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Demonheart

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
»I’m just out for revenge for my parents. It’s none of your concern!«
– Yuri (Shadow Hearts) Komplett anzeigen

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Akt III - Der Schacht: 5-1

5-1: YURI
 

Während Jin und Dante sich ergebnislos über die Hintergrundgeräusche der Tonaufnahme zankten, ertappte Yuri sich dabei, wie er auf das gleichmäßige Ticken seiner Taschenuhr lauschte. Es drang leise wie ein vertrautes Flüstern aus seiner Hosentasche, als wäre das Geräusch nur für ihn bestimmt, als hätten er und ihr früherer Besitzer eine stille Übereinkunft. Natürlich, McNab hatte mit der Zeit experimentiert. Aber selbst Yuri war klar, dass Zeitreisen in die Vergangenheit nicht möglich waren; es würde die Umkehr des Prinzips von Ursache und Wirkung bedeuten. Der Beweis dafür war das Periapt, das unangetastet an seinem Hals lag. Es war blau gewesen, nachdem Alice sich für ihn geopfert hatte, blau, und es hätte nie wieder eine andere Farbe annehmen dürfen. Doch nun war es rot – rot wie Blut, als wäre es wieder angefüllt mit dem Bösen, das ihn verfolgte. So war es, seit ihn der Mistelfluch getroffen hatte. Er war also noch immer verflucht, egal in welche Vergangenheit sich sein Körper verirrt hatte, um in der Zukunft zu stranden.

Wie hatte er auch nur eine Sekunde lang glauben können, irgendjemand in dieser Welt könnte ihn problemlos zurück ins Jahr 1915 befördern? Außerdem hatte er immer noch nicht seine verlorenen Habseligkeiten zurück. Und das nahm er Dante ziemlich übel. Den interessierte gegenwärtig nichts außer seiner vermissten Freundin. Er hatte Yuri und Jin in seinem Büro eingelocht und sich seither nicht sonderlich um die Verantwortung geschert, die er damit übernommen hatte. Der Sack war gar nicht in der Lage, sich um irgendetwas zu kümmern. Nicht einmal ein Kaktus würde in diesem Loch überleben.

Wie hält seine Freundin überhaupt dieses Chaos aus? Schon nach dem ersten Rundumblick bei Tageslicht hätte Yuri schwören können, dass es keine Frau in Dantes Leben gab.

Nun gut, eins war er bereit einzusehen: Wäre Alice in der Gewalt eines Feindes, hätte auch er mit Sicherheit keine Aufmerksamkeit an andere Leute verschwendet, die ihm mit irgendwelchen kleinlichen Problemen auf die Eier gingen.

Aber, ergänzte er sofort in Gedanken, ich würde auch nicht zwei Leute von der Straße aufsammeln und sie bei mir zu Hause einsperren, einfach, weil ich’s kann.
 

»Was ist?«, wiederholte Dante seine letzte Frage, weil weder Yuri noch Jin darauf reagiert hatte.

»Ich sehe nicht, wie Alkohol uns hier weiterhelfen soll«, entgegnete Jin.

»Das ist kein Alkohol«, korrigierte Dante, »das ist Scotch.« Er hielt eine schlanke Flasche hoch (wo auch immer die eben noch gewesen war) und rieb mit einem Ärmel über das schlichte Etikett. »Talisker, einer der sechs berühmten Classic Malts. Sherry Finish. Bringt die Gedanken in Bewegung. Wollt ihr?«

»Nein«, brummte Jin.

»Ja, bitte, sofort«, verlangte Yuri. »Mach hin. Der hilft.« Mit einem spöttischen Lächeln betrachtete er die leeren Flaschen, die in ihrer Ecke bei der Tür vor sich hin staubten. Man sieht ja, wie der hilft.

»Verstehst du was von Scotch, Hyuga? Seit ich meinen Horizont erweitert habe und nicht mehr nur Bourbon trinke, funktioniert mein Hirn besser. Sachen wie Jack Daniel’s sind dann gut, wenn man den Nebel im Kopf dichter machen will, aber ein guter Malt macht klar. Und man braucht nicht so viel davon.«

Wovon wieviel, war für Yuri ziemlich egal. Er kannte sich vor allem mit schlechtem Wodka aus. »Also weil deine Freundin nicht da ist, betrinken wir uns jetzt? Richtig?«, hakte er nach.

