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Katenha

von

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Strafe

Der kleine Außerirdische saß immer noch verängstigt und leise weinend in seinem Gefängnis ohne Ausbruchsmöglichkeiten und wartete, dass man irgendetwas mit ihm anstellte, weil er sozusagen gegen die Spielregeln der Katenha verstoßen hatte.

Was würde nun mit ihm passieren? Vielleicht wurde er wie die anderen ebenfalls zum Forschungsobjekt degradiert, obwohl er das für unwahrscheinlich hielt, immerhin konnte er die Versuchsergebnisse verfälschen. In ihm steckte schließlich noch ein Teil der Katenha DNA. Falls sie so etwas besaßen, das wusste er nicht, Biologie hatte man ihm nicht beigebracht. Aber er wusste, er reagierte auf manche Dinge anders als zum Beispiel Raven es täte. Obwohl man diesen bloß nicht als Maß aller Dinge ansehen durfte.

Vielleicht würden sie ihm auf ganz andere Weise für sein Verhalten bestrafen, er konnte ja nicht ahnen, was in den Köpfen dieser selbsternannten Wissenschaftler vorging.

Aber umbringen würden sie ihn niemals, das taten sie einfach nicht, das gehörte einfach nicht zu ihrem Charakter. Wenn er eine Bedrohung für sie darstellte, möglicherweise, aber er versuchte ja nicht, die gesamte Station in die Luft zu jagen oder irgendwelche Katenha zu gefährden, er wollte nur den Menschen hier helfen.

Galt das für den Rest der Katenha schon als Bedrohung, die aus dem Weg geräumt werden musste, um sie alle zu schützen?

Und was passierte nun mit Raven? War er bei seinem Bruder und Noevy? Oder hatte das der Silberne einfach nur behauptet, um ihn leichter zum Mitkommen zu bewegen? Lebten die beiden überhaupt noch?

Viele Fragen, auf die Diu keine Antwort wusste und die ihn schrecklich beunruhigten, seitdem er allein hier drin hockte und sich wünschte, wieder bei Raven zu sein. Ohne ihn fühlte er sich inzwischen so einsam, weil sie seit über einer Woche permanent aneinander hingen, obwohl sie sich noch gar nicht so lange kannten und Raven häufig versuchte, auf Distanz zu bleiben, was ihm zum Glück nicht sehr oft gelang.

Seufzend fuhr sich Diu mit dem Handrücken über die Wangen, um die restlichen Tränen wegzuwischen, die ihm die Sicht vernebelten, und versuchte, an gar nichts zu denken. Natürlich drängten sich immer wieder die Bilder der letzten Stunden und die unerfreulichen Überlegungen in sein Bewusstsein und belästigten ihn, doch die Panik legte sich ganz langsam, weil er merkte, dass sie noch grundlos war.

Nur die Sorge um Raven blieb; er wollte zu ihm und sich versichern, dass es ihm gut ging und die zwei, für die er hierher gereist war, getroffen hatte.

„Warum denkst du an ihn? Mach dir mal lieber Gedanken über dich selbst“, flüsterte ihm ohne Vorwarnung eine Stimme in seinem Kopf zu, was ihn entsetzt zusammen zucken ließ. Hörte er nun schon Stimmen aus dem Nichts, die genau wussten, was er gedacht hatte? Dass er jemanden hörte, war eindeutig nicht das Problem – auf diese Weise verständigten sich schließlich Katenha –, eher das, was derjenige sagt, verunsicherte ihn. Wurde er vielleicht verrückt? Oder träumte er nur?

„Also ich bin real existierend, Diu, ich stehe nämlich gerade vor der Tür und schließe sie gleich auf.“ Kaum hatte derjenige das verkündet, hörte Diu tatsächlich draußen ein Geräusch und die Tür schwang auf.

Der Katenha von vorhin stand davor und musterte ihn ausgiebig, als wäre Diu ein sehr interessantes Bild, was in einem Museum hing, oder ein seltenes Tier im Zoo.

