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Be my One and Only - 私の唯一無二になりなさい

**KageHina**
von

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Akt I: Part XIII - hero and savior III

 

 

„DU VERDAMMTER VOLLIDIOT!! WIE DUMM BIST DU EIGENTLICH!!“, Keishin war außer sich. Seit Minuten tobte er schon im Direktorzimmer umher, während Tobio stillschweigend neben ihm saß. Dass sein Bewährungshelfer explodieren würde, wusste er ja schon vorher, aber dass er so abdrehen würde, war selbst ihm neu. Seine bisherigen Wutausbrüche wirkten dagegen so harmlos wie ein Streit zwischen Kindergartenkindern.
 

„MENSCH TOBIO, WAS HAST DU DIR DABEI GEDACHT? ES HAT NICHT MAL EINEN MONAT GEDAUERT UND SCHON SCHLEPPST DU ÄRGER AN!!
 

Der Schwarzhaarige senkte seinen Blick und starrte seine Schuhe an. Ihm war nicht nach Streiten oder Argumentieren zu Mute. Es fehlte ihm die Kraft dazu – er war müde. Der Kampf hatte ihn einiges an Energie gekostet, zudem ihm alles wehtat. Ushijima hatte ein paar Mal heftig zugeschlagen. Seine Glieder schmerzten – besonders seine Seite und auch auf seinem Rücken spürte er ein starkes Pochen. Sein Kopf hingegen war leer. Ihm war im Moment alles egal. Sie würden ihm so oder so nicht zuhören. Sie verurteilten ihn jetzt schon, ohne zu wissen, was überhaupt geschehen war. Aber damit musste er schließlich rechnen.
 

Der olle Typ von Psychoheini hatte Recht behalten. Knirschend biss Tobio auf seine Unterlippe. Auf der einen Seite spürte er die Hilfslosigkeit, aber gleichzeitig die Wut, die in ihm aufstieg. Das Fass war endgültig voll. Während er weiterhin darüber nachdachte, ballten sich seine Hände zu Fäusten. Der Einzige, der momentan einen ruhigen Kopf zu behalten schien, war Herr Takeda. Der Vertrauenslehrer räusperte sich kurz, um Keishin von seinem Wutanfall abzuhalten.
 

„Tobio. Was ist geschehen…? Bitte rede mit uns. Du schweigst schon seit du hier bist.“
 

Die Direktorin der Schule saß ebenfalls ruhig auf ihrem Stuhl und widmete ihre volle Aufmerksamkeit dem Schwarzhaarigen, der immer noch schweigend vor ihnen saß. Der Konrektor, der ebenfalls der Anhörung beiwohnte, schnaubte.
 

„Ich hab es Ihnen von Anfang an gesagt, dass es eine schlechte Idee war einen Kriminellen an unsere Schule zu holen!“
 

„Herr Kyoutou, muss ich Sie daran erinnern, dass Wakatoshi Ushijima ebenfalls aus kriminellen Kreisen stammt? Und trotzdem haben wir auch ihm eine Chance gegeben! Also hüten Sie gefälligst Ihre vorlaute Zunge!!“, die Blondine sah den älteren Mann mit funkelnd grünen Augen an. Die eisige Aura, die die Direktorin ausstrahlte, ließ den Konrektor innerhalb von Sekunden verstummen. Nun widmete sie wieder ihre volle Aufmerksamkeit Tobio zu.
 

„Bitte Herr Kageyama, wenn Sie wissen, wie es dazu gekommen ist, dann sagen sie es uns. Wir können die Lage hier an unserer Schule nur verbessern, indem wir auch über die ganze Sache informiert werden.“
 

Der Angesprochene hingegen sah kurz auf, ehe er seinen Blick wieder senkte.
 

„Verzeihen Sie bitte, aber was genau wollen Sie überhaupt von mir? Sehen Sie sich mal um, dann wissen Sie was los ist…“, Tobios Worte kamen provozierend rüber, obwohl das nicht mal seine Absicht gewesen war.
 

„TOBIO!“, knurrte Keishin und verpasste dem Schwarzhaarigen einen Seitenhieb, woraufhin dieser sich erhob und sich verneigend entschuldigte.
 

