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Soulmate

von

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Prügel


 

Kapitel 10: Prügel
 

Adrian
 

Da waren diese Flyer auf einer Ablage beim Schwarzen Brett: Sie zeigten Bäume und Sträucher und zwei Menschen in der Mitte, die zufrieden vor einem Zeltlager standen. Neben dem Stapel bunt bedruckter Blätter lag eine Einschreibeliste. Ein paar Namen standen schon drin. Ich kannte keinen von ihnen.
 

Ich fand die Idee gut. In dem Moment kam mir gar nicht in den Sinn, dass ich Valerie hätte fragen sollen. Sie hätte bestimmt Nein gesagt.
 

~*~
 

„Hi!“
 

Am Montagvormittag – ich war gerade auf dem Weg zur Mensa, als mich die Aushänge am Schwarzen Brett aufhielten – sprach mich eine unglaublich hübsche Person an. Ich erkannte sie als das Mädchen mit der Bobfrisur aus dem Einführungsseminar. Sie trug eine dieser stylishen Wollmützen, die jetzt jeder trug, obwohl es gar nicht kalt war, und eine runde Fensterglasbrille.
 

„Hi“, grüßte ich sie zurück und bekam dafür ein hinreißendes Lächeln.
 

„Hey, du warst am Freitag doch bei Doktor Steins Vorlesung, richtig?“ Ich nickte zustimmend und sie grinste wieder bis über beide Ohren. „Ich heiße Mona. Ich bin eine Meisterin. Und du bist eine Waffe, stimmt?“
 

„Ähm … ja.“ Fragend betrachtete ich Mona. Hibbelig wippte sie von der Sohle auf die Fußspitze, ihre schokobraunen Augen glitzerten vor Aufregung und Lebensbejahung.
 

Sie lud mich zum Mittagessen ein, also gingen wir zusammen zur Mensa. Im Takt ihrer fast hüpfenden Schritte schwenkte ihr perlenbestickter Rock hin und her.
 

Auf dem Weg zum Speisesaal fragte sie: „Was bist du denn für eine Waffe?“
 

„Messer“, antwortete ich knapp.
 

„Oh!“, freute sie sich. Ihre Stimme nahm dabei einen schrillen Ton an. „Das ist ja cool! Ich war schon immer besser im Nahkampf. Schießen und Zielen konnte ich nie gut, aber“, sie boxte einmal nach vorn in die Luft und zwinkerte mich von der Seite an, „dafür habe ich Kraft.“
 

Sie hielt an, um eine übertriebene Kampfpose einzunehmen und ein bisschen sah sie aus wie eine Cartoonfigur. Ich wusste nicht, ob ich bei ihrer Albernheit losprusten oder mich fremdschämen sollte.
 

Ein kurzes Lachen rutschte mir doch heraus – vielleicht auch nur aus Höflichkeit – woraufhin sie rot anlief. Es war eine zarte Röte nur auf ihren Wangen, nicht wie Valeries das ganze Gesicht umfassende Röte.
 

Mona war sehr niedlich und freundlich oder vielleicht inszenierte sie sich auch nur so, damit andere Leute sie mochten. Ich erkannte ihre Absicht jedoch schnell und stellte deshalb gleich klar: „Ich habe bereits einen Meister.“ Ihr breites Sonnenscheingrinsen bekam einen Knick. „Falls du darauf hinaus wolltest“ Oh, ich war mir ziemlich sicher, dass sie das tat.
 

„Schade“, seufzte sie und lächelte enttäuscht und das sah so reizend aus, dass ich mich direkt schlecht fühlte, sie abgewiesen zu haben.
 

„Tut mir leid“, entschuldigte ich mich ein wenig kleinlaut.
 

„Ach was, schon gut.“ Sie schüttelte leicht den Kopf. „Weißt du, ich finde einfach niemanden. Du bist ja auch erst neu und hast schon einen Partner. Und irgendwie ist jeder aus der Einführung schon vergeben. Oder blöd.“ Ein Augenblick bedrückendes Schweigen verging. Dann, plötzlich, wirbelte sie herum, in ihren dunklen Augen lag jetzt eine gewisse Verletzlichkeit. „Wie hast du das gemacht?“
 

Wir bogen um eine Ecke. Vor uns war die große Doppeltür der Mensa ausladend geöffnet, Stimmenwirrwarr schallte auf den Flur hinaus.
 