„Wie...woher kannst du das?“, stotterte Diu verwirrt und rutschte so weit es in seiner Macht lag von dem anderen weg. Normale Katenha konnten keine Gedanken lesen! Nur die Gespräche verfolgen, durch die sie per Telepathie untereinander kommunizierten. Wie bei den Menschen, die Gedanken waren eigentlich nicht auffangbar, wenn man sie nicht preisgab. Wie funktionierte das also?

„Ich kann das nicht, wäre ja viel zu schön“, klärte ihn der Katenha gleich auf und kam auf ihn zu. „Aber ein paar aus der Abteilung für die Geräteentwicklung hatten wohl zu viel Zeit und haben etwas ganz Interessantes zusammengebastelt, das zumindest teilweise die Gedanken von Katenha sichtbar macht; wenn sie sehr intensiv daran denken. Draußen an der Wand hängt ein kleiner Bildschirm, auf dem man sich deine Gedanken ansehen kann, ist ziemlich praktisch. Obwohl ich ja nicht verstehe, wie du so an diesem Raven hängen kannst, wenn du ihn kaum kennst.“

„Das wirst du auch nie verstehen, du Ignorant“, warf Diu ihm an den Kopf. Die Behauptung, dass irgendwelche technisch begabten Katenha es wirklich geschafft hatten, Gedanken für andere erkennbar gemacht zu haben, machte ihm Angst. Was entwickelten sie denn als nächstes? Und wofür brachten sie überhaupt die ganzen Menschen?

„Da hast du Unrecht, mit etwas Glück werde ich es bald erfahren. Außerdem heiße ich nicht Ignorant, sondern Muka, verstanden? Ich nenne dich ja auch nicht die ganze Zeit Verräter, obwohl das zu dir passen würde.“

„Und wie soll es gehen, dass du es wissen wirst? Du bist ein ganzer Katenha, du kannst keine Gefühle empfinden! Sogar ich als Halbkatenha nehme sie nicht so stark wie die Menschen wahr.“ Das war doch allgemein bekannt, deswegen beneideten manche Katenha die Menschen sozusagen für ihre Empfindungen. Wenn man es Neid nennen wollte, das war schließlich auch nur ein Gefühl. es stand eher der Wunsch im Vordergrund, dasselbe wie die Menschen zu können.

„Wenn du informiert wärst, wüsstest du, dass wir mit unseren Experimenten versuchen, die Gefühle aus den Menschen herauszufiltern, in speziell dafür hergestellten Steinen zu lagern und dann auf uns übertragen zu wollen. Deshalb die vielen Menschen, einer allein ist nutzlos. Viele Menschen für viele Katenha, ist verständlich, oder?“ Seine Augen funkelten fast zufrieden, was natürlich nicht sein konnte. „Und wenn es wirklich klappt, lässt sich dieser egoistische Junge endlich von mir anfassen.“

„Von was redest du da?“ Die Flut an unglaublichen Nachrichten riss heute gar nicht mehr ab und begrub Diu fast, wogegen er nichts unternehmen konnte. Er begriff gerade mal die Hälfte von dem, was Muka ihm soeben eröffnet hatte und bezweifelte, dass er da bald den Durchblick bekam.

„Ist ja auch egal, du kommst jetzt mit mir mit. Und wehe, du willst abhauen, dann wird dein toller Raven dafür die Konsequenzen tragen müssen, kapiert?“ Es zerrte Diu mit sich aus dem Raum, betrachtete noch kurz vorsichtshalber den Bildschirm mit Dius Gedanken – leider wirkte das praktische Gerät nur in diesem besonderen Raum, sonst hätte es dieses mitgenommen, um Diu zu kontrollieren – und beförderte ihn dann nicht sehr sanft an einen neuen Ort, an dem schon zwei weitere Katenha auf sie warteten.