„Tut mir leid, die Worte sollten nicht so rüberkommen…“, warum hatte er immer das Glück vom einen in das nächste Fettnäpfchen zu treten? Heute war definitiv nicht sein Tag.
 

„Schon gut, mein Junge. Du bist immer noch aufgebracht…“, Herr Takeda versuchte so gut es ging die Stimmung zu lockern.
 

Tobio atmete kurz aus und verschränkte schließlich die Arme vor seinem Oberkörper, als er wieder Platz nahm. Es würde eh nichts bringen, wenn er ihnen alles erzählen würde. Sie hatten doch ohnehin schon ihr Urteil über ihn gefällt. Er hatte Mist gebaut und dazu stand er auch!
 

„Wissen Sie Herr Kageyama, wir dulden hier keine Gewalt oder gar Unruhestifter. Eigentlich hatte ich Sie für einen ruhigen und zuvorkommenden jungen Mann gehalten. Aber das Bild, das Sie hier gerade präsentieren, gibt mir zu Denken.“, die Direktorin faltete ihre Hände zusammen, während sie weiterhin den Schwarzhaarigen genau im Blick hatte. Tobio wusste bereits was nun kommen würde. Stillschweigend ließ er alles über sich ergehen.
 

„Ums ehrlich auszudrücken – ich bin enttäuscht Tobio Kageyama. Noch nie habe ich mich in einem Menschen so geirrt! Es tut mir schon fast leid, dass ich leider diese Art von Konsequenz ziehen muss. Sie werden augenblicklich und mit sofortiger Wirkung der Schule verw-“
 

„NEIN, TUEN SIE DAS NICHT!!!“
 

Mit einem lauten Knall flog die Tür auf - dass sie in diesem Augenblick nicht aus den Ankern flog, grenzte an ein Wunder. Alle Augenpaare waren auf die Türschwelle gerichtet, in der ein kleiner Mann stand. Der Kopf war gesenkt. Er stützte sich mit beiden Armen am Türrahmen ab und sah schließlich auf. Tobio konnte seine Augen nicht trauen, als sich ihre Blicke trafen. Vor ihm stand der kleine Wuschelkopf, der mit seinen letzten Kräften versuchte, sich auf den Beinen zu halten. Sein Atem ging hektisch und seine Beine zitterten bereits. Er musste wohl das komplette Treppenhaus hochgerannt sein.
 

„Hinata…“, kam es Tobio flüsternd über die Lippen.
 

Bevor Shoyo das Wort an die Direktorin richten konnte, gaben seine Beine nach. Akaashi, der die ganze Zeit hinter ihm stand, kam ihm zur Hilfe und stützte den Orangehaarigen, indem er dessen Arm um seinen Nacken legte. Die Direktorin erhob sich daraufhin und sah die beiden jungen Männer verärgert an.
 

„Kann mir bitte einer von euch erklären, was hier los ist?! Langsam aber sicher verliere ich nun endgültig die Geduld!“
 

„Verzeihen Sie Frau Yamori, ich bin Keiji Akaashi von der 3 A und bin neben dem stellvertretenden Klassensprecher auch noch der aktuelle Schulsprecher dieser Schule.“
 

Tobio sah den Schwarzhaarigen verblüfft an. Er war Schulsprecher? Auf den ersten Blick wirkte der junge Mann eher ruhig und besonnen. Aber im Moment präsentierte er ein anderes Bild. Wollten sie ihm beide etwa helfen?
 

Shoyo schaffte es währenddessen sich wieder zu beruhigen und sah erneut auf. Nun erkannte er auch Keishin, der neben Kageyama saß. Warum war er anwesend? Er hatte doch gar nichts mit der Sache hier zu tun. Auch die Art und Weise, wie er mit dem Schwarzhaarigen umging. Auf einmal erinnerte der Orangehaarige sich wieder an die Begegnung mit Kira vor wenigen Monaten. Konnte das tatsächlich sein? War etwa Tobio Kageyama jener Insasse, um den der Blonde sich kümmern sollte? Seine braunen Augen weiteten sich bei dieser Erkenntnis. Dann war es im Moment umso wichtiger dem Schwarzhaarigen aus der Klemme zu helfen. Mit entschlossenem Blick funkelte er die Direktorin an.
 