„Ich fürchte, ich kann dir da nicht helfen. Ich wurde meinem Partner zugeteilt.“
 

Mona stocke und blieb schließlich stehen. „Wie, zugeteilt?“
 

Ich hielt ebenfalls an und drehte mich zu ihr um. „Na ja, ich komme von außerhalb. Der Shinigami hat mich kontaktiert, weil er glaubt, dass ich für einen bestimmten Meister gut geeignet sei.“ Eine Halbwahrheit. Aufmunternd lächelte ich Mona an. „Also, keine Sorge. Solltest du wirklich niemanden finden, werden dir die Lehrer helfen.“
 

„Und du – du hattest gar kein Mitspracherecht?“, hackte sie immer noch erstaunt nach. „Ich meine, kanntest du den Meister vorher?“
 

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich kannte sie nicht. Klar hätte ich ablehnen können, aber“, ich zog ein wenig die Schultern nach oben und versuchte mein Lächeln zu wahren, „so ein Blind Date ist doch auch irgendwie spannend, oder nicht?“

Sie stimmte mir nur halbherzig zu. Ich ging weiter, bevor sie noch einmal nachhaken und das Gespräch in eine unangenehme Richtung lenken konnte.
 

Der Speisesaal war voll, aber nicht mit Menschen überrannt. Bereits beim Eintreten konnte ich Valerie an einem Tisch in einer der hinteren Ecken ausmachen. Kurz sah sie von ihrem Essen auf. Ihr Blick – und noch irgendwas Anderes, das ich nicht zuordnen konnte – traf mich und ein Schauer lief mir den Rücken herab. Dann schwenkten ihre Augen zu meiner Begleitung hinter mir und sofort konzentrierte sie sich wieder auf ihren Teller.
 

Obwohl ich ablehnte, bezahlte Mona trotzdem unsere beiden Mittagessen inklusive einem abgepackten Schokokuchen als Nachtisch. Ich führte sie in den abgelegenen Teil der Mensa, wo meine Meisterin an ihrem Tisch nun in eine schwere Lektüre vertieft war.
 

„Hey.“ Ich stellte mein Tablett neben ihr ab. „Wie geht‘s?“
 

Ein Brummen war die einzige Antwort, die ich bekam.
 

Langsam ließ ich mich auf den Stuhl neben ihr nieder. Steif setzte sich Mona uns gegenüber.
 

„Wie lief deine Prüfung?“, versuchte ich es noch einmal in der Hoffnung auf eine etwas ausführlichere Antwort.
 

„Na ja, so lala.“ Sie ließ das Buch sinken und streckte sich einmal. Erst jetzt schien sie Mona zu bemerken.
 

„Hallo“, begrüße Valerie sie freundlich, woraufhin die Brünette zusammenzuckte, als hätte man sie erschreckt.
 

Mona schwieg.
 

„Das ist Mona“, stellte ich sie vor, als auch nach einigen Augenblicken immer noch kein Wort aus ihr herauskam. „Sie ist auch neu.“
 

„Freut mich.“ Valerie bleib höflich, lächelte sogar. Mona hingegen sah aus, als würde sie sich jeden Moment übergeben müssen.
 

„Ist alles in Ordnung?“
 

„Ja … äh.“ Suchend sah mein Gegenüber sich um. Ihr Atem ging schwer, als sie einige Augenblicke unentschlossen auf ihren Teller starrte. „Ver-verzeihung. Ich“, hektisch packte sie nun ihre Sachen zusammen. „Ich glaube, ich muss mich woanders hinsetzen.“ Damit erhob sie sich wie vom Blitz getroffen und verabschiedete sich knapp.
 

Weg war sie. Als wäre sie davongerannt. Valerie blickte ihr nicht hinterher und schien – im Gegensatz zu mir – kein Bisschen überrascht zu sein.
 

„Was war das denn?“
 

Meine Meisterin zuckte nur mit den Schultern und sah nicht mal von ihrem Text auf. „Wer weiß.“
 

Das wirkte wenig überzeugend.
 

Ich reckte mich und sah mich in der Mensa um. Mona saß nun genau in der entgegengesetzten Ecke des Raumes mit dem Rücken zu uns und hörte einem eifrig erzählenden Mädchen zu. Als ich mich wieder sinken ließ, sah ich, dass Valerie erst in dieselbe Richtung, dann mir direkt in die Augen schaute.
 