„Ayu, Xenika, hier ist er, macht mit ihm, was ihr wollt, aber bringt ihn nicht unbedingt um, das ist nicht nötig“, kündigte Muka den beiden an und stieß Diu auf sie zu. „Ich bin im Hauptraum, wenn ihr fertig seid, bringt ihn dort hin.“ Kurz überlegte er. „Und passt auf, dass er nicht versucht wegzulaufen.“

Nickend nahmen sie das Gesagt auf; nachdem Muka verschwunden war, entkleideten sie Diu gegen seinen Willen und bugsierten ihn auf den dunklen Klotz, was dem kleinen Außerirdischen überhaupt nicht behagte, aber wie so oft waren die zwei stärker als er – auch eine typische Katenhaeigenschaft, obwohl sie es gar nicht brauchten – und ließen nicht zu, dass er sich sträubte. Zusätzlich angelte einer der beiden ein kleines Döschen mit einem hellen Pulver aus einer Nische in der Wand, was es Diu auf das Gesicht stäubte, wovon dieser sich schlagartig kraftlos fühlte. Das sollte wohl verhindern, dass man sich zu sehr wehrte oder in seinem Fall, dass er sich an einen sicheren Ort teleportierte.

„Was wollt ihr mit mir machen?“, fragte er ängstlich um sich blickend.

„Das wirst du gleich merken, Diu. Eigentlich sollten wir das noch gar nicht testen, weil wir noch ein paar Verbesserungen vornehmen wollten, aber weil wir eine Strafe für dich brauchen und die Methode zum Glück schon fast arbeitstauglich ist, bist du der erste, bei dem wir erst die Gefühle heraus filtern und dann die von den Menschen einsetzten werden.“ Der Grüne verstaute das Mittel wieder an seinen ursprünglichen Ort und hockte sich auf die Kante des Blocks.

„Eigentlich ist das eine große Ehre, Kleiner, dabei bist du nicht einmal ein vollwertiger Katenha“, fügte der blaue hinzu und tauschte einen wissenden Blick mit seinem Partner. „Ayu, du bist heute wieder dran.“ Besonders gut fanden sie es nicht, dass so jemand Unbedeutendes den ersten richtigen Versuch miterleben durfte.

„Das könnt ihr nicht machen!“ Die waren doch alle wahnsinnig geworden.

„Technisch ist es möglich, wir wissen nur nicht, was genau dabei passiert.“ Xenika schienen die möglichen Folgen nicht zu kümmern.

Sie würden ihn umbringen! Wer wusste, was bei diesem Austausch geschah, vielleicht starb er wirklich an einem Schock wegen diesen ganzen Gefühlen, die er gar nicht alle verarbeiten konnte. Hatten diese Verrückten denn Ahnung, was sie mit ihrer Neugier anstellen konnten?

Als Ayu sich über ihn beugte, ihm die Finger auf die Schläfe legte und Diu spürte, wie seine Gefühle buchstäblich aus ihm herausgerissen wurde, fing er trotz der Kraftlosigkeit heftig an zu zappeln, bis der blaue Katenha keine andere Lösung sah als ihn festzubinden, sonst hätten sie ihn irgendwann nicht mehr festhalten können. Oder er wäre auf den Boden gefallen und hätte sich verletzt.

„Hört auf“, schrie Diu ihnen in Gedanken immer wieder zu, doch sie schüttelten nur die Köpfe und sahen weiter zu, wie ihm dieser Stein mithilfe des grünen Katenhas das letzte Tröpfchen Emotion aus dem Körper stahl. „Hört doch endlich damit auf.“

„Nein, das müssen wir machen. Hättest du dich an die Vorschriften gehalten, müsstest du nicht leiden.“ Der blaue Katenha begann für Diu nicht erkennbare Buchstaben oder Ziffer auf einen heller leuchtenden Bereich des Blocks unter ihm zu malen und die Wärme, die die ganze Zeit durch ihn geflossen war und in mit der Zeit fast verbrannt hätte, änderte sich schlagartig ins Gegenteil. Es wurde eiskalt und schmerzte genauso wie die Wärme.

Und mit dem Temperaturumschwung folgte ein Überfluss an negativen Gefühlen, die alle gleichzeitig aus dem schwarzen Material in Dius Inneres eindringen wollten.

So etwas Schreckliches hatte er noch nie erlebt. Alle möglichen Emotionen wie Hass, Angst, Wut, Enttäuschung, Verzweiflung und Trauer stürmten in einem kaum auszuhaltenden Maß auf ihn ein und das einzige, was er tun konnte, war schreien. Vielleicht brachte er damit Ayu und Xenika dazu, ihn freizulassen, weil sie es nicht mehr mit anhören konnten.

Sie ignorierten einfach.

