, die mit ihren Osterkörben nach Hause liefen. Kein leichtes Unterfangen und zusehends schwieriger wurde es als sie in eine Straßenbahn stieg. So sprang er in einem kleinen Hinterhof auf Müllcontainer, sprang auf das Dach einer Garage und warf seinen Bumerang um die Wäscheleine zu durchtrennen um mit dem Seil auf das Wohnhaus zu klettern.

So sprang er von einem Dach zum anderen und folgte so geschickt der Straßenbahn ohne gesehen zu werden.

 

Es dauerte eine Weile, doch dann lief Sophie mit diesem Typen, dem Hase mehr als unsympathisch war, in ein Haus, in dem sie wohl lebte. Scheinbar war sie in das Zentrum von Burgess gezogen, und war somit im Grunde nicht weit weg gewesen, als er im vorigen Jahr enttäuscht in ihrem Garten gestanden hatte.

 

Hase prägte sich das Haus ein und nahm sich vor am späten Abend noch einmal vorbei zu sehen. Er musste sie einfach sprechen.

 

***

 

Kaum war die Sonne untergegangen begann für Hase das grausame abwarten. Geschäftig lief er durch seinen Bau, doch konnte er sich einfach nicht konzentrieren. Letztendlich lief er nur von einer Ecke zur Nächsten und wieder zurück. Unruhig und aufgeregt fieberte er der schwarzen Nacht entgegen und es kam ihm wie eine Ewigkeit vor.

Doch dann war es soweit!

Hase sah hinauf zum Mond, der gemäß seine Bahn zog und konnte an der Koordination erkennen das es spät genug war. Sein alter Freund stand stumm hoch am Himmel und Hase war erstaunt über das Schweigen. Immer schon hatte er Sorgen gehabt das der Mann im Mond ihn tadeln würde, da er Kontakt mit Sophie gehalten hatte, wenn auch erst so richtig in den letzten Jahren. Noch nie war so etwas bisher geschehen, zumindest war darüber nichts bekannt, nicht ihm.

Sie aber nun ganz privat in ihren Räumen zu treffen und sich in ihrem Leben einzumischen, wo sie doch als Erwachsene galt, wenn auch nicht für ihn, das bereitete ihm Sorgen. Sorgen vor der Aussprache des Verbots, welche ihm von MiM auferlegt werden könnte, doch vielleicht machte er sich da zu viele Gedanken. Er wollte sich ja auch schließlich nur vergewissern das es Sophie gut erginge.

 

Es war doch nichts dabei. Oder?

 

Mit zweimaligem Klopfen auf dem Boden öffnete sich ein Tunnel und er machte sich auf dem Weg.

 

***

 

Kurze Zeit später stand Hase vor dem Haus, die Wege Menschenleer. Er wusste nicht in welchem Stockwerk sie wohnte, doch da die Kinder nun schlafen würden und die Erwachsenen ihn nicht sehen konnten, wäre es kein Problem, von einem Stockwerk ins nächste aus seinem Tunnel zu springen.

Etage für Etage durchschnüffelte er die Schlafzimmer, in denen er aus dem Boden kam. Eine empfindliche Hasennase war mehr als praktisch, es brauchte nur einen Atemzug um alle Gerüche nach Sophies Duft zu filtern.

Bisher hatte er nichts gefunden. Die meisten Schlafzimmer - alle in den verschiedensten Geschmäckern eingerichtet - waren leer, außer in dem Einen, da lag eine ältere Dame, doch war er auf sanften Pfoten bei ihr eingefallen und blieb somit unbemerkt.

Sophie musste im obersten Stockwerk wohnen, im Dachgeschoss. Und er hörte bereits jetzt schon viele Geräusche. Eine Diskussion fand wohl über ihm statt, doch lief der Typ trampelnd aus der Zimmer und hatte die Tür hinter sich zugeschlagen.

 

Das war sein Moment. Let's Go!

 

Anders als geplant, war er nicht auf sanften Pfoten bei Sophie eingetroffen. Mehr wurde er von Kleidungsstücken, einer Haarspray-Dose, einer halbvollen Tüte Chips, ein Glätteisen und eine Männer-Boxershort - die eindeutig nicht frisch war - geradezu überfallen. In Gegensatz zu den anderen sauberen Schlafzimmern war Sophies – wohl durch die Dachschrägen – kleiner geschnitten und sehr eng, obgleich sich im Grunde nicht viel darin befand und Ordnung wurde offensichtlich nicht so viel Aufmerksamkeit beigemessen.

 

„AU!“, rief Hase aus, als die Haarspray-Dose sich seinem Kopf vorgestellt hatte und dieser widerliche Testosteron getränkte Lappen fand auch noch Gefallen an seinem langen rechten Ohr.

 

„AAH! HASE?!“, rief Sophie erschrocken, die sich gerade für die Nacht umziehen wollte und nun in Pyjamahose und BH vor ihm stand.

