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Die Prinzessin und der Tyrann [Tora x OC]

von

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Hausbesuch

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Leider genoss der selbstgefällige, tyrannische Schulsprecher es in vollen Zügen mich leiden zu sehen. Jedenfalls erweckte es den Eindruck. War er etwa ein Sadist? Zwar forderte er seine Antwort nicht sofort und ließ mich während der Schule weitgehend in Ruhe, wenn man von den höhnischen Blicken absah, sobald wir uns im Korridor begegneten. Aber im Maid Latte tauchte er öfter auf als mir lieb war. Wieso konnte er dem Café nicht fern bleiben? Auch den anderen Maids schien das nicht gerade zu passen. Sie hatten kein gutes Bild von ihm, weil er es einmal darauf angelegt hatte das besondere Café zu schließen, an dem Satsuki und den anderen Maids so viel lag. Daher konnte ich ihren Unmut über seine Anwesenheit durchaus nachvollziehen. Selbst Schuld sich unbeliebt zu machen, wenn man immer nur Intrigen und Machtspielchen im Kopf hatte. Ich konnte gut verstehen, dass sich alle Maids für das Maid Latte eingesetzt hatten. Auch ich mochte diesen Ort allmählich, schloss meine Kolleginnen und das Arbeitsklima immer mehr ins Herz. Natürlich war die Arbeit selbst gewöhnungsbedürftig. Aber eigentlich machte sie mir meistens sogar Spaß. Wenn nicht gerade Igarashi aufkreuzte. Satsuki bedauerte, dass sie ihm ja nicht einfach grundlos Hausverbot geben konnte. Ich an ihrer Stelle hätte das getan. Nach allem was er versucht hatte, um das Café in den Ruin zu treiben. Aber ich konnte sie ja verstehen. Unsere gutmütige Chefin war eben niemand, der nachtragend war. Egal wie sehr seine Anwesenheit uns Maids störte – mich behinderte das bei der Arbeit sowieso am meisten – wir mussten es gnadenlos über uns ergehen lassen. Er genoss jede Sekunde zu beobachten, wie ich andere Leute bediente. Wie niederträchtig!

Aber auch das ließ ich an mir vorbeiziehen, weil ich wusste, dass mir nichts anderes übrig blieb.

Alles andere hätte ihn nur noch mehr angestachelt. Außerdem musste ich ja Geld verdienen. So vergingen zwei weitere, anstrengende Wochen, die mich noch mehr auslaugten, was auch meiner Mutter auffiel. Allerdings wollte ich ihr keine zusätzliche Bürde sein. Ich konnte ihr einfach nicht von dem Ärger erzählen, den ich mir da eingehandelt hatte. Wie war ich nur in diese brisante Lage geraten? Dabei hatte ich uns nur eine bessere Zukunft sichern wollen. Wer hätte auch ahnen können, dass ausgerechnet jemand wie Igarashi mir das Leben schwer machen würde?

