Zum Inhalt der Seite

Wenn Ostern sein Frühling findet

Die Hüter des Lichts
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 6 – Dunkelheit

 

 

 

Es war kalt und hart. Sophie zitterte am ganzen Körper und sie fühlte sich so schwach. Unruhig zuckte sie im Schlaf, ihr Geist war bereits wach, doch war sie nicht im Stande ihre Glieder zu bewegen. Wie eine kalte Schlange lag sie steif auf dem Stein, darauf wartend das die Sonne herauskam und sie zum Leben erweckte.

 

Es war so ruhig und es roch nach Blumen.

 

Lag sie noch immer im Bett?

 

Warum war die Matratze so hart?

 

Warum roch es mitten in der Stadt im fünften Stock nach Blumen?

 

Hatte Brad ihr Blumen gebracht?

 

So langsam regte sich das Leben in ihrem Körper, doch fühlte sie sich mit jeder kleinen Bewegung elender. Es war so kalt, ihr Körper zitterte wie Laub, in ihrem Magen rumorte es und es fühlte sich an als läge ein kalter Stein darin.

 

Sie blinzelte, doch gegen was, die Sonne war nicht da... und auch nicht die Helligkeit.

 

Waren die Fenster zugezogen?

 

Als Sophie ihre Augen öffnete sah sie nur dunkle Bräune vor sich.

 

Wo war sie?

 

Die Wände, die Tapete, ja selbst die Decke.... alles war fort. Es war nicht viel zu sehen. Es war so dämmrig.

 

Brad? Wo war er?

 

Sophie nahm alle Kraft zusammen und richtete sich etwas auf. Sie lag auf eine Art Sack. Ein riesiger Hanfsack gefüllt mit... sie wusste es nicht. Es fühlte sich wie Sand an oder zusammen gepresste harte Erde? Eine dünne Leinendecke aus Hanf lag auf ihrem Körper.

 

Ihrem nackten Körper.

 

Panisch zog sie die dünne Decke um sich und sah sich um. Sie war in einer Höhle. Eine einfache Höhle. Dort war Licht am Ende des Tunnels, war dort der Ausgang? Wo war sie? Hätte sie denn nicht zu Hause in ihrem Bett liegen müssen?

 

Plötzlich schossen ihr die Erinnerungen des letzten Abends durch den Kopf.

 

Die Begegnung mit der Polizei, die Klage die sie nun am Hals hatte.

 

Der Streit mit Brad, er hatte sie angeschrien, war abgehauen.

 

Das Blut an ihren Händen, welches ihre Schenkel hinunter lief.

 

Ihr Herz setzte aus, es rauschte in ihren Ohren, sie versuchte sie zuzudrücken, das laute Piepen war so unerträglich, die Bilder rasten durch ihren Kopf.

 

„Nein, nein... nein“, sagte sie, griff sich mit zittrigen Fingern an ihrem Unterleib. „Nein, Kleines, du bist noch da... du bist noch da“, stammelte sie.

 

Ihre Scham außer acht lassend, zog sie die Decke zur Seite, öffnete ihre Schenkel und griff sich in den Schritt, obgleich es unnötig war. Ein großer roter Fleck hatte sich auf der Matratze gebildet während sie geschlafen hatte.

 

„Nein... nein... NEIN“, schrie sie und wickelte sich weinend in die Decke wie eine Raupe in ihren Kokon.

 

Es dauerte nicht lange bis die Tränen versiegt waren. Nicht das Sophie nicht weinen wollte, doch war sie zu schwach. Sie lag da, mit tränennassen Augen und blickte starr geradeaus. Dunkelheit hatte sich in ihrem Inneren ausgebreitet. Es war ihr egal wo sie sich befand, was mit ihr geschehen würde.

 

Sollten doch wilde Tiere kommen und an ihre Knochen nagen.

 

***

 

Es war noch immer so kalt und hart. Aber da war etwas warmes und weiches, welches unermüdlich über ihre Wange strich.
 

Brad?

 

Sophie öffnete ihre Augen und etwas großes graues saß vor ihr. Ein großes grauweißes Gesicht mit grünen Augen.

 

„Hase?“, krächzte sie.

 

„Hey du kleiner Fratz. Wie geht es dir?“, fragte er und hatte diesen besorgen Gesichtsausdruck im Gesicht, dem Sophie nicht wirklich gefiel.

 

„Wo bin ich?“

 

„Du bist hier bei mir, in meinem Bau.“

 

„WA...S … urgh...“, schrie Sophie laut aus, als sie plötzlich schlucken musste und sie zu husten begann. „Warum hast du mich hierher gebracht?“

 

„Warum? Du lagst betrunken am Boden, hattest Tabletten geschluckt und wärst fast an deiner eigenen Kotze erstickt“, rief Hase wütend aus, was er sogleich bereute. Er machte sich große Sorgen, doch wollte er sie nicht verstimmen, denn wenn sie sich gegen ihn wandte, hatte er keine Chance mehr durch sie durch zu dringen.

