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Codename HolyShit

Ein kleines großes Leben lang
von

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Erinnerung (Verlorener Gedanke)

Schritte...waren da Schritte zu hören?

Jukito riss sich schwerfällig in die Höhe, setzt sich auf, dass die muffige Bettdecke von seinem Oberkörper rutschte und sich schwer in seinen nackten Schoß legte.

Sein nervös flackernder Blick richtete sich zum Nachttisch, wo das von einer Straßenlaterne schwach beleuchtete Ziffernblatt des Weckers ihm zeigte, dass es kurz vor 3Uhr war.

Wer trieb sich mitten in der Woche um diese Uhrzeit noch hier herum?

Wahrscheinlich hatte ihm seine Schlaflosigkeit in dieser Nacht das Leben gerettet, denn als nach einem leisen Klopfen die Zimmertür rücksichtslos eingetreten wurde, fanden die zwei eintretenden Anzugträger dort nur einen aus dem Schlaf gerissenen, wohl gerade erst volljährigen Mann, der benommen einige Spritzen in seinen Rucksack schob... noch nicht registrierend, dass sein Fluchen über die ,Scheiss Bullen', für die er sie wohl hielt, ungehört blieb.

Nach einem kurzen Blick auf die Szene waren sie auch schon wieder davon geeilt.

Blinzelnd sah der Junge von der Tür zum offenen Fenster, als er bemerkte, dass das Bett neben ihm leer war...
 

Wie vom Teufel persönlich gehetzt rannte die dürre Gestalt durch die irrgartenähnlichen Gassen zurück in die schützende Dunkelheit, die die Nacht ihr bot.

Sie hatte noch nicht die Zeit gefunden, ihr Hemd zu schließen, so strich ihr die feuchte Kühle des herannahenden Morgens sehnsüchtig über die nackte Brust.

Jukito fröstelte.

Ohne anzuhalten stopfte er einige Tütchen mit weißem Pulver und bunten Pillen in die hinterste Ecke seiner Umhängetasche und presste diese mit beiden Armen fest vor seinen Bauch, wie einen gut zu behütenden Schatz...eine Jagdbeute, die er sich redlich verdient hatte in dieser Nacht.

Er würde Toshi; er bezweifelte, dass das überhaupt sein richtiger Name war; sowieso nie wieder sehen, also brauchte er sich auch keine Gedanken machen, dass dieser im den Diebstahl übel nehmen würde.

Überhaupt... er hatte bekommen, was er von Jukito gewollt hatte, also hatte er zu seinem Lohn lediglich etwas mehr Trinkgeld genommen.

Der junge Mann hatte nicht den Eindruck eines Bettlers auf ihn gemacht, also würde er den Verlust verkraften können.

Juki brauchte den Stoff mehr als jeder Student, den er vielleicht noch treffen würde.

Während er eine verlassene Straße überquerte um wieder in eine schmale, nach Unrat stinkende Gasse zu tauchen, rief er sich die Bilder der vergangenen Nacht noch einmal ins Gedächtnis zurück....
 

Toshi stand an einem 24-Stunden-Kiosk und befreite eine Schachtel Zigaretten aus ihrer Folie, die er sich eben dort gekauft hatte.

Er rauchte viel zu viel, wenn er über den Büchern saß, so hatte ihn seine hungrige Lunge wieder einmal hinaus getrieben.

Unmutig, denn die Abende fingen an, empfindlich kühl zu werden, schob er etwas fauliges Laub mit dem Fuß hin und her, klemmte sich den frischen Glimmstengel zwischen die Lippen und sah sich müde um, während er in seiner Jacke nach Streichhölzern kramte.

Ihm war alle Lust aufs Lernen vergangen, doch was sollte er schon großartig tun?

Es war Mittwoch und wohl jeder andere, von den wenigen, die jetzt noch unterwegs waren, auf dem Weg nach Hause oder für den Abend schon vergeben.

Zischend entzündete er ein Streichholz an der Reibfläche der kleinen Schachtel und hielt die tänzelnde Flamme an die Zigarette, inhalierte den Qualm tief und stieß ihn nur halb zufrieden wieder aus.