Es war einer der wenigen Tage, an denen Igarashi uns nicht im Café beehrte, eine angenehme Abwechslung. Dafür bekam ich mit, wie sich Usui und Misa anzickten. Oder eher wie Misa Usui anmeckerte, der das locker zu nehmen schien. Nur bei ihnen klang das völlig ungezwungen. Ich merkte einfach, dass der Blonde einer der Guten war. Wieder einmal meine fabelhafte Menschenkenntnis, die mich selten täuschte. Wie toll, die hatte mich auch nicht vor einer schlimmen Katastrophe bewahrt. Nachdem ich mich nach dem Ende meiner Schicht von meinen Kolleginnen verabschiedete hatte und sie mir einen schönen Feierabend wünschten, trat ich durch die Hintertür nach draußen an die frische Luft. Die Sonne ging gerade in den prächtigsten Farben an Horizont unter. Den ganzen Tag war der Himmel klar gewesen und die Sonne hatte geschienen. Allerdings trog dieser Anblick, denn es war eher herbstlich kühl, sodass ich meine dünne, schwarze Jacke enger zog, um nicht zu einem Eisklumpen zu gefrieren. Ich brauchte dringend eine wärmere Jacke. Auch wenn es schwer werden würde eine günstige zu ergattern. Wie üblich fuhr ich mit der Bahn nach Hause und freute mich auf eine warme Dusche, etwas zu essen und mein kleines, aber gemütliches Bett. Als ich jedoch in unsere Straße einbog, fiel mir sofort das auffällige Auto auf, das vor unserem Haus parkte. Erschrocken hielt ich den Atem an. Dabei handelte es sich um eine vornehme weiße Limousine, die an einem Ort wie diesem völlig fehl am Platz wirkte. Was hatte ein Luxuswagen wie dieser in unserer gewöhnlichen Straße zu suchen? In dieser Gegend? Sicher hatte er schon die Blicke sämtlicher Nachbarn auf sich gezogen. Mein erster Gedanke galt jedoch meiner Mutter. Ich erschrak heftig, weil mir etwas Fürchterliches in den Sinn kam. Das durfte nicht sein! Wenn das die Männer waren, denen wir Geld schuldeten... Sofort beschleunigte ich meine Schritte. Im Treppenhaus begegnete mir Herr Okumura, aber ich machte mir erst keine Mühe ihn zu begrüßen, denn ich hatte es sehr eilig.

„Was ist denn bei Ihnen los? Haben Sie Besuch?“, rief er mir noch hinterher, aber da hatte ich bereits unsere Haustür erreicht. Zwar war überhaupt nicht gesagt, dass die Besucher ausgerechnet zu meiner Mutter und mir wollten, aber das unangenehme Gefühl hatte mich längst erfasst, sodass es eigentlich kaum noch auszuschließen war. Völlig außer Atem riss ich die Haustür auf, warf achtlos meine Tasche in den Flur, krempelte die Ärmel meiner dunkelblauen Bluse nach oben und machte mich zum Angriff bereit, falls ich uns möglicherweise verteidigen musste. Zumindest versuchen wollte ich es. Ein Handy, um im Notfall die Polizei zu rufen, hatte ich leider nicht. Und das war auch gar nicht das, woran ich als erstes dachte. Mir stiegen nur grauenvolle Bilder in den Kopf, wie die brutalen Männer meine Mutter bedrohten. Ihre zerbrechliche Stimme drang aus der Küche. Klang sie ängstlich? Ich riss die Tür auf und erstarrte. Nein. Das waren eindeutig nicht die Schuldeneintreiber. Zuerst erfasste mich eine Welle der Erleichterung, der jedoch schnell einer Fassungslosigkeit wich. Nein. Nein. Nein! Was hatte Igarashi hier bei uns zu Hause zu suchen?
 

Was war das denn für ein seltsames Bild? Igarashi saß doch tatsächlich an unserem Tisch in der Küche und trank mit meiner Mutter Tee! In ihrem Gesicht suchte ich nach Anzeichen dafür, dass er sie in irgendeiner Form bedroht hatte, aber sie wirkte eigentlich sogar ziemlich glücklich. Überanstrengt fasste ich mir an die Schläfe. Das machten meine Nerven nicht mit. Ich wollte lachen, aber komisch fand ich das alles eigentlich eher weniger.

„Hallo Liebes“, begrüßte meine Mutter mich sanft.

„Ja, hallo Hime“, meinte Igarashi betont freundlich, wofür ich ihn hätte erdolchen können. Was bildete er sich eigentlich ein mich vor meiner Mutter nahezu vertraut anzusprechen? Klang er etwa charmant? Sollte ich lachen oder doch lieber heulen?

„Du wirkst so außer Atem, bist du etwa gerannt?“, hakte Ma nach und runzelte besorgt die Stirn.

„Alles in bester Ordnung“, gab ich mit einem unbeholfen Lächeln zurück, wandte mich anschließend jedoch mit strenger Miene in Igarashis Richtung um.