 

„Nein, Brad hätte... er hätte sich um mich gekümmert und soviel hab ich nicht getrunken. Ich mag keinen Alkohol es ist widerlich. Es waren nur ein paar Schlücke, ehrlich.“

 

„Und die Tabletten?“

 

„Ich hatte nicht viele genommen, es waren nur zwei oder drei. Es... war nicht so gemeint.“

 

„Was war nicht so gemeint? Es war nicht ernst gemeint das du dich umbringen wolltest?“, fragte er säuerlich. Schon jetzt platzte ihm schon fast der Geduldsfaden.

 

„Es war mir nicht ernst, ich wusste nur nicht... ich wollte nur das Brad... es war dumm ich weiß... aber ich wusste nicht was ich tun sollte...“, ihre Stimme brach ab und sie rollte sich weinend zusammen ihre Hände auf ihrem Unterleib gepresst.

 

Wieder strich Hase ihr über den Kopf und über die Schulter, doch vermochte es ihr keinen Trost zu schenken.

 

„Willst du etwas essen?“

 

„Nein.“

 

„Willst du etwas trinken?“

 

„Nein.“

 

„Was...?“

 

„Lass mich allein.“

 

***

 

Der Schmerz wollte einfach nicht nachlassen, wie sehr sie auch weinte. Früher hatte es Sophie geholfen wenn sie sich tüchtig ausgeweint hatte, wenn sie Kummer hatte. Doch nun, verspürte sie keinerlei Heilung, nicht mal ein wenig. Eher fühlte es sich so an als würde es schlimmer und nie mehr aufhören.

 

Die Wölbung unter ihrer Hand verschwunden, kein Ziehen, kein Leben. Nichts weiter als kaltes Tod bringendes Fleisch. Ihr Kind war gestorben, in ihrem Körper, der es doch hätte nähren und beschützen sollen. War sie schuld gewesen? Hatte sie nicht genug auf sich geachtet? Vielleicht konnte sie auch gar keine Kinder kriegen, so was gab es auch.

 

Das kleine Würmchen würde ihr fehlen, das wusste sie. Bis zu ihrem Lebensende. Sie hatte bereits das Gesicht gesehen. Die dunkelblonden Haare, die warmen braunen Augen, die schmalen Lippen, die zu einem frechen Grinsen verzogen sind.

 

Sophie hatte ihn bereits vor ihrem inneren Auge gesehen. Den kleinen frechen Jungen, der ihr Sohn sein sollte. Sie hatte es Brad nie gesagt, aber zwei Wochen nachdem sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte, glaubte sie zu wissen wen sie in sich trug. Als trüge man eine fertige Person in sich, von der man wüsste wer sie einmal sein würde.

 

Doch nun war er fort. Tot. Durch ihre Schuld. Angewidert sah sie auf ihren dünnen, blassen, schwachen Körper hinunter.

 

Sie war schuld.

 

Sie hatte ihr eigenes Kind gemordet!

 

***

 

Am nächsten Tag kam Hase wieder zu ihr, doch vom Essen wollte Sophie nichts hören. Sie lag nur auf diesem großen Leinensack und vergrub sich unter der Decke.

 

Immer wieder bat Hase sie darum etwas zu sich zu nehmen, doch wollte sie nichts davon wissen. Sie hatte keinen Hunger. Sie empfand einfach nichts mehr. Nur den Schmerz dieses schweren Verlusts, war das Einzige was sie fühlen konnte.

 

Was würde Brad nur sagen? Ob er sie hassen würde? Wie lange war sie jetzt schon fort, bestimmt war er stinksauer. Sie konnte ihn ja nicht einmal anrufen. Sie musste zurück, unbedingt, sonst würde sie ihn auch noch verlieren, und das er schien ihr unmöglich. Das käme einem Weltuntergang gleich. Sie konnte nicht beide verlieren.

 

„Hase, bitte bring mich zurück“, sagte sie an diesem Abend zu ihm, als er sie wieder darum bat etwas zu essen.

 

„Sophie...“, schüttelte Hase den Kopf.

 

„Bitte, Hase. Bitte. Du bist mein bester Freund. Wenn ich Brad auch noch verliere, weiß ich nicht wie ich...“

 

„DU WILLST WEGEN IHM ZURÜCK? NEIN! NEIN!“

 

„HASE BITTE!“

 

„DAS KOMMT GAR NICHT IN FRAGE!“

 

„DU KANNST MICH HIER NICHT GEFANGEN HALTEN!“

 

„UND OB ICH DAS KANN!“

 

„DANN WERDE ICH DIR WEGLAUFEN!“

 

„Versuch es nur“, sagte er bedrohlich und musste anhalten sich zu beherrschen.

 

„Ich werde nie wieder etwas essen“, sagte Sophie etwas kleinlaut. Sie traute sich selbst nicht zu das sie das durchhalten konnte, schon in diesem Augenblick glaubte sie fast in Ohnmacht fallen zu müssen, so sehr schwirrte ihr der Kopf. Auch war es eine mehr als dumme Idee, doch in diesem Fall war es nichts weiter als ein jämmerliche Versuch ihren Willen durchzusetzen.

 

„Hase, verstehst du denn nicht...“

 

„Ich verstehe sehr wohl, doch wirst du nicht zu diesem Typen zurückkehren, Keule. Erhole dich erst einmal und wir sehen weiter“, sagte er und hoppelte aus der Höhle. Das Gespräch war beendet.

 

Sophie indes begann wieder zu weinen und ergab sich abermals ihrer Dunkelheit.

 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück