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Raum und Zeit

(Titelvorschläge werden entgegengenommen)
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Statesman - 2017 | Übung 117 – Übungsziel: 2013

Er schließt die Augen. Augenblicklich hört er ihre Stimme in seinem Kopf:

„Dann bin ich auch nicht deine Mutter.“

Lokis Fingerknöchel knacken, als er kurz die Fäuste ballt, als mache er sich bereit für einen Kampf. Er lockert die Nackenmuskulatur ebenfalls und beißt sich auf die Unterlippe.

Diesmal.

Diesmal wird er es aushalten.

Er kann er das Schuldgefühl bereinigen.

Er hat gelernt, wie.

 

×

„Finden die Bücher, die ich dir geschickt habe, nicht dein Interesse?“

Loki wendete den Blick von den neuen Gefangenen, die vor seiner Zelle entlanggeführt wurden, ab und drehte sich mit unterdrückter Abscheu zu Frigga um. Er brodelte und es war mehr als nur Wut, die in ihm tobte. „Soll ich etwa so die Ewigkeit verbringen? Mit Lesen?“

Sie ging einige Schritte auf Loki zu, der die Hände hinter dem Rücken verschränkt hielt und sich selbst so eine besonders aufrechte Körperhaltung verlieh. Wie als wüsste sie um die siedenden Gefühle unter seinem glatten Gesicht, hielt Frigga Abstand, indem sie sich so positionierte, dass Lokis niedriger Tisch zwischen ihnen stand.

„Ich habe alles, was ich konnte, getan, damit du dich wohlfühlst.“

„Ach was“, antwortete Loki und seine Augen verengten sich, als er Frigga zunickte. Er lehnte sich mit beiden Händen auf den Tisch und kam so mit ihr auf eine Augenhöhe. Beinahe lächelte er, aber es war nicht mehr als eine freundlose Drohung. „Teilt Odin deine Fürsorge? Oder Thor?“

Er gab ihr nur den Bruchteil einer Sekunde, um zu antworten und fuhr mit einem zynischen Augenbrauenzucken fort: „Es muss wahrlich lästig sein, wie sie sich Tag und Nacht nach mir erkundigen.“

„Du weißt sehr wohl, dass es deine Taten waren, die dich hierherbrachten.“

Mit einer wegwerfenden Geste der rechten Hand stieß Loki sich vom Tisch und wandte sich ab: „Meine Taten? Ich habe nur das umgesetzt, was ihr mir mein Leben lang vorgelogen habt.“ Er schritt durch den beengten Raum, wich Friggas Blick aus. „Dass ich als König geboren sei.“

„Als König?“ Friggas Stimme klang so ungläubig, dass er nicht anders konnte, als sich ihr wieder zuzudrehen. Sie hatte sich fragend, gerade zu ratlos vorgelehnt, um sein Gesicht sehen zu können. „Ein wahrer König gesteht seine Fehler ein. All die Leben, die du auf der Erde nahmst…“

Es war einfacher, den Blick wieder durch die transparente Barriere auf den Kerkerflur zu richten. Loki versuchte, die Genervtheit in seiner Stimme nicht durchdringen zu lassen, aber es gelang ihm nicht vollkommen, als er umgehend konterte: „Nicht mehr als eine Handvoll verglichen mit der Zahl, die Odin selbst genommen hat.“

„Dein Vater-“

„ER IST NICHT MEIN VATER!“ In einem Aufbranden von Zorn war er herumgewirbelt, ohne es überhaupt zu spüren.

Frigga lachte gekränkt auf.

In Loki ging etwas kaputt.

Sie schaute ihn mit glatt aufeinander gepressten Lippen an, aber er spürte, was für Emotionen sie dahinter verbarg. Sie waren sich so, so ähnlich. Vielleicht nicht optisch, aber innerlich. Sie verhielten sich in vielen Situationen geradezu gleich und selbst Lokis Mimik ähnelte Friggas häufig. Und dennoch konnte Loki kaum auseinanderhalten, ob Frigga eine Frage stellte oder ob es eine Aussage war, als sie sagte: „Dann bin ich auch nicht deine Mutter.“

Er zögerte.

Atmete ein, wie um Zeit zu gewinnen.

Blinzelte.

Blinzelte erneut. Sein Magen krampfte sich zusammen.

Dann streckte er den Rücken durch und antwortete abgeklärt: „So ist es.“

Friggas Kopf zuckte, dann lachte sie freudlos auf und lächelte Loki an, wie sie es zuletzt getan hatte, kurz bevor Odin ihn auf Lebenszeit in den Kerker geworfen hatte. Als Odin von ihm nur noch als dem Gefangenen gesprochen hatte. Als er Frigga fortgeschickt hatte, um Loki in Ruhe zu demütigen.

„Du hast eine erstaunliche Auffassungsgabe. Bei allem anderen, nur nicht bei dir selbst“, sagte Frigga ganz ohne Anklage in der Stimme. Sie ging einen Schritt auf ihn zu und hielt zärtlich die Hände für ihn auf. Loki konnte nichts als Feingefühl aus ihren Worten hören und es war schwer, dagegen anzukämpfen. Wie sollte er stark bleiben und sich gegen ihrer aller Lügen erwehren, wenn Frigga ihn so liebevoll anschaute?

Er zitterte, innerlich.

Dann schlug Loki die Augen nieder und streckte beide Hände nach den ihren aus. Anstatt sie zu berühren, fielen sie durch ihr Trugbild hindurch und von den Fingerspitzen an begann Frigga, sich in glühendes Licht aufzulösen. Bis zum letzten Augenblick schaute sie Loki an, mit dem gleichen liebevollen Blick wie zuvor.

Loki biss den Kiefer zusammen, um sein Kinn nicht zittern zu lassen, und erst als sie verschwunden war, schloss er die Augen. Scham übermannte ih-

 „Dann bin ich auch nicht deine Mutter.“

Er zögerte.

Atmete ein, wie um Zeit zu gewinnen.

Blinzelte.

Blinzelte erneut. Sein Magen krampfte sich zusammen.

Dann streckte er den Rücken durch und antwortete abgeklärt: „Du hast mich immer wie deinen Sohn behandelt. Du. Odin nicht. Er hat mich nie wirklich als Sohn gesehen. Das ist etwas anderes.“

„Ist es das?“, fragte sie und ging einen Schritt auf ihn zu. Hielt die Hände auf, damit Loki sie ergreifen konnte. Ihre Frage war keine Anklage.

Loki biss den Kiefer zusammen, um sein Kinn nicht zittern zu lassen. „So ist es.“

„Du hast eine erstaunliche Auffassungsgabe. Bei allem anderen, nur nicht bei dir selbst.“

„Ist dem so?“ Loki lächelte schwach und schlug die Augen nieder, dann streckte er beide Hände nach den ihren aus. Kurz bevor er sie berührte, hielt er inne. Er durfte das Trugbild nicht stören.

„Geh nicht“, flüsterte er.

„Ich gehe nirgendwo hin, mein Junge.“

×
 

Bevor er die Augen öffnet, trocknet er sich sein Gesicht.

Und lächelt.



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