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Vis-à-Vis

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Und schon das zweite Kapitel!

Es wird allerdings nicht zur Gewohnheit werden jetzt täglich etwas neues zu veröffentlichen, ich möchte euch nur schon mal ein bisschen Lesestoff bieten. ^^ Komplett anzeigen

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Rotes Licht

Mit gezogener Pistole presste sich Vincent gegen die kalte Steinwand und spähte um die Ecke. Nichts. Doch das Rauschen des Atems war nicht weit entfernt. Soweit er beurteilen konnte, hatte das Monster aufgehört sich in der Stadt zu bewegen und ruhte. Er hieß es sehr willkommen, waren sie doch schon ein gutes Stück vom Lager entfernt. Cloud trat an ihn heran. ''Und?'' Vincent schüttelte nur den Kopf, sah erneut um die Ecke und steuerte dann auf die andere Seite zu. Große Schuttberge und Steinbrocken erschwerten ihnen den Weg. Abzweigungen und Durchgänge waren versperrt. Ganze Häuser waren in sich zusammengefallen und bildeten kleine Gebirge aus Beton und Stahl. Mühsam schob Vincent eine verkeilte Metalltür beiseite und huschte durch den schmalen Spalt. Cloud folgte ihm. Etwas unbeholfen schob er sich durch den Durchgang. Rostsplitter bohrten sich in's Leder seiner Handschuhe und der Rahmen ächzte, als das Schwert auf seinem Rücken daran entlang schabte. Er verzog das Gesicht als das Geräusch scheinbar zehnmal so laut durch das Gebäude schallte, löste sich mit einem Ruck aus der Klemme und schloss zu seinem Freund auf. Missbilligend blickte dieser ihm entgegen, doch er schwieg. Betreten sah Cloud zur Seite, richtete den verzogenen Gurt um seine Brust und rieb sich die Splitter von den Händen. Mit einem leichten Schulterzucken deutete er eine Entschuldigung an. Vincent ging weiter, die Pistole im Anschlag. Sie waren sich einig gewesen, dass es sinnvoller war, wenn er die Vorhut übernahm. Ein besseres Gespür. Eine Distanzwaffe. Außerdem bewegte er sich geschickter und leiser als Cloud durch das unwegsame Gelände. Das Erdgeschoss des Hauses war leer, nur ein paar halb zertrümmerte Wände, keine Fenster, ein Rohbau. Stück für Stück arbeitete sich der Schütze an den leeren Rahmen entlang, lauschte und kletterte schließlich durch einen auf die nächste Straße hinaus. Mit fast spielerischer Leichtigkeit schwang er sich auf den Fenstersims und lautlos folgte ihm sein Mantel wie ein roter Schatten. Cloud ertappte sich dabei, wie er seinen Freund erneut anstarrte. Er war fasziniert von dieser mysteriösen Gestalt, wie sie sich fast kätzisch durch das Geröll schlich. Vorsichtig kletterte dann auch er durch das Loch. Vincent wartete zwei Häuserecks weiter. Er wies mit seiner Klaue die Straße hinab und ging. Zügig überquerten sie in einigem Abstand die Straße oder besser das, was von ihr übrig war. Der Asphalt war vollkommen zerstört, aufgebrochen, zerborsten. Tiefe Furchen hatten sich hinein gegraben und dunkle, tote Erde aufgeworfen. Je weiter sie sich vom Lager entfernten, umso mehr hatte die Zerstörung sich der Umgebung angenommen. Auf ihrer Erkundungstour hatten sie vor allem den südöstlichen Bereich durchkämmt, nun bewegten sie sich in exakt der entgegengesetzten Richtung.

