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Schwanenlied

London: Law&Noir
von

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Gegen Mittag verließ sie wie immer die Kanzlei und besorgte in den vielen kleinen Restaurants um die Ecke das Mittagessen für ihre Kollegen. Der niedliche Kellner in Tokos Lieblings-Chinesen steckte ihr wie immer ein paar extra Glückskekse mit in die raschelnde Tüte. Seine golden strahlenden Augen konnten leider nur wenig über seine ausgeprägte Akne hinweg täuschen, aber Toko schenkte ihm wie immer ein dankbares Lächeln und verabschiedete sich charmant von dem halbstarken Drachen. Viele der Restaurants in der Stadt wurden von eingewanderten Gottheiten geführt. London zog sie an wie ein Magnet. Auch Toko war es vor 30 Jahren so ergangen. Sie hatte ihrem Tempel und Japan den Rücken gekehrt und sich London erobert. Oder zumindest einen Teil davon. Knightsbridge oder die Bond Street auf jeden Fall. Toko liebte schöne Kleider. Der Großteil ihrer kleinen Wohnung wurde von Kleiderständern eingenommen.

Beladen mit Tüten und in knisternde Alufolie gepackte Styroporbehälter betrat sie das Büro wieder und verteilte die Gerichte. Glückliche Gesichter und der Geruch nach indischem Essen verfolgte sie. Zum Schluss betrat sie Richards Büro, welcher in einer Akte blätterte.

„Mittagessen!“, verkündete Toko und stellte eine Box mit Bratnudeln auf dem einzigen freien Fleck auf dem Schreibtisch ab.

„Ich danke Ihnen. Setzen Sie sich gleich dazu? Dann können wir alles noch einmal durchgehen“, sagte Richard und wies auf den Stuhl vor seinem Tisch. Fröhlich ließ sich Toko nieder und packte ihr Schweinefleisch Süß-Sauer aus.

„Also ich fang einfach von vorn an. Der Kurier brachte mir heute Nacht einen Brief von Sir Peter Redvers. Er schien ihn nicht lang vor seinem Tot geschrieben zu haben“, begann Richard. Toko sah von ihrem Essen auf.

„Ein Brief von einem Toten?“, fragte sie neugeierig und schob sich endlich den ersten Bissen mit ihren Essstäbchen in den Mund.

„Ja, Sir Redvers ist tot. Er starb vor einer Woche, angeblich an einem Herzinfarkt.“ Richard wühlte in der Aktenmappe herum und zog endlich ein Blatt Papier heraus. „Die Familie von Sir Redvers gehört schon seit langem zu unseren Klienten.“

„Menschen?“, warf Toko fragend ein.

„Ja, tatsächlich eine komplett menschliche Adelslinie.“ Richard nahm ein anderes Blatt aus der Akte. „Nun in dem Brief erinnerte er mich an unsere letzte Unterredung. Dort kündigte er an, dass sein Tot auf keinen Fall eine natürliche Ursache sein wird.“

„Er hat also angekündigt, dass er umgebracht wird, aber nichts dagegen getan?“ Toko kaute nachdenklich auf ihrem Essstäbchen herum.

„Nun, vielleicht wusste er nicht wie er etwas dagegen hätte tun können. Und er hat sich immerhin an uns gewendet.“ Richard nahm endlich seine langsam kalt werdenden Nudeln und wickelte sie auf die Plastikgabel.

„Und wir tun nun was?“, fragte Toko gespannt.

„Herausfinden wer davon profitiert, dass Sir Redvers tot ist. Das führt eigentlich fast immer zum Täter.“

„Uh, ja, wie bei der alten Mrs Fletcher! Allerdings hatte die glaub ich alles ihren Katzen vermacht...“

„Ja, und ihren Hausverwalter als Katzenpfleger eingesetzt hat. Der Fall war nicht so schwierig gewesen.“ Richard kaute und schlang die Nudeln so schnell herunter, dass er wohl kaum etwas schmeckte. „Aber ich befürchte hier wird es etwas komplizierter.“

Toko stand auf und räumte ihren Essensbehälter und den noch halb vollen ihres Chefs weg.

„Wer sind die Erben?“, fragte sie als sie zurück ins Zimmer kam, diesmal mit einem Notizblock und Stift bewaffnet.

„Seine Enkelkinder. Allerdings wohl eher sein Enkelsohn.“ Richard hielt kurz inne und überflog das Blatt in seiner Hand. „Soweit ich weiß, ist Sir Peter Redvers Sohn schon vor Jahren gestorben... ah hier steht es. Bei einem Autounfall zusammen mit seiner Frau. Und er hat zwei Enkelkinder, welche bei der Schwester der verstorbenen Frau aufgewachsen sind. Jonathan Redvers und Abygail Redvers.“

„Und Jonathan bekommt alles?“ Toko notierte etwas auf ihrem Block und unterstrich es doppelt.

„Nun...“ Richard zögerte und raschelte mit den Papieren in seinen Händen. „Es ist wohl eine Tradition in der Familie Redvers, dass nur ein männlicher Nachfahre erben darf. Also fällt alles an Jonathan Redvers.“

„Oh, aber er wird seiner Schwester vermutlich die Hälfte abgeben!“, sagte Toko sofort. Bevor ihr Blick zurück auf ihren Block und den dort doppelt unterstrichenen Namen wanderte. „Also... wenn unsere Theorie nicht stimmt... meine ich.“

„Wir werden sehen. Nun, stellen Sie bitte die nötigen Papiere zusammen und rufen Sie dann bei der Tante der Geschwister an. Ihr Name ist Charlotte Gent. Die Nummer steht in der Datenbank.“

„Wird gemacht!“ Und Toko verließ das Büro.



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