„Frau Yamori, ich bin Shoyo Hinata, ebenfalls von der 3 A und ich sage Ihnen, dass Sie im Moment einen sehr großen Fehler begehen!“, wieder wanderten seine braunen Augen zu Kageyama rüber, der ihn immer noch fassungslos ansah. Unglaube spiegelte sich in dem meeresblauen Augenpaar wider. Keishin, der die Situation genau beobachtet hatte, sah zwischen seinem Schützling und Hinata hin und her. Die Direktorin nahm nun wieder auf ihrem Stuhl Platz und rieb sich seufzend die Schläfe.
 

„Nun denn, ich bin ganz Ohr. Wenn ihr schon, ohne Ankündigung mein Büro stürmt, dann will ich auch eine entsprechende Erklärung! Wenn Sie der Meinung sind, dass ich einen Fehler begehe, dann will auch schlagfertige Argumente Herr Hinata!“
 

Akaashi sah zu Shoyo runter, der ihm daraufhin zunickte. Gemeinsam traten sie an den Tisch heran. Keishin hatte sich in der Zwischenzeit erhoben und hatte einen weiteren Stuhl beigezogen, auf dem der Orangehaarige Platz nahm. Akaashi hingegen stellte sich genau hinter den Orangehaarigen. Alle Augenpaare waren nun erneut auf den Kleineren gerichtet. Er musste es ihnen sagen. Er musste Kageyama helfen – er war es dem Schwarzhaarigen schuldig.
 

Erst atmete der junge Mann tief ein und aus - dann begann Shoyo zu erzählen. Einfach alles, was die letzten Monate vorgefallen war. Wie Ushijima ihn mehrmals bedroht hatte, sogar auf Akaashi losgegangen war und warum Bokuto damals eingeschritten war. Wie er täglich unter den Schikanen zu leiden hatte und wie oft er mitbekommen hatte, dass er nicht Ushijimas einziges Opfer war. Und auch vom heutigen Tag, wo Ushijima ihn am Hals gepackt und beinahe gewürgt hatte. Einfach alles brach aus dem jungen Mann heraus. Es dauerte einige Minuten, wo es im Raum mucksmäuschenstill war. Jeder lauschte Hinatas Worten. Je mehr der junge Mann Preis gab, desto mehr zog sich Tobios Herz zusammen. Wie lange war dieser kleine Kerl bloß diesem Tyrannen ausgesetzt gewesen? Wut stieg wieder in ihm auf, versuchte sie jedoch, so gut es ging, zurückzuhalten.
 

„Wollen Sie ernsthaft jemanden dafür bestrafen, der Zivilcourage bewiesen hat?“
 

Allein, als Hinata diese Worte sprach, vernahm Tobio eine angenehme Wärme in sich aufsteigen. Sein Herz begann augenblicklich schneller zu schlagen.
 

„Er hat mich gerettet!“
 

Es fühlte sich an wie ein Mantra, das durch seine Gedanken jagte. Dass sich der kleine Kerl so sehr für ihn einsetzte – es wirkte surreal. Tobio konnte einfach nicht glauben, dass sich tatsächlich jemand um ihn schert. Dass jemand ihm zur Hilfe kam. Ungläubig beobachtete er den Orangehaarigen weiterhin dabei, wie dieser die ganze Zeit ein Argument nach dem anderen lieferte. Seine Entschlossenheit war bis zu dem Schwarzhaarigen spürbar. So kannte er den sonst so schüchternen und zurückhaltenden Hinata nicht.
 

Selbst Keishin war kreidebleich und warf einen seitlichen Blick auf Tobio. Dass sein Schützling eine solche Heldentat begangen hat, war ihm nicht bewusst gewesen. Er hatte den Jüngeren zu Unrecht beschuldigt. Aber warum hatte er dann geschwiegen? Warum hatte er sich nicht verteidigt?
 

Nachdem Shoyo seine Sichtweise erklärt hatte, trat wieder Stille ein. Die Direktorin stützte ihren Kopf auf ihrem Handrücken ab. Der Konrektor hingegen war außer sich.
 

„Sehen Sie es jetzt ein? Es war ein großer Fehler einen Kriminellen auf unsere Schule zu holen. Er hat unsere gesamte Schülerschaft in Angst und Schrecken versetzt! Nicht auszudenken was geschehen wäre, wenn Herr Kageyama nicht zur rechten Zeit da gewesen wäre!“, der ältere Mann blickte in Tobios Richtung.
 