Kurz wirkte sie, als wollte sie irgendwas sagen. Als würde sie abwägen, ob es sich lohnte, mich zu informieren. Dann ließ sie es doch bleiben und widmete ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Lehrbuch.
 

„Was für Prüfungen musst du denn noch schreiben?“, fragte ich schließlich nach einigen Momenten unangenehmen

Schweigens.
 

„Morgen noch Literaturgeschichte“, antwortete meine Meisterin ohne aufzusehen. „Aber das wird nicht so schlimm wie Physik heute, denke ich.“
 

„Heißt das, du hast am Wochenende Zeit?“
 

Sie hielt inne, ihre grünen Augen streiften mich kurz. „Ja?“ Kaltes Misstrauen lag in ihrer Stimme.
 

Ich schenkte ihr mein strahlendstes Lächeln und hoffte, dass sie mir in den nächsten Minuten nicht den Kopf abreißen wird.

„Gut“, verkündete ich und holte den Flyer, den ich vom Schwarzen Brett mitgenommen hatte, aus meiner Tasche. „Dann können wir ja was zusammen machen. Zum Beispiel“, auffordernd schob ich das Blatt zu ihr herüber, „Camping!“
 

Überraschung – vielleicht auch ein bisschen Schock – glitt über Valeries Gesicht. Erst wurde sie knallrot, dann kreidebleich. „Wir … Was?“
 

„Ich hab uns für einen Campingausflug in den Blue-Mountain-Nationalpark angemeldet.“ Ich versuchte selbstbewusst zu wirken. Ich war selbstbewusst, doch angesichts der nun steigenden Spannung meiner Meisterin wurde es zunehmend schwerer, dieses Selbstbewusstsein aufrecht zu erhalten.
 

„Du hast was?!“ Ihr entsetzter Aufschrei hallte durch die gesamte Mensa und zahlreiche Köpfe drehten sich zu uns um. Als Valerie die zusätzliche Aufmerksamkeit bemerkte, kramte sie hastig meine und ihre Sachen zusammen und zog mich vom Stuhl aus dem Speisesaal hinaus in eine abgeschiedene Ecke des Flures.
 

Wutentbrannt drehte sie sich zu mir um. „Du … hast … was?“, wiederholte sie mit einer düsteren Ruhe, die mir bis in die Knochen ging.
 

Nervös rieb ich mir den Nacken. Dahin war mein Selbstbewusstsein. „Ich … habe uns zum Camping dieses Wochenende angemeldet.“
 

Valerie tigerte kurz mit sich ringend auf und ab. „Was hast du dir dabei nur gedacht?!“, schimpfte sie wie eine Furie.
 

„Na ja, ich–“
 

„Hast du überhaupt nachgedacht?!“ Wild fuchtelte sie mit den Händen vor meinem Gesicht herum. „Nein, hast du nicht. Keine Sekunde hast du deinen Verstand benutzt. Trottel!“
 

„Das“, unterbrach ich sie mit erhobenem Zeigefinger, „stimmt nicht. Ich habe wohl darüber nachgedacht, wie wir Vertrauen und Teamgeist aufbauen können. Und Camping im Wald erschien mir da als eine gute Chance, diese Partnerschaft voranzubringen. Und außerdem“, von meiner Argumentation überzeugt stemmte ich die Hände in die Hüften und grinste sie an, „ist der Ausflug gratis. Es spricht also absolut nichts dagegen.“
 

Meine Meisterin sah mich noch entgeisterter an als zuvor und machte eine genauso unmissverständliche Geste. „Ich schlafwandle, Adrian. Das spricht dagegen. Du hast es doch selber gesehen.“ Die Ruhe in ihrer Stimme war erdrückend, ein Vorwurf, eine Faust, die sich tief in meinen Magen grub. „Ich stehe nachts auf und lege selbstverletzendes Verhalten an den Tag. Ich kann nirgendwo außerhalb schlafen.“
 

„Ich weiß, aber ich glaube, ich ha-“
 

Ein schrilles „Ha!“ unterbrach mich. Ich drehte mich um und aus dem Gang hinter mir kam ein hochgewachsenes Mädchen auf uns zu. Genauer gesagt auf Valerie.
 