Der rote Umhang verschwand in einem Durchbruch, der in die Tiefetage eines Hochhauses führte. Nur ein schwacher Lichtschimmer erhellte die ersten Schritte in den Keller hinein, dann wurde es dunkel. Auch der Himmel hatte sich zugezogen und kein Mondlicht sickerte zum Boden. Cloud schlitterte die Steinhalde zum Eingang hinab und stand vor einer Wand aus Schwärze. Mit einem tiefen Atemzug tauchte er in den Schatten hinein. Angestrengt versuchte er zu lauschen, doch außer seinem Herzschlag und den knirschenden Kieseln unter seinen Stiefeln blieb es still. Zu still. Schnell hatte er die Orientierung verloren und konnte kaum sagen, ob er erst wenige Schritte oder bereits einige Meter in die Tiefetage vorgedrungen war. Dann ein kehliges Wimmern und drei schwere Atemstöße. Er blieb stehen. War das Monster hier unten? Erneut versuchte er zu lauschen, doch er hörte nur, wie das Rauschen des Blutes in seinen Ohren anstieg. Ein Windhauch streifte seinen Arm. Aufregung begann in ihm aufzukeimen. Vorsichtig drehte er sich auf der Stelle und mit Erschrecken musste er feststellen, dass der Ausgang verschwunden war. War er so weit in den Schatten gegangen? Und nun? Er tastete eilig seine Gürteltasche ab, doch er hatte keine Magnesiumfackeln mitgenommen. Warum hatte Vincent nicht auf ihn gewartet? Er drehte sich im Kreis und zu der Aufregung mischte sich starkes Unbehagen. So vollkommene Finsternis war nichts für ihn. Es erinnerte ihn an sein Delirium, welches er während seiner Makovergiftung durchlebte. Die Traumzustände die ihn in die Abgründe seines Selbst geführt hatten. Leder knirschte, als er sich in seinen Brustgurt krallte. Ein Scharren, ein Schnaufen, ein rasselnder Atemzug und ein warmer Windhauch auf seinem Gesicht. Das Monster war hier. Nur wo? Er atmete flach und stoßweise und versuchte sich krampfhaft an etwas zu orientieren. Irgendetwas. Seine Stiefel schienen im Schlamm zu versinken. Als er einen weiteren Schritt tun wollte gluckste es leise. ''Bleib stehen!'' Drei kleine Explosionen direkt neben seinem Gesicht. Das Mündungsfeuer leckte heiß über seine Wange. Mit einem Schrei taumelte er zurück und presste sich die Hand auf's Ohr. Dann grub sich eine handgroße Klaue in sein Gesicht und erstickte seinen Laut. Vor ihm jaulte und winselte es gurgelnd. Haltloses Scharren im Schutt, hektisches Röcheln und dann sog sich knarrend ein letzter Atemzug in sterbende Lungen. Ein leichtes Beben durchzog den Boden, als etwas darauf hinab sank. Dann wurde es wieder still.

Kaltes Metall drückte sich in seine Lippen und er spürte, wie sein hektischer Atem es beschlagen und feucht werden ließ. In seinem Kopf klingelte es ununterbrochen und er war sich sicher, dass ihm Blut aus dem Ohr lief. Kaltes Wasser sickerte durch seine Kleidung, nachdem er zu Boden gegangen war, halb gestürzt, halb gezwungen. Vincents Gewicht lehnte an seinem Rücken. Dann löste sich der kalte Griff um seinen Mund und suchte Halt unter seinem Arm. Auch die andere Hand ergriff Stoff und Brust. Vollkommen überfordert lehnte sich Cloud in den Halt, als er hoch und zurück gezogen wurde. Stolpernd kam er auf die Beine, wurde einige Schritte weit gedrängt und spürte eine raue Wand an seinem Gesicht vorbei ratschen, als er dagegen gedrückt wurde. Schnell suchten seine Hände Halt an dem kalten Beton. Dann flackerte es zischend und blendend hell neben ihm auf. Ein rotes Flammenstakkato offenbarte nicht unweit das Gesicht des Schützen und ließ es für einen Sekundenbruchteil wie eine unheilvolle Erscheinung, ein dunkles Geheimnis erscheinen. Rot wie Zorn. Rot wie Blut. Rot wie die Augen, die sich in einer langsamen, aber steten Bewegung zu ihm wandten. Erstarrt sah Cloud ihm entgegen. Es jagte ihm einen Schauer den Rücken hinab, als sich das Augenpaar in ihn hineinbohrte. Unheilvoll. Geheimnisvoll.