„Junge, was dich anbelangt, habe ich mich geirrt. Es tut mir leid“, nach diesen Worten verneigte sich der Konrektor vor dem jungen Mann, der seine Augen nicht trauen konnte.
 

Tobios Augen wanderten zu Hinata rüber, der ihm ein kurzes Lächeln schenkte. Der Schwarzhaarige wusste nicht, wie er sich in diesem Moment fühlen sollte. Er war glücklich – das erste Mal seit wirklich langem. Die Direktorin tat es dem Konrektor daraufhin gleich und teilte unter anderem mit, dass den Schwarzhaarigen unter diesen Umständen keine Strafe zu erwarten hatte. Sie bedankte sich sogar bei dem jungen Mann. Tobio konnte es immer noch nicht glauben – gar begreifen. Mit so einer Reaktion hatte er nicht gerechnet.
 

Um die ganze Angelegenheit nun endgültig zum Ende zu bringen, bat Frau Yamori darum, dass nur sie, der Konrektor, Akaashi, Herr Takeda und Keishin weiterhin dem Gespräch beiwohnen sollten. Da Tobio immer noch schwer verletzt war, wurde Hinata darum gebeten ihn nebenan ins Krankenzimmer zu bringen, wo man seine Wunden versorgen konnte. Schweigend verließen sie daraufhin das Büro und peilten das Krankenzimmer an, das sich wenige Meter neben dem Direktorzimmer befand.
 


 


 


 


 


 

Stille. Anders konnte man die Atmosphäre zwischen den Beiden nicht definieren. Shoyo lief langsam neben dem Schwarzhaarigen her und stützte sich an der Wand ab. Die kurze Pause im Direktorzimmer hatte ihm sehr gutgetan – zumindest konnte er wieder allein laufen. Als sie das Zimmer erreicht hatten, mussten sie feststellen, dass kein Personal da war. Sie waren allein. Der Orangehaarige lief auf geradem Weg auf den Medizinschrank zu und nahm Salbe und Verband hervor. Sein eigener Gesundheitszustand war ihm in diesem Moment egal. Seine Wunden wurden bereits versorgt und er hatte auch schon Schmerztabletten eingenommen. Seine Priorität galt dem Größeren hinter ihm. Anhand dessen Mimik mussten die Schmerzen heftig sein. Die ganze Zeit über musste er diese wohl verborgen haben. Bei dem Gedanken musste Shoyo den Kopf schütteln – er war ja in dieser Hinsicht nicht anders. Sie waren sich in einigen Dingen sehr ähnlich.
 

Tobio nahm währenddessen auf der Liege Platz und beobachtete den Kleineren bei seinem Werk. Als Hinata alles zusammen hatte, trat er an den Größeren heran. Nachdem er die Utensilien auf einem kleinen Tisch, der neben der Liege stand, abgelegt hatte, wand er sich wieder Kageyama zu.
 

„Du musst-“, kurz wand der Kleinere den Blick ab und wand sich der Salbe zu. Er konnte dem Schwarzhaarigen nicht in die Augen sehen. Zu sehr fühlte er sich von diesem beobachtet.
 

„-dich obenrum frei machen. Sonst komme ich nicht an deine Verletzungen dran.“
 

Der Ältere hob fragend eine Augenbraue und musterte sein Gegenüber. Er wollte ihn medizinisch versorgen? Sich um ihn kümmern? Der Orangehaarige wirkte so nervös. Er wich sogar seinen Blicken aus. Hatte er etwa immer noch Angst vor ihm? Bestätigend nickend kam der Größere der Aufforderung nach und zog erst den schwarzen Gakuran und danach sein blutgetränktes Hemd aus. Nach und nach zeigten sich die Schürfwunden und Prellungen. Nachdem sich Tobio obenrum freigemacht hatte, drehte er sich zur Seite.
 