Was für traurige Aussichten auf diesen Abend...da fiel sein Blick auf ein kleines, ziemlich unscheinbares Wesen, das dort irgendwie verloren an der Zeitungsauslage des Kiosks stand und diese mit starren Augen zu beobachten schien, als warte es auf irgendetwas.

Oder jemanden?

Schlendernd setzte er sich in Bewegung, ließ das heruntergebrannte Hölzchen fallen und blieb neben dem Mädchen stehen, das so tief in den übergroßen Mantel gehüllt war, als verstecke es sich vor dem Rest der Welt.

Er sah zu ihr hinab... er war nun wirklich kein Hüne, aber sie war wohl winzig..

"Suchst du was bestimmtes? Die Girlie-Blätter liegen drinnen aus.."

Er lächelte amüsiert, als das kleine Ding erschrocken aus seinen grünen Katzenaugen zu ihm aufsah und einen Schritt zur Seite wich.

Für einen langen Augenblick, so schien es Toshi, schauten sie sich einfach nur schweigend an, sodass er in Ruhe ihre elfenbeinähnliche Haut und die vollen, blassen Lippen mustern konnte.

Unbewusst legte er den Kopf einige Millimeter schief und musste wohl wie jemand wirken, der ein schönes Gemälde betrachtete. Sie schien diesen Blick zu bemerken, denn scheu senkten sich ihre Lider, die Sicht zu Boden, nervös herumhuschend.

Erst jetzt wurde er sich Bewusst, wie mitgenommen sie aussah, die struppigen Haare im Nacken zusammengebunden, mit schmalen Wangen und dunklen Augenringen.

Er trat einen Schritt auf sie zu und zog an seiner Zigarette.

"Geht's dir nicht gut?", kurz wunderte er sich selbst über den besorgten Ton in seiner Stimme. Nervös sah die Kleine sich um, als hätte sie Angst, jemand könnte sie beobachten... er folgte ihrem Blick mit seinem, fand nichts verdächtiges und sah wieder zu ihr hinab, seufzte leise als sie weiter schwieg.

"Ich werd' einen Kaffee trinken gehen. Kommst du mit?"

Normalerweise sprangen Mädchen auf diesen harmlosen Abschlepper von ihm an... und auch diesmal wurde er nicht enttäuscht.

Sie nickte und folgte ihm, als er sich wieder in Bewegung setzte, ließ ihn sogar seinen Arm um ihre schmalen Schultern legen, während er sie durch die bunten Lichter der Schaufenster die Einkaufsmeile entlang führte.

Kurz, als ihre verkrampfte Haltung sich etwas löste, schien es sogar als würde sie sich leicht an ihn lehnen.

Vielleicht war ihr kalt. Vielleicht war sie einsam. Oder einfach nur betrunken, das war ihm egal..

Denn wer suchte nicht etwas nähe in dieser riesigen, anonymen Stadt?
 

Aus dem Kaffee waren zwei und drei Bier geworden.

Juki, wie die Kleine sich vorgestellt hatte, hatte etwas gegessen und einen Kakao getrunken... und sie hatte ihm zugehört.

Viel sprach sie nicht, wirkte unruhig, wenn er sie etwas über sie gefragt hatte und wich ihm mit Worten aus, doch er konnte ihr stundenlang von sich erzählen, sie verfolgte aufmerksam jedes einzelne Wort mit dem Blick auf seinem Gesicht.. wie gebannt von seinem Leben, beobachtete sie jede kleinste Bewegung Toshi's.

Warum konnten nicht alle Mädchen so sein? Angenehm still und rücksichtsvoll.. mit offenem Ohr und so zuckersüß, dass es fast schon wehtat, sie anzuschauen.

Sie ließ sich von ihm küssen. Irgendwo zwischen dem letzten Bier und der Rechnung, die er für sie beide bezahlte.

In seinen Gedanken nannte er sie ,Candy', auch wenn er es selbst als schrecklich kitschig empfand... so süß hatten ihre Lippen und ihr scheu tastende Zunge, wohl vom Kakao, geschmeckt.

Sie würde ihm diese Nacht versüßen, dessen war er sich vollkommen sicher, als er sie wieder mit in die Nacht nahm und in seinem Arm sanft festhaltend seinem Ziel, ein Motel etwas abseits des Stadtzentrums, entgegen führte.
 