„Und was hast du hier zu suchen?“, erkundigte ich mich misstrauisch.

„Du hast mir ja gar nicht erzählt, dass deine Schule von so feinen jungen Herren besucht wird, Hime“, verkündete Ma überrascht und fuhr sich mit der Hand durch ihr kurzes, schwarzes Haar. Ha ha, weil es diese tatsächlich NICHT gab. Jedenfalls nicht an der Miyabigaoka. Eine Antwort auf meine Frage erhielt ich trotzdem nicht. In der nächsten Sekunde richtete ich meinen Blick wieder auf den Schulsprecher der Eliteschule. Ja, weil er alles andere als fein war. Oder charmant. Und dafür hielt sie ihn anscheinend. Offenbar gelang es ihm sich meisterhaft zu verstellen. Allein wie er schon da saß. Als könnte er kein Wässerchen trüben. Er trug die weiße Hose und das schwarze Hemd seiner Schuluniform. Beides stand ihm selbstverständlich gut. Aber bekanntlich fängt man mit Honig Fliegen.

„Tja, das muss mir wohl entfallen sein“, erwiderte ich trocken.

„Und dann ist Tora auch noch Mitglied beim Schülerrat. Warum hast du mir eigentlich nicht erzählt, dass du sein freundliches Angebot abgelehnt hast ein Teil des Schülerrats zu werden? Für deine Unterlagen wäre das mit Sicherheit gut“, stellte sie ungewohnt munter fest. Welche Lügenmärchen hatte dieser Kerl ihr nur aufgetischt? Die Möglichkeit abgelehnt dem Schülerrat beizutreten? Dass ich nicht lachte! Als Lakai wollte er mich haben. Für nichts sonst! Oder eher als seine persönliche Maid, aber das konnte ich meiner Mutter natürlich unmöglich erzählen. Und weshalb sprach meine Mutter ihn freimütig mit dem Vornamen an als hätte er ihr dies offeriert? Hatte er sich während meiner Abwesenheit etwa bei ihr eingeschleimt? War das der Grund, aus dem er heute nicht im Maid Latte gewesen war? Wie sehr er mich aufregte! Deshalb atmete ich zunächst tief durch, um mich erst mal zu beruhigen. Dass er in unserer engen, ärmlichen Wohnung saß, konnte nicht gut sein. Eigentlich war ganz offensichtlich, wie sehr er sein eigenes Schauspiel genoss. Dieser... dieser Großkotz. Würg.

„Tora war so freundlich mir mit den schweren Kartons zu helfen, die noch im Keller standen“, fuhr meine Mutter erleichtert fort.

„Das habe ich doch gerne gemacht, Frau Hiya“, entgegnete Igarashi schließlich scheinheilig. Oh, wie sehr ich ihn hasste! „Setz dich doch zu uns und trink eine Tasse Tee“, schlug Ma mit einem milden Lächeln vor. Und anschließend würden wir in Frieden auseinandergehen? Wohl kaum. „Nein, vielen Dank“, murmelte ich verbissen zwischen den Zähnen. Bestimmt wunderte sie sich über meine mürrische Laune.

„Bedauerlicherweise muss ich mich jetzt sowieso von Ihnen und Ihrer reizenden Tochter verabschieden, Frau Hiya. Aber ich bedanke mich für Ihre Gastfreundschaft“, verkündete Igarashi geschmeidig. Reizende Tochter? Mich reizte gerade nur mein Würgereiz, den ich seinetwegen verspürte. Galant erhob sich der Schulsprecher mit den zwei Gesichtern, trat vor meine Mutter, machte eine übertriebene Verbeugung und nahm ihre Hand, um ihr zum Abschied einen Handkuss zu geben, was ich verblüfft registrierte. Man glaubte es ja kaum! Am liebsten hätte ich das verhindert, aber ich konnte beide nur ausdruckslos anstarren. Das hatte er gerade nicht wirklich getan! „Du bist jederzeit in unserem bescheidenen Heim willkommen“, lächelte meine Mutter, wobei sie leicht errötete. Es war lange her, seitdem ein männliches Wesen sie dermaßen zuvorkommend behandelt hatte. Deshalb tat es ihr nicht gut. Zumal er nichts davon ernst meinte, das wusste ich intuitiv. Zufrieden lächelte Igarashi und ich konnte mir gut vorstellen, dass er innerlich über seine erfolgreiche Scharade triumphierte.