„Schlafwandeln?“, fing die Fremde noch auf ihrem Weg an. Ihr Lächeln war diabolisch und ihre langen, schmalen Finger glitten geschmeidig über ihre hellbraune Löwenmähne. „Selbstverletzendes Verhalten?“ Jetzt war sie bei uns angekommen und beugte sich in überlegener Haltung über meine Meisterin, die in dem Moment so viel kleiner wirkte. Ich an ihrer Seite wurde völlig ignoriert.
 

„Tse tse tse“, machte die Braunhaarige hochnäsig. „Valerie, warum überrascht mich das bei dir nicht? Wir wissen ja alle, dass etwas mit dir nicht stimmt, aber das es so schlimm um dich steht…“ Sie richtete sich wieder auf und schüttelte ein paar Mal mit übertrieben gespielter Enttäuschung den Kopf.
 

Eine unheilvolle Stille brach herein. Wie zur Warnung stellten sich mir die Nackenhaare auf.
 

„Trägst du deswegen immer die Verbände? Damit niemand sieht, wie kaputt du eigentlich bist? Och Herzchen“, fuhr die Unbekannte fort. „Meinst du nicht, dass du in einer Anstalt besser aufgehoben wärst, hm?“
 

Valerie sah aus, als würde sie jeden Moment explodieren.
 

Sie sah nicht nur so aus. Sie tat es.
 

Miststück! Was bildest du dir ein?!“, brüllte meine Meisterin und stürzte sich auf das Mädchen. Ich wollte sie aufhalten, doch ihre schmalen, bandagierten Arme glitten mir durch die Finger wie feine Seide.
 

Ein dumpfer Aufprall gefolgt von Geschrei und wüsten Beleidigungen hallte an den Wänden entlang und lockte schaulustige Schüler aus ihrer Mittagspause. Binnen weniger Sekunden füllte sich der Flur mit Menschen.
 

„Eine Prügelei!“, rief jemand.
 

„Schnell! Holt einen Lehrer“, ein anderer.
 

Um die beiden Mädchen hatte sich ein breiter Kreis gebildet. Eine Wand von Köpfen blockierte mir die Sicht.
 

Im Augenwinkel sah ich Doktor Stein herbeitrotten, die Zigarette glimmte noch immer zwischen seinen Lippen. „Dacht' ich’s mir doch“, hörte ich ihn murmeln. Seine Augen schweiften vorwurfsvoll zu mir herüber. „Deine Meisterin schon wieder.“

„Sie hat nicht angefangen!“, stellte ich wütend klar, doch der Lehrer nahm nur einen Zug und blies ihn langsam Richtung Decke aus. „Wollen Sie sie nicht aufhalten?“
 

Nun trat er heran und betrachtete mich streng. „Nein. Hier gilt das Recht des Stärkeren. Die Absolventen der Shibusen stehen an der Spitze der Verteidigung der Welt. Wenn man nicht die Kraft hat, sich hier durchzusetzen, schafft man das auch nirgendwo anders.“
 

„Und deswegen lassen Sie ihre Schüler aufeinander losgehen?“
 

„Ja.“ Er wendete sich ab, zeigte mir quasi die kalte Schulter. „Wenn sie gewinnt, wird sie sich in ihrer Stärke bestätigt fühlen. Wenn sie verliert, weiß sie, woran sie noch arbeiten muss. Ich sehe darin keinen Nachteil.“
 

Sein Ton ließ keine Widerworte zu. Damit war die Diskussion beendet.
 

Doktor Stein ging erst dazwischen, als das andere Mädchen – offenbar auch eine Meisterin, zumindest zeigte sie keine Waffenform – weiter angriff, obwohl Valerie schon am Boden lag. Ich begleitete alle drei zum Krankenflügel, musste allerdings auf dem Flur warten. Später erfuhr ich, dass die Person – ihr Name war Heather – in dem Sanitätszimmer unter Androhung einer Suspendierung eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen musste, damit Valeries Zustand an der Schule nicht publik gemacht wurde.
 

Den Rest des Tages schloss meine Meisterin sich in ihrem Zimmer ein und machte keine Anstalten rauszukommen. Also kochte ich wieder, diesmal Reis mit Gemüse und Fisch. Als ich fertig war klopfte ich zögerlich an ihre Tür.
 