Shoyo nahm daraufhin neben dem Schwarzhaarigen Platz und wand sich dessen Rücken zu. Zart fuhr er mit seinen Fingerkuppen über die gereizte Haut. Er musste zugeben, dass der Schwarzhaarige vor ihm eine wunderschöne Haut besaß. Sie war so schön weich und wies keinerlei Unreinheiten auf. Er musste wohl sehr auf seine Gesundheit achten. Auch die Muskeln, die sich unter der Haut abzeichneten, konnten sich sehen lassen. Trainierte er etwa auch noch? Kopfschüttelnd versuchte Shoyo diese irreführenden Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen. Er musste sich konzentrieren. Zögerlich öffnete der Kleinere die Tube und tauchte den Mittel- und Zeigefinger ein. Sie zitterten. Tief ein und ausatmend wand er sich wieder dem breiten Rücken zu.
 

„Es kann ein bisschen brennen…“, die Worte waren leise. Fast schon zu leise, sodass es dem Schwarzhaarigen schwerfiel diese genau zu verstehen.
 

„Ngh!“, kurz darauf spürte Tobio einen brennenden Schmerz. Zischend biss er sich auf die Zähne. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Seine Haut fühlte sich an, als ob sie in Flammen stehen würde. Bis eben hatte er nicht einmal seine Schmerzen gemerkt, was auch daran lag, dass das Adrenalin ihn gepusht hatte. Aber nun kamen das Ausmaß seiner Verletzungen zum Vorschein. Immer wieder zuckte er aufgrund der Berührungen zusammen. Er hasste es in diesem Augenblick Schwäche zu zeigen – dann ausgerechnet noch vor dem kleinen Kerl, der selbst am Ende seiner Kräfte war.
 

Dem Orangehaarigen blieb währenddessen die Reaktion des Älteren nicht verborgen. Aber dennoch fuhr er weiter fort. Immer wieder vollzog er die selben sorgfältigen Einreibemethoden. Shoyo wusste, wie er diese Art von Schmerzsalbe zu verwenden hatte, schließlich hatte er diese bei seiner Schwester oft genug zum Einsatz bringen müssen. Natsu war ein kleiner Tollpatsch, genauso wie er eigentlich. Es vergingen mehrere Minuten, wo sie beieinandersaßen. Je öfters Shoyo die Salbe auf die Haut einmassierte, desto mehr ließ der Schmerz schließlich nach.
 

Tobio spürte, wie ein angenehmer Schauer seinen Rücken hinunterlief. Er genoss die Berührungen, die ihm zuteilwurden. Diese Art von Fürsorge hatte er schon lange nicht mehr erhalten. Wie diese schmalen Finger vorsichtig über seine Haut wanderten. Dass diese Fürsorge ausgerechnet von Hinata ausging, machte den Moment besonders – schon fast unvergesslich. Kurz schloss Tobio seine Augen. Es fühlte sich so wunderbar an. Er wusste schon gar nicht mehr, wie lange es her war, dass er sich so fallen lassen konnte. Auch wenn diese Berührungen aktuell eher aus medizinscher Sicht veranlasst waren, sie waren Balsam für seine Seele.
 

„Du hast da einen Kratzer. Er ist nicht tief – aber dennoch würde ich ihn gerade mitversorgen. Aber nur, wenn es in Ordnung für dich ist.“, plötzlich spürte Tobio, wie die selben Finger vorsichtig über seine linke Wange strichen.
 

Als ob der Ältere aus einer Trance erwacht wäre, öffnete er seine Augen und blickte in diesem Moment genau in die Seelenspiegel seines Gegenübers. Diese goldbraunen Augen zogen ihn regelrecht in den Bann. Tobio konnte seinen Blick nicht abwenden – zu sehr fühlte er sich magisch angezogen. Er war unfähig etwas zu sagen. Mehr als ein Nicken konnte er nicht hervorbringen.
 

„Okay…“, Shoyo lächelte den Älteren daraufhin an, ehe er erneut seine Finger in die Salbe tauchte und danach über die besagte Stelle strich.
 

Es tat nicht weh – im Gegenteil. Ein angenehmes Kribbeln breitete sich auf Tobios Haut aus. Ungläubig behielt er Hinata genau im Auge. Langsam ließ er seinen Blick über den Kleinen schweifen. Er war ihm so nah, sodass er zum ersten Mal dessen Präsenz spüren konnte. Der Orangehaarige wirkte so zierlich – er besaß keine weit ausgeprägten Muskeln. Aber dennoch fand er, dass Hinata ein gutaussehender junger Mann war. Vor allem die Brille passte perfekt zu ihm. Er ließ seinen Blick weiterwandern. Dann bemerkte er dessen bandagierte Hand, die die Tube festhielt. Tobio konnte sich nicht erinnern, dass der Orangehaarige an der Hand verletzt wurde. Oder hatte er etwas übersehen?
 