„Danke, das ist ausgesprochen großzügig von Ihnen, Frau Hiya“, meinte er großspurig.

„Hime, begleitest du unseren Gast bitte noch nach draußen?“, wandte sie sich an mich, „Obwohl unsere Wohnung bescheiden ist, soll er nicht annehmen wir hätten keine Manieren.“

Dafür waren seine jedoch gespielt.

„Liebend gerne“, gab ich aufgesetzt enthusiastisch zurück. Natürlich würde ich ihn noch nach draußen begleiten… Damit ich ihn umbringen konnte! Mich permanent zu belästigen war eine Sache, meiner Mutter einen auf nett vorzuspielen eine völlig andere. Sie hatte nichts damit zu tun, dass er es sich aus irgendeinem unerfindlichen Grund zum Ziel gesetzt hatte, mir das Leben zur Hölle zu machen. Das hatte sie nicht verdient. Nicht nach allem was sie bereits durchgemacht hatte. Schließlich war sie oft genug betrogen und hintergangen worden. Sobald wir das Treppenhaus verlassen hatten und auf die Straße getreten waren, schäumte meine Wut gegen ihn deutlich über. „Was fällt dir eigentlich ein einfach hier aufzutauchen? Du bist so hinterhältig...“, setzte ich fassungslos an. Igarashi wandte sich zu mir um und lächelte noch immer als wäre er ein völlig anderer Mensch. Auf einmal nahm er eine lose Strähne meiner langen Haare zwischen seine Finger, was ich erstaunt registrierte. Am liebsten hätte ich ihm dafür die Hand abgehackt.

„Wirklich interessant zu sehen, dass die Prinzessin gar keine ist“, raunte er amüsiert. Pff. „Das habe ich nie behauptet“, gab ich möglichst kühl zurück, „Und als Stipendiatin muss ich das auch nicht!“

Endlich ließ er wieder von mir ab und trat einen Schritt zurück.

„Also ehrlich, diese Gegend ist wirklich abartig und primitiv“, spie Igarashi verächtlich hervor, wobei er gehässig grinste. Jetzt zeigte er wieder sein wahres, hinterhältiges Gesicht. Er hielt uns für Abschaum. Vor Wut vor so viel Arroganz ballte ich meine Hände zu Fäusten.

„Dann komm gefälligst nicht hierher und belästige uns, wenn dir mein Lebensstil nicht gefällt!“, gab ich finster zurück. Das ging ihn außerdem überhaupt nichts an.

„Aber das ist es doch, Hime. Nach und nach decke ich alle deine kleineren und größeren Geheimnisse auf, bis ich sie ausnahmslos enthüllt habe. Denn ich habe dich längst durchschaut. Was dich so stark macht, ist die Tatsache, dass du niemanden offen in deine Karten blicken lässt. Ich werde das ändern und deine Schwachstellen offenbaren. Eine nach der anderen“, versprach er mit einem abartig triumphierenden Grinsen, von dem mir schlecht wurde und beugte sich dabei leicht zu mir nach unten, da er wesentlich größer war als ich.

„Du bist eine interessante Person. Wie du damit umgehen wirst, interessiert mich. Solange werde ich dich nicht in Ruhe lassen“, hauchte er dicht an mein Ohr. Wieso hatte er nur Gefallen daran gefunden mich zu tyrannisieren? Wirklich, ich begriff es einfach nicht. Endlich zog er sich wieder zurück und wandte sich zu seiner Limousine um.