Dante sah fast beleidigt aus. »Scotch ist viel zu teuer, um sich damit zu betrinken, Kleiner. Was wir machen, ist … Wir kommen zur Ruhe. Klar?«

Er stellte zwei Gläser auf den Tisch, die entfernt an Weingläser erinnerten, aber in der Mitte des Kelches leicht tailliert waren, und füllte sie nur etwa zweieinhalb Fingerbreit hoch mit der goldfarbenen Flüssigkeit. Yuri roch die starke Spirituose bis zu seinem Platz auf dem Sofa. Das Aroma passte sich gut dem bereits vorherrschenden Gemisch aus Holz, Lederpflege und … Gammeligkeit an.

Dante nippte an seinem Whisky, lehnte den Kopf zurück und drehte gedankenverloren das Glas, sodass der Inhalt ölig im Kreis schwappte.

»Kein Eis?«, fragte Yuri.

»Wo bitte hast du trinken gelernt?«, erwiderte Dante, aber er sagte es teilnahmslos in Richtung Wand, so als wäre er bereits ins Grübeln versunken. »Genieße und schweig.«

Yuri schnupperte an seinem Glas und sah zu Jin. Dieser hatte sich halb von ihnen abgekehrt, eine typische Leckt-mich-doch-alle-am-Arsch-Haltung, die Yuri sehr sympathisch fand. Seine Augen unter dem rabenschwarzen Schopf waren noch immer voller grimmiger Traurigkeit, von der seine starre Miene indes nichts erahnen ließ. Anderen Menschen die eigenen Emotionen aufzudrängen gehörte sich nicht und zeugte von schlechter Disziplin, daran hatte sich anscheinend bis heute nichts geändert.

Yuri schüttete sich den Whisky in die Kehle, statt ihn manierlich zu nippen. Er genoss noch immer den brennenden Abgang, als sein Augenwinkel die abrupte Bewegung einfing, mit der Dante aus seinem Sessel aufsprang.

Polternd stellte der Teufelsjäger das leere Whiskyglas auf den Tisch und packte gleichzeitig mit der anderen Hand seinen Mantel, der so schwer aussah, als könnte man einen Dämon schon dadurch töten, dass man ihm das Ding ins Gesicht schlug. »Okay, ich muss ins Police Department. Weiß jetzt wieder, woher ich die Maschinengeräusche kenne.«

»Ach ja?«

»Den Ort gibt’s nicht mehr. Jedenfalls nicht mehr da, wo er mal war. Muss rausfinden, wo er jetzt ist.«

Diese Erklärung war kryptisch, aber egal – Yuri witterte eine ganz andere Chance: »Wenn du da bist, bring mein Zeug mit!«

»Ich überleg’s mir«, gab Dante kurz angebunden zurück, zog die Tür hinter sich zu und drehte den Schlüssel im Schloss, wie das nachfolgende Geräusch unschwer erkennen ließ.

Was folgte, war Stille.

»Er hat uns schon wieder eingesperrt«, murrte Yuri. »Ich sag dir, ich wär schon abgehauen, wenn er nicht der Einzige wäre, der mir meine Sachen holen kann!« Dantes Ignoranz würde ihn schon bald dazu bringen, etwas äußerst Dummes zu tun. Aber das war dann nicht seine Schuld.

»Ich freue mich auch nicht darüber«, räumte Jin mit seiner kühlen, dunklen Stimme ein, »aber ich brauche seine Hilfe. Zu jemandem wie ihm zu gehen war nicht meine erste Wahl. Doch … ich muss anerkennen, dass er mich am Leben gelassen hat, nachdem ich in der Kirche … gewesen bin«, führte er den Satz behutsam zu Ende.

Yuri schüttelte den Kopf. »Wenn du ein stinknormaler Besessener wärst, hätte der Dämon so viel Macht über dich, dass du nicht mal pinkeln gehen könntest, ohne mit ihm kämpfen zu müssen. Du hast dich gut im Griff. Und man kann was gegen Dämonen machen.« Ungeniert griff er nach der Whiskyflasche und schenkte sich nach. »Du willst sicher nicht?«

»Nein.«

»Okay. Wie ist das passiert, dass er dich besetzt hat?« Yuri exte das zweite Glas.

»Er hat mich nicht besetzt«, korrigierte Jin, »nicht richtig. Die … Veranlagung habe ich geerbt. Mein Blut ist verflucht.«

Meins auch, hör auf zu jammern, dachte Yuri und unterdrückte den Wunsch, es laut zu sagen. Schnell schenkte er sich Whisky nach.

In Jins Augen flackerte es. »Ich war dumm zu glauben, ich könnte ihn beherrschen«, sagte er, und hinter seiner Maske sickerte der unterschwellige Zorn hervor, dunkel und zäh. »Damals dachte ich noch, es wäre … etwas Gutes. Ich dachte, ich … wäre so etwas wie …« Seine Stimme brach ab.