Nachdem Shoyo die medizinische Versorgung beendet hatte, verstaute er die Utensilien wieder im Schrank. Dann trat er an die Liege heran und blieb vor dieser stehen. Nervös begann er daraufhin mit seinen Fingern zu spielen. Wie sollte es nun weitergehen? Sie waren immer noch allein im Raum.
 

Tobio zog sich währenddessen wieder sein Hemd an - den Gakuran verstaute er in seiner Hängetasche. Als er alles zusammengepackt hatte, sah er wieder zu dem Orangehaarigen auf, der immer noch an Ort und Stelle stand.
 

Sie sahen sich eine Weile lang an, ehe Shoyo sich langsam wieder neben dem Älteren auf der Liege niederließ. Nun saßen sie da – wie bestellt und nicht abgeholt. Die Sonne ging bereits unter. Die letzten Sonnenstrahlen schienen durch das Fenster, das sich hinter ihnen befand und tauchte alles in ein tiefes Orangerot.
 

Tobio warf einen seitlichen Blick auf seinen Nachbarn und wand sich wieder der bandagierten Hand zu.
 

„Stammt diese Verletzung etwa auch von Ushijima?“
 

Auf die Frage hin hob Shoyo seinen Kopf und wand seine Aufmerksamkeit dem Schwarzhaarigen zu, der auf seine rechte Hand deutete.
 

„Ach so das… nun… nein“, vorsichtig legte Shoyo seine linke Hand um sein rechtes Handgelenk. Ein zärtliches Lächeln zierte seine Lippen.
 

„Ist mir gestern auf der Arbeit passiert. Yachi hatte zuvor heißes Wasser für einen Kunden zubereitet und ich Tollpatsch bin mit vollem Tablett gestolpert und hab mir versehentlich den Inhalt übergekippt. Aber das-“, weiter kam der Kleinere mit seiner Erklärung nicht, denn während er in seinen Erzählungen vertieft war, hatte der Schwarzhaarige nach seinem Handgelenk gegriffen.
 

„Ja, ich höre?“ vorsichtig fuhr Tobio mit seinen Fingerkuppen über die Bandagen. Seine Stimme klang ruhig. Die Berührungen waren zärtlich und von vorsichtiger Natur. Dennoch konnte Hinata diese genau spüren. Ein Kribbeln breitete sich in seiner Magengegend aus. Dann sahen sie wieder einander tief in die Augen. Ein schwerer Klos bildete sich in Shoyos Hals.
 

„Aber… das ist nicht schlimm, dass wollte ich noch sagen…“, stotterte Shoyo leise und wich den Blicken des Größeren aus. Er fühlte sich seltsam. Eine angenehme Wärme breitete sich zusätzlich in seinem Innern aus. Außerdem hatte er das Gefühl, dass sein Puls sich beschleunigt hatte. Ehe der Kleinere weiter darüber nachdenken konnte, folgte plötzlich ein Klopfen an der Tür.
 

„Grufti, können wir los?“, Keishins Stimme drang durch die Tür, woraufhin der Angesprochene zusammenschreckte. Warum ausgerechnet jetzt? Die Stimmung war doch gerade so gut! Wutentbrannt erhob sich der Schwarzhaarige und funkelte die Tür an.
 

„Ja, ich komme! Aber warte gefälligst draußen!“
 

„Mach hinne! Ma hat bereits das Essen auf dem Herd stehen!“
 

„JA DOCH!“
 

Shoyo musste daraufhin kichern und erhob sich ebenfalls von der Liege. Gemeinsam schritten sie wenige Sekunden später durch das Schulgebäude. Keishin lief voraus, während Tobio schweigend neben dem Orangehaarigen herlief. Kurz warf er Hinata einen seitlichen Blick zu.
 

„Danke…“, hauchte er leise.
 

„Hm?“, fragend sah Shoyo auf.
 

„Dass du mir geholfen und meine Wunde versorgt hast...“, beschämt wand Tobio den Blick ab. Er spürte wie eine leichte Röte seine Wangen zierte. Shoyo hingegen kicherte leise.
 