Es fühlte sich gut an, dass sich mal jemand um ihn kümmerte.

Jukito war seit Tagen schon unterwegs gewesen, ziellos herumgeirrt auf der Suche nach... was er eigentlich suchte, wusste er nicht, obwohl er doch viel Zeit gehabt hatte, darüber nachzudenken.

Auf kurze Sicht konnte er sich diese Frage wohl beantworten.

Was er brauchte, war ein Dach über dem Kopf. Wenigstens für ein paar Stunden Schlaf, nach denen sein Körper immer stärker verlangte.

Er sperrte dieses sehnsüchtige Verlangen, das immer wieder stoßweise und sinnesbetäubend an seinen Nerven zerrte, so tief es ging in die hinterste Ecke seines Bewusstseins, doch ewig konnte er seine Erschöpfung nicht ignorieren.

Vielleicht hatte er ja wenigstens heute etwas Glück, dieser ,Toshi' schien ganz nett zu sein. Er erzählte zwar ununterbrochen seine Lebensgeschichte, aber stellte wenigstens kaum Fragen und gab sich auch ohne direkte Antwort zufrieden. Und immerhin hatte er seit langem endlich mal wieder etwas essen können.

...ganz nett zu sein, was dachte er sich eigentlich dabei?

Toshi war zugegebenermaßen vorsichtiger als all die anderen und sogar zuvorkommend, das konnte Juki nicht leugnen, doch lief doch auf dasselbe hinaus wie jedes Mal und was aus ,netten Kerlen' werden konnte, wenn sie sich unbeobachtet wussten... davon hätte er viele Geschichten erzählen können.

Er schaute auf, als sie an einem bunten Schaufenster vorüberkamen, sah sein schmales Gespenstergesichtchen, den Arm, der um seiner Schulter lag und betrachtete einen Moment das Spiegelbild des jungen Mannes an seines Seite.

Die dunkelbraunen, mandelförmigen Augen lagen wie zwei unergründlich tiefe Seen in dem leicht gebräunten Gesicht. Seine Lippen waren zu einer schmalen Linie zusammengepresst.... worüber er wohl gerade nachdachte?

Das Ende des Fensters zog ihn wieder zurück in die Wirklichkeit und den Blick auf eine kalte, geweißte Hauswand.

Toshi hatte schon seit mehr als 10 Minuten kein Wort mehr gesprochen und schien auch nicht vorzuhaben, das zu ändern, also senkte Jukito den Blick vor sich und schaute seinen abgelatschten Turnschuhen dabei zu, wie sie sich Schritt für Schritt vorwärts bewegten... Sah erst wieder auf, als der Größere stehen blieb.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Gisolde
2005-12-04T23:55:03+00:00 05.12.2005 00:55
wie brutal. v_v
ich würde viel mehr davon lesen wollen. VIEL mehr!

Deine Art zu schreiben ist wundervoll - zum ersten mal seit langem konnte ich 2 Seiten in einem Rutsch durchlesen und war richtig gebannt von deinem Schreibstil.

mach weiter damit~
werd auf jeden Fall dranbleiben. ^^
Von: abgemeldet
2005-08-02T18:50:55+00:00 02.08.2005 20:50
klingt bis jetzt sehr interessant
ich werd jetzt die ff mit dem stillen, süchtigen jungen weiter lesen ^^
Von:  Alexej_Axis
2005-06-24T00:59:21+00:00 24.06.2005 02:59
wow. Mitreißend und fesselns, auch wenn ich gestehen muss, dass ich persönlich es nicht so gut finde, dass so viele große Absätze drin sind - man kann sie nicht mehr so gut von den Sinnäbsätzen unterscheiden. Das ist Kunst, was du da treibst, ganz klar. Ist di stur beusst, oder? *lächelt* Und darum darfst du auch machen, was dir belibt, aber ich sage es dir ja nur, denn mein Lesefluss war ein ganz klein wenig eingeschränkt, als es von Toshis sicht in Jukis wechselt, z.B.
Du bist genial, weißt du das? *fähnchen schwenkt*
Pro disassoziative adjektive! *smile*


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