 

Sie war jedoch so verwirrt und gleichzeitig erfreut ihn zu sehen, das sie das nicht weiter registrierte und die Sachen entgegennahm, dir er ihr vom Boden des Tunnels emporstreckte. Als alles achtlos aufs Bett geschmissen war, hielt sie ihm eine Hand hin, welche er ergriff und auf dem Boden hinauf sprang. Sogleich schloss sich der Tunnel wieder und beide knieten zunächst ein wenig befangen voreinander.

Sophie, weil sie sich für das heutige Treffen und ihre Abwesenheit im letztem Jahr schämte. Und Hase, weil der offensichtlich nicht mehr kindliche Körper, der einer wahren Frau gewichen war, was ihn wie ein Schlag ins Gesicht traf. Vor allem da diese Beweise nur von Stofffetzen bedeckt wurden.

 

„Hase, was...?“

 

„Sophie, was schreist du denn hier rum?“, streckte Brad plötzlich seinen Kopf rein.

 

„Ach nichts, ich war nur auf eine Spange getreten“, sagte Sophie und versuchte so normal wie möglich zu wirken.

 

„Ach so“, sagte er nur und schloss wieder die Tür.

 

Erleichtert ausatmend drehte sich Sophie wieder Hase zu, doch dieser war verschwunden.

 

„Hier unten“, sagte Hase, der sich auf die Schnelle in ein kleines Kaninchen geschrumpft war.

 

Er hätte niemals gedacht das er diese leidige Gestalt noch einmal annehmen würde und eigentlich wäre es völlig unnötig, denn Brad als Ungläubiger, konnte ihn ohnehin nicht sehen, doch hatte ihn die Panik des Ertappt werdens, ergriffen. Wobei man die Frage stellen müsste wobei man ihn ertappt hätte, fiel ihm die Größe der Beweise, aus diesem Sichtwinkel monströs auf.

 

Aus großen grünen Augen glotzend starrte er sie an.

 

„Hase, wieso hast du dich verwandelt?“, fragte Sophie verwirrt und erhaschte ihn bei seinen gaffenden Blicken.

 

Mit hochroten Wangen, nahm sie ein T-Shirt vom Bett und hielt es vor ihrem Körper.

 

„Dreh dich um“, bat sie ihn, stand auf um in die andere Ecke zu laufen und zog sich – mit dem Rücken zu ihm gewandt – um.

 

Als das geschehen war, drehte sie sich wieder zu ihm, doch nun war er groß und sein langer Rücken mit seiner beeindruckenden Fellzeichnung, seinem süßen Puschelschwänzchen und seinem Waffengurt, in dem sich seine Bumerangs befanden, präsentierten sich ihr. Nicht zu schweigen von den schönen langen weichen Ohren, von denen sie immer gehofft hatte, sie einmal berühren zu dürfen, doch wusste sie das er Streicheleinheiten nicht besonders schätzte.

Doch nun konnte sie nicht anders.

 

Er war hier.

 

Obwohl sie ihn enttäuscht hatte. Ihr Herz flatterte aufgeregt. Sie ging auf ihn zu, was er natürlich hörte und er wollte sich wieder herumdrehen, doch schlang sie da schon ihre dünnen Arme um seinen Hals und drückte sich an ihn. Das die Bumerangs ihr in die Rippen stießen störte sie nicht sonderlich.

 

Er war hier.

 

Überfordert von der Situation ließ Hase es zu. Er wusste nicht warum, doch als sie ihn als Zweijährige erweicht hatte - ja geradezu weichgekocht hatte - waren ihre Berührungen oder die Tatsache das sie in seinen Armen schlief nicht schlimm gewesen.

 

Nun aber war es aufwühlend, ungewohnt und unbekannt. Vor allem diese Dinger, ihre Beweise der Weiblichkeit an seinen Rücken gedrückt zu spüren, war verwirrend und vor allem überfordernd. Es beförderte alte Empfindungen herauf, die sich aber nur noch schwammig und vernebelt in seinen Erinnerungen befanden und doch war das alles Fremd.

 

„Es tut mir leid“, flüsterte sie und drückte ihr Gesicht in sein Fell.

 

„Hey, schon ok...“, sagte Hase unsicher, stand auf und drehte sich zu ihr, wobei sie sich von ihm lösen musste.

 

„Bist du nicht sauer auf mich?“, fragte sie und sah ihn mit diesen schönen großen grünen Augen an, die zu ihm aufblickten.

 

„Du bist mir nicht verpflichtet Soph. Du bist erwachsen, du kannst tun und lassen was du willst. Ich war nur überrascht dich heute zu sehen und wollte mich davon überzeugen... das es dir gut geht“, flüsterte auch er, wobei er nicht wusste weshalb, da er von den anderen nicht gehört werden konnte.

 

„Ja, natürlich geht es mir gut, wie kommst du darauf?“, fragte Sophie verwirrt.

 

„Wirklich?“

 

„Ja?“

 

„Aber so siehst du nicht aus“, stellte Hase fest und sah ihr tief in die Augen.

