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Demonheart

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
»You think I’m scared? Don’t make me laugh! I’ve been huntin’ monsters for over 10 years.«
– Yuri (Shadow Hearts) Komplett anzeigen

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Akt VIII - Das Monster von Clarach: 12-1

12-1: YURI
 

Yuri war immer noch angefressen. Warum ließ er sich eigentlich so ärgern? Er wusste es besser. Dante wusste gar nichts. Und ich werde ihn nicht erleuchten, dachte Yuri finster.

Je näher er dem Dorf kam und damit auch der Stelle, an der sich der Eingang zu den Neam-Ruinen befand, desto unwohler wurde ihm. Was war dran an Rhys’ Geschichte, dass der Gottesschlächter hierher zurückgekommen war? Wie bitte sollte das möglich sein?

Ein anderes mögliches Szenario kam ihm in den Sinn: Sackgasse. Sie waren hier, in Wales, hatten die lange Reise von Amerika nach Großbritannien angetreten und sich bis zum Cardigan Bay durchgeschlagen, und nun fanden sie hier keine Ruinen, kein Monster, keinen Gottesschlächter, keinen Roger, keine Émigré-Schrift, keine Seiten – sondern schlicht nichts. Waren sie womöglich umsonst hierher gekommen? War Sarris nach fruchtloser Suche längst wieder abgereist?

Stolpernd erklomm er die letzte Anhöhe. Der Mond gab mittlerweile ein bleiches Licht her, das durch den Wolkenschleier über das Land kroch, und unten in der Talsenke fiel es auf eine sehr regelmäßig aussehende Ansammlung von Häusern. Kleine, niedrige Häuser, alle gleich zur See ausgerichtet, mit weiß getünchten Fassaden und – wahrscheinlich – minzegrünen Dächern.

»Das ist dann wohl Clarach«, sagte Dante neben ihm.

Oh, wirklich? Yuri hatte schon wieder Lust, ihn zu schlagen.

Jin war noch hinter ihnen, seine Schritte raschelten leise im winterwelken Gras.

»Ich rechne dir hoch an, dass du Jin verziehen hast«, sagte Dante unvermittelt. »Zum Glück bist du doch nicht so ein Arschloch, wie ich befürchtet hatte.«

»Warum sagst du mir das jetzt?«, murrte Yuri, der nicht wusste, ob das ein Kompliment oder ein Vorwurf sein sollte. Natürlich war er kein Arschloch, und natürlich war seine Sympathie für Jin und dessen Schicksal schnell zurückgekehrt.

»Nimm’s einfach zur Kenntnis.« Dante übernahm wieder die Führung und begann den Abstieg. Das Licht seiner Lampe wies den Weg.

»Leck mich doch«, murmelte Yuri, mit wenig Inbrunst. Seine Anspannung war schon wegen dieser Wanderung groß genug. Er wusste, irgendwo hier musste der Grabstein von James O’Flaherty stehen – und wenn er da war, dann war er wie ein Anker in Yuris altes Leben, wie ein Beweis dafür, dass seine Vergangenheit real war und nicht nur ein verwaschener Traum – denn genauso kam es ihm vor, seit er das moderne Wales betreten hatte, wie ein alter Spuk, den er sich eingebildet hatte. Wenigstens etwas musste noch so sein wie damals. Unverändert. Nur die Hinweise auf den Gottesschlächter gaben ihm Hoffnung. Wäre auch das verschwunden und vergessen, hätte er längst wieder begonnen, an seinem Verstand zu zweifeln.

Während er bemüht achtsam den Felsen hinunter stakste, stets bedacht, seine Fersen haltsuchend in den weichen Boden zu drücken, schaute er verstohlen nach rechts und links. Er war der Einzige von ihnen ohne Lampe; er würde an O’Flahertys Grab vorbeilaufen, wenn er nicht aufpasste. Also blieb er aufmerksam, bis sie unten angekommen waren.

Der Grabstein war nicht da. Yuri fand ihn nicht, obwohl er ein wenig von dem geraden Weg, den Dante vorgab, abdriftete. Überall nur Grasbüschel und Stechginstergestrüppe, in die er unversehens hineinrannte. Sie passierten Clarach und die Küste mit einigem Abstand, und da war noch immer nichts.

»Also langsam musst du uns sagen, wie wir weitergehen sollen, Hyuga«, raunte Dante zu ihm herüber. Zwar konnten sie von hier aus wohl kaum jemanden aus dem Schlaf reißen, doch die Nachtstille gemahnte zu leisem Verhalten.

Yuri fühlte sich verloren. Na toll, was hatten sie denn erwartet? Rhys hatte ihre Hoffnung darauf, dass die Klosterruinen eine Art Sehenswürdigkeit sein könnten, zerstört. Wenn alle Hinweise vernichtet worden waren und sie hier nichts weiter nachliefen als einem alten Märchen über den Gottesschlächter und sein Wächter-Monster, dann konnten sie wahrhaftig lange suchen. Vor allem nachts.

Doch Yuris Ratlosigkeit hielt nur einen kurzen Moment vor.