Die Fackel sank nieder und plötzlich blickten ihn ruhige, besorgte Augen an. Ganz anders, ganz sanft. Der Blick intensivierte sich, als sich auch Vincents Hand auf die Schulter seines Freundes legte. Dann erst bemerkte Cloud, dass er mit ihm sprach. Er schüttelte nur den Kopf. Sanft aber bestimmt wurde er an der Schulter gepackt und auf den Weg geschoben. Die Magnesiumfackel beleuchtete den Boden unter ihnen. Mehrere Zentimeter Schlamm und undefinierbare, dunkle Brühe bedeckten den Boden. Vorsichtig drückte Vincent ihm die Fackel in die Hand. Nur wenige Schritte vor ihnen lag ein unförmiger, großer Körper. Der Schütze ging neben dem Kopf auf die Knie. Mit spitzen Fingern zog er das Augenlid auf, griff prüfend in die Lefze und hebelte die Kiefer auseinander. Akribisch untersuchte er den Kopf. Er schluckte trocken, als er fand, was er nicht zu finden gehofft hatte. Wie schon beim ersten Monster. Eine Abfolge von sieben Buchstaben und Zahlen war im Inneren der halb zerfetzten Ohrmuschel fast unsichtbar klein eintätowiert. Er hatte Glück gehabt, dass sein Schuss nicht ein Stück tiefer in den Schädel eingedrungen war. Cloud hob die Fackel etwas an und musterte den Kadaver. Seine Orientierungslosigkeit und Aufregung ließ langsam wieder nach, auch wenn es in seinem Kopf noch immer schmerzhaft laut klingelte. Er konnte es schlecht abschätzen, doch es schien größer als ein Pferd, hatte einen hündisch wirkenden Kopf und völlig verklebtes kurzes Fell. Auf der Unterseite prangte ein riesiges Loch. Es dauerte einen Moment bis er verstand, dass diese Wunde nicht von Vincents Waffe stammte. Wie aufgeschlitzt klafften die Ränder der Bauchdecke offen und verdreckte Gedärme quollen in den Schlamm am Boden, mischten das Brackwasser mit ranzigem Blut und verdorbenen Sekreten. Er atmete erschrocken ein und war augenblicklich froh darüber nichts weiter als verbranntes Schießpulver zu riechen. Als der Schuss direkt neben seinem Gesicht abgefeuert wurde, hatte sich Schmauch auf seiner Haut abgesetzt. Vincent erhob sich. Ein sonderbarer Ausdruck lag auf seinem Gesicht, als er sich wieder zu seinem Freund umwandte, ihn erneut an der Schulter packte und in die andere Richtung schob. Cloud fügte sich dem Druck. Er würde wissen, wo der Ausgang war. Und er war froh darüber, dass sein Freund ihn in seiner Situation nicht allein ließ. Selbst den Stein, den er mit seiner Stiefelspitze davon trat, konnte er nicht hören. Nur helles Klingeln und monotones Rauschen. Dann erschien der Ausgang schummrig vor ihnen. Vor der Geröllhalde warf er die Fackel achtlos beiseite. Zischend und Blubbernd brannte sie langsam in einer Matschpfütze aus. Vincents Hand auf seiner Schulter verstärkte kurz ihren Griff, ehe sie langsam, fast zärtlich sein Schulterblatt hinab rutschte. Dann trat der Schütze an ihm vorbei und verließ die Tiefetage über den Schutthaufen der eingestürzten Wand. Cloud zögerte einen Moment. Das hatte er sich nur eingebildet. Vincent hatte nur seine Hand weggenommen. Ja. Er schüttelte den Kopf und folgte ihm.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Faszination pur!

Nur Einbildung oder war es doch eine zärtliche Geste? Wer weis wer weis! ^_^
Bald geht's weiter! Komplett anzeigen

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