„Ach was. Das hätte doch jeder getan.“
 

„Nein… heutzutage ist es leider nicht mehr so selbstverständlich… Zumindest nicht für meinesgleichen…“, in Tobios Stimme lag etwas Trauriges. Auf die Worte hin hielt der Orangehaarige inne.
 

Gedankenversunken sah Shoyo zu Keishin, der weiterhin vor ihnen lief. Dann wand er sich wieder Kageyama zu. Er erinnerte sich. Der Kleinere hatte ganz vergessen, welche Erkenntnis er heute über den Größeren erlangt hatte. Er wusste, worauf Kageyamas Worte deuteten. Für einen Bewährten ist es in der heutigen Gesellschaft schwierig wieder einen festen Stand zu bekommen. Schnell wurden diese vorverurteilt. Aber warum hatte der Schwarzhaarige der Direktorin nicht von Anfang an gesagt, was vorgefallen war? Laut ihren Aussagen hatte er wohl geschwiegen und alles stillschweigend ertragen. Shoyos Herz zog sich daraufhin schmerzlich zusammen. Hatte Kageyama etwa zu früh aufgegeben?
 

Traurig sahen die braunen Augen dem Größeren nach, der gerade zusammen mit Keishin das Schultor ansteuerte. Sie hatten das Gebäude bereits verlassen. Es kam schleichend, doch zu gern wollte Shoyo wissen, was Kageyama widerfahren war. Die Beschreibung, die Kira ihm damals mitgeteilt hatte, passten tatsächlich nicht zu einem Schwerkriminellen. Alle Handlungen des Schwarzhaarigen waren von positiver Natur. Von ihm ging keine Gefahr aus und das hatte er ihm schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen bewiesen. Dieser Riese hatte es doch tatsächlich geschafft sein Interesse zu wecken.
 

„Brüderchen~“, auf die Worte hin drehte sich Shoyo nach links und sah ein kleines Mädchen auf ihn zu rennen. Bevor der Orangehaarige reagieren konnte, wurde er in eine tiefe Umarmung gezogen.
 

„Natsu?! Was?!“, nun war der Schmerz wieder da.
 

„Natsu nicht doch. Shoyo ist immer noch verletzt und du erdrückst ihn!“, aus der selben Richtung kam Yachi auf die Beiden zugelaufen. Das orangehaarige Mädchen jedoch fing bitterlich an zu weinen.
 

„Was haben sie bloß mit dir gemacht Shoyo…“, schluchzend krallte sich das junge Mädchen in der Schuluniform fest. Sie zitterte am ganzen Körper und ihre Stimme brach. Der Angesprochene hingegen erwiderte schließlich unter Schmerzen die Umarmung.
 

„Sht ist alles gut, mir ist nichts passiert. So schnell haut mich nichts um, das weißt du doch~“
 

„Ich hatte solche Angst um dich, Brüderchen.“
 

Tobio war zwischenzeitlich stehen geblieben und sah sich das Szenario aus der Ferne an. Es war ein beruhigendes Bild. Hinata war nicht allein. Er hatte Freunde und eine Familie. Ein trauriges Lächeln zierte seine Lippen, ehe er seine Hände in die Hosentasche steckte. Keishin, der dicht hinter ihm stand, legte seine Hand auf dessen Schulter ab, woraufhin Tobio hinter sich sah. Mit einer Kopfbewegung dirigierte der Blondhaarige Richtung Auto. Gemeinsam machten sich die Beiden auf den Weg. Sie waren fast am Auto angekommen, als sie einen lauten Schrei hörten.
 

„KAGEYAMA!!!“
 

Der Angesprochene hielt in seiner Bewegung inne. Er erkannte bereits diese wunderschöne Stimme, auch wenn diese aktuell anders klang. Vorsichtig drehte sich der Ältere um und sah Hinata in der Ferne vor sich stehen. Der Kleinere hatte seine Hände gegen seine Knie gestemmt. Schwer atmend sah der Orangehaarige auf. Wieder herrschte diese Stille zwischen ihnen. Erneut waren ihre Augenpaare aufeinander gerichtet. Blau traf auf Goldbraun. Die Zeit stand still, für Beide.
 