Selbst als ihm schlecht wurde und er sich übergeben musste und wieder anfing zu weinen, saßen sie tatenlos daneben und nahmen sein Leiden ungerührt zur Kenntnis. Für sie bedeutete es nichts. Sie kannten schließlich kein Mitgefühl.

„Ich glaube, das reicht erstmal“, entschied der Blaue nach, wie es Diu schien, einer Ewigkeit, tippte auf dem Eingabefeld herum und der Strom an Gefühlen versiegte. „Scheint so, als verträgt er es nicht. Dann müssen wir wohl weiter forschen, etwas verändern und es ihn noch einmal ausprobieren lassen.“

„Vergesst es“, schluchzte Diu leise vor sich hin, „lieber bring ich mich um.“

„Selbstmord ist keine Lösung, so etwas tun Katenha nicht.“ Ayu schüttelte über diese sinnlose Aussage den Kopf, für ihn machte das keinen Sinn. Katenha lebten sowieso nicht besonders lange, man musste es also nicht noch absichtlich verkürzen.

„Ist mir doch egal, ich bin kein richtiger Katenha, außerdem seid ihr mich dann los!“ Ein Problem weniger auf der Welt – beziehungsweise im Universum – für sie.

„Wir müssen wirklich etwas ändern; Selbstmordgedanken nach der Anwendung können wir uns nicht leisten. Zum Schluss sind alle unsere Testpersonen suizidgefährdet, das ist nicht der Sinn der Sache.“

„Vielleicht sind es auch die Nebenwirkungen von Gefühlen insgesamt“, überlegte der Grüne angestrengt. „Falls das der Fall ist, sollten wir eine Sitzung einberufen, ob das Projekt überhaupt gut für uns ist, sonst lassen wir es bleiben, auch wenn wir jahrelang umsonst alles aufgebaut haben.“

„Aber die Menschen leben doch auch, ohne sich sofort umzubringen, da stimmt nur etwas mit der Dossierung nicht oder der Kleine reagiert allergisch darauf.“

„Aber wenn noch andere von uns eine Allergie dagegen haben, müssten wir erst Tests durchführen, wer geeignet ist, Gefühle zu bekommen und dann gibt es Benachteiligungen.“

Wollten sie ihn nicht vielleicht losbinden, statt sich zu unterhalten, aus welchem Grund er die Behandlung nicht überleben wollte und was aus den Katenha wurde, die von dem Vorgang hier verschont blieben? Die zwei hatten nicht einmal Ahnung von dem, was sie gerade getan hatten.

Nach einigen Minuten erfolgloser Debatte über mögliche Ursachen und darauffolgende Schwierigkeiten kamen die zwei Katenha zu der Einsicht, dass sie das mit den anderen besprechen musste, am besten sofort. Während der blaue Katenha Diu anzog, putzte der andere den Block und den Boden um ihn herum und zu zwei brachten sie ihr Versuchskaninchen in den Hauptraum, in dem sich die Katenha dann aufhielten, wenn sie nicht gerade mit Experimenten oder Rundgängen beschäftigt waren.

Im Moment hielten sich nicht besonders viele auf, weil sie durch die Endphase des Projekts viel zu arbeiten hatten, aber nachdem Ayu Muka über ihren Versuch und von Dius eindeutig nicht planmäßige Reaktion darauf informiert hatte, entschied sich Muka, alle anderen aus den Weiten des Gebäudes zusammen zu rufen, damit sie ihre Beratung abhalten konnten.

Diu bekam davon nichts mehr mit, er war schon auf halbem Weg zum Zielort ohnmächtig geworden und hoffte einfach nur, dass man ihn nie wieder aufweckte.

Den Grund für sein Verhalten würde er ihnen nicht verraten, sonst half er ihnen vielleicht noch bei ihrem Projekt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  ReinaDoreen
2009-08-06T19:08:46+00:00 06.08.2009 21:08
Diu als Versuchskaninchen. ISt es nicht gefährlich dieses Experiment mit den Gefühlen, jedenfalls fü die die von selbst Gefühle haben. Und Diu hat ja auch Emotionen, wenn auch nicht so starke. Und was passiert mit den Menschen denen immerzu ihre Gefühle geraubt werden?
Reni


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