„Hey“, fragte ich. „Wollen wir zusammen essen?“
 

„Nein“, kam es gedämpft von der anderen Seite. „Ich muss lernen.“
 

Es war nicht so, als hätte ich etwas anderes als Ablehnung erwartet. Ehrlich gesagt hatte ich nicht mal damit gerechnet, dass sie überhaupt antwortete. „Ich stelle es dir wieder hin. Bitte iss etwas.“
 

Kurz raschelten ein paar Buchseiten, dann ganz leise: „Danke.“
 

Also stellte ich den Teller wieder vor ihre Tür auf den Boden, legte einen zweiten darüber und platzierte einen Löffel obendrauf. Doch diesmal setzte ich mich mit meinem eigenen Teller ihrem Zimmer gegenüber auf den Boden und wartete. Es dauerte nicht lange. Kurz hörte ich Schritte, dann Stille – als hätte sie gelauscht, ob ich auch wirklich weg war – dann ging die Tür nur einen Spalt breit auf und Valerie hockte sich nach unten zu ihrem Essen. Als sie mich bemerkte, hielt sie abrupt in der Bewegung inne und erdolchte mich mit ihrem Blick.
 

„Bitte lass uns-“, setzte ich an, doch meine Meisterin schnappte sich mit einer Hand den Teller und knallte mit der anderen die Tür zu. „Ach, komm schon!“ Auf allen vieren kroch ich über den Gang. „Lass uns drüber reden. Bitte.“
 

Wütend kam es von drinnen: „Hast du uns von dem Ausflug abgemeldet?“
 

„Nein, aber-“
 

„Dann tu das! Mehr gibt es nicht zu diskutieren.“
 

Ihre Sturheit schlug mir hart vor den Kopf. Als wäre ich buchstäblich gegen eine Wand gerannt, breitete sich ein pochender Schmerz hinter meiner Stirn aus. „Lass mich doch mal ausreden!“ Erst als ich es aussprach, merkte ich, wie unbeabsichtigt laut meine Stimme wurde, also erklärte ich in ruhigerem Ton: „Ich habe da vielleicht eine Idee.“
 

Ich wartete erneut auf eine Antwort, doch sie blieb aus. Also ging ich in mein Zimmer, holte das weinrote Säckchen, das mir die Verkäuferin in dem Modeschmuckladen mitgegeben hatte, und ging zurück in den Flur. Dort stand Valerie nun im Türrahmen ihres Zimmers, den Teller in der einen und ein mit Reis und Erbsen beladener Löffel in der anderen Hand. Skepsis lag in ihrem Gesicht.
 

„Was ist das?“, fragte Valerie, als ich ihr das Beutelchen entgegenhielt. Sie stellte ihren Teller auf ein Möbelstück in ihrem Zimmer, das wohl direkt neben ihrer Tür stand, und öffnete den Stoff.
 

„Für dich. Du könntest es nachts tragen und wenn du aufstehst, hör ich das Klingeln und kann dich wieder ins Bett bringen“, erklärte ich, während sie zögerlich das Fußkettchen herausnahm und begutachtete. Die goldenen Glöckchen daran gaben bei der Bewegung ein zartes Klingeln von sich.
 

So etwas wie Ehrfurcht huschte über ihr Gesicht. Mit großen Augen sah meine Meisterin zwischen mir und dem Schmuckstück hin und her. „Das Geräusch ist doch viel zu leise, um davon wachzuwerden.“
 

„Nein“, widersprach ich. „Ich schlafe nie fest. Und wenn ich meine Tür offen lasse, hör ich es. Versprochen.“
 

Die Skepsis wich kaum von ihr, doch ihr Blick wurde weicher. „Ich bin immer noch sauer auf dich, weißt du?“ Sie ließ die goldene Kette ein paar Mal durch die Finger gleiten. „Glaub ja nicht, ich wäre irgendein Mädchen, das du mit ein bisschen Schmuck besänftigen kannst.“
 

„Ich weiß.“ Vor allem wusste ich, dass ich damit direkt ins Schwarze getroffen hatte.
 

„Ich habe trotzdem keine Lust auf diesen Ausflug.“
 

Ich nickte nur.
 

Der rote Beutel samt Schmuck verschwand in ihrer Hosentasche. „Aber“, sie nahm wieder ihren Teller, trat in den Flur und schloss die Tür hinter sich, „ich kann ja morgen mal Abendessen machen.“ Damit schenkte sie mir ein leichtes Lächeln und lief zum Essen in die Küche.



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