»Ein Auserwählter«, beendete Yuri den Satz für ihn. »Superkräfte, huh? Wolltest ein Held sein?«

»Ja«, antwortete Jin ernsthaft. »Ich wollte Schwachen helfen. Seine … meine Flügel … sind nicht wie bei meinem Vater, sondern aus Federn. Ich hab nicht an ein Monster gedacht, als sie gewachsen sind. Nicht an einen Dämon.«

»Verstehe. Du dachtest –«

»Ich dachte, ich hätte das von ihr

Yuri horchte auf. »Deiner Mama? Jetzt sag nicht, sie ist für dich …«

»Ja. Gestorben, weil sie mich beschützte.«

»Oh. Meine auch.« Sackgassenthema. Totales Sackgassenthema. Er wollte nicht darüber reden, wollte nicht daran zurückdenken, wie sich alles in ihm verfinsterte – in dieser einen Nacht, die er an den erkaltenden Leichnam seiner Mutter geschmiegt inmitten der Trümmer ihres Hauses zugebracht hatte. Die längste Nacht seines Lebens. Und die letzte, die er als Kind verbrachte. »’Tschuldigung«, sagte Yuri und lachte nervös. Es ärgerte ihn, dass er immer noch geneigt war zu lachen, wenn er sich unwohl fühlte.

Doch Jin weilte geistig gerade woanders. »Ich habe immer wieder versucht, meine Blutlinie, die Mishimas, auszurotten. Nur die Erinnerung an meine Mutter hat mich davon abgehalten, meinen Großvater zu töten, als ich es noch konnte. Ich hätte es tun sollen.«

»So schlimm sind die?« Der blanke Hass in Jins Stimme beunruhigte ihn. Hass, das wusste niemand besser als er, konnte bei Menschen die Entschlossenheit zu allerschlimmsten Gräueln nähren. Hass war das, was Menschen in Monster verwandelte, und nicht Dämonen.

»Im Moment können sie niemandem schaden«, fuhr Jin fort und sah Yuri in die Augen. »Alle Macht meines Großvaters ist auf mich übergegangen. Und jetzt weiß ich nicht, was ich damit anfangen soll.«

»Mit Macht und Geld kann man viel Gutes tun.« Welch geistreiche Feststellung, wahrscheinlich hatte schon jeder das zu Jin gesagt.

»Vermutlich. Aber erst muss ich das Teufelsblut loswerden.«

»Gibt’s jemanden, den du liebst?« Yuri stutzte selbst darüber, dass die Frage so unbehelligt über seine Zunge hinausspaziert war.

Jin sah ihn fragend an. Yuri rechnete damit, dass er diese intime Frage brüsk zurückweisen würde, doch Jin war einfach nur verwirrt. »Warum?«

»Es kann helfen, auf … dem richtigen Weg zu bleiben.« Nicht zu hassen und so was.

Jin schüttelte langsam den Kopf.

»Freunde? Andere Verwandte?«

»Eher nicht.«

»Was denn – keiner, der dir was bedeutet? Komm schon!«

»Wenn ich Andere an mich herangelassen hätte«, erklärte Jin spürbar ungeduldig, »wären sie wohl längst tot. Weil sie zu Ködern für mich geworden wären … oder einfach, um mich zu zerstören. Ich habe dir gesagt, meine Verwandten sind so schlimm.«

»Okay, ich … glaub dir.« Yuri betrachtete die Gänsehaut, die über seine nackten Arme huschte. Huuu! Was für eine Sippschaft, damit wollte er nicht tauschen.

»Was ist mit dir«, fragte Jin unverändert teilnahmslos, »hast du jemanden?«

»Oh, ja…aaeeein.« Alles war schick, bis meine Freundin sich für mich geopfert hat, weißt du. Seitdem renne ich rum und erzähle allen, ich wär drüber weg.

Unter Jins fragendem Blick, der etwa die Temperatur eines Gebirgsbachs hatte, griff Yuri wieder nach der Whiskyflasche. »Ich, äh, gönn mir noch einen … Sicher, dass du nicht willst?«

»Ganz sicher.«

»Oh, gut. Ich glaub, ich mach die alle.«


Nachwort zu diesem Kapitel:
Danke fürs Lesen und noch eine maximal schöne Weihnachtszeit! Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Shenduan
2020-12-13T00:13:38+00:00 13.12.2020 01:13
Hehe alles an was ich gerade denken kann ist, das Dante das sicher nicht passen wird wenn der gute Tropfen alle ist XD
Antwort von:  CaroZ
14.12.2020 14:48
Ach, wer weiß, ob Dante das überhaupt mitkriegt ... xD
Vielen Dank für den Kommentar, freut mich sehr, dass du noch dabei bist.^^
Viele liebe Grüße
Caro


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