In dem Moment, als der Mond das kleine Dorf an der nahen Küste mit seinem dunstigen, spinnwebartigen Licht überzog, ertönte aus der entgegen gesetzten Richtung ein tiefes Grollen. Erst klang es dumpf und abgehackt, dann lauter und klarer, als stiege es aus dem Erdboden empor wie Dampf. Es schwoll an, ließ den Felsen unter ihren Füßen vibrieren und den Schlamm aus den zahllosen Ritzen quellen.

Da kommt also Rhys’ Monster, dachte Yuri und stierte angestrengt in das undurchdringliche Dunkel.
 

Clarach lag stockduster zur Linken. Schwarze Wellen, unsichtbar von hier aus, liefen brausend auf den Fels auf und rollten zurück, unfähig, das Dorf zu erreichen.

Einer der Nervenpunkte der Welt, erinnerte Yuri sich an Rogers Worte. Dieses Kloster lag auf einem Nervenpunkt der Erde …

Zumindest Jin war anscheinend nicht entgangen, dass Yuri beim Gehen nach etwas Ausschau zu halten versuchte, denn er hatte das Licht seines Telefons rechts vom Weg entlang streifen lassen, um ihm eine Hilfe zu sein; aber Yuri hatte einfach nicht gefunden, wonach er suchte, und er fand es auch jetzt nicht, während er weiterhin ratlos dastand und in die Nacht spähte, dem Landesinneren zugewandt.

Gerade als Jin zu ihm aufschloss, hörte er das Knurren wieder. Es war plötzlich da, undefinierbar nahe und entsetzlich laut. Das kann kein Tier sein, schoss es ihm durch den Kopf. Das Geräusch versetzte ihn rasch in Alarmbereitschaft: Von einer Sekunde auf die andere hörte das Frieren auf, peitsche heißes Blut in seine Zehen und Fingerspitzen.

Er nahm die Fäuste hoch, mehr ein Reflex denn eine willkürliche Handlung. Jin neben ihm tat es ihm gleich. Der Einzige, der sich nicht rührte, war Dante; er schaute einfach in die Gegend und wartete.

Aus der windzerrissenen Finsternis schälte sich ein Umriss, so groß wie ein Gartenschuppen. Er tauchte langsam aus dem Nichts auf, als wäre er vorher gar nicht da gewesen, und glitt mit anschwellendem Knurren auf die Drei zu; lange, schlanke Beine trugen den Leib, doch die Tritte waren völlig geräuschlos, als berührten sie den Boden nicht.

Yuri erkannte die Konturen. Es war ein Wolf, unmissverständlich – so groß wie fünf seiner Art, mit geisterhaften Augen ohne Iriden und wächsernem, farblosem Fell. Erst als er näher kam und das Mondlicht ihn benetzte, leuchtete sein Körper auf – er war weiß, wie frisch gefallener Schnee, nur seine Augen waren schwarz umrandet und seine Stirn trug eine schwarze Zeichnung, die wie eine Mischung aus Gabel und Halbmond aussah. Er blieb mehrere Meter entfernt stehen, den Kopf gesenkt, immerfort drohend.

Yuri war fasziniert und entsetzt zugleich. Dieser Wolf war …

»Ist – ist das ein Dämon?«, rief Jin ihm leise zu. Er kannte sich nicht aus, für ihn konnte die Erscheinung alles sein – anders als Yuri hatte er von Schutzgöttern und Erdgeistern vermutlich nur in Geschichten gehört, aber nie einen gesehen.

Yuri bekam den Mund nicht auf. Er hatte die Hände sinken lassen, und ihm war klar, dass er etwas … dumm aussah.

Dante gluckste. »Da haben wir also das Monster von Clarach. Nett. Aber wir können es uns sparen, dagegen zu kämpfen. Es ist nur ein Schatten, ein Geist.«

»Woher willst du das wissen?«, zischte Jin.

»Ich hab eine Art Radar für Dämonen.«

Yuri hingegen kannte diesen Wolf sehr gut. Sie musterten einander; der Geist griff nicht an, stand nur dumpf grollend an ein und derselben Stelle, und seine weiße Rute pendelte wie die einer nervösen Katze. Im Mondlicht glomm er wie Biolumineszenz.

»Es scheint, als würde er uns wirklich von einem bestimmten Ort fernhalten wollen.« Jin wagte sich einen Schritt vor, als versuchte er, hinter dem Wolf irgendetwas auszumachen, aber dort war nichts. Nur Nacht.

Yuri stand noch immer da wie ein Idiot. Zwei rivalisierende Empfindungen prügelten sich in ihm. Dieser Wolf war ein Freund, aber er war auch ein Geist

»Dann müssen wir wohl doch an ihm vorbei. Kommt ihr?« Dante sah über die Schulter und setzte sich gemächlich in Bewegung.

Jin folgte ihm vorsichtig. Yuri sah sie an sich vorbeigehen, aber er selbst blieb, wo er war.

»Yuri hat Angst vor Gespenstern«, hörte Dante zu Jin sagen. »Hat er mal erzählt.«

Ja, Scheiße, das stimmte.

Jin drehte sich nach ihm um. Yuri starrte geradewegs an ihm vorbei.

Der Wolf sah Jin und Dante näherkommen und zog die Lefzen hoch. Sein Nackenfell sträubte sich, die Krallen gruben sich in den Schlamm, bereit zum Vorstoß.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Danke fürs Lesen, wünsche einen schönen Sonntag. Komplett anzeigen

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