 

„Ja, es... war nur stressig in letzter Zeit. Ich bin momentan viel arbeiten und der Umzug davor, also ehe man sich eingerichtet hat, na ja... und manchmal gibt es natürlich Streit mit Brad, aber das ist doch normal... das Übliche eben.“

 

„Das Übliche... pass auf, ich weiß sehr wohl das es mich nichts angeht. Aber dir geht es nicht so gut wie du mir weiß machen willst. Du siehst scheiße aus, Keule. Und dieser Brad tut Dinge die dir schaden.“

 

„Ach was... das... das stimmt doch nicht. Was macht er schon, er geht arbeiten und...“

 

„Drogenhandel ist also nichts schlimmes?“

 

Verwirrt blickte Sophie ihn an. Sie verstand nicht woher er das wusste.

 

„Meine Nase ist feiner als du glaubst, abgesehen von der Wolke die durch ihn herein kam, es haftet auch an dir.“

 

Ungläubig schüttelte Sophie den Kopf, ihr Herz klopfte wild und das Blut begann in ihren Ohren zu rauschen. Ihr Tinnitus, den sie seit geraumer Zeit hatte, wurde zunehmend lauter und sie glaubte nichts anderes mehr hören zu können.

 

„Hör zu, es ist nur für eine Weile, wegen dem Geld. Es wird ja nicht an Kindern verkauft, ehrlich... es ist nur... das Geld, es reicht nicht und sieh, die kleine Wohnung, es... Wir brauchen es eben.“

 

Hase sagte nichts dazu, er sah sie einfach nur an und das machte Sophie nur unsicherer. Sie befürchtete er würde sauer auf sie werden.

Plötzlich packte er sie mit seinen Pranken – eine Mischung aus Hände und Pfoten – und zog sie zu sich. Seine kalte Nase fuhr durch ihre Haare, ihren Hals, ihren Nacken und ehe Sophie es sich versah, hatte er ihr Kinn mit seiner Pfote zu ihm gerückt und er roch an ihrem Mund. Das es fast zu einem Kuss kam, das war ihm erst in dem Moment klar geworden und war peinlich berührt einen Schritt zurück gegangen.

 

„Hase?“, fragte Sophie unsicher, den Tränen nahe. Gänsehaut hatte sich auf ihren Armen ausgebreitet während er sie überprüft hatte.

 

Was ist wenn er auf ewig sauer auf sie ist und verschwindet und nie wieder zu ihr kommt? Allein die Vorstellung versetzte ihr ein Stich ins Herz. Auch wenn sie sich nie oft gesehen hatten, er war ihr sehr wichtig.

 

„Lüg mich nie wieder an! Nie wieder“, sagte er bedrohlich, kam näher und blickte zu ihr hinunter. „Wenn du dich ausprobieren willst, ist es mir recht. Wir alle hatten unsere experimentelle Phase, aber dieser Typ ist nicht gut für dich...“

 

„Was? Was soll das heißen? Brad ist... ist vielleicht nicht perfekt, aber ich liebe ihn. Wir wollen ein gemeinsames Leben aufbauen.“

 

„Ich schätze daraus wird nichts werden, Keule“, sagte er ehrlich, aber auch traurig.

 

Auch wenn Brad ihm zu wider war, er wünschte sich für Sophie ein schönes Leben, doch schien es mehr einer Katastrophenbeziehung zu gleichen. Er maßte sich nicht an ein Experte in Sachen Beziehung zu sein, doch stellte er es sich einfach anders vor. Er würde es nicht zulassen das Sophie so fertig aussehen würde, so abgekämpft und erschöpft.

 

„Du hast nicht das Recht so etwas zu sagen, du kennst ihn nicht.“

 

„Oh doch, ich kenn diese Sorte...“

 

„Woher denn? Du bist die ganze Zeit nur mit deinen Eiern beschäftigt, selbst mit Kindern hast du nicht viel zu tun. Du hast nur näheren Kontakt zu mir, weil ich aus einen dummen Zufall in deinem Bau gelandet war. Woher willst du wissen wie es hier in der Welt läuft?“, fauchte sie wütend, auch wenn es ihr Tränen in die Augen trieb.

 

„Ich habe in all den Jahrhunderten viel gesehen und auch ich hatte ein Leben bevor ich ein Hüter wurde“, murrte er, wobei er ihr tief in die Augen sah.

 

Ihre Nasen berührten sich fast. Hase war ebenfalls sehr aufgebracht und verstand die Gedankengänge seines sonst so klugen Mädchens nicht. Wo war nur seine alte Sophie geblieben? Seine selbstbewusste, freche Sophie, die ihren eigenen Weg ging und sich nicht an andere klammerte.

 

„Es ist mein Leben und es geht dich nichts an“, sagte Sophie, eine Träne rollte über ihre Wange.

 

Ein Leben ohne den Osterhasen konnte sie sich nicht vorstellen, doch wenn er gegen ihre Liebe etwas auszusetzen hatte und sich somit aus ihre Welt drängte, musste sie die Konsequenzen tragen.

 

Hase fiel aus allen Wolken, er glaubte nicht recht zu hören. Traurig die Ohren herunterhängend sah er sie an. Auch seine Augen waren feucht geworden.

 

„Ich hoffe du weißt was du tust“, sagte Hase, klopfte zwei Mal auf den Boden und verschwand in seinem Tunnel, zurück in seinen Bau.

 



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