„Ich wollte-“, ein leises Schluchzen unterbrach Hinatas Worte. Kurz hielt der Kleinere inne, ehe er weiter fortfuhr. Tobios Augen weiteten sich, als er sah, wie sich Hinatas Augen mit Tränen füllten.
 

„Ich wollte mich bedanken… einfach für alles...“, seine Hände zitterten erneut. Dicke Tränen kullerten seine Wangen hinunter. Shoyo rang um Fassung. Er hätte es beinahe vergessen. Beinahe hätte er vergessen seinem Retter zu danken. Er selbst hatte den „Dank“ bereits einkassiert, dabei war dies doch nicht der Rede wert gewesen. Kageyamas Heldentat war größer. Seine Tat hatte ihn zutiefst berührt.
 

„Ich…“, nun begann sein ganzer Körper zu beben. Tobio stand immer noch fassungslos dar. Seine Augen leuchteten auf, während er den kleinen Kerl vor sich ansah. Inzwischen fing der Jüngere an zu weinen.
 

„Ich danke dir…“, Shoyo sank schließlich zu Boden. Seine Fingernägel bohrten sich in seine Oberarme. Knirschend biss der Orangehaarige seine Zähne aufeinander, ehe er erneut aufschrie:
 

„DANKE, DAS DU MICH GERETTET HAST!!!!“, sein Schrei war laut und von so vielen unterschiedlichen Facetten an Emotionen geprägt. Tobio lief es eiskalt den Rücken hinunter– Keishin stand ebenfalls fassungslos hinter seinem Schützling.
 

Nach diesen Worten verneigte sich Shoyo vor dem Schwarzhaarigen. Seine Stirn berührte bereits den Boden. Immer noch kullerten seine Tränen seine Wangen hinunter -er ließ seinen Emotionen nun endgültig freien Lauf. Bitterlich weinend krümmte er am Boden.
 

Tobio stand einfach nur da. In diesem Moment stand immer noch die Zeit für ihn still. Er wusste nicht, wie er reagieren sollte. Sollte er ihn trösten? Ihm aufhelfen? Jedoch hielt ihn etwas zurück. Er sollte den Kleineren erst mal zur Ruhe kommen lassen – nach allem Abstand zwischen sie bringen. Yachi hatte sich inzwischen zu dem Orangehaarigen dazugesellt. Sie legte ihre Arme um Hinata und zog ihn zu sich. Behutsam streichelte die Jüngere über dessen Rücken und versuchte ihn so zu beruhigen. Kurz sah die Blondine auf, woraufhin sie Tobio dankend zunickte. Hinter ihr erschien auch Natsu, die sich ebenfalls an ihren Bruder schmiegte. Das Bild, das sich vor dem Schwarzhaarigen präsentierte, hatte etwas nostalgisches an sich. Familie – Freunde. Nähe und Geborgenheit. Alles, was Tobio leider nicht mehr besaß. Aber vergangenem hinterhertrauern, brachte ihn nicht weiter. Er musste weiter seinen Weg gehen – das Vergangene nun endgültig hinter sich lassen.
 

Ein zärtliches Lächeln zierte Tobios Lippen, woraufhin er ihnen den Rücken zuwand und sich von der kleinen Gruppe entfernte. Er lief der untergegangenen Sonne entgegen. Der Horizont verblaste bereits in einem hellblauen Ton und die ersten Sterne schmückten die Dämmerung. Mit jedem Schritt wurde ihm mehr und mehr bewusst, was das alles zu bedeuten hatte.
 

Es war ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Seine Tat hatte Menschen berührt. Sie hatten ihn berührt bis tief in sein Herz. Seine Hand wanderte zu seinem Brustkorb. Ab heute wurden neue Grundmauern gelegt, die nun nach und nach erweitert werden würden. Tobios Blick war starr geradeaus gerichtet.
 


 

Der heutige Tag hatte seinen neuen Weg eingeläutet.
 


 


 

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Yuna_musume_satan
2021-11-07T22:41:24+00:00 07.11.2021 23:41
OMG sooooo viel Emotionen in ein Kapitel ich bin so geflasht ich kann einfach nicht warten bis zum nächsten Kapitel
Antwort von:  Mina_Tara
28.11.2021 12:32
Vielen Dank. Es freut mich zu hören, dass die Emotionen auch so rübergekommen sind, wie ich sie mir vorgestellt habe :)


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