„Mal abgesehen davon bin ich mir sicher ganz genau zu wissen, was du willst. Was alle Frauen wie du wollen. Komm morgen früh vor der dritten Stunde zu mir, dann werden wir uns sicher einig werden“, trug er mir nüchtern auf, was keine Widerrede zu dulden schien. Mit diesen Worten stieg er in das luxuriöse Fahrzeug. Sogar Minuten nachdem der Wagen weggefahren war stand ich wie angewurzelt an einer Stelle und rätselte über seine Worte. Was konnte er damit meinen? Womit würden wir übereinkommen? Natürlich war ich nicht gewillt kleinbei zu geben. Allerdings packte mich doch etwas wie Neugier. Ganz bestimmt würden wir uns niemals einig werden. Vielleicht mochte der Schülerrat, ja sogar die Schulverwaltung der Miyabigaoka, auf jemanden wie ihn hereinfallen. Er mochte über viel Einfluss und Geld verfügen, aber er hatte sicher längst bemerkt, dass diese Nummer bei mir nicht zog.

Nachdem ich mein erhitztes Gemüt ein wenig abgekühlt hatte, kehrte ich zu meiner Mutter in die Küche zurück, scheuchte sie jedoch von dem dreckigen Geschirr, das sie gerade abwaschen wollte und übernahm stattdessen diese Aufgabe. Erschöpft seufzte sie auf.

„Danke, mein Liebling“, meinte sie erleichtert, worauf ich sie warm anlächelte. Schweigend ging ich meiner Arbeit nach. Natürlich war ich meiner Mutter nicht böse, sie konnte ja nichts dafür.

Aber auf Igarashi war ich wütend, und wie. Was hatte er nur davon mich und jetzt auch noch meine arme Mutter zu belästigen?

„Ein wirklich netter Junge“, durchbrach sie irgendwann zu meinem Missfallen die Stille. Mit gerunzelter Stirn wandte ich mich zu ihr um, meine Hände immer noch in dem schäumenden Spülwasser versunken.

„Denkst du nicht, dass du manchmal etwas zu leichtgläubig bist? Du hast von den Herren Takagi und Takawa damals auch gedacht sie wären freundlich“, erinnerte ich sie an die Hauptverantwortlichen unseres Problems. Es war nicht meine Absicht ihr deswegen ein schlechtes Gewissen einzureden. Zumal es nicht zu ändern war und in diesem Fall hatte ich es auch selbst nicht rechtzeitig bemerkt. Eigentlich trug sie keine Schuld an diesem Dilemma. Trotzdem wirkte sie sichtlich betrübt über meine Worte. Sofort bereute ich, dass ich es zur Sprache gebracht hatte.

„Ich habe den Herren Takawa und Takagi vertraut, das war ein schwerwiegender Fehler. Aber Hime, denkst du nicht du bist etwas zu streng mit dem Schulsprecher der Miyabigaoka? Tora Igarashi scheint wirklich ausgesprochen aufmerksam zu sein und sich um dich zu sogen“, erklärte Ma besänftigten. Fassungslos starrte ich sie an. Hatte er das etwa behauptet? Dass er sich um mich sorgte? Dass ich nicht lachte! Weil ich nicht nach seiner Pfeife tanzte? Mich nicht von ihm beeinflussen oder untermauern ließ? Weil es ihn aus irgendeinem Grund interessierte, wie ich auf seine unberechenbaren Handlungen reagierte? Langsam ließ ich den Teller sinken, den ich gerade abgeschrubbt hatte. Als ich nichts auf ihre Worte erwiderte, sprach sie mit gesenkter Stimme weiter und ich merkte, dass sie erschöpft sein musste: „Ich wusste nicht, dass es dir eigentlich nicht gestattet ist als Stipendiatin dieser renommierten Schule zusätzlich zu arbeiten. Deshalb kam er hierher. Obwohl er mir versichert hat, dass er nicht beabsichtigt dir deswegen zu schaden oder dir einen Strick daraus zu drehen. Eigentlich wollte er mit dir sprechen, aber du warst ja bei der Arbeit. Es tut mir so leid, hätte ich das gewusst...“ Ihre Gewissensbisse ertrug ich kaum, deshalb unterbrach ich sie sanft. Obwohl ich es eine Frechheit fand, dass Igarashi ihr das zumutete. Und ob er mir daraus einen Strick drehte! Mit voller Absicht!

„Wir würden es mit dem Unterhalt allein nicht schaffen und würden auf der Straße landen“, wandte ich ein. Es war zwar traurig, aber es war die Wahrheit. Igarashi wusste ganz genau, dass ich im Maid Latte gewesen war. Er war zu mir nach Hause gekommen, um meine Schwachstelle zu ermitteln – genauso wie er es mir auf den Kopf zugesagt hatte. Zum Teil war es ihm auch gelungen. Ich musste mich nur in unserer ärmlichen Wohnung umsehen und mir leuchtete ein, was er erkannt hatte, was er gewöhnt war und was er womöglich jetzt von mir dachte. Stöhnend fasste ich mir an die Schläfe. Wieso interessierte mich eigentlich, was er über mich dachte? Seit wann? Das war mir gleichgültig. Fakt war, dass er meine Mutter benutzt hatte. Das war nicht fair. Ich verkraftete einiges, aber sie mit einzubeziehen, war einfach nur das Hinterletzte! Bestimmt würde ich ihm nicht meine Karten offenlegen!

„Jedenfalls hat er mir zugesichert, dass er dich nicht bei der Schulbehörde melden wird“, fuhr meine Mutter erleichtert fort. Wieso hatte sie nur das Bedürfnis ihn so zu verteidigen? Ihre Menschenkenntnis war im Gegensatz zu meiner nicht gerade die beste. Aber das wollte ich ihr natürlich nicht sagen. Schließlich lag es mir fern sie zu verletzen. Igarashi würde mich nur nicht verpfeifen, wenn ich das tat, was er wollte. Diesen Teil hatte er ihr natürlich verschwiegen. Mit Sicherheit war das auch besser so. Ich widmete mich wieder meiner Arbeit.

„Es ist meine Schuld, dass du anderen misstraust, besonders wenn sie wohlhabend sind. Weißt du, Hime, bei deinem Vater und mir war es eigentlich genauso“, begann sie und klang dabei sanft, geradezu verträumt. Erneut hielt ich in der Bewegung inne. Dieses Mal war ich jedoch zutiefst erschüttert. Sonst sprach sie nie über meinen Vater. Irgendwie war das immer ein Tabuthema. Nicht einmal den Grund, aus dem er uns damals verlassen hatte, hatte ich jemals erfahren. Eines Morgens war er einfach nicht mehr da gewesen. Ausgerechnet heute sprach sie von ihm.

„Anfangs konnte ich ihn nicht ausstehen. Ich habe ihm nicht vertraut. Aber dann hat er mir gezeigt, dass er mein Vertrauen wert ist“, endete sie selig in Erinnerungen vertieft. Sie mied dieses Thema nicht etwa, weil sie meinem Vater nachtrug, dass er uns verlassen hatte. Insgeheim vermisste sie ihn. Doch dass sie ausgerechnet jetzt anfing von ihm zu sprechen, wühlte mich innerlich auf. Vielleicht fühlte ich mich aber auch nur angreifbar. Immerhin hatte Tora Igarashi gesehen, wie ärmlich mein Leben aussah. Seit heute kannte er mein tägliches Umfeld und wusste bereits von meiner Arbeit im Maid Latte. Wie tief würde er noch in mein Privatleben vordringen? Wie weit würde er für sein persönliches Vergnügen noch gehen?
 

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Ab dem nächsten Kapitel beginnt der Teil, den ich damals noch nicht veröffentlicht habe.
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